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BUNDESTAG/4795: Heute im Bundestag Nr. 660 - 18.12.2014


Deutscher Bundestag
hib - heute im bundestag Nr. 660
Neues aus Ausschüssen und aktuelle parlamentarische Initiativen

Donnerstag, 18. Dezember 2014, Redaktionsschluss: 18.00 Uhr

1. Zeuge: Recht ging vor Nutzen
2. Linke: PKK-Verbot aufheben
3. Grüne fordern Reform des Pflege-TÜV
4. Linke fordert Stopp der Gesundheitskarte
5. Feinstaubemissionen von Baumaschinen
6. Entschädigung von Frauen mit Hepatitis C



1. Zeuge: Recht ging vor Nutzen

1.Untersuchungsausschuss (NSA)

Berlin: (hib/KOS) "Recht ging vor Nutzen": Mit diesen Worten beschrieb Reinhardt Breitfelder am Donnerstag zum Auftakt der Zeugenvernehmung in dem zur Durchleuchtung des NSA-Skandals eingesetzten Untersuchungsausschuss die Leitlinie des Bundesnachrichtendiensts (BND) bei der gemeinsam mit dem US-Geheimdienst NSA betriebenen Auswertung internationaler Telekommunikation. Der pensionierte Brigadegeneral sagte, zu seiner Zeit als Verantwortlicher für die technische Aufklärung beim BND von 2003 und 2006 seien keine Daten über Bundesbürger an die USA weitergeleitet worden. Ohne näher auf das unter dem Code "Eikonal" von BND und NSA von 2004 bis 2008 praktizierte Anzapfen eines Internet-Kabelknotens in Frankfurt und auf die Satellitenausforschung durch die beiden Geheimdienste in Bad Aibling einzugehen, unterstrich der 69jährige, dass beim Durchforsten ausländischen Datenverkehrs Informationen über Deutsche mit Hilfe von Filtertechnik und persönlicher Kontrolle effizient aussortiert worden seien.

Das Gremium hat den Auftrag, das massenhafte Ausspionieren der Telekommunikation von Millionen Deutschen durch die NSA und andere Nachrichtendienste zu erhellen. Dabei soll der Ausschuss auch herausfinden, ob hiesige Geheimdienste in diesen Skandal verwickelt sind. Dem BND ist es untersagt, "G-10-Daten", an die er im Zuge seiner auf das Ausland gerichteten Aufklärungsarbeit als "Beifang" gelangt, Partnerdiensten zu überlassen. Der Fachbegriff "G-10-Daten" leitet sich aus Artikel 10 des Grundgesetzes ab, der das Fernmeldegeheimnis der Bundesbürger schützt - weshalb der BND Erkenntnisse über Deutsche, also "G-10-Daten", nicht ins Ausland übermitteln darf.

Breitfelder versuchte, vor den Abgeordneten darzulegen, dass der BND gegenüber der NSA bei der gemeinsam praktizierten Auswertung von Datenströmen entschieden für die Belange des Datenschutzes eingetreten sei. Den USA sei es darum gegangen, in Deutschland einen Zugang zu ausländischer Telekommunikation zu erhalten. Der BND wiederum habe von der NSA hochwertige Nachrichtentechnik bekommen wollen, auf diesem Gebiet seien die USA dem BND weit voraus gewesen. Das sei ein gegenseitiges Geben und Nehmen gewesen, so der Zeuge. Bei einer solchen Kooperation gehe es nicht um "Freundschaft", vielmehr wollten beide Seiten ihre Interessen durchsetzen.

Breitfelder beschrieb die Zusammenarbeit mit der NSA als "heikel", das sei "zäh" verlaufen. Der US-Geheimdienst habe möglichst automatisiert auf die Datenströme zugreifen wollen. Der BND hingegen habe vor allem Wert darauf gelegt, durch technische "G-10-Filter" und durch zeitaufwendige persönliche Kontrollen Informationen über Deutsche auszusortieren und so deren Weiterleitung an die USA zu unterbinden. Der Ex-Abteilungsleiter gab sich überzeugt, dass dieses Filtersystem funktioniert habe. Ihm seien jedenfalls keine Fälle bekannt, wo diese Kontrolle versagt habe. Breitfelder erklärte zudem, dass die NSA über "keinen direkten Zugriff" auf die zur Auswertung vorgesehenen Internetdaten verfügt habe. Es seien nur NSA-Geräte eingesetzt worden, die für die BND-Fachleute "transparent" gewesen seien.

