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VERBAND/659: 20 Jahre Bewegungs- und Sporttherapeutischer Dienst in Bethel (Der Ring)


DER RING
Zeitschrift der v. Bodelschwinghschen Stiftungen Bethel - September 2010

"Sie können viel mehr, als man ihnen zutraut!"
20 Jahre Bewegungs- und Sporttherapeutischer Dienst in Bethel

Von Petra Wilkening


Sportliche Aktivitäten für Menschen mit Behinderung in Bethel sind zwar keine Erfindung des Bewegungs- und Sporttherapeutischen Dienstes, und ihre positive Wirkung war auch schon Ende des 19. Jahrhunderts in Bethel anerkannt. Mit der Gründung des zentralen Dienstes in der Behindertenhilfe vor 20 Jahren erhielten Bewegungs- und Sporttherapie jedoch ihren offiziellen Platz im Hilfespektrum.


"Sport und Bewegung fanden auch vorher schon an vielen Stellen in Bethel statt, aber das Angebot hing immer vom Engagement einzelner Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ab", erinnert sich Dr. Lutz Worms, der den "BSD" seit seiner Gründung am 1. September 1990 leitet. Im neuen zehnköpfigen Team kamen Fachleute der Psychomotorik, Motopädagogik, des Sports und der Gymnastik sowie der Physiotherapie zusammen, die in verschiedenen Betheler Einrichtungen tätig waren. "Um den Dienst aufzubauen, haben wir uns zusätzlich fachliche Beratung von außen geholt, unter anderem von der Universität Heidelberg und der Sporthochschule in Köln", erzählt der leitende Betheler Sportarzt. Aus den verschiedenen Kompetenzen heraus einen Teamgeist zu entwickeln sei in den ersten Jahren ein wichtiges Ziel gewesen. Überzeugt habe die Tatsache, dass die Kreativität eines Teams einfach größer sei als die des Einzelnen. "Die interdisziplinäre Zusammenarbeit ist ein entscheidender Faktor für Erfolg und innovatives Denken", betont Dr. Worms. Als weitere Bausteine kamen 1997 der Musiktherapeutische Dienst, 1998 der Hilfsmittelsupport und 2008 das Therapeutische Reiten hinzu.

Heute arbeiten im BSD 35 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Voll- und Teilzeit, fast die Hälfte von ihnen ist in Projekten tätig. Sie unterstützen die Nutzerinnen und Nutzer über Einzel- und Gruppenmaßnahmen, bieten aber auch Fort- und Weiterbildungen für die Mitarbeitenden an. Eine Vielzahl von Bewegungs- und Entspannungskursen im Rahmen des ambulanten Rehabilitationssports ergänzt das Angebot. Die Kurse werden in Zusammenarbeit mit dem aus dem BSD hervorgegangenen Verein Integra organisiert, dem über 650 Mitglieder angehören.

Der erste Projektauftrag war 1992 die Entwicklung einer Ausbildung zur Fachübungsleitung im Sport für Menschen mit geistiger Behinderung. Seitdem führt der BSD die Ausbildung im Auftrag des Behindertensportverbandes Nordrhein-Westfalen durch. Aus der Zusammenarbeit mit dem Präsidenten des Deutschen Behindertensportverbandes Heinz Haep entstand zwei Jahre später auch ein von der Stiftung Behindertensport gefördertes Projekt zum Judo. Dabei stand die Frage im Mittelpunkt, ob das Falltraining für Jugendliche mit Behinderung Stürze durch Epilepsie positiv beeinflussen kann. Darauf gibt es aufgrund fehlender neurophysiologischer Untersuchungskriterien allerdings bis heute keine Antwort, erreicht wurde aber die Anerkennung von Elementen des Judos als Rehabilitationssport durch die Kostenträger. "Der Sport trägt zur körperlichen und psychischen Stabilisierung bei, hilft, Stress abzubauen und dadurch die Zahl der Anfälle zu verringern", erläutert Dr. Lutz Worms.

Er sei ein Netzwerker, verrät der Betheler Sportmediziner sein Konzept für eine erfolgreiche Arbeit. So arbeitete der BSD zum Beispiel mit der Berliner Humboldt-Universität zum Thema "Mobilität" zusammen. In Kooperation mit der Universität Bielefeld nahm sich der Dienst des Themas "Älter werden mit Behinderungen" an. Dank guter Verbindungen habe man für Projekte immer wieder Förderer gefunden, die zur Teilhabe behinderter Menschen hätten beitragen wollen, freut sich der leitende Sportarzt, der das Engagement seines Teams durch eine intensive Verbandstätigkeit unterstützt.

Aber nicht nur in der wissenschaftlichen Weiterentwicklung bewegungstherapeutischer Konzepte kommt die Netzwerk-Arbeit behinderten Menschen zugute, sondern auch im Freizeitsport. So kooperiert der BSD seit 1992 mit Special Olympics und seit dem Jahr 2000 mit dem SCC-Running. Dank der guten Zusammenarbeit mit dem Berliner Verein war Bethel nicht nur zwei Jahre lang der Charity-Partner beim Berlin-Marathon, sondern es nehmen an dessen Team-Staffel-Lauf jedes Jahr auch 40 Schülerinnen und Schüler aus Bethel teil. Netzwerk-Arbeit ist auch gefragt, wenn der BSD zu den Bethel athletics oder der "Woche der Wahrnehmung" einlädt. Ohne die zahlreichen Sponsoren und ehrenamtlichen Helfer wären diese großen Veranstaltungen nicht möglich.

Menschen auf unterschiedliche Weise zu bewegen sei eine schöne Gelegenheit, um Gemeinschaft zu verwirklichen, so Dr. Worms. "Sport ist ein Faktor, der verbindet und es Menschen leicht macht, sich unabhängig von ihrem Status für eine Sache einzusetzen." Für Dr. Worms steht fest: "Menschen mit Behinderung haben Potenziale, die man oft übersieht, und können viel mehr, als man ihnen zutraut." Schon einige Jahre, bevor der "BSD" gegründet wurde, hatte der leitende Betheler Sportarzt ein Schlüsselerlebnis, das sein Denken geprägt hat. "Ich habe damals im Verein SuS Bethel behinderte Fußballer betreut. Als einer von ihnen auf dem Platz einen epileptischen Anfall bekam, sagte ich ihm, er solle sich jetzt ausruhen und würde nachher nach Hause gebracht. Der aber schaute mich nur empört an und meinte: 'Von wegen. Ich spiele jetzt weiter!'"


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Quelle:
DER RING, September 2010, S. 10-11
Monatszeitschrift für Mitarbeiter, Bewohner, Freunde
und Förderer der v. Bodelschwinghschen Stiftungen Bethel
Herausgeber: Pastor Ulrich Pohl in Zusammenarbeit mit der
Gesamtmitarbeitervertretung der v. Bodelschwinghschen Stiftungen Bethel
Redaktion: Quellenhofweg 25, 33617 Bielefeld
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veröffentlicht im Schattenblick zum 16. September 2010