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SPORT/414: Schnuppertauchen für Menschen mit Behinderung (Selbsthilfe)


Selbsthilfe - 3/2014

ABENTEUER PUR!
Schnuppertauchen für Menschen mit Behinderung

Von Freddy Gaubitz



Für Menschen mit Behinderung ist das Tauchen keine Utopie, sondern ein überwältigendes Erlebnis, ebenso wie für alle beteiligten Partner und Instruktoren. Denn die International Association for Handicap Diving (IAHD) bietet den der BAG SELBSTHILFE angeschlossenen Vereinigungen und Organisationen bundesweit "Schnuppertauchtage". Das bedeutet: Einfach mal frei sein, einfach mal im Wasser schweben. Damit das sehr schnell Realität wird, benötigt der IAHD lediglich ein Schwimmbad und viele Teilnehmer. Gemeinsam mit dem jeweiligen Orts-, Landes- oder Bundesverband organisiert er dann den Schnuppertauchtag vor Ort, wie den in Bodrum 2014.


Freude pur erleben


Lautes Lachen war nach jedem Schnuppertauchgang im Pool vom Sun Dance, einem Apartmenthotel in Bodrum, zu hören, denn hier war man optimal auf die Wünsche von Menschen mit Behinderungen eingestellt. Schon beim Frühstück waren die körperbehinderten Gäste mit der Frage, ob sie einmal Lust hätten, mit einem Druckluftgerät im Pool zu tauchen, überrascht worden.

Es gab viele Fragen in Bezug auf das Tauchen mit der jeweiligen Behinderung an die Ausbilder des IAHD, die umfassend und fundiert antworteten und so fanden sich einige Mutige, die das Abenteuer "tauchen" erleben wollten. Am Nachmittag trafen sich dann die Abenteuerlustigen am Pool, und unter der warmen Frühsommersonne folgten sie gerne den Anweisungen des Instruktors. Die Funktionsweise einer Tarierweste wurde erklärt und die Atmung mit einem Atemregler geübt. Gemeinsam mit den Angehörigen, die in der Regel nervöser waren als unsere Tauch-Aspiranten, wurde der Tauchanzug angelegt und schon ging es ins Wasser.


Einmal schwerelos sein

Das wichtigste bei einem Schnuppertauchgang ist die Ruhe und die größtmögliche Sicherheit im Wasser. Daher legten sich die Schnuppertaucher zunächst auf die Wasseroberfläche und unter der Anleitung von zwei Instruktoren wurde die Atemfrequenz gesenkt. Dann ging es los! Zunächst wurde der Tauch-Aspirant aufgerichtet, so hatte er die Möglichkeit, sein Gesicht ins Wasser zu tauchen, um zunächst noch einmal die Atmung mit dem Druckluftgerät zu testen. Im Dreier-Team wurde anschließend abgetaucht und die Teilnehmer erlebten die Schwerelosigkeit unter Wasser als neues Lebensgefühl.


Sicherheit an erster Stelle

Der erste Instruktor beobachtete den Schnuppertaucher unter Wasser, dabei achtete er auf das Wohlbefinden und die Sicherheit des Tauchers. Der zweite Instruktor führte ihn an der Flasche und tarierte ihn über die Tarierweste. So kann sich der Schnuppertaucher ganz dem Schweben unter Wasser hingeben und eine neue Welt für sich entdecken. Die Aspiranten hatten sehr unterschiedliche Voraussetzungen. So musste der introvertierte Andreas, der nach einem Badeunfall querschnittgelähmt ist, mit sich kämpfen, um diese große Herausforderung anzunehmen. Er wurde deshalb während des Tauchgangs komplett geführt, auch weil er in den Armen ebenfalls eine Bewegungseinschränkung hat. Alle Beteiligten strahlten mit ihm um die Wette, als er nach dem ersten Tauchgang auftauchte und sich gleich einen zweiten wünschte. Seine Eltern waren schlichtweg begeistert, dass das Tauchen eine so positive Auswirkung auf ihren Sohn hatte. Schließlich öffnete sich Andreas immer weiter, fragte sogar am zweiten Tag nach, wo er das Tauchen in seiner Region erlernen kann.


