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INFORMATIONSTECHNOLOGIE/1120: Industrie 4.0 in der eigenen, realen Produktion testen (idw)


FZI Forschungszentrum Informatik am Karlsruher Institut für Technologie - 18.10.2016

Industrie 4.0 in der eigenen, realen Produktion testen - ohne Umbauten und Großinvestitionen


  • Forschungsprojekt NIKI 4.0 will mittelständischen Unternehmen die Vorteile einer vernetzten Produktion aufzeigen
  • Mit einfacher Sensorik ohne große Umbauten und Investitionsaufwände sollen mittelständische Unternehmen in der eigenen Produktionshalle Industrie 4.0 ausprobieren können
  • Die Wissenschaftler von Hahn-Schickard, Hochschule Offenburg und FZI Forschungszentrum Informatik setzen auf gängige Industriestandards wie PROFIBUS und OPC UA
  • Darstellung über mobile Endgeräte und mit Augmented-Reality-Unterstützung
  • Erster Anwendungsfall vorgestellt

Karlsruhe, 18.10.2016 - "Industrie 4.0 zum Ausprobieren" - so könnte man stark vereinfacht das Ziel des Wissenschaftsprojektes NIKI 4.0 beschreiben. Die drei Forschungspartner Hahn-Schickard, Hochschule Offenburg und das FZI Forschungszentrum Informatik wollen einen einfachen, kostengünstig und risikolos zu installierenden Werkzeugkasten aus Software und Sensorik für den häufig noch Industrie-4.0-skeptischen Mittelstand entwickeln, um die Vorteile einer vernetzten Produktion greifbar zu machen. Die besondere Innovation liegt hierbei darin, dass die eigentlichen Produktionsanlagen und Maschinen unverändert bleiben und die Fertigungsprozesse durch die zusätzliche Datenerfassung zunächst nicht beeinflusst werden.


"Gerade bei Wartung und Produktionsplanung bietet die vernetzte Produktion große Potenziale für Prozess- und Kostenoptimierung. Wir erleben aber häufig besonders bei KMU eine vorsichtige Zurückhaltung beim Thema Industrie 4.0, weil hohe Investitions- und Umrüstungskosten befürchtet werden", erklärt Projektleiter Dr. Christoph Rathfelder von der Hahn-Schickard-Gesellschaft für angewandte Forschung. "Mit den Projektergebnissen aus NIKI 4.0 wird es möglich, in der eigenen, realen Produktion die Vorteile zu erleben und so in der Praxis die Anforderungen an eine spätere Migration evaluieren zu können. Unser System informiert aber lediglich über Maschinenzustände und greift nicht in die Regelung und Steuerung der Anlagen ein."

Besonders relevant sind die Sensorinformationen in umgebungsempfindlichen Produktionsverfahren oder -anlagen. Spritzgussverfahren beispielsweise sind fehleranfällig für Wind, bzw. Luftzug und für Schwankungen der Umgebungstemperatur. Durch die Messung und intelligente Visualisierung mit NIKI 4.0 sollen Facharbeiter künftig störende Lufteinwirkungen und Hinweise auf deren Quelle leicht interpretieren und die richtigen Handlungen zur Fehlerbehebung ableiten können.

Unterstützt werden die Wissenschaftler durch einen projektbegleitenden Ausschuss. Dieser setzt sich aus 16 Unternehmen zusammen, die in den im Projekt behandelten Themenfeldern aktiv sind und schwerpunktmäßig aus dem baden-württembergischen Mittelstand kommen. Die Ausschuss-Mitglieder beraten die Forschungseinrichtungen in allen Phasen des Projektes mit ihrem Wissen aus dem Produktionsalltag und bringen ihre Fallbeispiele ein.

Den ersten Projektmeilenstein haben die Partner am 14. Oktober erreicht: die Anforderungserhebung wurde abgeschlossen und eine erste detailliertere Systemarchitektur wurde prototypisch umgesetzt. Gemeinsam mit dem projektbegleitenden Ausschuss wurde anhand eines ersten Demonstrators die weitere Umsetzung besprochen und die kommenden fünf Projektphasen geplant.


Das Gesamtsystem NIKI 4.0 und die Aufgaben der Forschungspartner

Mit dem NIKI-4.0-Gesamtsystem sollen existierende Produktionsanlagen mit Sensorik und Informationskopplern einfach und kostengünstig Industrie-4.0-fähig gemacht werden. Hier bringt die Hahn-Schickard ihr Know-how ein und entwickelt für die Datenerhebung neue Umweltsensoren. Die Forscher setzen hierbei auf akkubetriebene Sensoren, um sowohl für Energie- als auch Datenübertragung auf den Einsatz störender Kabel zu verzichten.

Gemeinsam mit dem ebenfalls zum NIKI-4.0-Kit gehörenden Kommunikationsgateway und der Visualisierung der gesammelten Daten mit Hilfe von Augmented-Reality bekommen Unternehmen ein einfach, kostengünstig und risikolos zu installierendes Kit, um die Potenziale einer Migration zu Industrie 4.0 auszuprobieren und zu evaluieren. Darüber hinaus bietet NIKI 4.0 als Open-Source-Plattform auch eine Basis für individuelle Erweiterungen und Anpassungen.

