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VERBAND/678: Autismus-Ferienprogramm in Bethel (Bethel)


Pressemitteilung der v. Bodelschwinghschen Stiftungen Bethel - 19.08.2011

Autismus-Ferienprogramm in Bethel

Ein "Astronaut" erforscht die Mamre-Patmos-Galaxien


Bielefeld-Bethel. Ein knallroter Schuhkarton, gespickt mit zahllosen bunten Strohhalmen als Kanonen, mit angeklebten Pappstreifen als Tragflächen und mit ausgeschnittenen Luken als Fenster - und fertig ist der pfeilschnelle Weltraumgleiter. Mit kritischem Blick prüft Nicklas sein neues Raumschiff, mit dem er demnächst die Galaxien der Mamre-Patmos-Schule in Bethel erforschen will. Der Fantasie des zehnjährigen Jungen sind beim Autismus-Ferienprogramm keine Grenzen gesetzt.

In der Schule findet Nicklas alles, was er an Materialien für die Konstruktion seines Raumschiffs braucht. Geschickt schneidet er mit einer Schere ein viereckiges Loch in die Außenwand des Kartons. "Hier kommt eine Geheimtür hin", sagt der Mamre-Patmos-Schüler zu seiner Betreuerin Stefanie Gottwald, die dem "Astronauten" bei der Montage zur Hand geht. Und damit die Tür auch wirklich geheim bleibt, klebt er noch einen Küchenschwamm vor die Öffnung.

Nicklas macht das Ferienprogramm sichtlich viel Spaß. Außer ihm werden noch 17 weitere Kinder und Jugendliche in diesen Tagen intensiv betreut. Jedes Kind hat eine Bezugsperson, die es durch den Tag begleitet. Viele der 21 ehrenamtlichen Helferinnen und Helfer - Studenten, Abiturienten und Auszubildende - unterstützen jedes Jahr das beliebte Angebot. Sie gehen zum Beispiel mit den Kindern Schwimmen, probieren Musikinstrumente mit ihnen aus, zeigen ihnen die bunte Wasserwelt im Sinnesraum oder fahren mit ihnen in den Tierpark nach Olderdissen.

Die Kinder haben während der zweiwöchigen Tagesbetreuung die gesamte Schule für sich. Das weitläufige Gebäude mit seinen verzweigten Gängen, verwinkelten Nischen, bunten Räumen, unzähligem Spielzeug und einem großen Spielplatz ist ideal für Abenteuer, Entdeckungstouren und zum Herumtoben und Entspannen.

Mit dem Angebot des Fachdienstes Autismus und des Familienentlastenden Dienstes entlastet Bethel die Eltern autistischer Kinder in den Ferien. Die Kinder kommen aus der gesamten Region, nicht nur aus Bethel. Der Autismus ist bei ihnen sehr unterschiedlich ausgeprägt. Symbole und Bilderkarten helfen einigen dabei, den Tagesablauf zu strukturieren. Denn Sprache ist für Menschen mit Autismus schwer zu verarbeiten.

Auf dem Flur läuft die 14-jährige Nadine unruhig auf und ab. Immer wieder gibt sie die gleichen Laute von sich, während sie den Deckel eines Marmeladenglases zwischen ihren Fingern dreht. Hin und wieder geht sie in die Hocke und klopf mit dem Deckel auf den Fußboden. Ihre Betreuerin Marleen Wenske begleitet sie auf Schritt und Tritt. "Die Deckel sind ihre Lieblingsbeschäftigung. Im vergangenen Jahr hat Nadine oft das Gleiche gemacht, allerdings mit kleinen Löffeln", berichtet die 23-jährige Studentin.

Marleen Wenske gestaltet die Aktivitäten für Nadine Elsenheimer möglichst abwechslungsreich. "Ich sehe zu, dass sie auch zur Ruhe kommen kann und Gelegenheiten zur Entspannung findet. Sie mag es zum Beispiel, wenn ich sie mit dem Igelball massiere oder sie in der Hängematte schaukel", sagt sie. Da das Mädchen zusätzlich an einer Epilepsie leidet, ist die Studentin auch auf mögliche Anfälle vorbereitet. Nadines Eltern haben sie ausführlich darüber informiert, was ihre Tochter gerne macht und was ihr Probleme bereitet. Außerdem wurden alle Helferinnen und Helfer in einem Seminar ausführlich auf das Ferienprogramm vorbereitet.

Über das große Interesse, ehrenamtlich bei dem Programm mitzumachen, freut sich Sozialpädagogin Shunyam Murmann, die das Angebot seit zwölf Jahren gemeinsam mit ihrem Kollegen Thomas Feilbach leitet. "Die jungen Leute sind sehr engagiert. Ohne sie wäre die enge und intensive Eins-zu-Eins-Betreuung nicht möglich."

Der Umgang mit den autistischen Kindern ist für die Ehrenamtlichen sehr fordernd und zugleich interessant. In der Öffentlichkeit werden Autisten vielfach besondere "Inselbegabungen" zugeschrieben oder sie werden für geniale aber introvertierte Einzelgänger gehalten. "Solche Darstellungen führen zu überzogenen Erwartungen an Menschen mit dieser sehr komplexen Erkrankung", warnt Shunyam Murmann.


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Quelle:
Pressemitteilung der v. Bodelschwinghschen Stiftungen Bethel vom 19.08.2011
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veröffentlicht im Schattenblick zum 25. August 2011