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BUNDESTAG/3110: Heute im Bundestag Nr. 115 - 07.03.2012


Deutscher Bundestag
hib - heute im bundestag Nr. 115
Neues aus Ausschüssen und aktuelle parlamentarische Initiativen

Mittwoch, 7. März 2012 Redaktionsschluss: 13:40 Uhr


1. Ausschuss debattierte über Studie zu "Lebenswelten junger Muslime in Deutschland"
2. Private Krankenversicherung plädiert für Nichtzahlertarif
3. Regierung will Flensburger Verkehrssünderdatei vereinfachen
4. Online-Hilfeportal für Betroffene von Kindesmissbrauch wird eingerichtet


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1. Ausschuss debattierte über Studie zu "Lebenswelten junger Muslime in Deutschland"

Innenausschuss

Berlin: (hib/STO) Die Studie "Lebenswelten junger Muslime in Deutschland" hat am Mittwochvormittag den Innenausschuss beschäftigt. Während die Oppositionsfraktionen dabei Interviewäußerungen von Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) zu der Studie kritisierten, sprach der Ressortchef von einer interessanten Studie, die gleichwohl eine unter vielen sei. Friedrich betonte zugleich, dass die 2009 in Auftrag gegebene Studie nicht von ihm an die Presse gegeben worden sei.

Mit Blick auf die Ergebnisse der Studie nannte es der Minister sehr erfreulich, dass man sich unter den Muslimen über alle Generationen hinweg von Terrorismus distanziere. Es gebe indes auch einen Prozentsatz junger Muslime, die einer Integration gegenüber abgeneigt sei. Friedrich mahnte, die integrationspolitische Debatte müsse auch vor dem Hintergrund solcher Studien geführt werden. Er bekräftigte das Anliegen, möglichst viele Imame in Deutschland auszubilden, und verwies auf das Ziel eines islamischen Religionsunterrichts in deutscher Sprache an den Schulen. Am "allerwichtigsten" sei das Signal, dass junge Menschen sich von der Mehrheitsgesellschaft in Deutschland angenommen fühlen.

Die CDU/CSU-Fraktion betonte, der Minister habe recht, wenn er für ein zweigleisiges Vorgehen plädiere. Man müsse das Gespräch mit den in Deutschland lebenden Muslimen suchen, aber bei Integrationsverweigerung auch dafür sorgen, dass dann gesetzlich vorgesehene Sanktionen auch ergriffen werden. Entsprechende Gesetze würden von den Ländern indes nicht angewendet.

Die SPD-Fraktion hielt Friedrich vor, sich zu der Studie missverständlich geäußert zu haben. Sie wandte sich dagegen, die Studie "selektiv" wahrzunehmen und so zu kommunizieren, dass es integrationsfeindlich wirke. Die Studie belege, dass alle gefordert seien, tolerant und weltoffen auf die Muslime in Sinne eines Dialogs zuzugehen.

Die FDP-Fraktion warnte, man dürfe die Studie, die Mängel aufweise, nicht überbewerten. Sie bescheinigte zugleich der Koalition eine "hervorragende" Halbzeitbilanz bei der Integration. So sei etwa von keiner früheren Regierung so viel Geld für Integrationskurse aufgewendet worden wie von der jetzigen.

Die Fraktion Die Linke nannte es skandalös, wie mit der Studie umgegangen worden sei. Sie sei "einseitig" in der "Bild"-Zeitung platziert worden und werde von der Union instrumentalisiert. Auch sei populistisch agiert und nicht differenziert auf die Studie eingegangen worden.

Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen mahnte an Friedrich gewandt, man solle "populistische Verkürzungen" vermeiden. Sie wandte sich zugleich gegen eine "Integrationsverweigerungsdiskussion", die nicht haltbar sei, und betonte, die Studie "sehr kritisch" zu sehen.


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2. Private Krankenversicherung plädiert für Nichtzahlertarif

Ausschuss für Gesundheit

Berlin: (hib/MPI) Die Private Krankenversicherung (PKV) dringt auf die Einführung eines eigenen Tarifs für säumige Versicherte. Wie im Rahmen eines Expertengesprächs im Gesundheitsausschuss am Mittwoch deutlich wurde, setzt sich der Verband der PKV für einen sogenannten Nichtzahlertarif in Höhe von rund 100 Euro pro Monat ein. Bezahlt würden dann nur noch Behandlungen in Notfällen.

