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ARTIKEL/381: Der behinderte Gott (ALfA LebensForum)


ALfA LebensForum Nr. 122 - 2. Quartal 2017
Zeitschrift der Aktion Lebensrecht für Alle e.V. (ALfA)

Essay
Der behinderte Gott

Von Werner Schüßler


Marginalisierte Gruppen brauchen bestärkende Symbole, in denen sie ihr eigenes Sein wiedererkennen. Mit dem Bild Jesu Christi als des behinderten Gottes haben wir nach Nancy L. Eiesland ein solches Symbol, das nicht nur für behinderte Menschen eine transformierende Kraft aufweist, sondern auch für die körperlich Gesunden, begründet doch dieses Symbol ein neues Verständnis von Ganzheit und eine neue Verkörperung von Gerechtigkeit: In diesem Sinne kann die Anerkennung des behinderten Gottes Eiesland zufolge bei Menschen mit Behinderung zu einer Versöhnung mit ihren eigenen Körpern und mit der Kirche als Christi Leib befähigen.


Neuesten Angaben zufolge sind an die eine Milliarde Menschen auf der Welt behindert - die meisten davon leben in den sogenannten Entwicklungsländern, und allein in Deutschland sollen es ca. 7,6 Millionen sein. Und die Wahrscheinlichkeit, dass man im Leben behindert wird, sei es zeitweise, sei es dauerhaft, liegt bei 50 Prozent. Das Bild des behinderten Menschen war aber selten positiv besetzt - weder im Mythos der Antike noch in der Religion. Der griechische Gott Hephaistos, der Sohn von Zeus und Hera, wurde angeblich von den Göttern aus dem Paradies ausgestoßen, weil er gelähmt geboren wurde. Und in der Religion ist das nicht viel anders gewesen. So durchzieht die Verbindung von moralischer Unreinheit und körperlicher Behinderung das Alte Testament wie ein roter Faden. Damit ist auch noch ein weiteres Motiv verknüpft, dass nämlich körperliche Behinderung ein Zerrbild des göttlichen Ebenbildes darstellt (vgl. Lev 17-26). Hinzu kommt, dass die biblische Unterstützung tugendhaften Leidens letztlich die Anpassung an ungerechte soziale Situationen begünstigte und somit auch die Akzeptanz der Marginalisierung von Menschen mit Behinderung unterstützte, indem sie deren Passivität und Resignation förderte (vgl. 2 Kor 12,7-10).

Jesus durchbricht diese kausale Verknüpfung zwischen Sünde und Behinderung, wenn es in Joh 9,1-3 heißt: »Unterwegs sah Jesus einen Mann, der seit seiner Geburt blind war. Da fragten ihn seine Jünger: Rabbi, wer hat gesündigt? Er selbst? Oder haben seine Eltern gesündigt, so dass er blind geboren wurde? Jesus antwortete: Weder er noch seine Eltern haben gesündigt, sondern das Wirken Gottes soll an ihm offenbar werden.« Wobei der letzte Halbsatz aber auch nicht ganz unproblematisch ist. Und doch hat das nicht verhindern können, dass selbst heute noch Menschen mit Behinderung, trotz Integrations- und/oder Inklusionsmaßnahmen, diskriminiert und marginalisiert werden - u. a. in Schulen, Sportvereinen und auch in der Kirche. Dabei müssten wir Christen im Blick auf den auferstandenen Christus, bei dem die Erfahrung der Versehrtheit nicht ausgeblendet wird, doch geradezu beschämt sein in Bezug auf unsere theologischen Tendenzen, den Mythos körperlicher Perfektion fortzuschreiben in der Absicht, himmlische oder gar irdische Perfektion zu erhalten - das ist jedenfalls die Ansicht von Nancy L. Eiesland, die in ihrer Schrift »The Disabled God. Toward a Liberatory Theology of Disability« (Nashville, TN 1994), einem Klassiker theologischer »Disability Studies«, mit ihrem Symbol vom »behinderten Gott« deutlich machen möchte, dass Gott gerade in den Körpern sichtbar wird, wo man es am wenigsten erwartet.

