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ENERGIE/861: Mit Druckluft Wind zwischenspeichern (RUBIN)


RUBIN - Wissenschaftsmagazin, Frühjahr 2011
Ruhr-Universität Bochum

Mit Druckluft Wind zwischenspeichern

Ingenieure optimieren Druckluftspeicherkraftwerke

Von Daniel Wolf, Roland Span und Eckhard Weidner


Bereits 1978 nahm das weltweit erste Druckluftspeicherkraftwerk nahe Bremen seinen Betrieb auf. Seine Hauptaufgabe damals: nachts produzierten, überschüssigen Strom aus Atomkraftwerken für Zeiten hoher Nachfrage speichern. Heute stehen Druckluftspeicherkraftwerke wieder im Fokus des Interesses. Sie sollen das schwankende Stromangebot aus erneuerbaren Energieträgern wie Wind und Sonne kontinuierlich nutzbar machen. Forscher des RUB-Lehrstuhls für Thermodynamik und des Fraunhofer-Instituts UMSICHT entwickeln mit dynamischen Auslegungsmethoden einen auf die neuen Anforderungen abgestimmten Entwurf.


Der Anteil schwankender Stromeinspeisung aus Windenergie und Photovoltaik wächst weltweit. Ein Nachteil: Strom wird produziert, wenn der Wind weht oder die Sonne scheint, nicht, wenn er gerade gebraucht wird. Eine Lösung, das Stromangebot der Nachfrage anzupassen, ist die Zwischenspeicherung. Bisher wurde sie nahezu ausschließlich von Pumpspeicherkraftwerken geleistet, die Wasser bergauf pumpen, das man bei Strombedarf wieder herabfließen lässt, wobei es Turbinen antreibt. Da das Ausbaupotenzial solcher Kraftwerke vor allem in Europa jedoch begrenzt ist, wird die Entwicklung alternativer Speichertechnologien immer wichtiger. Dies gilt besonders für Deutschland: Gerade der Norden verfügt über viel Wind und somit ein großes Energiepotential. Wegen fehlender Höhenunterschiede findet man Pumpspeicherkraftwerke dort allerdings kaum. Dafür bietet der Norden für den Bau von Druckluftspeicherkraftwerken sehr gute Bedingungen. Unterirdische Salzformationen ermöglichen die Schaffung großvolumiger Kavernen als "Tanks" zur Druckluftspeicherung. Schon heute werden ähnliche Salzkavernen zur saisonalen Speicherung von Erdgas genutzt.

Beim Druckluftspeicherkraftwerk (Compressed Air Energy Storage, CAES) wird mit überschüssigem Strom ein Kompressor angetrieben, der Luft mit hohem Druck in einen dichten Behälter presst, beispielsweise eine Salzkaverne. Wird Strom benötigt, lässt man die Luft entweichen, wobei sie wiederum Turbinen antreibt, die Strom erzeugen.

Bislang gibt es weltweit nur wenige Druckluftspeicherkraftwerke. Das erste seiner Art ging 1978 in Huntorf bei Bremen in Betrieb. Es funktioniert allerdings nach dem sog. diabaten Prinzip: Beim Komprimieren erhitzt sich die zusammengepresste Luft stark, ähnlich wie bei einer Luftpumpe am Fahrrad. Umgekehrt kühlt sie sich beim Ausströmen stark ab, mitunter so sehr, dass Turbinen vereisen können. Diabate Kraftwerke benötigen daher eine Erdgaszufeuerung, um die Druckluft vor der Entspannung zu erhitzen (s. Info). Die erreichbaren Speicherwirkungsgrade solcher Anlagen sind vergleichsweise niedrig. Die Aufheizung der ausströmenden Luft mit Erdgas verursacht außerdem CO2-Emissionen.


INFO

Funktionsweise diabater und adiabater CAES

Diabate CAES

Im großtechnischen Maßstab sind bisher ausschließlich diabate CAES (Compressed Air Energy Storage)-Kraftwerke im Einsatz. Hier wird Umgebungsluft durch einen elektrisch angetriebenen Kompressor verdichtet. Nach der Kompression wird die erwärmte Luft rückgekühlt. Nur so ist eine sichere Speicherung im Drucklufttank bzw. einer Salzkaverne möglich. Würde man die Luft nicht abkühlen, so würde z.B. das Salz beginnen zu "fließen", so dass sich die Kaverne allmählich verformt, was weitreichende geologische Folgen haben kann. Zur Ausspeicherung muss die Druckluft wieder erwärmt werden, damit die Turbine nicht beschädigt wird. Dies geschieht durch Zufeuerung von Erdgas.

