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BILDUNG/324: Inklusion - ein Anliegen der Berufsbildungswerke und Berufsförderungswerke (Selbsthilfe)


Selbsthilfe - 4/2011

EIN PLATZ IN DER MITTE DER GESELLSCHAFT

Inklusion
Ein besonderes Anliegen der Berufsbildungswerke und Berufsförderungswerke

von Selda Mayer, Niels Reith


Für Menschen mit Behinderung ist es oft schwierig, im Berufsleben Fuß zu fassen. Vorurteile gegenüber ihrer Leistungsfähigkeit sowie Unsicherheiten im gemeinsamen Umgang erschweren den Einstieg in das Berufsleben. Die Berufsbildungs- und Berufsförderungswerke betrachten jeden Rehabilitanden als Individuum mit vielfältigen Talenten sowie unterschiedlichen Stärken und Schwächen. Darauf bezogen, werden individuelle Förderkonzepte erarbeitet. Dies sind die Grundbausteine, um für jeden Rehabilitanden die passende Ausbildung und anschließend einen Arbeitsplatz zu finden.


Deutschland verfügt über ein einzigartiges System an Teilhabeleistungen, das Menschen mit schwersten Behinderungen einen Platz in unserer Gesellschaft ermöglicht. Dennoch ist es notwendig, dieses System kontinuierlich weiterzuentwickeln und noch stärker als bisher mit Arbeitswelt und Gesellschaft zu verzahnen. So erhöhen sich für Menschen mit Behinderung die Chancen auf Teilhabe und eine inklusive Gesellschaft kann Schritt für Schritt zur Wirklichkeit werden. Dazu ist allerdings auch ein gesellschaftlicher Umdenkprozesses erforderlich, in dessen Zentrum die Würde und die Menschenrechte jedes Einzelnen stehen müssen. Beschäftigungsfähigkeit sowie die selbstbestimmte Partizipation am Arbeitsmarkt sind wesentliche Elemente, damit Menschen mit Behinderung nachhaltig und gleichberechtigt einen Platz in der Mitte der Gesellschaft finden.


Inklusion als Ziel

Im Übereinkommen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen der Vereinten Nationen (UN-Konvention) ist Inklusion ein zentraler Begriff. Die UN-Konvention gibt somit das anzustrebende Ideal einer inklusiven Gesellschaft vor. Die Bundesrepublik Deutschland hat diese UN-Konvention nebst Zusatzprotokoll im Jahr 2009 ratifiziert und ist nun aufgefordert, sie in Gesetzgebung und Praxis umzusetzen.

Artikel 24 der UN-Konvention fordert die Anerkennung des Rechts auf Bildung von Menschen mit Behinderungen. Dies soll ohne Diskriminierungen auf Grundlage der Chancengleichheit gewährleistet werden. Ziel ist, die Etablierung eines integrativen (inclusive im englischen Originaltext) Bildungssystems auf allen Ebenen. Dabei stellen die Vertragsstaaten sicher, dass "Menschen mit Behinderungen nicht aufgrund von Behinderung vom allgemeinen Bildungssystem ausgeschlossen werden." Darüber hinaus muss garantiert sein, dass "Menschen mit Behinderungen innerhalb des allgemeinen Bildungssystems die notwendige Unterstützung geleistet wird, um ihre erfolgreiche Bildung zu erleichtern.


Gleichberechtigter Zugang zu Bildungsangeboten

Chancengleichheit bildet eine zentrale Voraussetzung einer inklusiven Gesellschaft. Vor allem für die hohe Zahl an Menschen mit Behinderung in Übergangssystemen und von Arbeitslosigkeit betroffenen, müssen Angebote zur Herstellung der Beschäftigungsfähigkeit barrierefrei zugänglich werden. Hierbei ist insbesondere darauf zu achten, dass auch Menschen mit kognitiven Behinderungen in ihrem Zugang (z. B. zum Persönlichen Budget) nicht diskriminiert werden.

Durch die engere Vernetzung der Leistungsträger und Leistungserbringer mittels transparent festgestellter individueller Bedarfe (z.B. ICF - Internationale Klassifikation der Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit), kann die berufliche Bildung von Menschen mit Behinderung trägerübergreifend effizient gestaltet werden. Transparente Bedarfsfeststellungen bieten ferner eine wesentliche Grundlage, Leistungen verschiedener Anbieter für Menschen mit Behinderung wirtschaftlich miteinander zu vernetzen. Dies gilt auch und gerade mit Blick auf die erste Schwelle im Übergang Schule / Beruf.