Jesus als Behinderter - das ist sicherlich für so manche Gläubige ein nur schwer zu ertragender Gedanke. Der Theologe Frank Mathwig von der Universität Bern stellt in diesem Zusammenhang selbstkritisch die provokante Frage: »Kann ich mir Jesus Christus als Behinderten, Blinden, Spastiker, MS-Kranken etc. vorstellen?« Und er antwortet darauf: »Nein, das Bild eines Jesus, dem der Speichel aus dem Mund läuft, der Grimassen schneidet, dessen Körper unkoordiniert zuckt, der stockend, verzerrt mit gurgelnden Lauten, kaum verständlich spricht - den gibt es nicht. Und gäbe es diese Vorstellung, würde sie als Blasphemie bekämpft. Das Problem besteht nicht darin, dass es diesen Jesus nicht geben kann - immerhin ist im Neuen Testament nur allgemein vom Menschen Jesus die Rede -, sondern dass es ihn nicht geben darf.« (Ders., Behinderten Seelsorge - oder behindert Seelsorge? Bemerkungen zum theologisch-ethischen Verständnis von Menschen mit Behinderung,
www.zslschweiz.ch/z_alteseite/Archiv/Media/Behinderten%20Seelsorge%20oder%20behindert%20Seelsorge.doc, S. 9)

Jesus als Behinderter - dazu gibt es von Andrea Mantegna (1431-1506), dem wohl bedeutendsten Maler der oberitalienischen Frührenaissance, drei Gemälde: Sie zeigen Maria mit dem Jesuskind, das die charakteristischen Merkmale des Down-Syndroms aufzuweisen scheint. Im Einzelnen handelt es sich um die folgenden Gemälde: »Jungfrau und Kind mit den Heiligen Hieronymus und Ludwig von Toulouse« (um 1455), »Madonna mit Kind« (um 1460) sowie »Jungfrau mit Kind« (ebenfalls um 1460) (siehe
www.researchgate.net/publication/264462277_Genetics_in_the_art_and_art_in_genetics). Als einer der ersten hat der Mediziner John Ruhrah in einem Beitrag aus dem Jahr 1935 darauf aufmerksam gemacht, dass das Jesuskind auf diesen Bildern von Mantegna die typischen Merkmale des Down-Syndroms aufweisen würde (ders., Cretin or Mongol, or Both Together, in: American Journal of Diseases of Children 49 [1935] 477f.). In der Zwischenzeit hat man sich wissenschaftlicherseits immer wieder mit diesem merkwürdigen Phänomen beschäftigt. So meinen jüngst auch Nenad Bukvic und John W. Elling in einem Beitrag aus dem Jahre 2014 (dies., Genetics in the Art and Art in Genetics, in: Gene [2014], http://dx.doi.org/10.1016/j.gene.2014.07.073), dass man mit großer Wahrscheinlichkeit davon ausgehen könne, dass Jesus hier als Kind mit Down-Syndrom dargestellt wird, und sie vermuten, dass Mantegna wohl »warme Gefühle« gegenüber dem Kind, das hier Modell gestanden habe, gehegt haben muss, wurden doch in der damaligen Kultur Kinder mit solchen Beeinträchtigungen nicht selten dem Tod überlassen oder, wenn sie überhaupt künstlerisch dargestellt wurden, dann in der Regel als »Symbole der Komik oder des Bösen«.

In einem Beitrag mit dem Titel »Encountering the Disabled God« aus dem Jahr 2004 schreibt die schon genannte Nancy L. Eiesland: »Als ein Mensch mit Behinderung konnte ich die traditionellen Antworten auf meine Frage, was Behinderung ist, nicht akzeptieren. Da ich eine angeborene Behinderung habe, hatte ich verschiedene Gelegenheiten, viele dieser sogenannten Antworten zu hören und zu erfahren, wie: 'Du bist in Gottes Augen etwas ganz Besonderes, und das ist der Grund, warum Du diese schmerzhafte Behinderung hast' - was für mich aber nicht logisch klang. Oder: 'Mach' Dir keine Sorgen über Deine Schmerzen und Dein jetziges Leiden, im Himmel wirst Du vollkommen sein.' Nochmals, als jemand, der von Geburt an behindert ist, kam ich zu der Überzeugung, dass ich mich in diesem Fall im Himmel nicht mehr wiedererkennen könnte und vielleicht könnte mich auch Gott nicht wiedererkennen. Es ist meine Behinderung, die mich gelehrt hat, wer ich bin und wer Gott ist.«
(www.biblesociety.org.uk/uploads/content/bible_in_transmission/files/2004_spring/BiT_Spring_2004_Eiesland.pdf - Diese und auch die folgenden Übersetzungen stammen von mir!)

