Schattenblick → INFOPOOL → PARLAMENT → FAKTEN


BUNDESTAG/4919: Heute im Bundestag Nr. 120 - 05.03.2015


Deutscher Bundestag
hib - heute im bundestag Nr. 120
Neues aus Ausschüssen und aktuelle parlamentarische Initiativen

Donnerstag, 05. März 2015, Redaktionsschluss: 10.10 Uhr

1. Neue Fragen an Ziercke
2. Datenschutz als Wettbewerbsvorteil
3. Migrationsberatung für Erwachsene
4. HIV-Infizierte im öffentlichen Dienst
5. Terroristische Straftaten


1. Neue Fragen an Ziercke

2. Untersuchungsausschuss (Edathy)

Berlin: (hib/PST) Hat der frühere Chef des Bundeskriminalamtes (BKA), Jörg Ziercke, vor dem 2. Untersuchungsausschuss alle Fragen zum Fall Edathy korrekt beantwortet? Zwei Zeugen aus dem BKA haben jetzt Zweifel geweckt. Am 25. März soll Ziercke zum zweiten Mal als Zeuge auftreten, dann werden ihn die Ausschussmitglieder damit konfrontieren.

Ziercke hatte Mitte Januar ausgesagt, er habe während einer Dienstreise in Spanien am 15. Oktober 2013 gegen 15.45 Uhr durch den Anruf seiner zuständigen Abteilungsleiterin erfahren, dass der damalige Bundestagsabgeordnete Sebastian Edathy (SPD) im Verdacht stehe, illegales kinderpornografisches Material bezogen zu haben. Diese Abteilungsleiterin, Dr. Sabine Vogt, sagte nun als Zeugin vor dem 2. Untersuchungsausschuss aus, zusammen mit Ziercke auf besagter Dienstreise in Spanien gewesen zu sein. Am 15. Oktober 2013 habe sie zwischen 15.30 Uhr und 16 Uhr auf dem Handy den Anruf des ihr unterstellten Gruppenleiters Dieter Schiffels erhalten. Dieser habe ihr mitgeteilt, dass soeben "der Name einer politisch prominenten Person" auf einer Liste von Verdächtigen in einem Kinderporno-Großverfahren aufgefallen sei. Da sie im Ausland war und ein gewöhnliches Handy hatte, habe ihr Mitarbeiter aus Sicherheitsgründen den Namen nicht mitgeteilt. Vogt gab an, Ziercke umgehend persönlich von diesem Anruf unterrichtet zu haben. Noch am selben Abend seien Ziercke und sie planmäßig in Frankfurt gelandet. Sie habe sofort Schiffels angerufen und er habe ihr nun mitgeteilt, dass es sich bei dem Verdächtigen um Sebastian Edathy handele. Darüber habe sie dann Ziercke persönlich informiert.

Auf eine Nachfrage hin korrigierte sich Vogt allerdings und sagte, sie habe nicht mehr genau in Erinnerung, ob sie noch im Flughafen mit Ziercke gesprochen und ihm den Namen mitgeteilt hatte. Sicher wisse sie aber, dass sie, nachdem sich die Wege am Flughafen getrennt hätten, nicht mehr mit Ziercke telefoniert hat. Zur abweichenden Darstellung Zierckes sagte sie, sie könne nicht ausschließen, dass dieser noch von anderer Seite informiert wurde. Zuvor hatte BKA-Gruppenleiter Dieter Schiffels dem Ausschuss von dem Anruf bei seiner Chefin Sabine Vogt in Spanien berichtet und ausgesagt, man sei so verblieben, dass er BKA-Vizepräsident Peter Henzler informieren solle. Ob dieser daraufhin Ziercke in Spanien anrief, dürfte eine der Fragen sein, die Henzler bei seiner für den 19. März terminierten Vernehmung gestellt werden.

Schiffels wurde von den Ausschussmitgliedern auch ausgiebig zu Unstimmigkeiten im Zusammenhang mit Telefonaten zwischen Ziercke und dem damaligen Parlamentarischen Geschäftsführer und späteren Vorsitzenden der SPD-Bundestagsfraktion Thomas Oppermann befragt. Diese Telefonate spielen eine wesentliche Rolle für den Auftrag des Untersuchungsausschusses, den Informationsfluss zwischen Ermittlern und Politikern aufzuklären und der Frage nachzugehen, ob Edathy gewarnt worden sein könnte. In einer im BKA zusammengestellten Chronologie, die dem Ausschuss vorliegt, ist unter dem 15. Oktober 2013 ein Anruf Oppermanns bei Ziercke vermerkt, versehen mit einem Fragezeichen. In einer zweiten Version fehlt dieser Vermerk. Schiffels erklärte dazu, er habe die Angabe aus dem von Untergebenen erarbeiteten Entwurf herausgenommen, da sie offensichtlich nicht auf sicheren Kenntnissen beruht habe. Zu einem weiteren Vermerk auf einem anderen Dokument über ein Telefonat zwischen Ziercke und Oppermann am 13. Februar 2014 konnten weder Schiffels noch Vogt Angaben machen.

