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AUSSEN/899: Zur Enterung der Estelle (Annette Groth)


Annette Groth, Menschenrechtspolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE im Bundestag
Pressemitteilung vom 22. Oktober 2012

Zur Enterung der Estelle



Am Samstag haben Motorboote der israelischen Marine das Segelschiff "Estelle" auf seinem Weg nach Gaza gestoppt. An Bord befanden sich etwa 30 Aktivisten, die Hilfsgüter für den seit 2007 abgeriegelten Gazastreifen an Bord hatten. Die Passagiere kamen aus Finnland, Schweden, Norwegen, Kanada, Israel, Spanien, Italien und Griechenland, unter ihnen befanden sich fünf Parlamentarier. Maskierte Soldaten haben nach Angaben der Aktivisten das Schiff geentert und zum Kurswechsel auf die israelische Hafenstadt Ashdod gezwungen. Hierher hat die israelische Marine auch bisherige Gaza-Solidaritäts-Schiffe umgeleitet, die Aktivisten wurden regelmäßig ausgewiesen. Nicht vergessen hat die Welt die blutige Enterung der Mavi Marmara durch israelisches Militär im Mai 2010, die mit neun Toten und vielen Verletzten endete. Einer davon liegt bis heute im Koma. Auch gegen die Passagiere der Estelle soll Gewalt angewandt worden sein. Ihnen wurde verweigert, sich mit Anwälten oder Angehörigen ihrer jeweiligen Botschaften zu beraten. Die israelischen Aktivisten wurden inhaftiert, ihnen soll in Israel der Prozess gemacht werden.

Annette Groth, menschenrechtspolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE im Bundestag, erklärt hierzu:

"Es ist völlig inakzeptabel, dass Israel unter Missachtung völkerrechtlicher Bestimmungen immer wieder Schiffe mit dem Ziel Gazastreifen in internationalen Gewässern stoppt und deren Passagiere zum Kurswechsel zwingt. Dies kann nur als Piraterie bezeichnet werden, das Festhalten von Menschen als Geiselnahme. Ich fordere die sofortige Freilassung aller Aktivisten inklusive der israelischen. Darüber hinaus fordere ich eine unabhängige Untersuchung der Enterung der Estelle. Es muss vollständig aufgeklärt worden, ob hierbei Gewalt angewandt wurde."

Weiter erklärt Annette Groth:

"Die von Israel verhängte Land-, See- und Luftblockade des Gazastreifens ist völkerrechtswidrig und das daraus resultierende Leid der Bevölkerung von Gaza völlig unverhältnismäßig. Laut einem Bericht der Vereinten Nationen stehen fast der Hälfte der Bevölkerung des Gazastreifens zu wenig Nahrungsmittel zur Verfügung, weitere 16% sind von einer Nahrungsmittelknappheit bedroht. Die israelische Blockade des Gazastreifens ist einer der ausschlaggebenden Gründe für diese Realität, denn fast jeglicher regulärer Handel mit der Außenwelt wird hierdurch unterbunden. Die Fischerei, für 3.000 Einwohner des Gazastreifens und ihre Familien Lebensgrundlage, wurde massiv eingeschränkt. Die israelische Regierung hat sämtlichen Schiffen und Booten aus Gaza unilateral verboten, weiter als drei nautische Meilen von der Küste entfernt zu fischen. Damit wurde den Fischern der Zugang zu 85% derjenigen Seegebiete, die im Abkommen von Oslo den Palästinensern zugeschlagen worden waren, versperrt. Darüber hinaus hat die israelische Regierung die fruchtbarsten 17% des Gazastreifens, welche für die Landwirtschaft von elementarer Bedeutung sind, zu "Pufferzonen" erklärt. Wer sich in diese Gebiete oder weiter als drei nautische Meilen aufs Meer begibt, wird regelmäßig durch israelisches Militär angegriffen - allein im Jahre 2012 gab es hunderte solcher Angriffe mit einer Vielzahl von Toten."

Annette Groth fordert:

"Die Blockade des Gazastreifens muss sofort aufgehoben werden, um der Bevölkerung ein menschenwürdiges Leben in Sicherheit zu ermöglichen. Israelische Politik, insbesondere der Siedlungsbau, hat die Zwei-Staaten-Lösung nahezu unmöglich gemacht. Will die internationale Gemeinschaft die Zwei-Staaten-Lösung doch noch umsetzen, muss jetzt gehandelt werden. Der völkerrechtswidrigen Politik der israelischen Regierung muss Einhalt geboten werden. Am 23. Oktober haben die EU-Parlamentarier die Möglichkeit, einen Schritt in diese Richtung zu gehen und die eigene Menschenrechtspolitik endlich konsequent umzusetzen: am 23.Oktober wird über das ACAA-Zusatzprotokoll zum EU-Israel-Assoziierungsabkommen abgestimmt. Es handelt sich dabei um eine eklatante Ausweitung der Handelsbeziehungen zwischen der EU und Israel. Die Parlamentarier sollten deutlich machen, dass eine solche Ausweitung nur erfolgen kann, wenn sich Israel an den in allen Assoziierungsabkommen der EU mit den Mittelmeerländern festgeschriebenen Artikel 2 hält: dieser fordert von allen Partnern die Achtung der Menschenrechte und die Einhaltung demokratischer Grundprinzipien. Solange die israelische Regierung dem nicht nachkommt, muss das Zusatzprotokoll abgelehnt werden."

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Quelle:
Pressemitteilung vom 22. Oktober 2012
Annette Groth, MdB
Menschenrechtspolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE
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Telefon: +49 30 227-77207, Fax: +49 30 227-76207
E-Mail: annette.groth@bundestag.de
Internet: www.linksfraktion.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 23. Oktober 2012