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VULKANISMUS/030: Tunnel unter Nordwest-Afrika (idw)


Leibniz-Institut für Meereswissenschaften, Kiel - 25.03.2009

Tunnel unter Nordwest-Afrika

Kieler Meeresgeologen untersuchen Vulkanismus im Atlas-Gebirge


Vulkangesteine aus dem Atlas-Gebirge in Nordwest-Afrika gaben einem Team von Forschern des Leibniz-Instituts für Meereswissenschaften (IFM-GEOMAR) aus Kiel zunächst ein Rätsel auf. Neue Analysen zeigten, dass der "chemische Fingerabdruck" dieser Gesteine denen der Vulkane der Kanarischen Inseln sehr ähnlich ist. Jetzt haben die Forscher eine Erklärung gefunden: die Vulkane wurden über eine Art "Tunnel" an der Unterseite der nordwestafrikanischen Platte von den Kanaren aus gespeist. Die Studie erschien kürzlich in der internationalen Fachzeitschrift Geology.

Es ist seit einigen Jahren bekannt, dass die vulkanische Entstehung des kanarischen Archipels mit einem sogenannten Hotspot zusammenhängt. Dabei strömt im Erdinnern Material aus bis zu 2900 Kilometern Tiefe auf und schmilzt dann im flachen Erdmantel in rund 60 bis 120 Kilometern Tiefe. Die dabei entstehenden Magmen streben zur Erdoberfläche und speisen die Vulkane der Kanarischen Inseln. Seit rund 70 Millionen Jahren ist der Kanaren-Hotspot aktiv und hat im Atlantischen Ozean eine rund 700 Kilometer lange Spur von vulkanischen Unterwasserbergen und Inseln hinterlassen (siehe Abb. 1). Derzeit steht das aktive Zentrum des Hotspots unter dem westlichen Teil des Archipels.

Auch im nordwestafrikanischen Atlas-Gebirge, etwa 1000 Kilometer von den Kanaren entfernt, gibt es Vulkangesteine. Die Ergebnisse der Gesteinsanalysen zeigten ein verblüffendes Ergebnis: der chemische Fingerabdruck dieser ähnlich alten Gesteine ist mit denen der Kanaren vergleichbar. "Dabei wissen wir, dass der kanarische Hotspot an Afrika ,vorbeigefahren' ist", erläutert der Erstautor der Studie, Dr. Svend Duggen vom IFM-GEOMAR. "Unsere Ergebnisse zeigen, dass die Gesteine aus dem Atlas-Gebirge dennoch aus sehr ähnlichem Material aus dem oberen Erdmantel stammen", so Duggen weiter.

Die Lösung des Rätsels sei eine Art Tunnel, ein Korridor unter Nordwest-Afrika, argumentieren die Forscher in ihrem jüngst in der renommierten Fachzeitschrift Geology erschienenen Artikel. "Einige geophysikalische Studien hatten bereits gezeigt, dass die Untergrenze der Platte unter dem nordwest-afrikanischen Atlas-Gebirge anomal dünn ist. Die Untergrenze liegt dort in nur rund 75 Kilometer Tiefe, statt der sonst durchschnittlichen 150 Kilometer. Setzen wir die Informationen zusammen, handelt es sich räumlich betrachtet um eine Art Korridor an der Unterseite der nordwest-afrikanischen Platte", beschreibt Dr. Duggen. Der Korridor ist rund 1000 Kilometer lang und 250 Kilometer breit. Der westliche "Tunneleingang" liegt in der Nähe der Kanarischen Inseln, wo Material aus dem tiefen Erdmantel aufquillt. Ein Teil davon wird der neuen Studie zufolge abgelenkt, strömt in den Korridor unter dem Atlas-Gebirge ein und schmilzt mancherorts auf. Über viele Millionen Jahre hinweg hat das aufquellende Erdmantel-Material des weit entfernten Kanaren-Hotspots auf diese Weise Vulkane auf dem nordwest-afrikanischen Kontinent mit Magma speisen können. Die Studie liefert somit wichtige neue Erkenntnisse zu Fließbewegungen im oberen Erdmantel und zur Ursache der Entstehung von Vulkanen auf Kontinenten, die weit entfernt von Plattengrenzen oder sogenannten Hotspots liegen. "Die Quelle der Vulkane in Nordwest-Afrika liegt also "Jenseits von Afrika" im Atlantischen Ozean", bemerkt IFM-GEOMAR-Forscher Duggen schmunzelnd mit Hinweis auf das berühmte Buch von Karen Blixen.

Originalarbeit
Duggen S., Hoernle K.A., Hauff F., Klügel A., Bouabdellah M., and Thirlwall M.F., 2009: Flow of Canary mantle plume material through a subcontinental lithospheric corridor beneath Africa to the Mediterranean. Geology, 37 (3), 283-286.

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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Leibniz-Institut für Meereswissenschaften, Kiel,
Dr. Andreas Villwock, 25.03.2009
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 28. März 2009