Wasser überwindet Grenzen

Nic (65 Jahre) hat seit 34 Jahren Multiple Sklerose und sitzt seit mehr als 2 Jahrzehnten im Rollstuhl. Er kam mit seinem Freund Bart zum Schnuppertauchen, dem ein Bein amputiert worden war. Beide waren voller Energie und hatten eine wahnsinnig positive Erwartungshaltung. Nic konnte seine Arme voll einsetzen und war so schnell unterwegs, dass der Begleittaucher, der ihn an der Flasche führte, beinahe nicht mitkam. Bart war ein Phänomen. Bereits nach 10 Minuten konnte er sich alleine ohne Führung, aber natürlich unter Aufsicht, bewegen. Als alle aus dem Wasser kamen, wurden die beiden Männer von den Gefühlen übermannt und weinten vor Freude. Zu schön waren das gerade Erlebte und die gewonnene Freiheit unter Wasser.


Geht nicht - gibt es nicht!

Die erfahrenen Tauchlehrer vom IAHD können vor Ort entscheiden, in welchem Umfang jede einzelne Person abtauchen kann und welche Unterstützung sie benötigt. Die Ausbildung und das Tauchen für Menschen mit Behinderung ist für sie eine Herzensangelegenheit. Ihre Erfahrung sagt ihnen, was sie gemeinsam mit dem Taucher schaffen können, um aus dem Schnuppertauchgang ein unvergessliches Erlebnis zu machen. Wenn der Betroffene die Lust mitbringt, etwas Neues zu erleben, dann werden das Lachen und das Glücksgefühl von ganz alleine kommen. Und deshalb gilt hier ganz besonders: geht nicht - gibt es nicht!


Ansprechen, motivieren und überzeugen

Der IAHD möchte möglichst vielen Menschen mit Behinderung Tauchen als Sport und alternative Freizeitgestaltung nahe bringen. Denn sowohl die körperlichen Auswirkungen wie auch die überaus positiven psychologischen Einflüsse, die durch das Tauchen entstehen, geben vielen behinderten Menschen neue Kraft und Lebensmut. Dabei ist es wichtig, behinderte Menschen in ihrer gewohnten Umgebung anzusprechen, wie beispielsweise bei ihren bisherigen Aktivitäten in Beruf und Freizeit oder in der Reha. Ansprechen und überzeugen. Daher setzt der IAHD auf eine verstärkte Aufklärung und Verbandsarbeit mit den Verbänden im Behindertensportbereich, mit den Vereinen und mit Caritativen Einrichtungen. Nicht als Konkurrent, sondern als Partner und wichtige Ergänzung.


KONTAKT:
Der IAHD wurde bereits im Jahre 1983 gegründet und ist damit der zweitälteste Behindertentauchsportverband der Welt. Mehrere Ausbildungsprogramme der IAHD entsprechen den CEN- und ISO Normen und sind von der EUF zertifiziert. Sie erfüllen damit alle Anforderungen zu einer weltweiten Anerkennung. Mit den verschiedenen Ausbildungsprogrammen für Menschen mit Behinderung werden nahezu alle Arten von Behinderung abgedeckt. Für jeden gibt es seinen ganz persönlichen Tauchschein, der im Einklang zum Können und Tauchvermögen steht.
IAHD International Association for Handicapped Divers
Freddy Gaubitz
email: germany@iahd.org

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Quelle:
Selbsthilfe 3/2014, S. 16-17
Zeitschrift der BAG SELBSTHILFE e.V.
Herausgeber: Bundesarbeitsgemeinschaft Selbsthilfe
von Menschen mit Behinderung und chronischer Erkrankung
und ihren Angehörigen e.V.
BAG SELBSTHILFE
Kirchfeldstr. 149, 40215 Düsseldorf
Telefon: 0211/3 10 06-0, Fax: 0211/3 10 06-48
E-Mail: info@bag-selbsthilfe.de
Internet: www.bag-selbsthilfe.de
 
Die "Selbsthilfe" erscheint mit 4 Ausgaben pro Jahr.
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veröffentlicht im Schattenblick zum 10. Januar 2015


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