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BERICHT/310: Kampagne der Lebenshilfe Bamberg kommt an und schafft Arbeitsplätze (LHZ)


Lebenshilfe Zeitung, Nr. 1 - März 2009

Eine ganze Region macht mit
Kampagne der Lebenshilfe Bamberg kommt an und schafft Arbeitsplätze außerhalb der Werkstatt

Von Dieter Basener


Vor allem für viele Menschen mit Behinderung bleibt der freie Arbeitsmarkt unerreichbar. Aber es kann auch anders gehen. Das beweist die Kampagne "Bamberg bewegt". Simone Böhnlein zum Beispiel hat es geschafft und ihren Traumjob in einem Seniorenheim gefunden.


Integration in den Arbeitsmarkt ist ein schwieriges Geschäft. Das wissen alle, die jemals in Kindergärten, in Bäckereien, bei Tankstellen oder in Supermärkten Klinken geputzt haben, um Werkstattmitarbeiterinnen und -mitarbeiter zu vermitteln. So ist es mehr als bemerkenswert, was "Integra Mensch" der Lebenshilfe Bamberg mit ihrer Kampagne "Bamberg bewegt" gelungen ist: 50 Vermittlungen in Betriebe innerhalb von vier Jahren.

Simone Böhnlein ist eine der ersten, die vermittelt werden konnte. Sie arbeitet in einem Seniorenheim als Hilfspflegerin und geht ganz darin auf: "Wenn es ginge, würde ich sogar nachts arbeiten. Aber da hab' ich frei." Simone Böhnlein macht es zufrieden, wenn sie für die alten Menschen da sein kann, ihnen zeigen kann, dass sie nicht alleine sind.

Ein Patenschaftsmodell stellt die notwendige Begleitung am Arbeitsplatz her. Die Patin von Simone Böhnlein ist die Pflegedienstleiterin Ingrid Schimmel. Sie steht ihr zur Seite, wenn es Fragen oder Schwierigkeiten gibt. Weitere Begleitung erfahren Simone Böhnlein und die anderen, die den Sprung auf den allgemeinen Arbeitsmarkt geschafft haben durch Integrationshelfer/innen.

Hinter "Bamberg bewegt" steht die Idee, konsequent auf regionale Unterstützung und Vernetzung zu setzen und auf dem Gedanken der Sozialraumorientierung aufzubauen. "Integra Mensch" sucht den direkten Kontakt und geht auf mögliche Arbeitgeber zu. Unterstützer in Betrieben, Behörden und Kirchen sorgen für den Zugang zu attraktiven Arbeitsplätzen.

In Bamberg machen der Erzbischof, der Oberbürgermeister, der Landrat, und viele mehr mit. Über diese Multiplikatoren erhält die Lebenshilfe Zugang zu wichtigen Unterstützerkreisen.

So lud der Landrat den Vorsitzenden der Lebenshilfe Bamberg, Klaus Gallenz, und den Sozialpädagogen Kuno Eichner, einen der Initiatoren der Kampagne, in eine Dienstbesprechung aller Bürgermeister der Kreisgemeinden ein. Das Ziel war, das Motto "Bamberg bewegt" in der Region bekannt zu machen.

Auch der Erzbischof ließ seine Drähte spielen und informierte die Pfarrer seines Bistums über die Kampagne - wichtig für den Zugang zu den Kindergärten, die attraktive Arbeitsplätze für Menschen mit Behinderungen bieten.

Einmal im Jahr treffen sich die Beteiligten zum "Patenschaftsforum". Das fand 2007 beispielsweise in einem der Großbetriebe der Region, der Firma RZB Rudolf Zimmermann statt, die weltweit Einkaufszentren mit Beleuchtung versorgt und in Bamberg über 350 Arbeitsplätze verfügt. Die repräsentativen Räume, die hochrangigen Unterstützer der Idee, das Ambiente mit Sektempfang, all dies wertete das Modell auf.

Eine weitere Unterstützerfirma mit hohem Potential, die Firma Wieland electric GmbH, ging einen anderen Weg, um dem Lebenshilfe-Ansatz auf die Sprünge zu helfen: Sie spendete die Arbeitszeit ihrer Werbeabteilung. Das Werber-Team verwandte seine Kreativität auf die Fortentwicklung der Kampagne "Bamberg bewegt". Der Kampagnen-Name selbst ist bereits ein Ergebnis dieser Bemühungen.

Die Bezeichnung des Fachdienstes "Integra" wurde umgewandelt in "Integra Mensch". Die Werber entwickelten ein Logo und Werbebanner. Ein Prospekt ist entstanden.

Das Wichtigste jedoch war ein neuer Denkansatz: Die Lebenshilfe tritt nicht mehr als Bittsteller auf, sondern sie bietet den Firmen die Chance, in ein gemeinsames Anliegen der Region einzusteigen und damit das eigene Image aufzupolieren. Nicht mehr die Werkstatt geht in Vorleistung, die Firmen sollen (und wollen) sich einbringen, um dabei zu sein.

