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FORSCHUNG/467: Daten aus der Vergangenheit zeigen, wie eine wärmere Welt künftig aussehen wird (idw)


Universität Bern - 25.06.2018

Daten aus der Vergangenheit zeigen, wie eine wärmere Welt künftig aussehen wird


Daten zu einzelnen Wärmeperioden aus der Vergangenheit liefern Hinweise darauf, wie die Erde künftig aufgrund der globalen Klimaerwärmung aussehen könnte. Eine internationale Gruppe von 59 Forschenden aus 17 Ländern hat nun Daten zu vergangenen Wärmeperioden ausgewertet. Die Ergebnisse zeigen, dass sich Ökosysteme und Klimazonen wegen der Erwärmung verschieben und die polaren Eismassen im Verlauf der nächsten Jahrtausende stark schmelzen werden.

Die Studie ist das Ergebnis eines Workshops in Bern, der von den Universitäten Bern, New South Wales (AU) und Oregon State (USA) durchgeführt wurde. Die darin zusammengetragenen Daten zu vergangenen Klimaerwärmungen zeigen, dass sich sogar bei einer Beschränkung der Klimaerwärmung um 2°C über vorindustriellem Niveau - wie im Pariser Abkommen vereinbart - Klimazonen und Ökosysteme verschieben werden. Zudem könnte eine rapide Erwärmung in hohen Breiten zusätzliche Treibhausgase freisetzen, und der Meeresspiegel wird im Verlauf der nächsten Jahrtausende um mehrere Meter ansteigen. All dies deutet laut den Forschenden darauf hin, dass viele aktuelle Klimamodelle, die Veränderungen innerhalb dieses Jahrhunderts voraussagen sollen, die längerfristigen Veränderungen voraussichtlich unterschätzen.

In den letzten 3,5 Millionen Jahren kam es zu mehreren Warmphasen, in denen die Temperaturen um 0,5-2°C höher waren als die sogenannten vorindustriellen Temperaturen des 19. Jahrhunderts. Während diesen Warmphasen erwärmten sich jeweils die hohen nördlichen und südlichen Breiten stärker als die Tropen. Diese regionalen Unterschiede in der Erwärmung entsprechen den Voraussagen von Klimamodellen im Falle einer globalen Erwärmung um 2°C bis zum Ende des Jahres 2100. Obwohl nicht alle diese Warmphasen durch eine Erhöhung von CO2 verursacht wurden, tragen sie jedoch dazu bei, die regionalen Auswirkungen einer begrenzten Erwärmung, wie sie vom Pariser Abkommen angestrebt wird, abzuschätzen.

Verschiebung von Ökosystemen und Klimazonen

Gemäss den Auswertungen zum vergangenen Klima werden sich Ökosysteme und Klimazonen in Zukunft zu den Polen oder zu grösseren Höhen hin verschieben. Als Reaktion darauf könnten durch das Auftauen von Permafrostböden zusätzliches Kohlendioxid und Methan in die Atmosphäre freigesetzt werden. Die globale Erwärmung würde dadurch noch mehr angetrieben. Aus den Beobachtungen der Vergangenheit lässt sich jedoch schliessen, dass bei einer Beschränkung der Erwärmung um 2°C - wie in Paris angestrebt - das Risiko einer selbstverstärkenden katastrophalen Treibhausgas-Rückkopplung eher gering ist. Dennoch muss laut den Forschenden die hohe Menge an zusätzlichem Kohlendioxid, das aus den Permafrostböden entweichen wird, in zukünftigen Emissions-Szenarien eingerechnet werden.

«Wenn man die zusätzliche Freisetzung von CO2 einbezieht, haben wir noch weniger Spielraum für Irrtümer oder Verzögerungen bei den weltweiten Bemühungen, die CO2-Emissionen zu senken und das globale Klima in einem vernünftigen Rahmen zu stabilisieren», sagt Hubertus Fischer vom Oeschger-Zentrum der Universität Bern.

Meeresspiegel steigt langfristig um über sechs Meter

Auch eine Klimaerwärmung von 1.5-2°C über vorindustriellem Niveau wird eine deutlich Eisschmelze in Grönland und der Antarktis zur Folge haben. Dadurch wird der Meeresspiegel langfristig um über sechs Meter ansteigen - und über mehrere Jahrtausende lang so hoch bleiben. Laut den Forschenden ist ein rascheres Ansteigen des Meeresspiegels zu erwarten als noch in den letzten Dekaden.

Alan Mix von der Oregon State University sagt: «Wir sehen bereits heute die ersten Auswirkungen dieses Anstiegs. Er wird für Jahrtausende nicht mehr zu stoppen sein - mit Folgen für einen grossen Teil der Weltbevölkerung, der Infrastruktur und der Wirtschaft in Küstennähe.»

Kurzfristige Modellberechnungen unterschätzen längerfristige Veränderungen Durch den Vergleich von Beobachtungen des vergangenen Klimas mit Simulationen von Computermodellen kommen die Forschenden zum Schluss, dass heutige Klimamodelle die langfristige Erwärmung und deren Verstärkung an den Polen unterschätzen. «Die Voraussagen von Klimamodellen scheinen für relativ kleine Veränderungen in den nächsten Jahrzehnten zutreffend zu sein», sagt Katrin Meissner von der University of New South Wales. «Wir befürchten aber, dass diese Modelle die Klimaveränderungen unter höheren Treibhausgas-Emissionen unterschätzen - zum Beispiel in 'business as usual'-Szenarien und insbeondere über längere Zeitskalen hinweg.»

Angesichts dieser Ergebnisse sind die Forschenden der Meinung, dass es umso dringlicher ist, die CO2-Emissionen gemäss dem Pariser Abkommen rasch zu senken - in diesem Jahrhundert und darüber hinaus.

PAGES und «Warmer Worlds»

Die Publikation in Nature Geoscience ist das Ergebnis einer Arbeit der wissenschaftlichen Initiative «Warmer Worlds» innerhalb des internationalen Forschungskonsortiums PAGES (Past Global Changes, http://www.pastglobalchanges.org). Die Gruppe «Warmer Worlds» verwendet paläoklimatische Daten, um eine zukünftige Erwärmung abzuschätzen. Zu diesem Zweck versammelte «Warmer Worlds» rund 50 renommierte internationale Paläoklimaforscherinnen und -forscher für einen Workshop, der im April 2017 in Bern stattfand und von PAGES und dem Oeschger-Zentrum für Klimaforschung der Universität Bern unterstützt wurde. «Warmer Worlds» wird von Hubertus Fischer (University Bern), Katrin Meissner (University of New South Wales, Sydney) und Alan Mix (Oregon State University, Corvallis, OR) koordiniert. PAGES ist ein zentrales Projekt des globalen Nachhaltigkeits-Programms «Future Earth» (http://www.futureearth.org) mit dem Ziel, Forschung zu Klimawechseln in der Vergangenheit zu koordinieren und publik zu machen.


Publikation:
Fischer, H., Meissner, K.J., Mix, A.C., et al.: Palaeoclimate constraints on the impact of 2 °C anthropogenic warming and beyond. Nature Geoscience, 25. Juni 2018.
https://doi.org/ 10.1038/s41561-018-0146-0.

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung unter:
http://idw-online.de/de/institution57

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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Universität Bern, 25.06.2018
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 28. Juni 2018

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