Adiabate CAES

Anders als beim diabaten Verfahren wird hier die Kompressionswärme nicht an die Umgebung abgegeben, sondern zwischengespeichert. Ein Wärmespeicher dient sowohl zur Rückkühlung der Luft nach der Kompression als auch zum Erwärmen der Luft bei der Ausspeicherung. Er ersetzt also Rückkühleinheit und Brennkammern aus dem diabaten Konzept, ermöglicht es so, auf externe Wärmezufuhr zu verzichten und erhöht damit den Wirkungsgrad des Speichersystems. Adiabate CAES sind bisher nur im Labormaßstab realisiert worden.


Weitaus effizienter und emissionsfrei arbeiten dagegen adiabate Druckluftspeicherkraftwerke (A-CAES, s. Abb. 2). Sie speichern die Wärme der Luft, die beim Zusammenpressen entsteht, und nutzen sie für die spätere Erwärmung der ausströmenden Luft. Dabei können auch größere Strommengen bis zu mehreren GWh zu vergleichsweise geringen Kosten bei Speicherwirkungsgraden von ca. 70 % zwischengespeichert werden (s. Info). Von einer Kilowattstunde gespeicherten Stroms lassen sich also 0,7 Kilowattstunden später nutzen. Etwa die Hälfte der Energie der Druckluft steckt in der Wärme, die beim Komprimieren entsteht - umso wichtiger, sie nicht verpuffen zu lassen.

Einer großtechnischen Umsetzung von A-CAES stand bisher vor allem die Herausforderung im Wege, Kompressionswärme bei sehr hohen Drücken (bis 150 bar) und Temperaturen (bis 650 °C) zu speichern. Zudem sind umfangreiche Neuentwicklungen im Bereich des Hochdruckverdichters notwendig, um so hohe Austrittstemperaturen zu erreichen. Marktverfügbare Verdichter sind dafür nicht ausgelegt. Dass eine alternative Umsetzung des adiabaten Anlagenkonzepts auch schon bei niedrigeren Prozesstemperaturen effizient gelingen kann, zeigen die Ergebnisse unseres gemeinsamen Forschungsvorhabens. Unser Ziel ist die Entwicklung neuartiger Auslegungsmethoden speziell für adiabate CAES, basierend auf dynamischer Modellierung und Simulation.

Kern unseres Auslegungsmodells ist die genaue Abbildung von Wärme- und Stofftransportvorgängen im Hochtemperaturwärmespeicher. Parallel dazu wurde ein A-CAES im Labormaßstab entwickelt und aufgebaut (s. Abb. 3). Der dort eingesetzte Wärmespeicher ist mit einem metallenen Hitzeschutzschild ummantelt, das die Wärme reflektiert, und einer isolierenden Vakuumschicht wie in einer Thermoskanne (s. Abb. 3a). Die Füllung besteht aus einem Wärmeträgermedium, zum Beispiel bei hoher Temperatur flüssigem Salz (Abb. 3b). Um den Wärmeübergang zwischen Luft und Salz zu ermöglichen, ist das Salz mit spiralförmigen Rohren durchzogen, durch die die heiße Luft in den Druckbehälter strömt (Abb. 3c).

Noch ungeklärt war das Betriebsverhalten des Wärmespeichers in einem Druckluftspeicherkraftwerk. Um es zu erfassen und die Auslegung zu optimieren, haben wir ein dynamisches Modell des Gesamtprozesses erstellt. Dazu zerlegten wir das Innere des Wärmespeichers mit einem Finite-Elemente-Ansatz gedanklich in mehrere voneinander getrennte Schichten.

Wenn heiße Luft von oben durch den Wärmespeicher strömt, erhitzt sich das oben liegende Salz zuerst. Dadurch entsteht ein Temperaturgefälle im Wärmespeicher: Oben ist das Salz so heiß wie die einströmende Luft, unten nur so warm wie die ausströmende, die ihre Wärme abgegeben hat. Je länger heiße Luft einströmt, desto weiter heizt sich das Salz auch in niedrigeren Regionen des Speichers auf, bis schließlich der gesamte Wärmespeicher die maximale Temperatur hat. Je nach Größe des Speichers dauert das unterschiedlich lange. Beim Ausströmen aus dem Druckluftbehälter nimmt die dann kalte Luft den Rückweg durch den Wärmespeicher und heizt sich dabei wieder auf. Diese Prozesse lassen sich mit der Finite-Elemente-Methode berechnen: Wie heiß wird das Salz wo im Wärmespeicher nach wie langer Zeit des Einströmens heißer Luft?

