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BUNDESTAG/3339: Heute im Bundestag Nr. 344 - 19.07.2012


Deutscher Bundestag
hib - heute im bundestag Nr. 344
Neues aus Ausschüssen und aktuelle parlamentarische Initiativen

Donnerstag, 19. Juli 2012 Redaktionsschluss: 09:30 Uhr

1. Schäuble: Rettungsschirm EFSF hat auch nach Bankenhilfe noch genug Kapazität
2. Bundesregierung: Keine Zahlen zur Gesamtheit aller Straftaten gegen Moscheen
3. Im Bundestag notiert: Girls' Day
4. Im Bundestag notiert: Wehrdienst
5. Im Bundestag notiert: Terrorgruppe Boko Haram



1. Schäuble: Rettungsschirm EFSF hat auch nach Bankenhilfe noch genug Kapazität

Haushaltsausschuss

Berlin: (hib/HLE) Die Bundesregierung hat im Haushaltsausschuss für die Zustimmung des Deutschen Bundestages zu den Notmaßnahmen für den spanischen Bankensektor geworben. Mit den geplanten Maßnahmen mit einem Volumen bis zu 100 Milliarden Euro habe man eine gute Chance, das Vertrauen von Investoren in die Eurozone zurückzugewinnen, sagte Finanzminister Wolfgang Schäuble in einer Sitzung des Haushaltsausschusses am Mittwoch Abend. Spanien, das eine Reihe von Reformen in den Bereichen Haushalt, Soziales und Arbeitsmarkt eingeleitet habe, werde aber Zeit brauchen, bis es auf den Pfad nachhaltigen Wachstums komme. Schäuble verwies auf das Urteil der EU-Kommission, dass Spanien auf dem richtigen Weg sei. Wie hoch der genaue Geldbedarf Spaniens sei, werde sich erst im September herausstellen. Mit der Summe von 100 Milliarden Euro sei man auf der sicheren Seite.

Schäuble wies zudem den Eindruck zurück, aus Geldmangel im Rettungsschirm ESFS gebe es kein volles Programm für Spanien, sondern nur eine Bankenstabilisierung. Er erklärte, dass der Rettungsschirm noch eine Kapazität von 236,7 Milliarden Euro zur Kreditvergabe habe. "Spanien braucht kein volles Programm", stellte Schäuble fest. Er wies außerdem den Eindruck zurück, dass Finnland, das Sicherheiten von Spanien für seine Beteiligung an den Notmaßnahmen verlange, bevorzugt werde. Finnland müsse dafür sein Kapital in einer statt in fünf Tranchen in den künftigen Rettungsschirm ESM einzahlen und werde außerdem nicht an möglichen Gewinnen aus den Maßnahmen für Spanien beteiligt.

Ein Sprecher der CDU/CSU-Fraktion zeigte sich überzeugt, dass es richtig sei, dem spanischen Bankensektor zu stützen. Ein Kollaps des Bankensektors sei nicht wünschenswert. Mit dem Betrag von 100 Milliarden habe man einen "Sicherheitspuffer".

Für die SPD-Fraktion waren die Aussagen der Regierung widersprüchlich. Der spanische Staat habe bis 2014 einen Refinanzierungsbedarf von über 200 Milliarden Euro. Diese Summe glaube man offenbar an den Finanzmärkten aufzutreiben, die für die Banken genannten 60 Milliarden aber nicht. Der Sprecher der SPD-Fraktion zeigte sich überzeugt, dass höhere Summen erforderlich seien, um den Euro zu retten und sprach sich für die auch von den Wirtschaftsweisen vorgeschlagene gemeinsame Tilgung der Altschulden in Europa aus. Die Aussagen der SPD-Fraktion stießen auf scharfe Widerspruch der FDP-Fraktion. Die SPD zeige sich kritisch bei den Milliarden für Spanien, wolle aber zugleich ein Altschuldenprogramm im Billionen-Umfang auf den Weg bringen.

Die Fraktion Die Linke fand Schäubles Erklärung bemerkenswert, dass Spanien keine Finanzhilfen benötige, sondern nur die spanischen Banken. Im Bundestag sei jedoch nicht nur einmal von einer Staatsschuldenkrise die Rede gewesen. Die Schulden der Banken würden jedoch in die Staatskassen transferiert, kritisierte ein Sprecher der Fraktion Die Linke. Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen bezeichnete die Unterstützung des spanischen Bankensektors durch die Rettungsschirme als richtig. Es sei auch richtig, Spanien nicht insgesamt unter den Schirm zu nehmen. Die spanischen Banken sollten nicht nur restrukturiert, sondern gegebenenfalls auch abgewickelt werden können, verlangte eine Sprecherin der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.