Die Aussage von Schiffels lieferte noch ein weiteres für die Ausschussmitglieder bemerkenswertes Detail. Dabei ging es um einen Gruppenleiter aus derselben Abteilung wie Schiffels, der Anfang 2012 im selben Großverfahren wie später Edathy unter Verdacht geraten war. Am 13. April 2012 hatte die Staatsanwaltschaft deshalb die Wohnung dieses "Beamten X" durchsucht und Beweismaterial beschlagnahmt. Schiffels berichtete nun, er habe noch am 18. April den Beamten X im Amt bei der Ausstandfeier eines anderen Gruppenleiters gesehen. Bisher wusste der Ausschuss zwar, dass der Beamte X sich am 20. April krankgemeldet hatte und am 26. April vom Dienst suspendiert worden war, aber nicht, ob er sich in der Zwischenzeit noch im BKA aufgehalten hatte.

Über den Umgang des Amtes mit dem Beamten X befragte der Ausschuss schließlich noch den für Disziplinarmaßnahmen zuständigen Abteilungsleiter Jürgen Hoffmann, allerdings aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes in nichtöffentlicher Sitzung. Zuvor hatte der Ausschuss beschlossen, auf einer der nächsten Sitzungen, ebenfalls ohne Öffentlichkeit, auch den Beamten X als Zeugen zu hören.

*

2. Datenschutz als Wettbewerbsvorteil

Ausschuss Digitale Agenda

Berlin: (hib/HAU) Ein hohes und europaweit einheitliches Datenschutzniveau kann auch für den Mittelstand sowie für Startup-Unternehmen ein Vorteil im internationalen Wettbewerb sei. Diese Ansicht vertrat die Mehrheit der am Mittwoch zu einem öffentlichen Fachgespräch des Ausschusses Digitale Agenda geladenen Experten. Gleichzeitig waren sie der Meinung, dass der Datenschutz einer Weiterentwicklung von Big Data nicht im Wege stehe. Dazu müsse man bei der Anonymisierung und Pseudonymisierung von Daten vorankommen, hieß es.

Andrea Voßhoff, Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit, machte deutlich, dass es beim Datenschutz um den Schutz des Einzelnen vor Missbrauch seiner Daten gehe. "Ein hoher Datenschutz kann gerade in der digitalen Welt ein Vorteil sein", sagte Voßhoff. Dazu bedürfe es aber der Harmonisierung auf europäischer Ebene. Dem Marktortprinzip komme dabei eine "herausragende Bedeutung" zu. Dadurch werde geregelt, dass am europäischen Markt agierende Unternehmen sich an europäische Datenschutzvorschriften halten müssten, auch wenn sie keine Niederlassung in der EU haben. Voßhoff räumte ein, dass mit dem Datenschutz auch gewisse bürokratische Hürden verbunden seien. Ein Innovationshindernis stellt er ihrer Ansicht nach jedoch nicht dar.

Skeptischer zeigte sich Sascha Schubert vom Vorstand des Bundesverbandes Deutsche Startups. Die Kunden würden den Datenschutz nicht unbedingt als Vorteil sehen. Entscheiden würden sie sich im Zweifel nicht für das Produkt mit dem besten Datenschutz sondern für jenes mit den meisten Funktionen. "Ich kenne kein Startup, das mit dem Verweis auf den guten Datenschutz einen amerikanischen Startup-Konkurrenten geschlagen hat", sagte Schubert. Mit Blick auf den bürokratischen Aufwand gab er zu bedenken, dass Startups oft nur mit sehr kleinen Teams agieren würden, wodurch jede Art von Bürokratie zu einer Defokussierung vom eigentlichen Produkt führe. Schubert sprach sich für Erleichterungen beim Datenschutz für Startups aus.

Auch mit einem hohen Datenschutzniveau könne man wettbewerbsfähig sein, sagte hingegen Stephan Noller, Experte für Online-Werbung und Geschäftsführer von nugg.ad, einer Targeting Plattform. Man müsse sich bewusst machen, dass es in der Zukunft zu einer Digitalisierung aller Lebensbereiche kommen werde, sagte er. Wenn es um Daten und um datengetriebene Anwendungen gehe, könne man davon sprechen, dass dies das "Operating System" der zukünftigen Gesellschaft wird - etwa bei medizinischen Anwendungen aber auch bei allen Arten von politischer Teilhabe. Mit Blick auf Big Data sprach Noller von einer sehr guten Referenz, die das deutsche Telemediengesetz biete. Dort werde Unternehmen die Möglichkeit eingeräumt, Daten ohne Einwilligung nutzen zu können, nachdem sie pseudonymisiert sind - also alle personenbezogenen Merkmale entfernt wurden.

