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FORSCHUNG/459: Schrumpfen oder Ausdehnen - Wie reagiert Eisdecke in der Ostantarktis unter wärmerem Klima? (idw)


MARUM - Zentrum für Marine Umweltwissenschaften an der Universität Bremen - 22.12.2017

Schrumpfen oder Ausdehnen - Wie reagiert Eisdecke in der Ostantarktis unter wärmerem Klima?

Internationale Expedition untersucht, wie sich das antarktische Eisschild im Lauf von Tausenden bis Millionen von Jahren verändert hat


Ein Team des internationalen Forschungsprojekts MAGIC-DML ("Mapping, Measuring and Modeling Antarctic Geomorphology and Ice Change in Dronning Maud Land") ist im Dezember in die Antarktis aufgebrochen. Ziel ist es herauszufinden, wie sich das Volumen des Eisschildes verändert hat und künftig verändern wird. Die Modelle dafür werden unter der Leitung von Dr. Irina Rogozhina am MARUM - Zentrum für Marine Umweltwissenschaften der Universität Bremen anhand von aktuellen Proben und Satellitendaten berechnet. An dem internationalen Projekt sind Partner aus Schweden, Norwegen, Großbritannien, den USA und Deutschland beteiligt.


Bild: © Jennifer Newall

In der Ostantarktis nehmen die Wissenschaftler Proben an den so genannten Nunataks. Das Team ist jetzt, nach einer Expedition im Februar 2017, zum zweiten Mal in Dronning Maud Land.
Bild: © Jennifer Newall

Dronning Maud Land in der Antarktis ist fast vollständig vom Eisschild der Ostantarktis bedeckt. Dass sich das Volumen des Eisschilds seit der letzten Eiszeit hier verringert hat, haben Forschende bereits bestätigt. Dennoch gehört Dronning Maud Land zu den am wenigsten untersuchten Gebieten in der Antarktis.

Unterhalb des Eisschilds liegt eine Landschaft aus Hügeln, Tälern, Bergen und Ebenen, ähnlich wie auf anderen Kontinenten. Wenn die Eisdecke schrumpft, wird diese Landschaft allmählich freigelegt. Zuerst ragen die Gipfel der höchsten Berge heraus, die sogenannten Nunataks. Nunataks enthalten viele Informationen, die zeigen können, wie dick der Eisschild zu verschiedenen Zeitpunkten der Vergangenheit war, als das globale Klima kälter als heute war, und wie stark er bis heute abgenommen hat.

Nunataks haben auch einzigartige Informationen darüber aufgezeichnet, wie sich die ostantarktische Eisoberfläche während vergangener Warmzeiten verändert hat, zum Beispiel während der Warmzeit im mittleren Pliozän vor etwa drei Millionen Jahren. In dieser Zeit wurden kontinentale Teile des Eisschilds in der Ostantarktis stärker beschneit und waren dicker als heute. Diese Informationen sind vor dem Hintergrund des anhaltenden Klimawandels und seiner möglichen Auswirkungen auf den Eisschild der Ostantarktis von besonderer Bedeutung.

"Es ist sehr wichtig zu verstehen, wie das Eis dünner geworden ist, um zu verstehen, wie sich die gesamte Eisdecke auf lange Sicht verändern kann. Wir wissen sehr wenig darüber, wenn es um Dronning Maud Land geht", sagt Arjen Stroeven, Professor für Physikalische Geographie an der Universität Stockholm und Expeditionsleiter des Projekts.

Die Erde wird ständig von kosmischer Strahlung bombardiert, die aus extrem energiereichen Teilchen aus dem Weltraum besteht. Die Eisdecke dient als Schutzschild. Wenn sie schrumpft, werden Mineralien in freiliegendem Gestein, Quarz zum Beispiel, mit kosmogenen Nukliden angereichert. Das Team misst die Konzentration solcher kosmogener Nuklide an den Hängen von Nunataks und kann dann berechnen, wie lange diese Gesteine nicht von Gletschern bedeckt, sondern der kosmischen Strahlung ausgesetzt waren. So können die Forscherinnen und Forscher feststellen, wie stark und in welchem Tempo sich das Volumen des Eisschildes in der Ostantarktis verändert hat.

Proben aus den Nunataks werden zusammen mit Satellitenbildern und topographischen Modellen verwendet, um Eisschild- und Klimamodelle zu verbessern und Informationen darüber zu erhalten, wie sich der Klimawandel auf den Eisschild und den Meeresspiegel in der Ostantarktis auswirkt - sowohl historisch als auch in Zukunft. "In der Antarktis sind direkte Rekonstruktionen vergangener Klimabedingungen und Eisveränderungen aus tiefen Eisbohrkernen auf wenige Standorte beschränkt und reichen nicht weit genug zurück, um die Reaktion des Eisschildes auf die Erwärmung im Mittelpliozän zu beleuchten", sagt Dr. Irina Rogozhina, Leiterin des Modellierungsteams im MAGIC-DML-Projekt am MARUM - Zentrum für Marine Umweltwissenschaften der Universität Bremen. "Zahlreiche Abdrücke, die von mächtigeren Vorgängern des modernen Eisschildes der Ostantarktis auf Nunataks hinterlassen wurden, reichen nicht nur viel weiter in die Erdgeschichte hinein, sondern liefern auch wertvolle Informationen über die Auswirkungen des wärmeren Klimas auf die Eisschollenränder."


Über die Forschungsexpedition
In der vergangenen Saison arbeitete das MAGIC-DML-Team in Gebieten nahe der schwedischen Forschungsstationen Wasa und Svea. Ausgangspunkt der Feldarbeit in dieser Saison ist die südafrikanische Forschungsstation SANAE IV. Während der Expedition wird das Team vom schwedischen Polarforschungssekretariat unterstützt, das für Transport, Technologie, Sicherheit und Gesundheitsvorsorge zuständig ist. Zum Feldteam, das während der Expedition in der Antarktis arbeiten wird, gehören Forscherinnen und Forscher der Universitäten in Glasgow (Großbritannien), Stockholm (Schweden) und West Lafayette (USA). Die Expedition hat am 15. Dezember begonnen und endet am 10. Februar 2018. Anschließend beginnt das Team am MARUM, an den Eisschild- und Klimamodellen zu arbeiten.

MARUM entschlüsselt mit modernsten Methoden und eingebunden in internationale Projekte die Rolle des Ozeans im System Erde - insbesondere im Hinblick auf den globalen Wandel. Es erfasst die Wechselwirkungen zwischen geologischen und biologischen Prozessen im Meer und liefert Beiträge für eine nachhaltige Nutzung der Ozeane. Das MARUM umfasst das DFG-Forschungszentrum und den Exzellenzcluster "Der Ozean im System Erde".

Weitere Informationen unter:
http://www.magicdml.com

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung unter:
http://idw-online.de/de/institution314

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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
MARUM - Zentrum für Marine Umweltwissenschaften an der Universität Bremen,
Ulrike Prange, 22.12.2017
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 29. Dezember 2017

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