Der PKV-Verband erörterte in der Sitzung, dass es inzwischen 144.000 Nichtzahler gebe - also solche Versicherte, die drei Monate oder länger ihren Beitrag schuldig geblieben seien. Die von Nichtzahlern verursachte Schuldensumme sei auf 550 Millionen Euro angewachsen. Eine Kündigung säumiger Versicherter sei seit Einführung der Versicherungspflicht im Jahr 2009 nicht mehr möglich. Weiter hieß es, bislang landeten Versicherte in der Regel im Basistarif, wenn sie ihre Beiträge auch nach einem Jahr nicht nachgezahlt haben. Aufgrund des hohen Beitragssatzes von rund 600 Euro pro Monat im Basistarif stiegen die Schulden des einzelnen Versicherten dann gegebenenfalls weiter deutlich an, erläuterte der Verband.

Der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) erachtete einen Nichtzahlertarif grundsätzlich als sinnvoll. Sie wies aber zugleich darauf hin, dass damit das Problem der Beitragsschuld nicht wirklich in den Griff zu bekommen sei. Vielmehr sei zu erwägen, ob Nichtzahlern nach einer gewissen Wohlverhaltensphase eine Entschuldung gewährt werde.

Das Wissenschaftliche Institut der AOK (WIdO) erläuterte während des Expertengesprächs, dass es das Problem der Nichtzahler auch in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) gebe. Im vergangenen Jahr sei ein Schaden von rund einer Milliarde Euro aufgelaufen, unterstrich das WIdO. Allerdings sei das Solidarsystem im Gegensatz zur PKV automatisch in der Lage, die Fehlbeträge auszugleichen. Der PKV-Verband bestätigte, dass die Beitragszahlungsausfälle nicht auf die anderen Versicherten umgelegt werden dürften. Vielmehr müssten zum Ausgleich Unternehmensmittel herangezogen werden.


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3. Regierung will Flensburger Verkehrssünderdatei vereinfachen

Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung

Berlin: (hib/MIK) "Die Verkehrssünderdatei soll einfacher, gerechter und transparenter werden." Dies erklärte Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) am Mittwochvormittag im Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung bei der Vorstellung der Eckpunkte zur Reform des Verkehrszentralregisters in Flensburg. Ziel sei es, nur noch diejenigen mit Punkten zu belegen, die die Verkehrssicherheit gefährden würden.

Das bestehende Zentralregister habe sich in den vergangenen 50 Jahren um "Lichtjahre" von Bürger entfernt, betonte der Minister. Es gebe einen gewaltigen Verwaltungsaufwand bei zur Zeit rund neun Millionen Akten und große Auslegungsschwierigkeiten, die ganze "Herrscharen von Rechtsanwälten" beschäftigen würden. Deshalb sei eine Reform dringend notwendig.

Nach dem geplanten neuen System gebe es einen Punkt für schwere Verkehrsverstöße und zwei Punkte für sehr schwere Verkehrsverstöße. Wenn ein Verkehrsteilnehmer insgesamt acht Punkte habe, würde der Führerschein eingezogen. Ramsauer rechnet damit, dass die Zahl der erfassten Einträge um rund zehn Prozent sinken wird, dagegen würde der Entzug der Führerscheine um rund zehn Prozent auf rund 5.500 im Jahr steigen.

Ramsauer wies ausdrücklich darauf hin, dass es bei dem von ihm vorgelegten Bericht lediglich um Eckpunkte handele. Nach eingehender Debatte mit den Betroffenen werde ein entsprechender Gesetzentwurf vorgelegt. Er hoffe, dass das Gesetz noch in dieser Legislaturperiode verabschiedet werden könne.