Laut dem Zeugen war die NSA angesichts der Wirksamkeit der Filtersysteme mit dem "mageren Ergebnis" der Kooperation mit dem BND "nicht zufrieden". Mehrfach habe die Zusammenarbeit "vor dem Scheitern" gestanden. Bei einer "Krisensitzung" hat sich nach den Schilderungen Breitfelders "am Tisch Frost ausgebreitet", als er darauf bestanden habe, dass "deutsches Recht auf deutschem Boden" gelte und dass dieser Grundsatz unverhandelbar sei.

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2. Linke: PKK-Verbot aufheben

Inneres/Antrag

Berlin: (hib/STO) Die Fraktion Die Linke dringt auf eine "Aufhebung des Betätigungsverbots für die Arbeiterpartei Kurdistans PKK" und deren Streichung von der "EU-Terrorliste". Das 1993 vom Bundesinnenministerium verhängte Betätigungsverbot gegen die PKK sei ein Anachronismus, schreibt die Fraktion in einem Antrag (18/3575). Die politischen Veränderungen in der Türkei und der Nahostregion sowie die Entwicklung der PKK und der ihr nahestehenden Organisationen in Deutschland erforderten eine Neubewertung der PKK. "Angesichts laufender Friedensverhandlungen mit dem türkischen Staat und der herausragenden Rolle der PKK und ihr nahestehender Milizen bei der Bekämpfung des terroristischen IS im Irak und Syrien" sei die Einstufung der PKK als terroristische Organisation durch die EU "unzeitgemäß und realpolitisch kontraproduktiv".

In der Vorlage wird die Bundesregierung aufgefordert, politische Schritte zur Aufhebung des "vereinsrechtlichen Betätigungsverbots für die PKK und ihre Teil-, Neben- und Nachfolgeorganisationen sowie ihr nahestehende Vereinigungen und Medien einzuleiten". Auch soll die Regierung sich nach dem Willen der Fraktion auf EU-Ebene für die Streichung der PKK von der Liste terroristischer Organisationen einsetzen. Zudem solle die Bundesregierung die türkische Regierung und die PKK "zu einer konstruktiven und transparenten Fortsetzung der begonnenen Friedensgespräche mit dem Ziel einer dauerhaften Friedenssicherung durch die Umsetzung demokratischer Reformen im Bereich der Menschen- und Minderheitenrechte" ermutigen.

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3. Grüne fordern Reform des Pflege-TÜV

Gesundheit/Antrag

Berlin: (hib/PK) Der sogenannte Pflege-TÜV hat nach Ansicht der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen versagt und muss grundlegend reformiert werden. In einem Antrag (18/3551) fordern die Abgeordneten, die Noten zur Beurteilung von Pflegeeinrichtungen sofort auszusetzen, ein neues Qualitätssicherungssystem zu entwickeln sowie ein unabhängiges Institut für Qualität in der Pflege einzurichten, um Vorschläge für die Qualitätsanforderungen zu entwickeln.

Fünf Jahre nach Einführung des Pflege-TÜV müsse festgestellt werden, dass "die Pflegenoten und die damit verbundenen Qualitätsprüfungen nichts zum Verbraucherschutz und zur Transparenz beigetragen" hätten. Zuverlässigkeit und Objektivität seien nicht nachgewiesen, die Ergebnisse würden auch nicht überprüft. Somit sei das gesamte Verfahren "höchst fraglich".

Die vergebenen Pflegenoten, die heute deutlich besser ausfielen als zur TÜV-Einführung 2009, spiegelten die Fehlentwicklung wider. Es liege auf der Hand, dass eine Durchschnittsnote von 1,3 "keine objektive, differenzierte Bewertung der Versorgungsrealität" sein könne. Vielmehr hätten sich die Einrichtungen und Dienste an die Dokumentationsanforderungen der Pflege-Transparenzvereinbarung (PTV) angepasst. An einer Reform gehe kein Weg vorbei, um echte Transparenz und eine zielorientierte Qualitätsentwicklung sowie Qualitätssicherung in der Pflege voranzubringen.

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4. Linke fordert Stopp der Gesundheitskarte

Gesundheit/Antrag

Berlin: (hib/PK) Mit der flächendeckenden Einführung der elektronischen Gesundheitskarte (eGK) gehen nach Ansicht der Fraktion Die Linke unkalkulierbare Kosten- und Sicherheitsrisiken einher. In einem Antrag (18/3574) fordern die Abgeordneten deswegen, die neue Gesundheitskarte, die mit Beginn des Jahres 2015 verbindlich eingeführt werden soll, zu stoppen und stattdessen "patientenorientierte Alternativen" zu entwickeln.

