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MELDUNG/609: 10 Jahre UN-Behindertenrechtskonvention - Feierlaune will nur eingeschränkt aufkommen (BAG SELBSTHILFE)


BAG SELBSTHILFE - Pressemitteilung vom 25.03.2019

10 Jahre UN-Behindertenrechtskonvention:
Feierlaune will nur eingeschränkt aufkommen!

BAG SELBSTHILFE erkennt wichtige gesetzgeberische Schritte in die richtige Richtung, sieht Umsetzungsbilanz von Inklusion und Teilhabe aber kritisch


Düsseldorf, 25.03.2019. Am 26.03.2009 ist die UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) in Deutschland in Kraft getreten. Das Übereinkommen der Vereinten Nationen dient dem Schutz von Menschenrechten und der Umsetzung von Inklusion und Teilhabe von Menschen mit Behinderungen. Dabei bedeutet Inklusion, dass sich der Einzelne nicht an die gegebene Umwelt anpassen muss, sondern vielmehr umgekehrt die Gesellschaft an dessen spezielle Bedürfnisse. Mit der Ratifizierung der UN-BRK hat sich Deutschland verpflichtet, die Konvention in innerdeutsches Recht umzusetzen. Dieser Verpflichtung kommen Bund, Länder und Kommunen bislang vor allem in Form von gesetzlichen Regelungen nach. Erste Schritte sind damit zwar erkennbar, die Umsetzungsbilanz könnte aber sehr viel besser sein. Deshalb will bei der BAG SELBSTHILFE anlässlich des zehnjährigen Jubiläums nur eingeschränkte Feierlaune aufkommen.

"Mit der UN-BRK ist zwar ein Paradigmenwechsel weg vom früheren Versorgungs- und Fürsorgegedanken hin zum Leitgedanken von Selbstbestimmung und Teilhabe eingeleitet worden, die sich daraus ergebenden Umsetzungsverpflichtungen werden in der Praxis jedoch viel zu zögerlich angegangen. Deswegen sind Menschen mit Behinderungen nach wie vor in fast allen Lebensbereichen benachteiligt. Etwa bei der Bildung/Ausbildung, Teilhabe am Arbeitsleben, Barrierefreiheit, Selbstbestimmung, und, und, und - die Liste der Bereiche, in denen Handlungsbedarf besteht, ist lang", kritisiert Dr. Martin Danner, Bundesgeschäftsführer der BAG SELBSTHILFE.

Mit der Verabschiedung verschiedener Gesetzespakete wie der Weiterentwicklung des Behindertengleichstellungsgesetzes (BGG) oder dem Bundesteilhabegesetz (BTHG) und der damit verbundenen Reform der Eingliederungshilfe in den vergangenen Jahren hat der Gesetzgeber hat zwar deutlich gemacht, die Rechte von Menschen mit Behinderungen stärken zu wollen, bei genauerer Betrachtung der bisherigen Ergebnisse fällt jedoch auf, dass die Inhalte regelmäßig unzulänglich und zuweilen nur bedingt verbindlich sind.

"Wie weit wir noch weg sind von einem hinreichenden Verständnis für die Belange von Menschen mit Behinderungen, zeigen Fakten wie das Fehlen einer Verpflichtung für private Anbieter ihre Waren und Dienstleistungen in barrierefreier Form anbieten zu müssen. Menschen mit Behinderungen finden nach wie vor deutlich seltener einen Arbeitsplatz auf dem ersten Arbeitsmarkt, viele private Betriebe in Deutschland kommen ihrer Verpflichtung zur Beschäftigung von schwerbehinderten Menschen gar nicht nach, Inklusion in Schule und Ausbildung ist noch immer eine Ausnahme und auch die mit dem BTHG verbundenen erhöhten Einkommens- und Vermögensfreigrenzen werden nicht verhindern können, dass Behinderung regelmäßig mit einem deutlichen Armutsrisiko verbunden ist", verdeutlicht Dr. Martin Danner.

Auch die jüngste Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum Thema Wahlrecht ist für die unzureichende Umsetzung ein mahnendes Beispiel. Nicht der Gesetzgeber hat auf die jahrelange Forderung der Behindertenverbände wie der BAG SELBSTHILFE reagiert, die Wahlrechtsausschlüsse für Menschen mit Behinderungen, für die eine Betreuung angeordnet wurde sowie für Menschen, die sich in einem psychiatrischen Krankenhaus befinden, abzuschaffen - so wie es im Ergebnis auch die UN-BRK verlangt -, vielmehr musste erst das höchste deutsche Gericht den Gesetzgeber dazu auffordern, den grundrechtswidrigen Zustand zu beenden.

"Trotz der stetigen Einbindung von Betroffenen und ihren Verbänden bei den verschiedenen gesetzgeberischen Diskussionen, in Beiräten und Arbeitskreisen sowie gestiegener Medienaufmerksamkeit mangelt es nach wie vor an einem hinreichenden Bewusstsein und einem Verständnis in der Gesellschaft - einschließlich Gesetzgeber und Behörden - für die Belange von Menschen mit Behinderungen. Hierfür und für die weitere Umsetzung der UN-BRK wird auch in den kommenden Jahren weiter zu kämpfen sein", kündigt der Bundesgeschäftsführer an.

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Quelle:
Pressemitteilung: 25.03.2019
BAG SELBSTHILFE
Bundesarbeitsgemeinschaft Selbsthilfe von Menschen mit Behinderung,
chronischer Erkrankung und ihren Angehörigen e.V.
Kirchfeldstr. 149, 40215 Düsseldorf
Tel.: 0211-31006-0, Fax: 0211-31006-48
E-Mail: info@bag-selbsthilfe.de
Internet: www.bag-selbsthilfe.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 26. März 2019

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