Besonders wichtig dabei ist die Berücksichtigung der Luftfeuchtigkeit. Die Umgebungsluft enthält je nach Luftdruck und Temperatur einen bestimmten Anteil Wasser. Komprimierte Luft kann weniger Wasser aufnehmen - es bilden sich Tröpfchen. Allerdings passiert das noch nicht innerhalb des Kompressors, denn er erhitzt die Luft, und heiße Luft kann wiederum mehr Wasser aufnehmen. Erst beim Abkühlen der komprimierten Luft im Wärmespeicher kondensiert das Wasser.

Die dabei frei werdende Wärme trägt in erheblichem Maße zur Beladung des Wärmespeichers bei und muss bei der Auslegung des Prozesses unbedingt berücksichtigt werden. An einem durchschnittlichen Sommertag kann der Anteil dieser sog. Kondensationsenthalpie bei der Beladung des Wärmespeichers über 5 % betragen. Diesen Einfluss erfasst man durch Einbindung von Stoffdatenmodellen für feuchte Luft in das dynamische Modell. Das kondensierende Wasser darf man auch beim Rückstrom der kalten Luft durch den Wärmespeicher nicht außer Acht lassen - es darf nicht als Pfütze im Wärmespeicher bleiben und so später in die Turbine gelangen. Idealerweise müsste man den Prozess so gestalten, dass das Wasser bei der Erhitzung der Luft vor dem Austritt in die Turbine wieder verdunstet, zumindest aber muss das Wasser aufgefangen und abgelassen werden können.

Bei unseren eingehenderen Untersuchungen hat sich gezeigt, dass viele der heute verfügbaren Stoffdatenmodelle für feuchte Luft das Phasengleichgewicht gerade bei hohen Drücken und niedrigen Temperaturen nur unzureichend beschreiben. Daher arbeiten wir derzeit an einem Ansatz, der diese Ungenauigkeiten nicht mehr zeigt. Aktuell entwickelt Johannes Gernert am Lehrstuhl für Thermodynamik ein neues Stoffdatenmodell für feuchte Luft. Ein weiteres Anliegen unserer Forschungskooperation besteht in der Überprüfung des entwickelten Wärmespeichermodells. Die dazu notwendigen Messdaten gewannen Frank Sander und Prof. Dr. Roland Span, damals Inhaber des Lehrstuhls für Thermodynamik und Energietechnik der Uni Paderborn, zwischen 2003 bis 2006 mit Hilfe eines Druckluftspeicherkraftwerk-Aufbaus im Labormaßstab (s. Abb. 3). Fazit: Die Simulationsergebnisse decken sich mit denen der Messungen im Labor - das Simulationsmodell ist also tragfähig.

Ein innovativer Punkt bei der Modellierung des CAES-Prozesses bei Fraunhofer UMSICHT ist die Möglichkeit, das Teillastverhalten von Turbokompressoren und -expandern detailliert zu erfassen. Nicht immer fällt so viel überschüssiger Strom an, dass der Kompressor auf Hochtouren laufen kann, und nicht immer wird der Stromerzeugungsprozess durch das Speicherkraftwerk auf vollen Touren laufen. Die Schwierigkeit liegt dann zum Beispiel darin, trotz gedrosselter Kompressorleistung den notwendigen Luftdruck aufzubauen, um Luft in den Speicher zu pressen. In gewissen Grenzen kann man das etwa durch eine Verstellung der Schaufeln im Kompressor erreichen.

Durch das Simulationsmodell können wir über Kennlinien sowohl die generelle Betriebscharakteristik als auch das Wirkungsgradverhalten von Turbinen und Verdichtern in die Auslegung des Kraftwerks einfließen lassen. Dies ist vor allem für die Anwendung solcher Anlagen zum Ausgleich von Einspeiseschwankungen aus Windenergie von Vorteil, da gerade dort häufig Teillastbetrieb zu erwarten ist (s. Abb. 4). Die Anzahl der prognostizierten Kompressorstarts liegt bei einem bis drei pro Tag. Ein derart unsteter Einsatz stellt hohe Anforderungen an die Flexibilität der Anlage. Zudem muss sie in weniger als 15 Minuten aus dem Kaltstart Volllast erreichen können.

