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SEISMIK/050: Erdbebendarstellung binnen Minuten (Portal - Uni Potsdam)


Portal - Die Potsdamer Universitätszeitung 7-9/2008

Erdbebendarstellung binnen Minuten
Geophysiker der Uni Potsdam liefern Analysen großer Beben

Von Petra Görlich


Als am 26. Dezember 2004 ein Tsunami in weiten Teilen Asiens schlimmste Verwüstungen anrichtete, war dies für die Geophysiker der Universität Potsdam Anlass, sich verstärkt mit der Analyse großer Erdbeben zu beschäftigen. Inzwischen können Dr. Dirk Rößler, Dr. Frank Krüger und Dr. Mathias Ohrnberger, die bei ihrer Arbeit von Studierenden unterstützt werden, Erfolge vermelden. Sind sie doch in der Lage, innerhalb kürzester Zeit den direkten Verlauf der Bruchfront, ihre Länge und Ausbreitungsdauer zu bestimmen. Bei dem Projekt zur "Bruchabbildung mittels teleseismischer Arrays in Echtzeitanwendung" handelt es sich um ein Vorhaben, das eingebunden ist in die seit Jahren verfolgte Entwicklung eines Deutsch-Indonesischen Tsunami-Frühwarnsystems. Daran beteiligt sind allein neun renommierte Forschungseinrichtungen der Bundesrepublik. Mit dabei ist das Helmholtz-Zentrum Potsdam - Deutsches GeoForschungsZentrum (GFZ), dem die Uni-Wissenschaftler zuarbeiten und das deren Forschung finanziert.


Rößler und seine Kollegen nutzen für ihre Arbeit seismologische Breitband-Daten von weltweiten Erdbebenstationen in 30 bis 100 Grad Entfernung vom Epizentrum. Ganz ohne Risiko ist das nicht, denn Messstationen, die nahe am Erdbeben sind, unterliegen der Gefahr, beschädigt zu werden. Auch die Überlagerung vieler Wellen erschwert mitunter die Auswertung der oft komplizierten Seismogramme. Dennoch, das globale Stationsnetz ist funktionstüchtig. Die Wissenschaftler der Uni Potsdam bekommen dessen Daten übrigens nicht auf direktem Wege, sondern vom Helmholtz Zentrum, und zwar in Echtzeit. Von Bedeutung ist letzteres, weil die Uni-Leute damit sofort nach Registrierung des Bebens ihre Berechnungen automatisch starten können. Damit diese tatsächlich schnell erfolgen, wurde 2006 im Institut für Geowissenschaften ein hochleistungsfähiger Rechner angeschafft, der parallel rechnen kann. Nachdem mit ihm in einer Probephase zunächst ausschließlich früher stattgefundene Ereignisse nachprozessiert wurden, ist es nun seit wenigen Wochen möglich, in Echtzeit zu arbeiten. "Echtzeit heißt für uns, dass wir innerhalb von 20 Minuten nach Auftreten des Bebens dieses auch abbilden", so Rößler. Für die Tsunamifrühwarnung ist diese kurze Zeit immens wichtig. Experten gehen davon aus, dass Tsunamis je nach Ort des Entstehens etwa 20 Minuten bis einige Stunden benötigen, um an den gefährdeten Küsten aufzuschlagen. "Uns bleibt also in der Regel nur wenig Zeit zum Rechnen", so Rößler.

Die Geowissenschaftler modifizieren dabei ein übliches Verfahren der Arrayseismologie. Dieses nutzt Gruppen von Seismometern (Arrays), um mittels der Laufzeitunterschiede zwischen den Stationen zu ermitteln, aus welcher Richtung die Energie des Bebens kommt und wann sie freigesetzt wurde. Konkret definiert das Uni-Team über Geschwindigkeiten, die für seismische Wellen genau bekannt sind, Zeitfenster auf den Seismogrammen. Innerhalb der Zeitfenster werden die Wellenformen verglichen. Gibt es eine hohe Ähnlichkeit der Seismogramme, zeigt dies den genauen Ort der Energiefreisetzung an. Damit ein guter Überblick über das Geschehen heraus kommt, wird die Prozedur für viele verschiedene Zeitschritte wiederholt. Am Ende geben dann Karten darüber Auskunft, ob und wann genau dieser oder jener Ort vom Erdbeben betroffen ist oder nicht.

Künftig sollen diese Karten nun samt der ihnen zugrunde liegenden Daten dem Deutschen GeoForschungsZentrum und weiteren an der Entwicklung des Tsunamifrühwarnsystems beteiligten Einrichtungen zur Verfügung gestellt werden. Wichtig ist das auch für diejenigen der dortigen Mitarbeiter, die Modelle dazu erstellen, wie sich der Ozeanboden gehoben oder gesenkt hat und wie sich dann ein eventueller Tsunami ausbreitet. Sie vergleichen die Ergebnisse der Uni-Mitarbeiter mit zuvor erstellten Annahmen über die Entstehung von Tsunamis und entscheiden sich letztlich für ein Modell, das den Angaben über das Erdbeben am ähnlichsten ist.

Dass die Potsdamer Geowissenschaftler, die über das Projekt hinaus nicht nur die Region um Indonesien im Blick haben, auch in Zukunft gefordert sein werden, um große Erdbeben schnell zeitlich und räumlich zuzuordnen, scheint sicher. Denn unsere Erde ist in ständiger Bewegung. Große Beben mit einer Magnitude von 7 bis 8 finden zum Glück jedoch eher selten statt. Fachleute registrieren ein solches Ereignis wie das in China letzten Monats nur wenige Male im Jahr. "Drohen Tsunamis im Indischen Ozean", so Rößler, "wollen wir dann dazu beitragen, mit hoher Wahrscheinlichkeit zu sagen, wo Gefahr für Mensch und Gesellschaft besteht".


Mehr zum Projekt können Interessierte im Internet unter
www.geo.uni-potsdam.de/Forschung/Geophysik/GITEWS/tsunami.htm
nachlesen.

Automatischer Erdbebenmonitor auf:
http://geofon.gfz-potsdam.de/geofon//seismon/globmon.html


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Quelle:
Portal - Die Potsdamer Universitätszeitung Nr. 7-9/2008, Seite 20-21
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veröffentlicht im Schattenblick zum 1. August 2008