Dem schloss sich der Sprecher der Union an. "Die bisher vorgelegten Überlegungen gehen alle in die richtige Richtung", betonte er und schlug vor, dass bei den bisher schon in Flensburg eingetragenen Verkehrssündern bei der Überleitung ein Punkt gestrichen werden könne. Auch die FDP-Fraktion hielt den Ansatz des Verkehrsministeriums für "gut und richtig". Dadurch würden auch die Missbrauchsmöglichkeiten verringert.

Auch für die SPD-Fraktion findet das bisherige System keine Akzeptanz mehr bei den Verkehrsteilnehmern. Die neuen Pläne hielt die Sprecherin aber für "genauso kompliziert". Sie kritisierte, dass nach der öffentlichen Präsentation des Ministeriums die Meisten davon ausgehen würden, dass die Entscheidung schon endgültig gefallen sei.

Für die Linksfraktion ist Verkehrssicherheit mehr als nur die Reform eines Punktekatalogs. Für Bündnis 90/Die Grünen handelt es sich bei der Reform nur um einen Nebenschauplatz der Verkehrssicherheit. Das Reformkonzept sei "nicht überzeugend". Wichtiger seien vermehrte Kontrollen, sagte der Sprecher der Fraktion.


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4. Online-Hilfeportal für Betroffene von Kindesmissbrauch wird eingerichtet

Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend

Berlin: (hib/AW) Der Unabhängige Beauftragte für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs, Johannes-Wilhelm Rörig, plant für dieses Jahr die Einrichtung eines Online-Hilfeportals für Betroffene und Helfer. Dies teilte Rörig am Mittwoch vor dem Familienausschuss mit. Das Online-Portal soll "eine Lotsenfunktion" übernehmen, um Hilfesuchende zu unterstützen. An der Erstellung würden auch Fachleute zur Rechtsberatung und Therapie beteiligt.

Rörig, der das Amt des Unabhängigen Beauftragten am 1. Dezember vergangenen Jahres von seiner Vorgängerin Christine Bergmann übernommen hatte, informierte den Ausschuss über seine Arbeitsschwerpunkte bis zum Ende der Legislaturperiode und stellte sich den Fragen der Abgeordneten. Die Arbeit des Runden Tischs zum Kindermissbrauch könne nicht das Ende der Aufarbeitung sein, betonte Rörig. Zu seinen Aufgaben gehöre es unter anderem, die Umsetzung der Empfehlungen des Runden Tischs zu begleiten und zu koordinieren. Rörig informierte den Ausschuss über die Einsetzung eines Fachbeirats im Februar dieses Jahres, dem neben Experten aus Wissenschaft, Gesellschaft, und Kirchen auch die ehemalige Beauftragte Bergmann und vier Betroffene angehören. Zudem habe er drei feste Treffen mit den elf Betroffenen-Initiativen für dieses Jahr anberaumt. Das erste Treffen habe am 27. Januar stattgefunden, bei dem die Initiativen ihren Forderungskatalog übergeben hätten zu den Themen Aufarbeitung, Wiedergutmachung und Verjährungsfristen. Dieser Forderungskatalog sei auch auf der Homepage des Beauftragten
(http://beauftragter-missbrauch.de) einsehbar.

Zu den vorrangigen Aufgaben Rörigs gehört es laut eigener Aussage, die Empfehlungen des Runden Tischs zur Prävention und Intervention in allen Bereichen der Jugend- und Bildungsarbeit sowie des Gesundheitswesens umzusetzen. Er habe deshalb unter anderem Treffen mit den Vertretern der kommunalen Spitzenverbände, der Landesjugendverbände, der Kirchen, des Sportbundes, des Bundesjugendrings, der Deutschen Krankenhausgesellschaft anberaumt beziehungsweise schon abgehalten.

Alle Fraktionen im Ausschuss signalisierten Rörig ihre Unterstützung für seine Arbeit. Positiv bewerteten sie unter anderem seinen Plan, mit einer weiteren Öffentlichkeitskampagne für einen offeneren Umgang in der Gesellschaft beim Schutz vor Kindesmissbrauch zu werben.


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Quelle:
Heute im Bundestag Nr. 115 - 7. März 2012 - 13:40 Uhr
Herausgeber: Deutscher Bundestag
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veröffentlicht im Schattenblick zum 9. März 2012