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VERBAND/691: Das "Ich" stärken durch Mototherapie (Der Ring)


DER RING
Zeitschrift der v. Bodelschwinghschen Stiftungen Bethel - Juni 2012

Die Martini-Stiftung engagiert sich in Bethel
Das "Ich" stärken durch Mototherapie

Von Silja Harrsen



Montag ist Heiko-Maier*-Tag. Dann holt Mareike Hillerns den 47-Jährigen immer aus der Wohngruppe im Haus Enon in Bielefeld-Bethel zur Mototherapie ab. Heiko Maier ist ein Mensch mit komplexen Behinderungen und schweren organischen Schädigungen. Und er kommuniziert nicht über Wörter. "Sein Alltag ist fremdbestimmt, bewegungs- und erfahrungsarm", sagt Mareike Hillerns. Das mototherapeutische Angebot sei eine Möglichkeit, mit ihm in Kontakt zu treten, ihn zur Kommunikation zu ermuntern und sein Ich-Gefühl zu stärken.


"Spürst Du das, Heiko? Das gehört alles zu Dir", sagt Mareike Hillerns zu Heiko Maier, während sie über seine rechte Schulter, den rechten Arm und die rechte Hand streicht. Rechts ist seine gelähmte Seite. Wenn sie sie vorsichtig bewegt und berührt, wird sie ihm bewusst gemacht. "Heiko Maier ist blind und kann sich nicht sehen", so die 30-Jährige. Die Mototherapeutin unterstützt ihren Klienten darin, die eingeschränkte Körperhälfte als zu ihm zugehörig zu empfinden und mit ihr neue Erfahrungen zu machen.

Im Mittelpunkt der Mototherapie steht aber die gesamte Persönlichkeit eines Menschen in seiner körperlichen und seelischen Ganzheit. Der Ansatz ist ressourcenorientiert, baut also auf den vorhandenen Fähigkeiten auf. "Der Klient macht in der Mototherapie viele positive Erfahrungen. Er erlebt zum Beispiel, dass er etwas bewirken kann", so Mareike Hillerns. Manchmal lässt sich Heiko Maier nicht aus dem Rollstuhl heraushelfen oder wirft die Glocke oder ein anderes Musikinstrument, das sie ihm anbietet, auf den Boden. "Was er damit aussagt, ist klar: 'Ich will das so nicht.' Und ich akzeptiere das", sagt Mareike Hillerns. Auf diese Weise lerne er, dass er Situationen beeinflussen könne. Seine Selbstwirksamkeit und sein Selbstvertrauen werden gestärkt und seine emotionale Stabilität gefördert.

Seit eineinhalb Jahren arbeitet die Mototherapeutin mit Heiko Maier und hat ihn dabei gut kennen gelernt. So weiß sie mittlerweile, dass er für alles viel Zeit braucht. "Zeit, die er im Alltag im Wohnbereich in der Regel nicht hat." Umso wichtiger sei es, dass sie sich in der Mototherapie auf sein Tempo einstelle. "Ich fordere ihn nicht. Mototherapie basiert auf Freiwilligkeit", betont Mareike Hillerns. Was Heiko Maier will, erfährt sie durch seine Körperhaltung und die Muskelspannung. "Für diese Art des Dialogs bedarf es eines hohen Maßes an Achtsamkeit und Empathie", sagt sie.


Gut für das Wohlbefinden

Dass Heiko Maier und 18 weitere Menschen mit komplexen Behinderungen in Einzelstunden oder Gruppen von dem mototherapeutischen Angebot profitieren, verdanken sie der Hermann-und Ingrid-Martini-Stiftung in Bielefeld. Die Stiftung bezahlt eine halbe Stelle für die Mototherapie in Bethel. Die Therapiestunden sind wichtig für die Klienten, weil sie dadurch die Möglichkeit bekommen, Vertrauen zu einem Menschen zu entwickeln, Ängste abzubauen und Neues auszuprobieren. Dass sich das positiv auf die Klienten auswirke, bestätigten die Pflegenden in den Wohnbereichen, so Mareike Hillerns. "Sie geben die Rückmeldung, dass es den Menschen besser geht, dass sie einfach gut drauf sind."

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Quelle:
DER RING, Juni 2012, S. 21
Monatszeitschrift der v. Bodelschwinghschen Stiftungen Bethel
Herausgeber: Pastor Ulrich Pohl in Zusammenarbeit mit der
Gesamtmitarbeitervertretung der v. Bodelschwinghschen Stiftungen Bethel
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veröffentlicht im Schattenblick zum 27. Juli 2012