Individualisierung und Flexibilisierung unterstützender Leistungen

Eine ICF-basierte Individualisierung und Flexibilisierung unterstützender Leistungen zur beruflichen Bildung von Menschen mit Behinderung bildet eine wichtige Grundlage zur Verwirklichung von Inklusion. Diese setzt - ebenso wie selbstbestimmte Gestaltungsspielräume (Empowerment) der Menschen selbst - eine transparente Feststellung individueller Unterstützungsbedarfe voraus. Berufsbildungs- und Berufsförderungswerke sind integrale Bestandteile des Systems beruflicher Rehabilitation. Mittels ihrer auf das Individuum zugeschnittenen Leistungsangebote, schaffen sie wichtige Voraussetzungen auf dem Weg zu einer inklusiven Gesellschaft. Inklusive Bildungs- und Beschäftigungsangebote mit und für die Wirtschaft, müssen zentrale Ziele beruflicher Rehabilitation sein. Gerade die berufliche Teilhabe auf dem ersten Arbeitsmarkt ist wichtiger Baustein umfassender gesellschaftlicher Teilhabe. Diesem Anspruch an ein inklusives Rehabilitationssystem werden die Berufsbildungswerke und Berufsförderungswerke insbesondere mit ihren Angeboten Verzahnte Ausbildung mit Berufsbildungswerken (VAmB) und Betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM) gerecht.


Carina Krickhahn wird zur Bürokauffrau ausgebildet

Ein gelungenes Beispiel erfolgreicher, individueller und mit dem ersten Arbeitsmarkt verzahnter Begleitung ist die 21-jährige Carina Krickhahn. Sie absolviert im Berufsbildungswerk Volmarstein eine Ausbildung zur Bürokauffrau. Anfänglich lernte Jürgen Katzer Carina als eher introvertiert, ruhig und zurückhaltend kennen. Trotzdem war er von ihrem Entwicklungspotential überzeugt. In enger Abstimmung mit dem multiprofessionellen Reha-Team des Berufsbildungswerkes begann Carina in Zusammenarbeit mit dem Hasper-Therapie-Center (TCT), betriebliche Abschnitte ihrer Ausbildung zu absolvieren. Dort arbeitet sie am Empfang und übernimmt vielfältige Aufgaben, wie z. B. die Abrechnung der erbrachten Leistungen der Ärzte oder das Kassieren der Rezeptgebühren. TCT-Inhaber Ulrich Terlau ist begeistert: "Carina ist eine Bereicherung für uns!". Durch ihre Tätigkeit hat sie an Selbstvertrauen gewonnen und ist schon jetzt der Ansicht: "Ich finde es toll, dass ich diese Möglichkeit für die Arbeit in der Praxis bekommen habe und kann das Konzept der Verzahnten Ausbildung nur weiterempfehlen!"


Inklusion erfordert individuelle Förderung

Damit künftig Inklusion zur Normalität wird, ist professionelle Begleitung und individuelle Förderung wesentlich. Nur mittels einer individuellen Bedarfen Rechnung tragenden multiprofessionellen Förderung und Begleitung können Rehabilitanden ihre Chancen auf Teilhabe umfassend wahrnehmen und als gleichberechtigte Mitglieder einer inklusiven Gesellschaft agieren. Die Berufsbildungs- und Berufsförderungswerke können mit ihrer jahrzehntelangen Erfahrung die Umsetzung und Ausgestaltung der UN-Konvention voranbringen. Der individuelle Förderbedarf des Menschen mit Behinderung stellt für sie dabei den Maßstab dar.


Selda Mayer, Niels Reith
mit freundlicher Unterstützung des Berufsbildungswerkes Volmarstein


KONTAKT
Die Deutschen Berufsförderungswerke e.V.
- Arbeitsgemeinschaft -
August-Krogmann-Straße 52
22159 Hamburg
Telefon: 0221 3597-334
Telefax: 0221 3597-283
E-Mail info@arge-bfw.de


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Quelle:
Selbsthilfe 4/2011, S. 24-25
Zeitschrift der BAG SELBSTHILFE
Herausgeber: Bundesarbeitsgemeinschaft Selbsthilfe
von Menschen mit Behinderung und chronischer Erkrankung und ihren Angehörigen e.V.
BAG SELBSTHILFE
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veröffentlicht im Schattenblick zum 1. Februar 2012