Ein weiterer Unterstützer der Idee ist die lokale Tageszeitung "Der Fränkische Tag", der in Bamberg und Umgebung das Zeitungsmonopol besitzt. Über zwei Jahre hinweg sind sechs große Artikel über das Projekt erschienen. Es dürfte damit kaum einen Bamberger geben, der noch nichts über die Kampagne weiß.

Der Erfolg erzeugt auch überregional Aufsehen. Kuno Eichner und der Lebenshilfe-Geschäftsführer Günther Hoffmann wurden bereits zu mehreren bundesweiten Tagungen eingeladen, um über ihr Konzept zu berichten. Werkstätten fahren nach Bamberg und informieren sich über den Ansatz.

Auch die Arbeitsagentur Bamberg propagierte die Idee bei einem Regionaltreffen der lokalen Arbeitsagenturen und empfahl, "das Vorgehen auch anderen Werkstätten anzubieten". Gemeint war damit, das Eingangsverfahren und den Berufsbildungsbereich nicht mehr in der Werkstatt, sondern gleich in den Betrieben des ersten Arbeitsmarktes anzusiedeln.

Mittlerweile denkt die Lebenshilfe Bamberg darüber nach, ihr Konzept auch für andere Regionen verfügbar zu machen. Wer möchte, kann das Logo und den Kampagnentitel übernehmen und sich über das Vorgehen beraten lassen.

Sozialraumorientierung kann - das haben die Bamberger hinlänglich bewiesen - eine Lösung für das immer noch schwer zu lösende Vermittlungsproblem sein. Sie kann die Türen einer Region öffnen und helfen, Integration Wirklichkeit werden zu lassen.


Mehr Informationen:

Über das erfolgreiche und nachahmenswerte Konzept von "Bamberg bewegt" ist auch ein Buch erschienen. Anschaulich und lebendig mit Fotos und Auszügen aus Interviews wird beschrieben, wie der Fachdienst "Integra Mensch" arbeitet und die Integration in den Arbeitsmarkt gelingt.

Dieter Basener/Silke Häußler:
"Bamberg bewegt - Integration in den Arbeitsmarkt: Eine Region wird aktiv"
53° Nord Agentur und Verlag, Hamburg, 2008, 160 Seiten
ISBN 978-3-9812235-1-4, 19,80 Euro


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Arbeitsmarkt öffnen

Von Jana Kohlmetz

Wer glaubt, das hier beschriebene Modell Bamberg sei eine Ausnahme in Deutschland, wurde im Rahmen der Fachtagung "Arbeiten wo andere auch arbeiten" der Bundesvereinigung Lebenshilfe und des Landesverbandes Bayern eines Besseren belehrt.

So schaffen zum Beispiel Werkstätten aus Ostholstein, Hamburg, Flensburg, Köln, Hof, Rendsburg oder Nürnberg zusammen mit ihren regionalen Partnern ähnlich dem Bamberger Modell gemeindenahe Arbeitplätze. Ganz im Sinne der neuen UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen engagieren sich die Werkstätten für einen offenen und integrativen Arbeitsmarkt.

Um diese Bewegung in einer Region voranzutreiben, braucht es vor allem auch Angehörige von Menschen mit Behinderung. Durch ihre zahlreichen Kontakte vor Ort können vielfältige Zugänge von Menschen mit Behinderung auf den allgemeinen Arbeitsmarkt entstehen, auch wenn diese häufig nicht einer "Vollvermittlung" auf den allgemeinen Arbeitsmarkt entsprechen. Der Mensch mit Behinderung bleibt meistens formal Mitarbeiter der Werkstatt.

Ungeachtet dessen sind jene Modelle große Schritte, um den allgemeinen Arbeitsmarkt für Menschen mit Behinderung zu öffnen.

In der UN-Konvention heißt es, Menschen mit Behinderung sollen die Möglichkeit erhalten, ihren Lebensunterhalt durch Arbeit selbst zu verdienen. Ein sehr hoher Anspruch in einer schwierigen Zeit. Aber es wäre schön, wenn aus vielen gemeindenahen Arbeitsplätzen eines Tages auch reguläre Arbeitsverhältnisse werden.


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Quelle:
Lebenshilfe Zeitung, Nr. 1/2009, 30. Jg., März 2009, S. 20
Herausgeber: Bundesvereinigung Lebenshilfe
für Menschen mit geistiger Behinderung
Bundesgeschäftsstelle, Raiffeisenstr. 18, 35043 Marburg
Telefon: 06421/491-0, Fax: 06421/491-167
E-Mail: lhz-redaktion@lebenshilfe.de
Internet: www.lebenshilfe.de

Die Lebenshilfe-Zeitung mit Magazin erscheint
jährlich viermal (März, Juni, September, Dezember).


veröffentlicht im Schattenblick zum 10. April 2009