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INNEN/3506: Kafkaeske Selbstentmachtung der Abgeordneten


Presseerklärung - die Linke im Bundestag vom 16. April 2012

Kafkaeske Selbstentmachtung der Abgeordneten



"Mit den geplanten Änderungen der Geschäftsordnung nimmt die Selbstentmachtung der Abgeordneten kafkaeske Züge an. Schon mehrfach musste das Bundesverfassungsgericht in der Vergangenheit die Abgeordneten des Deutschen Bundestages daran erinnern, dass das Parlament kein Vollzugsorgan für die Regierungspolitik, sondern das Herzstück der Demokratie ist - zuletzt in seinem Urteil vom 28.02.2012 zum sogenannten Neuner-Gremium. Auch die nunmehr geplanten Änderungen der Geschäftsordnung sind evident verfassungswidrig. Sollte die Mehrheit des Parlaments dieser Selbstentmachtung zustimmen, wäre der Gang vor das Bundesverfassungsgericht unvermeidlich", so Wolfgang Neskovic, Justiziar und Vorstandsmitglied der Fraktion DIE LINKE, anlässlich der bekanntgewordenen Pläne zur Änderung der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages. Neskovic weiter:

"Die geplanten Änderungen zielen darauf ab, unliebsame Kritiker in den eigenen Reihen 'mundtot' zu machen. Grundsätzlich dürfen weder das Parlament noch die Fraktionen dem einzelnen Abgeordneten sein verfassungsrechtlich verankertes Rederecht nehmen. Denn das Grundgesetz kennt keine Fraktionen und keinen Fraktionszwang. Es kennt nur das Freie Mandat der Abgeordneten, die an 'Aufträge und Weisungen nicht gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfen' sind.

Damit ist es nicht zu vereinbaren, den Abgeordneten zum bloßen Anhängsel und Werkzeug seiner Fraktion zu machen. Es ist verfassungsrechtlich unhaltbar, dem einzelnen, frei gewählten Abgeordneten die Möglichkeit zu nehmen, sich notfalls auch gegen den Willen seiner Fraktionsführung zu Wort zu melden, um das auszusprechen, was sein Gewissen ihm gebietet.

Bundestagspräsident Lammert handelte deshalb richtig, als er auch Abgeordnete der Regierungskoalitionen zu Wort kommen ließ, die sich gegen Position der Regierung beim Euro-Rettungsschirm stellten. Demokratie lebt vom Wettstreit der Meinungen, und es ist die Aufgabe jedes Parlaments, verschiedene und abweichende Meinungen darzustellen. Sollte zukünftig nicht einmal mehr der Bundestagspräsident das Rederecht von Abweichlern durchsetzen können, wäre dieser Wettbewerb der Meinungen massiv eingeschränkt. Die Dominanz der Fraktionen über die einzelnen Abgeordneten wäre absolut."

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Quelle:
Presseerklärungen - DIE LINKE. im Bundestag
vom 16. April 2012
Deutscher Bundestag
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veröffentlicht im Schattenblick zum 18. April 2012