Wer ist diese Frau, die mit ihrem Bild vom »behinderten Gott« die »sozial-symbolische Ordnung« durcheinanderbringt und selbst von Seiten der Theologie nicht nur Zustimmung, sondern auch heftige Kritik erfahren hat? So wurde ihr zum Beispiel vorgeworfen, dass sie sich vom Bild eines vollkommenen Gottes verabschiede, was aber sicherlich nicht in ihrer Intention liegt.

Der Ausdruck »der behinderte Gott« begegnet immer wieder in der Literatur, wenn man sich mit dem Thema »Theologie und Behinderung« beschäftigt, und doch ist Eieslands Anliegen hierzulande nur wenigen bekannt, und aus diesem Grunde möchte ich dieses hier kurz vorstellen. Doch zuvor noch einige wenige biographische Daten. Nancy L. Eiesland, 1964 in North Dakota mit einer angeborenen Knochenkrankheit geboren, die unzählige Operationen schon in der Kindheit erforderlich machte und sie später an den Rollstuhl fesselte, hat an der »Candler School of Theology« der Emory Universität in Atlanta, Georgia, Theologie studiert. Dort hat ihre Mentorin, Rebecca S. Chopp, sie dazu ermutigt, in ihrer Masterarbeit von 1991 das Thema Behinderung aufzugreifen: »I looked at her and said, 'That is your work'«, so Rebecca S. Chopp - und dieses Thema sollte auch Eieslands Sache werden, ist doch aus dieser Masterarbeit der Klassiker »The Disabled God« hervorgegangen, eine Schrift, die Deborah Beth Creamer in ihrem Buch »Disability and Christian Theology« von 2009 zu Recht als »the most powerful discussion of God to arise from disability studies« charakterisiert hat. 1995 hat Eiesland dann an der Emory Universität zu einem religionssoziologischen Thema promoviert, und sie war bis zu ihrem allzu frühen Tod im Jahr 2009 - sie starb an einem wohl genetisch bedingten Lungenkrebs - als Professorin für Religionssoziologie tätig. Eiesland, die der »Evangelical Lutheran Church in America« angehörte, war verheiratet und hat eine Tochter.

Es war ein einschneidendes Ereignis, das Eiesland zu dem Bild vom »behinderten Gott« führte. Als sie wieder einmal im »Shepard Center« in Atlanta war, einer Rehabilitationsklinik für Menschen mit Rückenmarks- und Gehirnverletzungen, gestaltete sie mit ihren Mitpatienten und -patientinnen eine Bibelstunde. Dabei ging es auch um die gemeinsamen Zweifel daran, ob Gott sich wirklich um sie sorgen würde. Und auf ihre Frage hin, ob sie sagen könnten, wie sie wissen könnten, ob Gott mit ihnen sei und ihre Erfahrungen verstehen würde, kam ein längeres Schweigen auf. »Dann sagte ein junger afro-amerikanischer Mann: 'Wenn Gott in einem mundgesteuerten Rollstuhl säße, dann würde er uns vielleicht verstehen.'« (Encountering the Disabled God, siehe oben)

Einige Wochen später las Eiesland dann Lk 24,36-39, wo der Auferstandene den Jüngern erscheint: »Während sie noch darüber redeten, trat Jesus selbst in ihre Mitte. [...] Sie erschraken und hatten große Angst, denn sie meinten, einen Geist zu sehen. Da sagte er zu ihnen: 'Was seid ihr so bestürzt? Warum lasst ihr in eurem Herzen solche Zweifel aufkommen? Seht meine Hände und meine Füße an: Ich bin es selbst. Fasst mich doch an, und begreift: Kein Geist hat Fleisch und Knochen, wie ihr es bei mir seht.'«

Eiesland kommentiert diese Stelle in der Schrift »The Disabled God« so: »Hier ist der auferstandene Christus, der die inkarnatorische Verkündigung bewahrheitet, dass Gott mit uns ist, so wie wir verkörpert sind, und dass alle menschliche Bedingtheit und das ganze menschliche gewöhnliche Leben in Gott einbezogen ist. Indem er seinen erschrockenen Freunden seine beeinträchtigten Hände und Füße vorzeigt, wird der auferstandene Jesus offenbar der behinderte Gott. Jesus, der auferstandene Erlöser, fordert die bestürzten Gefährten auf, in den Malen der Beeinträchtigung ihre eigene Verbundenheit mit Gott zu erkennen, ihre eigene Erlösung. Dadurch wird der behinderte Gott auch zum Offenbarer einer neuen Mitmenschlichkeit. Der behinderte Gott ist nicht der Eine aus dem Himmel, sondern die Offenbarung des wahren Menschseins, indem auf diese Weise das Faktum unterstrichen wird, dass das volle Menschsein mit der Erfahrung von Behinderung ganz und gar verträglich ist.« (S. 100)

