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BERICHT/092: Uni Augsburg - Bilanz nach zehn Jahren Spitzenforschung in der Festkörperphysik (idw)


Universität Augsburg - 30.01.2010

SFB 484: Beeindruckende Bilanz nach zehn Jahren Spitzenforschung in der Festkörperphysik

Fast 700 Publikationen zeugen vom reichen Forschungsertrag des Augsburger Sonderforschungsbereichs "Kooperative Phänomene im Festkörper", an den jetzt der TRR 80 "From Electronic Correlations to Functionality" anschließt.


Augsburg/KPP - Bereits bei seiner zweiten Verlängerung im Jahr 2005 war dem Augsburger Sonderforschungsbereich (SFB) 484 von einem international besetzten Gutachtergremium bestätigt worden, er sei ein "Spitzen-Sonderforschungsbereich in Deutschland". Jetzt, nach zehn Jahren, konnten die beteiligen Physikerinnen und Physiker eine äußerst erfolgreiche Abschlussbilanz ziehen. Das feierliche Ambiente hierzu bot am 20. Januar 2010 der Goldene Saal des Augsburger Rathauses. Als Sprecher des SFB 484 ließ Prof. Dr. Dieter Vollhardt hier die Erfolgsgeschichte des von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) mit insgesamt 11,4 Mio. Euro geförderten Projekts Revue passieren. Den Forschungsperspektiven auf dem vom SFB 484 bearbeiteten Gebiet waren zwei Fachvorträge gewidmet, die der ehemalige Augsburger Physiker und jetzige DFG-Vizepräsident Prof. Dr. Konrad Samwer (Universität Göttingen) und Prof. Dr. Karsten Held (Technische Universität Wien) vor rund 110 geladenen Gästen zur Abschlussveranstaltung hielten.

Nach einer zweijährigen Planungsphase wurde der Sonderforschungsbereich "Kooperative Phänomene im Festkörper: Metall-Isolator-Übergänge und Ordnung mikroskopischer Freiheitsgrade" 1999 von acht der zehn festkörperphysikalisch bzw. festkörperchemisch orientierten Lehrstühle des Instituts für Physik der Universität Augsburg bei der DFG beantragt. Die DFG bewilligte das Projekt zum 1. Januar 2000 mit einem Fördervolumen von 2,1 Mio. Euro für insgesamt zwölf Teilprojekte auf drei Jahre. Im Herbst 2002 schuf die in eine einstimmige und nachdrückliche Befürwortung mündende Evaluation die Voraussetzung für die Bewilligung einer zweiten, ebenfalls dreijährigen Förderperiode; das Fördervolumen, nunmehr für 15 Teilprojekte, wurde mit 3,9 Mio. Euro fast verdoppelt. Weitere 5,4 Mio. Euro wurden von der DFG schließlich für eine dritte und letzte, jetzt vierjährige Periode bewilligt, nachdem das von der DFG bestellte Gutachtergremium im Oktober 2005 alle 15 Teilprojekte hervorragend bewertet und den SFB 484 als einen Spitzen-Sonderforschungsbereich mit hervorragender wissenschaftlicher Kohärenz charakterisiert hatte.

Wie wirken die Freiheitsgrade der Elektronen und des Gitters aufeinander?

Zentrales Thema des Sonderforschungsbereichs 484 war die Erforschung kooperativer Phänomene in wechselwirkenden, quantenmechanischen Vielteilchensystemen der Festkörperphysik. Ziel war es zu klären, wie die Wechselwirkung und das kollektive Verhalten der mikroskopischen Freiheitsgrade der Elektronen und des Gitters zu Ordnungsstrukturen und Metall-Isolator-Übergängen führen können. Zum Studium derartiger Ordnungszustände der Elektronen sind Übergangsmetalloxide besonders geeignet. Mit neuesten experimentellen und theoretischen Methoden wurden sowohl die mikroskopischen Grundlagen der genannten Phänomene erforscht wie auch anwendungsorientierte Themen aufgegriffen. Dazu wurden Forschungsaktivitäten auf festkörperphysikalischem und materialwissenschaftlichem Gebiet gebündelt.

684 Publikationen spiegeln den wissenschaftlichen Ertrag

Der beeindruckende wissenschaftliche Ertrag der zehnjährigen Forschungsarbeiten im SFB 484 spiegelt sich in insgesamt 684 Publikationen, 13 Prozent davon in weltweit renommierten Zeitschriften wie Physical Review Letters (73), Nature/Nature Physics/Nature Materials (10), Science (3) und Reviews of Modern Physics (2). Für die intensive Einbindung der SFB-Forschungen in die scientific community sorgten nicht nur 229 Gastwissenschaftler sondern auch drei große Workshops, in denen führende Forscher aus aller Welt zum Thema "Ordering Phenomena in Transition Metal Oxides" in den Tagungszentren Kloster Irsee (2001) und Wildbad Kreuth (2004) sowie in Augsburg (2008) vortrugen. Bezeichnend für die herausragende Qualität der Forschung sind auch die Auszeichnungen, die Physiker des SFB 484 in den letzten Jahren erhalten haben - vor allem der Gottfried Wilhelm Leibniz-Preis für Prof. Dr. Jochen Mannhart (2008) sowie der Europhysics Prize 2006 der European Physical Society und die Max-Planck-Medaille der Deutschen Physikalischen Gesellschaft (2010) für den SFB-Sprecher Prof. Dr. Dieter Vollhardt.

