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RAUMFAHRT/920: WiSe-Net - Zukunftstechnologie im Miniaturformat (DLR)


Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) - 19.03.2015

WiSe-Net - Zukunftstechnologie im Miniaturformat


An Bord der Internationalen Raumstation ISS herrschen geregelte Umgebungsbedingungen: Temperatur, Luftfeuchtigkeit und -druck sowie Lichtintensität sind nur sehr geringen Schwankungen unterworfen. Auch die Luftzusammensetzung ist sehr stabil. Wenn hier Veränderungen auftreten, müssen die "Stationsbewohner" sofort Bescheid wissen. Um zuverlässige Miniatursensoren zu entwickeln, die die Umgebung der ISS genauestens erfassen und die Raumstation in Zukunft noch sicherer machen, hat das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) das WirelessSensor-NETwork (WiSe-Net)-Experiment auf die ISS gebracht. Nun ging die erste Messkampagne des gemeinsam mit Airbus Defence & Space (ADS) entwickelten Experiments erfolgreicher zu Ende als ursprünglich erhofft.


Ein Experiment mit großer Ausdauer

Eigentlich sollte das kleine Sensoren-Netzwerk nur sechs Wochen lang auf der Raumstation in Betrieb gehen. So hatten Volker Schmid, ISS-Fachgruppenleiter im DLR Raumfahrtmanagement, und die Entwickler von ADS um Projektleiter Dr. Hans-Jörg Beestermöller die Akkulaufzeit kalkuliert.

Stattdessen lief die erste Messkampagne des Experiments nun fast zehn Wochen lang im europäischen Columbus-Modul der ISS - vom Silvesterabend 2014 bis zum 12. März 2015. WiSe-Net nutzt dabei die Infrastruktur des DLR-Magnetfeldexperiments Magvector/MFX. Beide wurden im Juli 2014 mit dem Raumfrachter ATV-5 im Rahmen der Blue-Dot-Mission des deutschen ESA-Astronauten Alexander Gerst zur ISS transportiert. "Abgesehen von einer kleinen Unterbrechung haben die vier Sensoren rund um die Uhr Daten gesammelt. Dank WiSe-Net kennen wir die Umgebungsbedingungen im Columbus-Labor nun ganz genau", freut sich Volker Schmid, der das Projekt seitens des DLR mit betreut.


Daten zeigen ein klares Muster

Hinter WiSe-Net verbirgt sich ein Netzwerk von vier MP3-Player-großen Sensoren, das Messwerte zu Temperatur, Luftfeuchtigkeit und sowie Lichtintensität sammelt und per Funk an eine Basisstation überträgt. Die Sensoren sind im Columbus-Modul verteilt. Neben den Daten wird auch eine Statistik über die Qualität des Funknetzes erhoben. In regelmäßigen Abständen werden Datenpakete zusammengestellt und über die ISS-Kommunikation zum Boden übertragen. Lässt sich daraus nun ein Muster für die ISS ableiten? "Die Auswertung über den langen Zeitraum von zehn Wochen zeigt ein klares Muster - und das heißt Normalität. Die Temperatur liegt ziemlich genau bei 24 Grad Celsius, die Luftfeuchtigkeit bei 45 Prozent und der Luftdruck bei 1002 Hektopascal - alles normale Werte", fasst ADS-Projektleiter Hans-Jörg Beestermöller die Ergebnisse zusammen. "Nur am 3. Januar 2015 haben wir eine Schwankung in allen dieser drei Parameter. Die Luftfeuchtigkeit und der Luftdruck stiegen sprunghaft an und die Temperatur fiel ab. Wir müssen aber noch herausfinden, warum das so war".


Crewüberwachung durch Lichtmessung

Doch nicht nur diese drei Umgebungsbedingungen werden von den drahtlosen Sensoren aufgezeichnet. Auch die Lichtintensität auf der ISS wird gemessen. "Wir können so zeigen, wann im Columbus-Modul wie intensiv gearbeitet wurde. Über die Lichtintensität lässt sich ein Arbeitstag und somit der Rhythmus der Crew auf der ISS ganz einfach nachvollziehen. Da die Sensoren sehr empfindlich sind, merken wir, welcher Sensor besonders stark ausschlägt - und wir wissen, wo die Hauptaktivität an diesem Tag ablief", erklärt Beestermöller.


Gefährlichen Gasen auf der Spur

Die WiSe-Net-Sensoren können also die Crew vor möglichen Bedrohungen warnen und schützen. Eine weitere Gefahrenquelle auf der Raumstation stellen Gaslecks dar. Dazu ein Rückblick: Am 14. Januar schreckte die Raumfahrer und Flugkontrolleure ein Alarm auf. Hochgiftiges Ammoniak sollte im amerikanisch-europäischen Teil der Station ausgetreten sein - ein Computer-Fehlalarm, wie sich im Nachhinein herausstellte. Dennoch musste ein Astronaut, ausgestattet mit einer Gasmaske, "per Hand" die Werte vor Ort messen. Denn die Raumstation verfügt momentan über keine Messinstrumente, um solche potenziellen Lecks aufzuspüren. "WiSe-Net könnte hier Abhilfe schaffen. Die nächste Sensorgeneration wollen wir um ein Gasmesssystem erweitern. Wenn die Sensoren die Werte dann messen und jeder Sensor die genaue Konzentration in seinem Umfeld bestimmt, können wir den Ort eines möglichen Lecks präzise feststellen. Kein Astronaut muss dann mit Gasmaske den Gefahrenherd untersuchen", schauen Schmid und Beestermöller in die Zukunft.


Noch mehr Zukunftstechnologie im Miniaturformat

Und es gibt noch eine weitere Idee: Die neue Generation der WiSe-Net-2-Sensoren soll verlorene Energie "ernten" und damit ihre Akkus aufladen oder diese sogar komplett überflüssig machen. Denn überschüssige Energie wird normalerweise in Wärme umgewandelt und so freigesetzt - sie verpufft und kann eigentlich nicht mehr zurückgewonnen werden. Gleiches gilt auch für die Nutzung des vorhandenen Lichts. "Das sogenannte Energy Harvesting ist ein vielversprechendes Technologieforschungsgebiet. Auch auf der ISS wäre es sinnvoll, wenn man diese verlorene Energie nutzen könnte. Genau das wollen wir im Nachfolgeprojekt WiSe-Net-2 umsetzen", erklären Beestermöller und Schmid.

Während der "Blue Dot"-Mission kamen übrigens zum ersten Mal zwei Industrie-Experimente auf die ISS, deren Hardware ohne öffentliche Mittel finanziert wurde. WiSe-Net ist eines davon. "Den Anteil dieser industriell motivierten Experimente würden wir gerne steigern", erläutert ISS-Fachgruppenleiter Volker Schmid.


Vollständiger Artikel mit Bildern:
http://www.dlr.de/dlr/presse/desktopdefault.aspx/tabid-10172/213_read-13098/year-all/#/gallery/18931

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Quelle:
Pressemitteilung vom 19.03.2015
Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR)
Unternehmenskommunikation, Linder Höhe, 51147 Köln
http://www.dlr.de/


veröffentlicht im Schattenblick zum 21. März 2015

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