Das Gateway stellt das Kernelement des Datenaustauschs im NIKI-4.0-Kit dar. Es sammelt und speichert die Daten und übersetzt diese in OPC-UA-kompatible Datenmodelle. Das Gateway dient auch als Schnittstelle zur Visualisierung, so dass mobile Endgeräte über eine direkte Drahtlos-Anbindung auf die im Gateway oder im Backend gespeicherten Daten zugreifen können. Für die gesamte IT-Kommunikation bei NIKI 4.0 ist die Hochschule Offenburg verantwortlich, die auch die Drahtloskommunikation und die Sensornetzwerke im Projekt umsetzt. Hier ist eine Herausforderung, dass der Funk vorhandene Technik in den Produktionshallen nicht stören oder beeinflussen soll, gleichzeitig aber auch möglichst wenig störanfällig gegenüber anderer Funktechnik in der Produktion sein soll. Gemeinsam mit dem FZI Forschungszentrum Informatik arbeiten die Offenburger Wissenschaftler außerdem an der intelligenten Datenanalyse und -aggregation.

Das FZI ist in NIKI 4.0 für die intelligente Visualisierung der verschiedenen Messgrößen aus den Industrieanlagen verantwortlich. Dazu werden künftig sowohl Werte der nachgerüsteten Sensoren als auch Messwerte aus dem System selbst mittels des OPC-UA Protokolls bereitgestellt. Die Forscher entwickeln für mobile Endgeräte eine Android-App und eine browserbasierte Desktop-Darstellung, damit über eine einheitliche Schnittstelle schnell und einfach auf die Daten zugegriffen werden kann. Die Verschmelzung von Daten und Realität mittels Augmented Reality erleichtert dem Nutzer auf den Mobilgeräten in der unmittelbaren Umgebung der Maschine die Zuordnung von digitalen Daten und physischen Maschinen. Diese Visualisierung unterstützt die Mitarbeiter eines Unternehmens in unterschiedlichen Anwendungsfällen der intelligenten Produktion der Zukunft. Ein Beispiel ist die Verwendung der Daten, um Prognosen zum zukünftigen Zustand der Maschine zu erstellen und durch gezielte vorbeugende Wartung ("Predictive Maintenance") ungeplanten Ausfällen vorzubeugen.

Die über den NIKI-4.0-Werkzeugkasten erfassten Daten sind auch für Mitarbeiter außerhalb der unmittelbaren Umgebung der Maschinen interessant, beispielsweise für einen Betriebsleiter, der aktuelle Produktions- und Maschinendaten analysieren und Einsätze planen möchte.

Das Projekt "Nicht-disruptives Kit für die Evaluation von Industrie 4.0", kurz NIKI 4.0, startete am 1. Februar 2016 und läuft insgesamt 28 Monate bis zum 31. Mai 2018. Die Baden-Württemberg Stiftung gGmbH beauftragte die Projektpartner im Rahmen des Forschungsprogramms "Industrie 4.0: Gestaltungspotentiale für den Mittelstand in Baden-Württemberg erforschen und nutzen". Projektträger ist das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt e.V.


Über das FZI Forschungszentrum Informatik
Das FZI Forschungszentrum Informatik am Karlsruher Institut für Technologie ist eine gemeinnützige Einrichtung für Informatik-Anwendungsforschung und Technologietransfer. Es bringt die neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse der Informationstechnologie in Unternehmen und öffentliche Einrichtungen und qualifiziert junge Menschen für eine akademische und wirtschaftliche Karriere oder den Sprung in die Selbstständigkeit. Geführt von Professoren verschiedener Fakultäten entwickeln die Forschungsgruppen am FZI interdisziplinär für ihre Auftraggeber Konzepte, Software-, Hardware- und Systemlösungen und setzen die gefundenen Lösungen prototypisch um. Mit dem FZI House of Living Labs steht eine einzigartige Forschungsumgebung für die Anwendungsforschung bereit. Alle Bereiche des FZI sind nach DIN EN ISO 9001:2008 zertifiziert. Hauptsitz ist Karlsruhe. Das FZI ist mit einer Außenstelle in Berlin vertreten.

Über die Hahn-Schickard
Die Hahn-Schickard-Gesellschaft für angewandte Forschung e.V. steht für industrienahe, anwendungsorientierte Forschung, Entwicklung und Fertigung mit Mikrosystemtechnik. Über 180 Mitarbeiter entwickeln in Stuttgart, Villingen-Schwenningen und Freiburg innovative Produkte und Technologien in den Bereichen Sensorik und Aktorik, Systemintegration, Cyber-physische Systeme, Lab-on-a-Chip und Analytik, Mikroelektronik, Aufbau- und Verbindungstechnik, Mikromontage und Zuverlässigkeit. Im Projekt NIKI 4.0 engagieren sich die Standorte Villingen-Schwenningen und Stuttgart. Hahn-Schickard ist zudem Konsortialführer des Projektes NIKI 4.0.

Über die Hochschule Offenburg
Die Hochschule Offenburg ist eine der führenden technischen Hochschulen Mittelbadens. Mehr als 4.500 Studierende sind in den Studienbereichen Technik, Wirtschaft und Medien eingeschrieben. Im Team des Instituts Embedded Systems und Kommunikationselektronik (iESK), das von Prof. Sikora geleitet wird, arbeiten gegenwärtig zehn Ingenieure und Doktoranden in Vollzeit. Diese werden von etwa fünfzehn Studierenden unterstützt. Es ist umfangreiches Know-how für Kommunikationslösungen und deren Umsetzung in Embedded Systemen vorhanden.

Weitere Informationen unter:
http://www.niki-40.de
- Mehr Informationen zum Projekt

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung unter:
http://idw-online.de/de/institution1055

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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
FZI Forschungszentrum Informatik am Karlsruher Institut für Technologie,
Johanna Häs, 18.10.2016
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 20. Oktober 2016

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