Anlagenlayouts für Druckluftspeicherkraftwerke, wie sie derzeit in der Fachwelt diskutiert werden, arbeiten bei Speichertemperaturen von ca. 650 °C. Diese hohen Temperaturen bedingen hohe thermische Spannungen und sind darum einer größtmöglichen Flexibilität in der Fahrweise nicht gerade dienlich. Aus diesem Grund und wegen des eingangs erwähnten hohen Entwicklungsbedarfs bei Hochtemperaturverdichtern und -wärmespeichern, ist es zweckmäßig, die Speichertemperaturen zu senken.

Beispielhaft wandten wir unser dynamisches Modell auf eine Hochtemperatur-(650 °C) und eine Niedertemperatur-Anlagenkonfiguration (350 °C) an. Wir konnten zeigen, dass beide Varianten sehr ähnliche, hohe Speicherwirkungsgrade zwischen 65 und 70 % erreichen. Neben geringeren Standzeitverlusten bietet die Niedertemperatur-Variante den Vorteil, schon mit moderatem Entwicklungsaufwand und verfügbarer Kompressor- und Turbinentechnologie realisierbar zu sein. Hochtemperatur-Wärmespeicher bieten eine höhere Energiedichte und verursachen damit zumindest theoretisch geringere Investitionskosten. Inwieweit dieser Vorteil durch höhere thermische Materialbeanspruchung aufgehoben wird, ist noch unklar und müsste genauer untersucht werden. In Zukunft wollen wir gemeinsam mit Unternehmen weitere Anlagenkonzepte entwerfen, dynamisch simulieren und optimieren, um so zu einem ausgewogenen und effizienten Anlagenentwurf zu gelangen.

Den günstigsten Standort für ein A-CAES zur Zwischenspeicherung von Windenergie haben wir unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten untersucht. Mögliche Standorte liegen zentral für sehr leistungsstarke CAES mit 50 bis 500 MW direkt in der Nähe der Stromerzeugung auf Hochspannungsebene oder dezentral für CAES mittlerer Größe von 1 bis 50 MW nach der ersten Unterverteilung im Stromnetz. Auch dezentrale sehr kleine CAES mit 5 bis 50 kW Leistung ganz in der Nähe des Endverbrauchers wären möglich. Als wirtschaftlich am sinnvollsten stellten sich unseren Berechnungen zufolge dezentrale CAES mittlerer Größe heraus. Die Investitionskosten für derartige Druckluftspeicherkraftwerke betragen nur etwa ein Viertel derer für Batterien gleicher Kapazität.

Bis adiabate Druckluftspeicherkraftwerke in Betrieb gehen, werden sicherlich noch fünf bis zehn Jahre vergehen, was für die Kraftwerksentwicklung aber ein kurzer Zeitraum ist. Nicht selten vergehen zwischen der Fertigstellung der Planung und der Inbetriebnahme eines Kraftwerks allein schon fünf Jahre. Für die technische Entwicklung von Druckluftspeicherkraftwerken müssen also in den nächsten Jahren wichtige Weichen gestellt werden - wir stehen vor einer spannenden Phase der Technikentwicklung.


Prof. Dr.-Ing. Roland Span, Lehrstuhl für Thermodynamik, Fakultät für Maschinenbau;
Prof. Dr.-Ing. Eckhard Weidner, Lehrstuhl Verfahrenstechnische Transportprozesse, Fakultät für Maschinenbau und Fraunhofer-Institut UMSICHT;
Dr.-Ing. Daniel Wolf, Fraunhofer-Institut UMSICHT


Den Artikel mit Abbildungen finden Sie im Internet im PDF-Format unter:
www.ruhr-uni-bochum.de/rubin/


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Quelle:
RUBIN - Wissenschaftsmagazin, Frühjahr 2011, S. 22-27
Herausgeber: Rektor der Ruhr-Universität Bochum in Verbindung
mit der Gesellschaft der Freunde der Ruhr-Universität Bochum
Anschrift: Pressestelle der Ruhr-Universität Bochum, 44780 Bochum
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veröffentlicht im Schattenblick zum 22. Juli 2011