Grundlage der Debatte im Haushaltsausschuss waren zwei Anträge (17/10320 und 17/10321) des Finanzministeriums, mit denen die Zustimmung des Deutschen Bundestages zur Gewährung einer Notmaßnahme der Europäischen Finanzstabilisierungsfazilität (EFSF) für Spanien beantragt wird. Die Laufzeit der Notmaßnahme soll 18 Monate betragen. Das Darlehen zum Zwecke der Rekapitalisierung könne bis zu 100 Milliarden Euro betragen. Außerdem soll der Bundestag der Übertragung der Rechte und Pflichten der ESFS auf den Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) zustimmen, nachdem dieser in Kraft getreten sei. Dabei soll der ESM auf den eigentlich vorgesehenen bevorrechtigten Gläubigerstatus verzichten. Das sei "eine einzelfallbezogene Ausnahme und dient dem Erhalt des Marktzugangs Spaniens", heißt es in der Begründung.

Die Auszahlungen der Finanzhilfen soll an den spanischen staatlichen Restrukturierungsfonds FROB als Bevollmächtigten der spanischen Regierung erfolgen. Der Fonds habe die Aufgabe, notwendige Hilfen an die betreffenden Banken weiterzuleiten. Die spanische Regierung stehe gegenüber EFSF und ESM für die aus dem Kredit erwachsenden Verpflichtungen ein.

Die EFSF soll eine erste Tranche von 30 Milliarden Euro Ende Juli bereitstellen, aber zunächst in Reserve halten. Der größte Teil der Auszahlungen solle bis Ende 2012 erfolgt sein, heißt es weiter. Nach Angaben des Bundesfinanzministeriums soll die Finanzhilfe dazu dienen, "die Stabilität, Widerstandsfähigkeit und langfristige Wettbewerbsfähigkeit des spanischen Finanzsektors zu erhalten" und den Marktzugang Spaniens zu "nachhaltigen Finanzierungskonditionen" zu sichern. Die Notmaßnahme solle zudem "unter strengen Auflagen" erfolgen. Dazu gehören detaillierte Restrukturierungspläne der einzelnen Banken, die von der EU-Kommission genehmigt werden müssen. "Es werden Maßnahmen getroffen, um die Kosten der Bankenrestrukturierung für den Steuerzahler zu minimieren", schreibt das Ministerium. Nach der Realisierung von Verlusten durch die Anteilseigner würden die spanischen Behörden auch Inhaber von Hybridkapital und nachrangige Gläubiger der Banken, die staatliche Mittel erhalten, in eine Lastenverteilung einbeziehen. "Hierzu zählen freiwillige und, sofern erforderlich, zwangsweise Rückkäufe nachrangiger Titel unter Nennwert", heißt es. Entsprechende Gesetze würden Ende August verabschiedet. Außerdem werden die Gehälter der Banker von Instituten, die Hilfen erhalten, begrenzt (zwischen 300.000 und 500.000 Euro jährlich).

Zum deutschen Haftungsanteil für die Garantien heißt es, dieser betrage gemäß EFSF-Beitragsschlüssel 29,07 Prozent. "Unmittelbare Belastungen des Bundeshaushaltes ergeben sich aus dieser Maßnahme nicht." Bei Übertragung auf den ESM betrage der deutsche Anteil 27,15 Prozent.

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2. Bundesregierung: Keine Zahlen zur Gesamtheit aller Straftaten gegen Moscheen

Inneres/Antwort

Berlin: (hib/JOH) Anhand der polizeilichen Statistiken lassen sich nur solche gegen Moscheen gerichtete Angriffe herausfiltern, die der politisch motivierten Kriminalität (PMK) zugeordnet worden sind. Zur Gesamtheit aller Angriffe auf Moscheen seien keine Zahlenangaben möglich, schreibt die Bundesregierung in ihrer Antwort (17/10293) auf eine Kleine Anfrage (17/10071) der Fraktion Die Linke. Die Abgeordneten hatten sich bereits zum zweiten Mal nach Angriffen auf Moscheen in Deutschland erkundigt, da die erste Antwort der Regierung (17/9523) ihrer Ansicht nach unvollständig gewesen war. Insbesondere wollte die Fraktion durch ihre Nachfrage erfahren, wie sich die Diskrepanz zwischen den Zahlen der Bundesregierung und denen des Berliner Informationszentrums für Transatlantische Sicherheit vom September 2011 erklärt. Während die Bundesregierung seit dem Jahr 2001 219 politisch motivierte Straftaten gegen Moscheen in Deutschland zählt, finden sich in der Auflistung des Informationszentrums einige mehr, hatten die Abgeordneten bemerkt.