Entscheidend für die Wirtschaft sei nicht so sehr, ob es einen strengen oder einen nicht so strengen Datenschutz gebe, sagte Hermann Weiß von Naturtrip.org. "Die Wirtschaft kann mit jeder Regelung umgehen, sie braucht aber Planungssicherheit", sagte er. Zugleich kritisierte Weiß, dass viele Daten von Behörden nicht freigegeben würden, obwohl sie nicht datenschutzrelevant seien. Das gelte etwa für Tankstellendaten, aus denen durchaus interessante Geschäftsmodelle entwickelt werden könnten. Sein Unternehmen, "das dem Nutzer mit einer innovativen Routing-Technologie Freizeit-Tipps präsentiert", werde faktisch an der weiteren Expansion gehindert, weil die Deutsche Bahn AG Fahrplandaten nicht deutschlandweit herausgebe. "An Google schon - an deutsche Startups aber nicht", kritisierte er.

Der entscheidende Unterschied für Startups zwischen dem Silicon Valley und Europa sei der, das in Kalifornien "Venture Capital vom Himmel regnet", sagte Dean Ceulic von posteo.de, einem Anbieter verschlüsselter E-Mail-Dienste, und sprach sich für verbesserte Bedingungen für Kapitalgeber aus. Mit Blick auf den Datenschutz forderte Ceulic zwischen personenbezogenen und sonstigen Daten zu unterscheiden. Öffentliche Daten, so Ceulic, müssten auch öffentlich nutzbar sein, "auch für Geschäftsmodelle".

*

3. Migrationsberatung für Erwachsene

Inneres/Antwort

Berlin: (hib/STO) Die Zahl der in der "Migrationsberatung für erwachsene Einwanderinnen und Einwanderer" (MBE) beratenen Klienten hat sich nach Angaben der Bundesregierung in den Jahren von 2011 bis 2013 deutlich erhöht. Wie aus Antwort der Regierung (18/4069) auf eine Kleine Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen (18/3941) hervorgeht, stieg die Zahl von 144.375 im Jahr 2011 über 204.505 im Folgejahr auf 239.655 im Jahr 2013. Die Zahlen für das Jahr 2014 liegen laut Antwort noch nicht vor. Bei der MBE handelt es sich den Fragestellern zufolge um ein "den Intergrationskurs ergänzendes Beratungsangebot".

*

4. HIV-Infizierte im öffentlichen Dienst

Inneres/Antwort

Berlin: (hib/STO) Die Lage HIV-positiver Menschen im öffentlichen Dienst des Bundes ist Thema der Antwort der Bundesregierung (18/4070) auf eine Kleine Anfrage der Fraktion Die Linke (18/3972). Wie die Regierung darin schreibt, beansprucht der Dienstherr und Arbeitgeber Bund grundsätzlich keine Sonderstellung im Umgang mit HIV-positiven Menschen im Verhältnis zu Arbeitgebern in der Privatwirtschaft. Gleichwohl genieße der öffentliche Dienst "im Allgemeinen ein recht hohes Ansehen als sozialer Arbeitgeber, der auf die individuellen Bedürfnisse und Lebenslagen Rücksicht nimmt". Sein Anspruch sei es, niemanden aufgrund von Krankheit oder Behinderung zu diskriminieren oder zu stigmatisieren. Auf Auswirkungen, die eine Krankheit auf die Arbeitsfähigkeit von Menschen hat, werde individuell Rücksicht genommen. Eine HIV-Infektion sei dabei nicht anders zu behandeln als andere Erkrankungen.

*

5. Terroristische Straftaten

Recht/Kleine Anfrage

Berlin: (hib/STO) Die Fraktion Die Linke will von der Bundesregierung wissen, wie viele Ermittlungsverfahren gegen wie viele Beschuldigte "wegen 'linksterroristischer' und hiermit in unmittelbarem Zusammenhang stehender Straftaten" es im vergangenen Jahr gab, in wie vielen Fällen insgesamt Anklage erfolgte und wie viele Urteile gegen wie viele Personen ergingen. Ferner erkundigt sich die Fraktion in einer Kleinen Anfrage (18/4063) unter anderem danach, wie die entsprechenden Antworten bezogen auf Strafverfahren "wegen 'rechtsterroristischer' und hiermit in unmittelbarem Zusammenhang stehender Straftaten" lauten.

*

Quelle:
Heute im Bundestag Nr. 120 - 5. März 2015 - 10.10 Uhr
Herausgeber: Deutscher Bundestag
PuK 2 - Parlamentskorrespondenz
Platz der Republik 1, 11011 Berlin
Telefon: +49 30 227-35642, Telefax: +49 30 227-36191
E-Mail: mail@bundestag.de
Internet: www.bundestag.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 7. März 2015

Zur Tagesausgabe / Zum Seitenanfang