Schattenblick → INFOPOOL → PANNWITZBLICK → PRESSE


MEDIEN/244: Die Barrieren Melde- und Monitoringstelle (Selbsthilfe)


Selbsthilfe - 4/2014

Barrieren im Netz
Die Barrieren Melde- und Monitoringstelle

Von Dr. Christian Radek


Vor über acht Jahren wurde die Meldestelle für digitale Barrieren ins Leben gerufen und sorgt seitdem dafür, dass Barrieren im Internet, bei Online-Dokumenten, Software, Automaten und Infoterminals gemeldet werden, Anbieter auf diese Barrieren aufmerksam gemacht und Barrieren abgebaut werden. Der Schwerpunkt der Arbeit der Meldestelle liegt dabei bei Angeboten aus der Berufs- und Arbeitswelt. Es ist ein bekanntes Problem, dass Menschen mit Behinderung Probleme haben, im ersten Arbeitsmarkt Fuß zu fassen. Dabei kann es sich unsere Gesellschaft nicht erlauben, auf dieses Potential zu verzichten. Die Probleme beginnen bereits in der Schule, setzen sich fort in der Berufsausbildung, der Suche nach einer Arbeitsstelle und im Beruf.


Am Anfang waren es nur Webbarrieren

Ursprünglich befasste sich die Meldestelle nur mit Webbarrieren. Der Vorläufer der heutigen Meldestelle nahm im Oktober 2006 als "Meldestelle für Webbarrieren" ihre Arbeit auf. Man erkannte aber, dass der Begriff der Webbarriere zu eng gefasst ist. Auch die Barrierefreie Informationstechnik Verordnung (BITV) 2.0 vom 22. September 2011 spricht nicht mehr nur von Internetauftritten und -angeboten, sondern verwendet den Ausdruck "mittels Informationstechnik realisierte grafische Programmoberflächen". Diese Definition schließt dann neben Software auch Geld- oder Fahrkartenautomaten mit ein. Nichtdestotrotz werden die meisten Barrieren nach wie vor bei den Internetauftritten und -angeboten, also bei den Webseiten und Online Dokumenten gemeldet. Gerade die Zugänglichkeit von Computerprogrammen stellt einen nicht unerheblichen Faktor bei der persönlichen beruflichen Teilhabe dar. Oft sind es individuelle proprietäre Softwarelösungen für Unternehmen, bei denen der Aspekt der Barrierefreiheit nicht berücksichtigt wurde.

Es besteht auch ein signifikanter Qualitätsunterschied zwischen unzugänglicher Software und unzugänglichen Webseiten. Fehlende Barrierefreiheit bei Software führt in der Regel dazu, dass Menschen mit Behinderungen von der Nutzung der Software komplett ausgeschlossen werden. Bei Webseiten besteht dagegen oft eine Teilnutzungsmöglichkeit. Die Teile die nicht genutzt werden können, sind die Barrieren und werden der Meldestelle gemeldet.


Informationen zum Di-Ji-Projekt weiterhin abrufbar

Das Projekt "Digital informiert - im Job integriert" (Di-Ji) war ursprünglich für eine Laufzeit von drei Jahren beantragt worden, konnte jedoch um ein weiteres Jahr kostenneutral verlängert werden. Obwohl das Projekt zwischenzeitlich beendet wurde, stehen die Ergebnisse, die im Projekt erarbeitet wurden, weiterhin unter www.di-ji.de kostenlos zur Verfügung. Dazu gehören unter anderem Informationen zur Rechtslage auf Bundes-, Landes- und kommunaler Ebene, Informationen zu Prüfwerkzeugen sowie Handlungsanleitungen zur Erstellung barrierefreier PDF-Dokumente.

Seit Beginn dieses Jahres gibt es nun das Projekt Barrieren Melde- und Monitoringstelle (kurz: Barrieren-MeMo), das gemeinsam von der BAG SELBSTHILFE und dem Forschungsinstitut Technologie und Behinderung (FTB) der Evangelischen Stiftung Volmarstein (ESV), Wetter (Ruhr) durchgeführt wird. Die Projektlaufzeit beträgt drei Jahre bis zum 31. Dezember 2016.


Melden befreit und belastet die Meldestelle

Anders als in den früheren Projekten, in denen die Meldestelle eine Aktivität unter vielen war, nimmt die Meldestelle diesmal eine zentrale Rolle ein. Die Bereitstellung von Informationen zur barrierefreien Gestaltung von Webseiten und Online-Dokumenten ist keine Priorität mehr. Es gibt eine Vielzahl von Webseiten (www.wob11.de, www.di-ji.de, www.bitv-lotse.de), auf denen man umfangreiche Informationen zu diesem Thema abrufen kann.

Die Schwerpunkte im Projekt Barrieren-MeMo liegen dagegen weiterhin bei der Optimierung existierender und der Schaffung neuer Meldemöglichkeiten. Hier liegt der Fokus vor allem auf mobilen Endgeräten wie zum Beispiel Smartphones und Tablet-PCs. Es soll aber nicht einfach nur das Formularlayout vom PC auf das mobile Endgerät übertragen werden, sondern auch die Sensorik des Endgeräts, dort, wo es sich anbietet, eingebunden werden. Denkbar wäre zum Beispiel die Übermittlung eines Fotos mit der Meldung. Das Ziel soll sein, dass Meldungen so bequem wie möglich abgegeben werden können.


Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser

Wenn eine Webseite einmal barrierefrei gestaltet ist bzw. Barrieren, die gemeldet wurden, abgebaut wurden, bedeutet das noch lange nicht, dass sie für immer barrierefrei bleibt. Die Erfahrung zeigt leider, dass eher das Gegenteil der Fall ist. Gründe dafür, dass Barrieren wieder auftauchen oder zunehmen, gibt es viele. Wichtig wäre aber eine frühzeitige Erkennung. Es müssen Indikatoren entwickelt werden, die eine Aussage darüber zulassen, dass es Veränderungen auf einer Webseite gegeben hat, die die Barrierefreiheit verringern, ohne jedoch einen umfangreichen Test durchführen zu müssen. Dieses langfristige Verfolgen von Webseiten, die im Bereich der Arbeitsplatzsuche bzw. Arbeitsvermittlung angesiedelt sind, soll im Rahmen des Barrieren MeMo-Projektes modellhaft durchgeführt werden.

Langfristige digitale Barrierefreiheit ist eigentlich nur dadurch zu erreichen, dass die Prinzipien des Universellen Designs angewandt werden. Wenn nämlich von Anfang an von einer größtmöglichen Anzahl an zukünftigen Nutzern ausgegangen wird, dann ist die Gefahr, bestimmte Menschen von der Nutzung auszuschließen, sehr viel geringer. Von daher bildet die dritte Säule im Projekt Barrieren-MeMo das Schulungs- und Beratungsangebot. Die Meldestelle ist zum Beispiel jedes Jahr auf der REHACARE mit einem eigenen Stand vertreten.

Eine letzte aber wesentliche Projektaktivität ist die Entwicklung eines Konzeptes für den Betrieb der Meldestelle über den Förderzeitraum hinaus. Hierzu gibt es bereits konkrete Ideen. Der Kerngedanke dabei ist, die Arbeit auf viele Köpfe zu verteilen.

*

Bekanntheit und Attraktivität der Meldestelle für digitale Barrieren soll gesteigert werden!

Das haben sich zwölf Studentinnen vorgenommen, die am Lehrstuhl für Rehabilitationswissenschaften der Technischen Universität Dortmund ein Projektstudium absolvieren. Das Projektstudium findet bis zum Sommersemester 2015 statt und wird von der Barrieren Melde- und Monitoringstelle begleitet. Damit die Studentinnen einen Eindruck von der Arbeit der Meldestelle für digitale Barrieren bekommen, musste jede Studentin eine fiktive Person, eine Sogenannte "Persona", entwickeln. Eine Persona verfügt über individuelle Merkmale, repräsentiert aber eine bestimmte Gruppe von Menschen mit definierten Einschränkungen. Die Studentinnen waren dann angehalten, Webseiten, Online-Dokumente, Software und Automaten aus der Berufs- und Arbeitswelt aus der Perspektive der von ihnen entwickelten Persona, zu betrachten und die dabei aufgetretenen Barrieren der Meldestelle zu melden.

Auf der einen Seite haben die Studentinnen den Meldevorgang kennengelernt und einen Eindruck davon gewonnen, auf welche Barrieren Menschen mit Behinderungen bei der Nutzung digitaler Medien stoßen. Nachdem die Studentinnen einen Einblick in die Arbeit der Meldestelle bekommen haben, wurden sie aufgefordert, zu entscheiden, mit welcher Thematik sie sich weiter beschäftigen wollen. Aus einer großen Anzahl von Vorschlägen, die von der Entwicklung von Apps für mobile Endgeräte bis hin zu der Konzeption von Schulungen reichte, wählten die Teilnehmerinnen das Thema "Steigerung der Bekanntheit und Attraktivität der Meldestelle". Sie wollen nun den Meldevorgang attraktiver gestalten. Hier warten wir gespannt auf das, was die Studentinnen in den kommenden Monaten an kreativen Vorschlägen und Materialien erarbeiten werden.

*

Quelle:
Selbsthilfe 4/2014, S. 6 - 7
Zeitschrift der BAG SELBSTHILFE e.V.
Herausgeber: Bundesarbeitsgemeinschaft Selbsthilfe
von Menschen mit Behinderung und chronischer Erkrankung
und ihren Angehörigen e.V.
BAG SELBSTHILFE
Kirchfeldstr. 149, 40215 Düsseldorf
Telefon: 0211/310 06-0, Fax: 0211/310 06-48
E-Mail: info@bag-selbsthilfe.de
Internet: www.bag-selbsthilfe.de
 
Die "Selbsthilfe" erscheint mit 4 Ausgaben pro Jahr.
Jahresbezugspreis:
Inland: 18,00 Euro zzgl. Porto und Versand
Ausland: 22,00 Euro zzgl. Porto und Versand
Einzelpreis: 5,00 Euro.


veröffentlicht im Schattenblick zum 25. Februar 2015

Zur Tagesausgabe / Zum Seitenanfang