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FRAGEN/028: "Lithium-Ionen-Batterien sind eine Schlüsseltechnologie" (idw)


Hochschule Landshut - 28.10.2019

"Lithium-Ionen-Batterien sind eine Schlüsseltechnologie"


Der Nobelpreis für Chemie geht in diesem Jahr an die drei Wissenschaftler John Goodenough, Stanley Whittingham und Akira Yoshino, die Erfinder der Lithium-Ionen-Batterie. Prof. Dr. Karl-Heinz Pettinger, wissenschaftlicher Leiter des Technologiezentrums Energie der Hochschule Landshut, forscht ebenfalls an elektrischen Energiespeichern und ist Mitglied im Beirat Batterieforschung Deutschland des BMBF. Er erklärt, was die Leistung der drei Nobelpreisträger ist und warum auch in Zukunft Lithium-Ionen-Batterien eine große Rolle spielen werden.

1.) Herr Pettinger, hat Sie persönlich die Auszeichnung überrascht?

Pettinger: Ich freue mich sehr, dass der Nobelpreis die Entwicklungen in der Elektrochemie ehrt, denn die Entscheidung spiegelt die Aktualität der Forschungsrichtung wieder. Die Vergabe war für die Community allerdings in der Tat überraschend. Unsere Doktorandin Christina Toigo nahm am Tag der Bekanntgabe auf dem AABA Batterie-Kongress in Ulm teil, auf der Stanley Whittingham eine Keynote hielt. Alle waren ahnungslos. Als etwas später die Entscheidung aus Stockholm bekannt wurde, war sie unter den ersten Gratulanten für den frischgebackenen Nobelpreisträger. Diese Situation ist im Wissenschaftlerleben außergewöhnlich.

2.) Können Sie für einen Laien kurz erklären, was das Besondere an Lithium-Ionen-Batterien ist? Was ist der wissenschaftliche Durchbruch der drei Wissenschaftler?

Pettinger: Lithium-Ionen-Batterien machen neue mobile Produkte und Anwendungen wie Smartphones, Laptops oder Elektromobilität erst möglich. Whittingham arbeitete nach der Ölkrise 1970 visionär an Speichertechnologien für elektrische Energie und entwickelte die erste Kathode für Li-Batterien. Goodenough betrieb 1980 systematisch Materialscreening über das Periodensystem hinweg für diesen Zweck. 1985 entwickelte Yoshino dann schließlich die erste kommerzielle Lithium-Ionen-Zelle. Kritiker bemängelten damals, dass die Zelle nach der Produktion ungeladen ist und räumten dieser Erfindung keine Marktchancen ein. Allerdings gibt der Erfolg der Technologie dem Gespür dieser drei großartigen Forscher trotz aller Widerstände recht: Sie haben wiederaufladbare Energiespeicher erfunden, deren Gewicht nunmehr ein Drittel oder Fünftel der bisherigen Standards ausmachten.

3.) Wie ist der Stand der Forschung heute?

Pettinger: Die Lithium-Ionen-Technologie ist heute die am meisten "gehypte" Speicherform für elektrische Energie - zurecht, denn Gewicht und Volumen dieser praktischen Speicher haben sich deutlich reduziert. Dies ist begründet im außergewöhnlich hohen Entwicklungsaufwand für diese Technologie. In kein anderes Batteriesystem wurden so viele Personenjahre an Entwicklungskapazität investiert. Belohnt wird der Anwender mit einem extrem breiten Produktspektrum.

4.) Sie forschen am TZ Energie selbst im Bereich Lithium-Ionen-Batterien. Woran arbeiten Sie konkret?

Pettinger: Wir betreiben industrienahe Prozessentwicklung. Am TZ Energie ist eine Pilotlinie zum Zellbau installiert. Diese arbeitet nach einem einzigartigen Verfahren ohne Trockenräume. Dort können Zellen aus allen derzeitigen Materialien und elektrochemischen Systemen gebaut werden. Wir forschen bereits an Prozessen zur preiswerten Produktion der kommenden Generation der Festkörperbatterien und betreiben Forschung in Kooperation mit sehr renommierten Kollegen in Deutschland, im Donau-Moldau-Raum und Europa. Die Forschung wird dabei vor allem durch die Begeisterungsfähigkeit meiner Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vorangetrieben. Wir verstehen uns als Know-how-Träger mit intensiven Industriekontakten und -kooperationen, natürlich unter Geheimhaltung.

5.) Was sind die Ziele der laufendenden Forschungsprojekte?

Pettinger: Ziel der aktuellen Batterieforschung ist zum einen, die Energiedichte zu erhöhen und die Ladezeit zu verringern. Zum anderen geht es darum, die Elektrodenherstellung umweltfreundlicher, lösemittel- und emissionsfrei zu gestalten sowie alternative Batterietechnologien zu entwickeln, die auf keine limitierten Rohstoffressourcen zurückgreifen.

6.) Und was sind die derzeitigen Herausforderungen?

Pettinger: Die größte Herausforderung ist die erhöhte Sicherheit im Fehlerfall. Die Forderung nach ihr steht allerdings konträr zur Erhöhung der Energiedichte, also der Laufzeit bzw. Reichweite. Festkörperelektrolyte und -batterien sind eine Lösung, um die beiden Forderungen zu vereinen. In meiner Arbeitsgruppe wird hierfür Hochdurchsatz-Electrospinning als Produktionstechnologie entwickelt.

7.) Kritiker bemängeln, dass auch Lithium-Ionen-Batterien schädlich für die Umwelt sind (z.B. beim Lithium-Abbau). Was ist Ihre Meinung dazu?

Pettinger: Der enorme Preisdruck, ausgelöst durch die Erwartungshaltung der Anwender, ist sicherlich eine Ursache für unsaubere, ethisch bedenkliche Rohstoffgewinnung. Lithium ist kein Mangelelement. Es sind global ausreichend Ressourcen hierfür vorhanden. Derzeit wendet man sich an die billigsten Rohstoffquellen. Korrekter Bergbau, der die Interessen aller berücksichtigt ist möglich, aber teurer.
Wirklich limitierende Ressourcen für diese Technologie sind die Elemente Kobalt und Nickel. Die Substitution ist möglich. John Goodenough hat bereits in seinen Grundlagenarbeiten Lithium-Eisenphosphat untersucht und visionär die Herstellung patentieren lassen. Am Technologiezentrum Energie arbeiten wir auch mit diesem Material. Dies wird übrigens in Moosburg bei Johnson Matthes Battery Materials, vorher Südchemie AG, im Technikum designt und in Kanada in großem Maßstab hergestellt.

8.) Ist diese Batterietechnologie trotzdem zukunftsweisend? Oder wird sie von anderen Technologien (z.B. Wasserstoff) in Zukunft abgelöst werden?

Pettinger: Lithium-Ionen-Batterien sind eine Schlüsseltechnologie für mobile Anwendungen aller Art. Jede neue Batterietechnologie bringt auch neue Anwendungen mit sich. Die Verdrängung einer Speichertechnologie findet selten statt. Die Wasserstofftechnologie und die darauf basierenden synthetischen Kraftstoffe werden ihren Platz bei mobilen Anwendungen mit mittlerer und großer Reichweite finden. Für Unterhaltungselektronik und Heimspeicherung ist sie dagegen nicht geeignet. Im Kurzstrecken- und Stadtverkehr werden Batterien die zukünftigen Energiespeicher sein.


Das Interview führte Veronika Barnerßoi.

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung unter:
http://idw-online.de/de/institution1886

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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Hochschule Landshut, 28.10.2019
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 30. Oktober 2019

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