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INFORMATIONSTECHNOLOGIE/1160: Hochempfindliche Spürnase im All (idw)


Fraunhofer-Gesellschaft - 02.05.2017

Hochempfindliche Spürnase im All


Die Europäische Weltraumorganisation ESA wird in den kommenden Jahren eine Reihe neuer Wettersatelliten ins All schicken, die wichtige meteorologische Messgrößen wie Niederschlag, Wasserdampf oder Temperatur besser denn je messen können. Herz dieser Messgeräte sind extrem empfindliche Mikrowellenverstärker, die am Fraunhofer-Institut für Angewandte Festkörperphysik IAF entwickelt wurden. Diese können auch sehr schwache Signale aus der Umwelt wahrnehmen, die für genauere Wettervorhersagen wichtig sind.

Unter Meteorologen gibt es den Witz, dass man das Wetter von morgen am sichersten vorhersagen kann, wenn man davon ausgeht, dass es genauso wird wie heute. In vielen Fällen läge man damit richtig, heißt es. Natürlich verlassen sich Meteorologen heute nicht mehr auf diese nicht ganz ernst gemeinte Daumenregel. Vielmehr stützen sie sich bei der Wettervorhersage auf Computersimulationen, die mit Tausenden von Messdaten gefüttert werden. Solche Messdaten liefern seit einigen Jahrzehnten vor allem Satelliten, die mit feinen Sensoren die Temperatur oder den Niederschlag auf der Erde erfassen. Je besser diese Sensoren sind, desto genauer sind die Messwerte - und damit auch die Wettervorhersagen. Die Europäische Weltraumorganisation ESA wird deshalb in den nächsten zwei Jahren die zweite Generation ihrer MetOp-Wettersatelliten (Meteorological Operational Satellite) ins All schießen - sechs Stück insgesamt mit hochmoderner Messtechnik. Für den Bau der MetOp-Satelliten der zweiten Generation - Start und Betrieb nicht eingerechnet - sind insgesamt 1,4 Milliarden Euro veranschlagt.

Messungen in der oberen Atmosphäre

Mit den Satelliten werden auch kleine aber sehr feine technologische Komponenten des Freiburger Fraunhofer-Instituts für Angewandte Festkörperphysik IAF ins All starten - ultragenaue Verstärker, die Mikrowellenstrahlung aufnehmen. Diese Strahlung wird von jedem Körper, jeder Fläche abgegeben - so ähnlich wie ein Körper Wärme abstrahlt, die man im Infrarotbild sehen kann. Die Verstärker sind auf Mikrowellenfrequenzen geeicht, weil diese wichtige meteorologische Informationen liefern: Sie fangen Mikrowellen auf, die von Wasserdampf, Regen, Nebel oder Eiskristallen abgegeben werden - insbesondere auch von den Eiskristallen in den Cirrus-Wolken weit oben in der Atmosphäre, die einen wichtigen Einfluss auf das Klima und das Wetter haben sollen. Auch lässt sich aus der Mikrowellenstrahlung sehr genau auf die Temperatur auf dem Erdboden schließen.

Die Signale, die die Mikrowellenantennen der Satelliten empfangen, sind allerdings extrem schwach. Sie betragen nur wenige Nanowatt. Um diese Mikrowellensignale überhaupt verlässlich messen zu können, braucht man Verstärker. Als geradezu ideal haben sich dafür die Verstärker aus dem Fraunhofer IAF erwiesen. »Herzstück dieser Verstärker ist ein Transistor aus dem Halbleitermaterial Indium-Gallium-Arsenid«, sagt Dr. Michael Schlechtweg, der am Fraunhofer IAF das Geschäftsfeld Hochfrequenzelektronik leitet. »Dieses Material hat die Eigenschaft, dass es von Elektronen sehr leicht durchflossen wird, selbst wenn das elektrische Feld, das die Elektronen antreibt, sehr klein ist.« Entsprechend werden die Elektronen im Transistor bereits durch sehr schwache Mikrowellensignale in Bewegung gesetzt, was den Transistor extrem empfindlich macht. »Dank der Mikrowellenschaltungen des Fraunhofer IAF können die MetOp-Satelliten künftig Temperatur, Wasserdampf und Niederschlagsart noch präziser ermitteln. Dies erhöht die Zuverlässigkeit der Wettervorhersage«, betont ESA-Projektleiter Ville Kangas. Transistoren aus dem herkömmlichen Halbleitermaterial Silizium hingegen wären dafür viel zu unempfindlich.

Kleinste Elektroden hochgenau fertigen

Doch nicht das Indium-Gallium-Arsenid allein macht die Verstärker so empfindlich. Auch die geringe Baugröße trägt ihren Teil dazu bei. Die Elektroden der Transistoren sind gerade einmal 50 bis 35 Nanometer (Millionstel Millimeter) lang. Erst damit werden winzige Elektronenströme beziehungsweise Signale messbar. »Diese extreme Empfindlichkeit und geringe Baugröße sind das Ergebnis 25 Jahre langer Forschungsarbeit«, betont Michael Schlechtweg. »In dieser Zeit haben wir einen hochgenauen Fertigungsprozess entwickelt, bei dem die Verstärkerschaltungen in 150 Produktionsschritten aufgebaut werden. Die Elektroden formen wir mit einem Elektronenstrahl. In dieser Präzision können das weltweit nur einige ganz wenige Firmen.«

Auf den MetOp-Satelliten werden die Verstärker in drei verschiedenen Mikrowelleninstrumenten eingesetzt, die unterschiedliche Dinge messen - eben Niederschlag, Wasserdampf, Eiskristalle oder Temperatur. Dafür mussten die Experten um Schlechtweg verschiedene Sensoren fertigen, die jeweils auf die entsprechende Mikrowellenfrequenz geeicht sind - konkret sind es fünf Frequenzbänder zwischen 54 und 243 Gigahertz. 243 Gigahertz sei ein beachtlicher Wert, betont Schlechtweg, denn je höher die Frequenz, desto leistungsfähiger müsse wiederum der Verstärker sein. Die Komponenten aus dem Fraunhofer IAF sind das. Und sie haben nicht nur die ESA überzeugt. Vor kurzem hat ein US-amerikanisches Unternehmen angefragt. Gut möglich also, dass die Mikrowellenverstärker aus dem IAF demnächst auch an Bord von US-Satelliten ins All starten.



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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Fraunhofer-Gesellschaft, Britta Widmann, 02.05.2017
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E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 4. Mai 2017

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