Die Erfahrung in der Rehabilitationsklinik, verbunden mit der Lektüre von Lk 24, wurde somit für Eiesland zum Schlüsselerlebnis, eine »Befreiungstheologie der Behinderung« zu entwickeln. Entsprechend beginnt auch das zentrale fünfte Kapitel ihrer Schrift mit den folgenden Worten: »Für mich kommen Epiphanien zu selten, um sie als unglaubwürdig abtun zu können. (...) Aber meine Epiphanie hatte wenig Ähnlichkeit mit dem Gott, auf den ich wartete, oder mit dem Gott meiner Träume. Ich sah Gott in einem mundgesteuerten Elektrorollstuhl. (...) Nicht ein allmächtiger, autarker Gott, aber auch nicht ein bedauernswerter, leidender Knecht. In diesem Moment erblickte ich Gott als Überlebenden, mitleidslos und unverblümt. Ich erkannte den inkarnierten Christus im Bild jener, die als 'nicht tragfähig', als 'arbeitsunfähig', als 'mit fragwürdiger Lebensqualität' behaftet beurteilt werden. Hier war Gott für mich.« (S. 89)

Mit dem Untertitel ihrer Schrift reiht Eiesland ihr Anliegen in die Reihe der sogenannten Befreiungstheologien ein. Wenn eine Befreiungstheologie der Behinderung auch unverwechselbare Akzentuierungen umfasst, so teilt sie doch Eiesland zufolge mit der feministischen und der sogenannten Gender-Theologie die Wertschätzung des Körpers im Sinne einer theologischen Ressource, und sie stellt auch das patriarchalische Bild Gottes in Frage. Und ihre Forderung nach Gerechtigkeit für Menschen mit Behinderung knüpft an das Anliegen lateinamerikanischer Befreiungstheologien an.

Ausgangspunkt einer Befreiungstheologie der Behinderung muss nach Eiesland der Körper sein, ist dieser doch für Menschen mit Behinderung das Realste. Dass der Körper aber nichts »Selbstverständliches« ist, macht Eiesland anhand der Narrative von zwei körperbehinderten Frauen deutlich. Diese widerlegen stereotypische Vorstellungen über das Leben von Menschen mit Behinderung, und auf diese Weise wird jede Norm, die von einer angeblich »normalen Verkörperung« ausgeht, explizit dekonstruiert sowie ein alternatives Verständnis von Verkörperung nahegelegt, demzufolge Verkörperung immer auch eine »soziale Leistung« darstellt.

Unter der Überschrift »Sakramentale Körper« zieht Eiesland im letzten Kapitel ihrer Schrift aus dem neuen ChristusSymbol auch für das Ritual und die Lehre der Eucharistie Schlussfolgerungen, die auf diesem neuen Symbol gründen. So darf die Eucharistie für Menschen mit Behinderung nicht zu einem »Ritual der Ausgrenzung und Erniedrigung« werden, wie das nicht selten der Fall war, sondern - ganz im Gegenteil - sie muss zu einem »Ritual der Zugehörigkeit« werden.

Jüngst hat es auch Papst Franziskus in einem Redetext, den der Vatikan am 11. Juni 2016 verbreitete, als einen Skandal bezeichnet, dass in der Katholischen Kirche immer noch Behinderte von den Sakramenten ausgeschlossen werden, und er forderte sogar eine stärkere Berücksichtigung von Behinderten im Gottesdienst, wo sie ihren eigenen Beitrag durch Gesang und Gesten leisten könnten. Wenn Behinderte von der Kirche ausgegrenzt würden, so der Papst, könne man die Kirchentüre gleich zuschließen: »Entweder alle oder keiner. Einem Priester, der sagt, er könne nicht alle aufnehmen, weil nicht alle verstehen könnten, dem sage ich: Du bist derjenige, der nicht versteht.« Und als sich in diesen Tagen des Jubiläums der Kranken und Behinderten im Rahmen des Jahres der Barmherzigkeit ein Kind mit Down-Syndrom auf das Podest neben den Papst stellte, soll dieser gesagt haben: »Die hat keine Angst, die riskiert was, die weiß, dass die Unterschiede ein Reichtum sind: Sie riskiert, das ist uns allen eine Lehre.« (Quelle: katholisch.de: Kirche - Vatikanstadt, 11.06.2016)