Die Bundesregierung begründet die Unterschiede zwischen den Angaben der polizeilichen Statistik und den Rechercheergebnissen von Journalisten oder nichtstaatlichen Stellen mit häufig unterschiedlichen Anknüpfungspunkten für die Zuordnung einer Straftat zur PMK. So sei für die polizeiliche Erfassung einer Tat als PMK grundsätzlich die Tatmotivation entscheidend. Sie sei "in Würdigung aller Umstände der Tat und der Einstellung des Täters" zu ermitteln, betont die Regierung. Einige Journalisten zählten darüber hinaus all jene Fälle dazu, bei denen der Täter nachweislich einem extremistisch eingestellten Milieu zuzurechnen und ein anderes Tatmotiv nicht erkennbar ist. Vor allem nichtstaatliche Stellen schienen ausschließlich auf das subjektive Empfinden des Opfers oder der Geschädigten abzustellen, schreibt die Bundesregierung.

Von den 17 Angriffen auf Moscheen, nach denen die Linksfraktion konkret gefragt hatte, seien vier dem Bundeskriminalamt als politisch motivierte Straftaten gemeldet worden, berichtet die Regierung weiter. Ihr liegen nach eigener Aussage "keine automatisiert abfragbaren Erkenntnisse" vor, aus welchen Gründen die jeweils zuständigen Länder in 13 der genannten Fälle die Taten nicht als PMK bewertet haben. Ob eine erneute Prüfung von Straftaten auf ihre politische Motivation stattfindet, müsste ausschließlich das jeweils zuständige Land entscheiden. Eine Ausnahme besteht nach Angaben der Bundesregierung insofern, als derzeit die vom Bundesinnenminister angeregte Prüfung von Altfällen auf Vergleichbarkeiten mit dem Vorgehen des "Nationalsozialistischen Untergrundes" (NSU) im Gemeinsamen Abwehrzentrum Rechtsextremismus (GAR) koordiniert werde. Dort habe man sich darauf verständigt, zunächst ungeklärte Tötungen und Tötungsversuche zu überprüfen und dabei auch eine von Journalisten der Zeitungen "Der Tagesspiegel" und "Die Zeit" recherchierte Liste zu berücksichtigen.

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3. Im Bundestag notiert: Girls' Day

Verteidigung/Antwort

Berlin: (hib/AW) Am diesjährigen Girls' Day haben 4957 Teilnehmerinnen von den Informationsangeboten in 205 Dienststellen der Bundeswehr Gebrauch gemacht. Dies teilt die Bundesregierung in ihrer Antwort (17/10287) auf eine Kleine Anfrage der Fraktion Die Linke (17/10046) mit. Die Angebote der Bundeswehr hätten sich prinzipiell an Jugendliche ab der neunten Klasse gerichtet. Die Bundesregierung räumt jedoch ein und bedauert, dass vereinzelt auch Jugendliche unter 14 Jahren am Girls' Day beim Gebirgsfernmeldebataillon 210 in Bad Reichenhall teilgenommen haben. Die Bundeswehr werde die Dienststellen beim Girls' Day im kommenden Jahr auf die Einhaltung der Altersbegrenzungen erneut hinweisen.

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4. Im Bundestag notiert: Wehrdienst

Verteidigung/Kleine Anfrage

Berlin: (hib/AW) Die Fraktion Die Linke verlangt Auskunft über den freiwilligen Wehrdienst. In einer Kleinen Anfrage (17/10288) will sie unter anderem wissen, wie viele Personen im Jahr 2011 und 2012 einen freiwilligen Wehrdienst begonnen haben und wie viele in den ersten sechs Monaten nach Dienstantritt wieder aus der Bundeswehr ausgeschieden sind und wie viele sich als Zeitsoldaten weiterverpflichtet haben.

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5. Im Bundestag notiert: Terrorgruppe Boko Haram

Menschenrechte und humanitäre Hilfe/Kleine Anfrage

Berlin: (hib/JOH) Nach den Aktivitäten der "fundamental islamistischen Terrorgruppe Boko Haram" im Norden Nigerias erkundigt sich die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen in einer Kleinen Anfrage (17/10264). Die Abgeordneten wollen von der Bundesregierung unter anderem wissen, ob sich die Sicherheitslage in Nigeria in den vergangenen sechs Monaten verschlechtert hat, gegen welche Gruppierungen sich die von Boko Haram ausgeübte Gewalt besonders richtet und ob die Bundesregierung die nigerianische Armutsbekämpfungsstrategie und die deutsch-nigerianische Entwicklungszusammenarbeit durch die angespannte Sicherheitslage in Gefahr sieht. Die Fraktion erkundigt sich außerdem nach den Erkenntnissen der Bundesregierung über die Umstände der Entführung eines deutschen Ingenieurs, der im Mai 2012 in der nigerianischen Stadt Kano tot aufgefunden wurde.

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Quelle:
Heute im Bundestag Nr. 344 - 19. Juli 2012 - 09:30 Uhr
Herausgeber: Deutscher Bundestag
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veröffentlicht im Schattenblick zum 20. Juli 2012