Schattenblick →INFOPOOL →PANNWITZBLICK → FAKTEN

MELDUNG/078: Genf - UN-Ausschuss kritisiert Genital-OPs an Inters*x-Kindern (zwischengeschlecht.org)


Zwischengeschlecht.org
Menschenrechte auch für Zwitter! - Pressemitteilung vom 3. Februar 2015

Genf: UN-Ausschuss kritisiert Genital-OPs an Inters*x-Kindern als "schädliche Praxis" - Schriftliche Empfehlungen morgen Mittwoch



Die 68. CRC Sitzung war eine kleine Sensation: Zum allerersten Mal überhaupt behandelte der UN-Ausschuss für die Rechte des Kindes die Themen Inters*x und IGM-Praktiken. In einem bahnbrechenden Vorstoß stellte die Vorsitzende der Schweiz kritische Fragen - und kritisierte nicht-eingewilligte Inters*x-OPs an Kindern als "eine Frage der körperlichen Unversehrtheit", als "eine Art von Gewalt an Kindern", und als "schädliche Praxis".

Dieses Novum ist das Ergebnis langer und harter Arbeit von Inters*x-NGOs und ihren Verbündeten, die sich am CRC-Menschenrechts-Mechanismus beteiligten und nicht weniger als 4 NGO-Berichte zu Kinderrechten in der Schweiz einreichten, die alle IGM-Praktiken explizit kritisierten. Gefolgt von einer Einladung des Komitees für ein Briefing zum Thema " Inters*x-Genitalverstümmelungen auf der globalen Ebene" unmittelbar vor der Staatenprüfung der Schweiz.

Seit 22 Jahren kämpfen Betroffene gegen chirurgische "Genitalkorrekturen" an Kindern mit Varianten der Geschlechtsanatomie, die sie als Inters*x-Genitalverstümmelungen (IGM) kritisieren. Seit 16 Jahren berufen sie sich dabei auf die UN-Kinderrechtskonvention. Seit 2008 wenden sich Überlebende an die Vereinten Nationen, und seit 2012 an den Ausschuss für Kinderrechte.

Bereits kritisieren nun 13 UN-Gremien sowie der Europarat uneingewillige Genitaloperationen und weitere medizinisch nicht notwendige Eingriffe an Inters*x-Kindern (CEDAW, CAT, SRH, SRT, WHO, OHCHR, UNICEF, UN Women, UNAIDS, UNDP, UNFPA, CRPD, CRC, COE). Bis heute ist Kolumbien weltweit das einzige Land, das IGM-Praktiken zumindest teilweise untersagt.

2012 wurde die Stellungnahme der Nationalen Ethikkommission im Bereich der Humanmedizin (NEK-CNE) der Schweiz weltweit gelobt - doch bis heute weigert sich der Bundesrat, die Empfehlungen auch umzusetzen.

Die Antworten der Schweiz auf die Fragen der CRC-Vorsitzenden in Genf waren klar unbefriedigend, was auch die Vorsitzende in einer abschließenden Bemerkung selbst festhielt (Transkript siehe [1]).

Unbeirrt stellte eine Sprecherin des Bundesamtes für Justiz "psychologische Risiken [...] zum Beispiel bei Problemen beim Schuleintritt" als angeblich "zwingende medizinische Notwendigkeit" für kosmetische Genitaloperationen an Inters*x-Kindern dar - entgegen den Empfehlungen der Nationalen Ethikkommission, die "psychosoziale Indikationen" für unnötige Genitaloperationen explizit und klar kritisiert (!!!). Ebenso unbeirrt stellte die Schweiz "Personenstand", "Geschlechtseintrag", "Geschlechtszuweisung", "empfundenes Geschlecht" usw. ins Zentrum - bei gleichzeitiger Missachtung der von der Vorsitzenden hervorgehobenen körperlichen Unversehrtheit - gipfelnd in der ewiggestrigen Behauptung, IGM-Praktiken seien nur bei zusätzlicher "falscher Geschlechtszuweisung" wirklich schlimm.

Zwar stellte die Schweizer Vertretung in einer überraschenden Kehrtwende Bestrebungen für Datenerfassung zu Inters*x-OPs in Aussicht - doch offensichtlich einmal mehr ohne Konsultation der Betroffenen, die in Genf zum ersten Mal von diesen Plänen erfuhren.

Betroffene rund um den Globus und ihre Organisationen hoffen deshalb, der UN-Ausschuss für die Rechte des Kindes werde morgen Mittwoch deutliche schriftliche Empfehlungen an die Schweiz richten, und eine ganzheitliche Politik zur Eliminierung aller IGM-Praktiken weltweit vorantreiben.


Die internationale Menschenrechtsgruppe Zwischengeschlecht.org fordert ein Verbot von kosmetischen Genitaloperationen an Kindern und Jugendlichen mit "atypischen" körperlichen Geschlechtsmerkmalen sowie "Menschenrechte auch für Zwitter!".

Betroffene sollen später selber darüber entscheiden, ob sie Operationen wollen oder nicht, und wenn ja, welche.


Anmerkung:
[1] http://blog.zwischengeschlecht.info/post/2015/02/01/Transkript-Intersex-RCR-68-Session-Genf-2015

Weitere Informationen:

2014 CRC NGO Report "Intersex Genital Mutilations" (PDF 3.65 MB)
http://intersex.shadowreport.org/public/2014-CRC-Swiss-NGO-Zwischengeschlecht-Intersex-IGM_v2.pdf

2015 CRC Briefing "Intersex Genital Mutilations on a Global Scale" (PDF 3.14 MB)
http://intersex.shadowreport.org/public/Zwischengeschlecht_2015-CRC-Briefing_Intersex-IGM_web.pdf

Transkript 68. Sitzung CRC: Fragen und Antworten zu Intersex, Genf 2015
http://blog.zwischengeschlecht.info/post/2015/02/01/Transkript-Intersex-RCR-68-Session-Genf-2015

*

Quelle:
Pressemitteilung vom 3. Februar 2015
Menschenrechtsgruppe Zwischengeschlecht.org
E-Mail: presse_at_zwischengeschlecht.info
Internet: http://zwischengeschlecht.org
Regelmässige Updates: http://zwischengeschlecht.info


veröffentlicht im Schattenblick zum 4. Februar 2015


Zur Tagesausgabe / Zum Seitenanfang