Und anlässlich einer Eucharistiefeier für Kranke und Behinderte mit mehr als 20.000 Teilnehmer/-innen auf dem Petersplatz am 12. Juni 2016 kritisierte der Papst u. a. die Einstellung derjenigen, die meinen, dass Behinderte in »'Reservaten' der frömmelnden Fürsorge und des Wohlfahrtsstaates« am besten aufgehoben seien, weil sie in diesem Falle »den Rhythmus des künstlichen Wohlbefindens nicht stören« würden. Entschieden wandte sich der Papst auch gegen die Auffassung, dass das Leben von Schwerbehinderten nicht lebenswert sei, und er erinnerte daran, dass für ein glückliches Leben die Liebe entscheidend sei. Wenn Menschen mit Behinderung sich geliebt fühlten, würden sie sich auch dem Leben öffnen. Und er wies darauf hin, dass die fortwährende Diskriminierung von Behinderten nicht zuletzt verstärkt würde durch unsere falschen Vorstellungen vom »perfekten Menschen«. Notwendig seien demgegenüber aber Solidarität, Annahme und Achtung. Und gegen Ende der Predigt heißt es dann: »Was könnten wir Gott vorwerfen wegen unserer Krankheiten und Leiden, das nicht bereits in das Antlitz seines gekreuzigten Sohnes eingeprägt ist?« (Quelle: Radio Vatikan)

Marginalisierte Gruppen brauchen in diesem Sinne bestärkende Symbole, in denen sie ihr eigenes Sein wiedererkennen. Mit dem Bild Jesu Christi als des behinderten Gottes haben wir nach Eiesland ein solches Symbol, das nicht nur für behinderte Menschen eine transformierende Kraft aufweist, sondern auch für die körperlich Gesunden, begründet doch dieses Symbol ein neues Verständnis von Ganzheit und eine neue Verkörperung von Gerechtigkeit: In diesem Sinne kann die Anerkennung des behinderten Gottes Eiesland zufolge bei Menschen mit Behinderung zu einer Versöhnung mit ihren eigenen Körpern und mit der Kirche als Christi Leib befähigen.

Deborah Beth Creamer hat in ihrem Buch »Disability and Christian Theology« von 2009 Eieslands Schrift zu Recht als »the most powerful discussion of God to arise from disability studies« charakterisiert, und es ist sicherlich auch der bekannten amerikanischen Theologin Elisabeth Schüssler Fiorenza zuzustimmen, wenn sie meint, dass dieses Werk ein »must reading« für Theologen und Theologinnen sowie Pfarrer/-innen darstellt. Mit Eiesland selbst ist nur zu hoffen, dass eine »Befreiungstheologie der Behinderung« einmal zu einem festen Bestandteil systematischer Theologie wird.


IM PORTRAIT

Prof. Dr. Dr. Werner Schüßler
(geb. 1955) ist Inhaber des Lehrstuhls für Philosophie an der Theologischen Fakultät Trier. In seinen zahlreichen Publikationen beschäftigt er sich vornehmlich mit Fragen der Philosophischen Anthropologie, der Religionsphilosophie, der Metaphysik sowie der Theodizee. Werner Schüßler ist verheiratet und hat drei Kinder; seine jüngste Tochter Riana (geb. 1992) hat das Down-Syndrom. Die Erfahrungen mit ihr haben ihn dazu veranlasst, sich näher mit diesem Thema zu beschäftigen. Im Frühjahr 2018 wird von ihm auch eine deutsche Übersetzung von Eieslands »The Disabled God« im Echter Verlag (Würzburg) herauskommen.

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Quelle:
LEBENSFORUM Ausgabe Nr. 122, 2. Quartal 2017, S. 25 - 27
Zeitschrift der Aktion Lebensrecht für Alle e.V. (ALfA)
Herausgeber: Aktion Lebensrecht für Alle e.V.
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veröffentlicht im Schattenblick zum 26. August 2017

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