Schattenblick →INFOPOOL →PARLAMENT → FAKTEN

BUNDESTAG/3818: Heute im Bundestag Nr. 218 - 18.04.2013


Deutscher Bundestag
hib - heute im bundestag Nr. 218
Neues aus Ausschüssen und aktuelle parlamentarische Initiativen

Donnerstag, 18. April 2013 Redaktionsschluss: 16:05 Uhr

1. Geheimdienstlerin: Von Kontakten des NSU-Trios im Südwesten nichts gewusst
2. Antrag der SPD zu behindertenfreundlicher Technologie



1. Geheimdienstlerin: Von Kontakten des NSU-Trios im Südwesten nichts gewusst

2. Untersuchungsausschuss (Rechtsterrorismus)

Berlin: (hib/KOS) Eine "institutionalisierte Zusammenarbeit" zwischen Rechtsextremisten aus Sachsen sowie Thüringen und Baden-Württemberg sei ihr nicht bekannt, sagte Bettina Neumann am Donnerstagnachmittag zum Auftakt der Zeugenvernehmungen vor dem Untersuchungsausschuss, der Fehlgriffe und Pannen bei den Ermittlungen zu der dem "Nationalsozialistischen Untergrund" (NSU) angelasteten Mordserie durchleuchten soll. Neumann war von 1993 bis 2011 beim Stuttgarter Landesamt für Verfassungsschutz (LfV) als Referatsleiterin für die Auswertung von Informationen zum Rechtsextremismus und Rechtsterrorismus zuständig. Die 51jährige erklärte zudem, keine Erkenntnisse zu einst vorliegenden Hinweisen zu haben, dass mehr als zwei südwestdeutsche Polizisten, die zu Beginn des vergangenen Jahrzehnts kurzzeitig beim Ku-Klux-Klan aktiv waren, im Umfeld des deutschen Ablegers des US-Geheimbunds angesiedelt gewesen sein könnten. Im Zusammenhang mit der Erschießung der Polizistin Michèle Kiesewetter in Heilbronn im April 2007 befassten sich die Abgeordneten mit den Kontakten des 1998 abgetauchten und später zum NSU mutierten Jenaer Trios Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos und Beate Zschäpe zum Raum Ludwigsburg/Heilbronn sowie mit der Tätigkeit des Ku-Klux-Klan im Südwesten.

Unions-Obmann Clemens Binninger fragte, wieso die thüringische Zelle bis 2001 nach Baden-Württemberg habe reisen können, ohne dass dies bemerkt worden sei. Grünen-Sprecher Wolfgang Wieland ist überzeugt, dass die unterbliebene Auswertung der 1998 in einer von der Gruppe offenbar zum Bombenbau genutzten Jenaer Garage entdeckten Adressenliste, auf der auch drei Namen aus Ludwigsburg standen, die Fahnder in diese Region geführt hätte. Petra Pau von der Linksfraktion meinte, seinerzeit hätte sich Rechtsextremisten aus Chemnitz, wo Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe nach ihrem Verschwinden zunächst unterkamen, im Großraum Stuttgart "offenbar ausgesprochen wohl gefühlt".

Neumann sagte, bei den drei auf der "Garagenliste" vermerkten Ludwigsburger Personen, die ihr in ihrer Zeit beim LfV unbekannt gewesen seien, habe es sich um "unauffällige" Anhänger der rechtsextremen Szene gehandelt. Dass sich etwa Jan W. und Thomas S., zentrale Figuren der ostdeutschen rechtsextremen Szene, häufig im Südwesten aufhielten, habe sie "erst jetzt erfahren". Zu den von einem ehemaligen Mitarbeiter des Stuttgarter Geheimdiensts vor dem Untersuchungsausschuss gemachten Angaben, 2003 habe ein Pfarrer in einem Gespräch die Begriffe "NSU" und "Mundlos" fallen lassen, meinte die Zeugin, diese Information sei bei ihr damals "nicht angekommen", da sei sie "hundertprozentig sicher". Auch habe man vom sächsischen LfV keine Hinweise auf die Fahrten Chemnitzer Rechtsextremisten nach Baden-Württemberg erhalten. Der FDP-Abgeordnete Serkan Tören kommentierte, der unzureichende länderübergreifende Informationsaustausch zu den Kontakten des Jenaer Trios mache deutlich, dass bei der Zusammenarbeit der Sicherheitsbehörden Verbesserungen nötig seien. Neumann räumte ein, beim LfV habe offenkundig eine "Erkenntnislücke" existiert, was die rechtsextreme Szene in Ludwigsburg angehe.