Gezielte und erfolgreiche Förderung qualifizierter Nachwuchsforscher

Ein besonderes Anliegen bei der Konzeption dieses Sonderforschungsbereichs und bei seiner Realisierung sei die intensive Nachwuchsförderung gewesen, betonte Professor Vollhardt in seiner Bilanz. Er verwies in diesem Zusammenhang auf 95 Methoden-Seminare sowie auf zwei Nachwuchswissenschaftler-Workshops, und darauf, dass man gezielt möglichst viele junge Forscherinnen und Forscher in die Verantwortung für die Leitung von SFB-Teilprojekten eingebunden habe. "Dass während der zehnjährigen SFB-Laufzeit zwölf junge Teilprojektleiter aus Augsburg wegberufen wurden - die meisten auf Professuren an Universitäten in Deutschland", so Vollhardt, "dürfen wir als Beleg für die Effizienz unseres Förderungskonzepts deuten. Unser Konzept dient auch anderen Sonderforschungsbereichen mittlerweile als Modell."

Vorbildlicher Einsatz der Kinderbetreuungsmittel

Vorreiterfunktion übernahm der SFB 484 auch mit Blick auf den effizienten Einsatz von Mitteln für Kinderbetreuung und Öffentlichkeitsarbeit, die die Deutsche Forschungsgemeinschaft seit nunmehr ca. fünf Jahren bei der Bewilligung und Verlängerung von Sonderforschungsbereichen zweckbestimmt zur Verfügung stellt. In Kooperation mit der gesamtuniversitären Eltern-Kind-Initiative "Unibärchen" e. V., berichtete Vollhardt, sei es gelungen, die Kinderbetreuungsmittel so effizient für die Entlastung forschender Mütter und Väter einzusetzen, "dass man sogar bei der DFG überrascht war, was man mit relativ geringem finanziellen Aufwand diesbezüglich alles erreichen kann."

Hochspezialisierte Festkörperphysik: wunderschön ...

Davon, dass die Deutsche Forschungsgemeinschaft offenbar auch mit der Kreativität beim Einsatz des SFB 484-Budgets für Öffentlichkeitsarbeit hochzufrieden war, zeugt die letzte Ausgabe des DFG-Magazins "forschung" (4/2009, http://www.dfg.de/download/pdf/forschung_magazin/forschung_2009_04.pdf): Es widmet nicht nur vier reich bebilderte Innen-, sondern sogar seine Titelseite der vierteiligen Posterserie mit spektakulären Fotografien, die der Wissenschaftsfotograf Bernd Müller in enger Zusammenarbeit mit Wissenschaftlern in den Labors des SFB 484 erarbeitet hat. Für diese Posterserie wurde Müller im Herbst vergangenen Jahres mit dem PUNKT- Preis für Technikjournalismus der Deutschen Akademie der Technikwissenschaften (acatech) ausgezeichnet.

... und eben durchaus vermittelbar

Dass das, was sich hinter dem etwas sperrigen und nicht unmittelbar zugänglichen Titel "Kooperative Phänomene im Festkörper: Metall-Isolator-Übergänge und Ordnung mikroskopischer Freiheitsgrade" verbirgt, nicht nur wunderschön, sondern auch der allgemeinen Öffentlichkeit vermittelbar ist, haben die Augsburger SFB-Forscher mit der Broschüre "Exotische Zustände im Festkörper" bewiesen, die sie bereits 2007 zusammen mit dem Wissenschaftsjournalisten Thorsten Naeser erstellt haben.

Auf den SFB 484 folgt der TRR 80

Der erfolgreiche Abschluss ihres Sonderforschungsbereichs 484 markiert für die Physik der Universität Augsburg zugleich den Start in ein nicht minder erfolgversprechendes Nachfolgeprojekt: Im November vergangenen Jahres hat die DFG die Einrichtung eines Augsburg-München-Transregios "From Electronic Correlations to Functionality" (TRR 80) beschlossen, bei dem Augsburg die Sprecheruniversität ist (Sprecher: Professor Jochen Mannhart). Augsburger Physiker kooperieren in diesem Verbund mit Kollegen der beiden Münchner Universitäten sowie des MPI für Festkörperforschung in Stuttgart und des Walther-Meißner-Instituts der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, um neuartige Materialien zu entwickeln, die die Grundlage für die nächste Generation elektronischer Bauelemente legen sollen. Die 18 Teilprojekte des TRR 80 werden von der DFG auf zunächst vier Jahre mit 8 Mio. Euro gefördert, wobei die Option einer Verlängerung der Förderung auf bis zu zwölf Jahre mit einem möglichen Gesamtfördervolumen von 25 bis 30 Millionen Euro besteht.

Weitere Informationen unter:
http://www.physik.uni-augsburg.de/sfb484

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung unter:
http://idw-online.de/pages/de/institution58


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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Universität Augsburg, Klaus P. Prem, 30.01.2010
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 2. Februar 2010