Zwar könne die digitale Datenspeicherung und Datenübertragung helfen, die Gesundheitsversorgung zu verbessern, effizienter und sicherer zu machen. Voraussetzung dafür sei allerdings ein effektiver Schutz vor Datenmissbrauch, ein akzeptables Kosten-Nutzen-Verhältnis sowie die Wahrung der Selbstbestimmung von Versicherten und Patienten. Die eGK und die dahinter stehende Telematikinfrastruktur (TI) ließen eine solche Abwägung und ein ausreichend vorausschauendes Vorgehen vermissen, heißt es in dem Antrag.

Die Komplexität des Vorhabens werde unterschätzt, die Praxistests seien "überwiegend desaströs" verlaufen. In einer internen Kosten-Nutzen-Analyse sei von bis zu 14 Milliarden Euro Gesamtkosten für zehn Jahre die Rede. Dieses Geld werde an anderer Stelle im Gesundheitswesen dringend gebraucht.

Die geplante externe Speicherung sensibler Gesundheitsdaten sei zudem langfristig nicht sicher. Die mittelfristig geplante Möglichkeit, ganze Patientenakten von einem Punkt aus abzurufen, werde Begehrlichkeiten von Firmen, Geheimdiensten und Kriminellen auf den Plan rufen und den Aufwand zum Schutz der Daten permanent vergrößern. Ohne eine Identitätsprüfung könne außerdem ein Missbrauch der Karte nicht verhindert werden. Die Krankenkassen hätten jedoch versäumt zu überprüfen, ob die eingereichten Passfotos mit den jeweils Versicherten übereinstimmen.

In ihrem Antrag fordert die Linksfraktion, von der externen Datenspeicherung abzusehen und alternativ mobile Speichermedien zu erproben, die in Patientenhand bleiben. Ferner sollte die alte Krankenversicherungskarte weiter gültig bleiben.

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5. Feinstaubemissionen von Baumaschinen

Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit/Antrag

Berlin: (hib/JOH) Die Feinstaubemissionen von Baumaschinen sollen nach Ansicht der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen reduziert werden. Zum Schutz der Gesundheit der Bevölkerung, aber auch aus Klimaschutzgesichtspunkten, sei die Fortführung einer konsequenten Luftreinhaltepolitik "dringend geboten", schreibt sie in einem Antrag (18/3554). Baumaschinen würden auf deutschen Baustellen so viel Feinstaub ausstoßen, wie der halbe Straßenverkehr in allen deutschen Städten zusammen. Nach Auffassung der Grünen ist es daher notwendig, die Grenzwerte für Feinstäube in der 39. Bundesimmissionsschutzverordnung über Luftqualitätsstandards und Emissionshöchstmengen anzupassen. Außerdem sollten mit Hilfe eines Förderprogramms Anreize für die Nachrüstung älterer Baumaschinen mit wirksamen geschlossenen Partikelfiltersystemen geschaffen werden. Bei Ausschreibungen für Baumaßnahmen des Bundes sollte sichergestellt werden, dass nur solche Unternehmen Aufträge erhielten, die Baumaschinen einsetzen, die mit Rußpartikelfiltern oder aber mit neuester Motortechnik nachgerüstet sind.

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6. Entschädigung von Frauen mit Hepatitis C

Gesundheit/Kleine Anfrage

Berlin: (hib/PK) Mit der Entschädigung von Frauen, die in der DDR verseuchte Blutkonserven erhalten haben, befasst sich die Fraktion Die Linke in einer Kleinen Anfrage (18/3526). Den Angaben zufolge wurden zwischen August 1978 und März 1979 in der DDR mehrere Tausend Frauen bei einer sogenannten Anti-D-Prophylaxe, die Blutgruppen-Komplikationen in der Schwangerschaft verhindern sollte, mit Hepatitis-C-Viren (HCV) angesteckt.

Zwar seien im Jahr 2000 mit dem Anti-D-Hilfe-Gesetz (AntiDHG) bereits gewisse Entschädigungen für die betroffenen Frauen beschlossen worden, so etwa Heil- und Krankenhausbehandlungen, die Gewährung von Renten und Einmalzahlungen. Jedoch werde bei der Höhe der Entschädigung ausgesprochen restriktiv vorgegangen, beklagen die Abgeordneten. Völlig unzureichend berücksichtigt würden auch die vielfältigen mittelbaren Schäden infolge der Hepatitis C. Zu den sogenannten extrahepatischen Symptomen gehören etwa Schlafstörungen, chronische Müdigkeit, Kopfschmerzen und Depressionen.

Die Linksfraktion fragt nun konkret nach der Zahl der damals betroffenen Frauen, den bisher gezahlten Entschädigungen sowie den gesundheitlichen Beeinträchtigungen nach einer HCV-Infektion.

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Quelle:
Heute im Bundestag Nr. 660 - 18. Dezember 2014 - 18.00 Uhr
Herausgeber: Deutscher Bundestag
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veröffentlicht im Schattenblick zum 20. Dezember 2014


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