Für Eva Högl ist es "unbegreiflich", dass Polizisten Mitglied beim Ku-Klux-Klan waren, das sei ein "ungeheuerlicher Vorgang". Allerdings könne man nach den polizeilichen Ermittlungen eine Verbindung zwischen dem Geheimbund und der Erschießung Kiesewetters ausschließen, so die SPD-Sprecherin. Die betreffenden zwei Polizisten taten 2007 wie die ermordete Beamtin in Heilbronn im Dienst, was in den Medien entsprechende Spekulationen ausgelöst hatte.

Wieland konfrontierte Neumann mit Hinweisen, die teils von einer "Quelle" stammen würden, wonach es in Stuttgart einst bis zu 20 Polizisten mit einem rechtsextremen Weltbild gegeben haben soll und wonach sich mehr als zwei Beamte für den Ku-Klux-Klan interessiert hätten. Die Zeugin sagte, nach ihrer Kenntnis sei die Aktivität der beiden bei dem Geheimbund aktiven Polizisten der einzige Fall von rechtsextremen Kontakten aus den Reihen der Polizei - aber vielleicht habe sie bei der Vorbereitung auf ihre Befragung im Ausschuss "die falschen Akten gelesen".

Zu den weiteren für den Nachmittag und Abend geladenen Zeugen gehört auch Helmut Rannacher, bis 2005 Chef des baden-württembergischen Geheimdiensts.

*

2. Antrag der SPD zu behindertenfreundlicher Technologie

Bildung und Forschung/Antrag

Berlin: (hib/ROL) Mit der Ratifizierung der UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) hat sich Deutschland verpflichtet, die Verwirklichung der Menschenrechte und Grundfreiheiten für Menschen mit Behinderungen ohne jede Diskriminierung zu gewährleisten und eine umfassende Teilhabe zu fördern. Daraus ergibt sich die Verpflichtung, Maßnahmen zu treffen, um eine umfassende barrierefreie Gestaltung in allen Lebensbereichen zu gewährleisten, schreibt die SPD in ihrem Antrag "Teilhabe ermöglichen - Forschung und Entwicklung von Technologien und Design für Alle intensivieren" (17/13085).

Technische Hilfsmittel ermöglichten sinnvolle Rahmenbedingungen, um dieses Ziel zu erreichen. Für die uneingeschränkte Teilhabe seien deshalb sogenannte "behinderungskompensierende Technologien" unverzichtbar, die die SPD im Antrag als "Technologien für Alle" bezeichnet. Darunter versteht sie alle Technologien, durch die individuelle Fähigkeiten unterstützt werden, damit Behinderte besser und einfacher am Leben teilhaben könnten.

Im Kontext der "Technologien für Alle" spiele das Konzept des "Universellen Designs", das im Antrag als "Design für Alle" bezeichnet wird, eine wichtige Rolle. Die Umsetzung werde in der UN-BRK gefordert. Das Konzept des "Designs für Alle" gehe über den Begriff der behindertengerechten Gestaltung hinaus und sei zudem auch von wirtschaftlichem Interesse. Im Sinne der UN-BRK bedeute "Design für Alle" die Gestaltung von Produkten, Umfeld und Dienstleistungen, das von allen Menschen möglichst weitgehend ohne Anpassung genutzt werden könne. "Design für Alle" schließe Hilfsmittel zum Behinderungsausgleich nicht aus, schreibt die SPD. Es könne im Gegenteil eine sinnvolle und hilfreiche Voraussetzung für den Einsatz von speziellen "behinderungskompensierenden Technologien" sein.

Die Fraktion fordert die Bundesregierung auf, eine nationale Strategie zur Forschung und Entwicklung von Technologien und "Designs für Alle" unter Einbeziehung von Personengruppen, die in besonderer Art und Weise von Technologien und "Designs für Alle" profitieren könnten, zu beschließen und in einen Nationalen Aktionsplan münden zu lassen. Der solle Bestandteil eines neuen und nachhaltigen nationalen Aktionsplans zur Umsetzung der UN-BRK sein. Ferner fordert die SPD in ihrem 11-Punkte-Plan eine gezielte Förderung und Intensivierung der Forschung an Technologien und "Designs für Alle" durch die Einrichtung einer öffentlich geförderten Agentur zur Forschung an Technologien und "Designs für Alle". Sie solle bestehende Forschungsansätze zusammenführen und Initiativen bündeln.

*

Quelle:
Heute im Bundestag Nr. 218 - 18. April 2013 - 16:05 Uhr
Herausgeber: Deutscher Bundestag
PuK 2 - Parlamentskorrespondenz
Platz der Republik 1, 11011 Berlin
Telefon: +49 30 227-35642, Telefax: +49 30 227-36191
E-Mail: mail@bundestag.de
Internet: www.bundestag.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 20. April 2013