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BUNDESTAG/5286: Heute im Bundestag Nr. 486 - 30.09.2015


Deutscher Bundestag
hib - heute im bundestag Nr. 486
Neues aus Ausschüssen und aktuelle parlamentarische Initiativen

Mittwoch, 30. September 2015, Redaktionsschluss: 12.04 Uhr

1. Gesundheitsversorgung von Flüchtlingen
2. 300 Millionen zusätzliche Impfungen
3. Anerkennung ausländischer Abschlüsse


1. Gesundheitsversorgung von Flüchtlingen

Gesundheit/Ausschuss

Berlin: (hib/PK) Die Gesundheitsversorgung der nach Deutschland kommenden Kriegsflüchtlinge aus dem Nahen Osten läuft nach dem Bund-Länder-Gipfel derzeit auf mehreren Ebenen an. Ein besonderes Problem stellt dabei die in vielen Fällen nötige psychotherapeutische Behandlung der Flüchtlinge dar, wie Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) am Mittwoch bei der Erläuterung des Haushaltsplans 2016 im Gesundheitsausschuss des Bundestages in Berlin sagte.

Zwar soll die psychotherapeutische Behandlung durch eine Änderung der Zulassungsverordnung für Vertragsärzte verbessert werden, um eine kontinuierliche Versorgung zu gewährleisten. Problematisch ist jedoch die Sprachbarriere. Wo die Sprache selbst Therapieinstrument sei, stelle die angemessene Versorgung traumatisierter Flüchtlinge eine "riesige Herausforderung" dar, sagte Gröhe. Hier gehe es um mehr als die Frage, ob genug Dolmetscher zur Verfügung stünden oder die Bezahlung der Therapie.

Wie schon bei den Ärzten soll nun auch geprüft werden, ob unter den Flüchtlingen selbst eventuell psychologisch geschulte Kräfte mit entsprechenden Sprachkenntnissen für bestimmte Hilfestellungen in Frage kommen. Denkbar wäre auch eine beratende Aufgabe. Gröhe betonte: "Wir müssen eine bestmögliche Versorgung sichern."

Der Minister wies auch darauf hin, dass die medizinische Versorgung der Flüchtlinge nicht zulasten der Beitragszahler in der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) gehe. Das gelte auch dann, wenn die Länder in Rahmenvereinbarungen mit den Krankenkassen nun von der Möglichkeit Gebrauch machten, die Gesundheitskarte an Flüchtlinge auszugeben, damit diese ohne Umwege über eine Behörde gleich zum Arzt gehen können. Vielmehr handele es sich hier um die Abwicklung einer steuerfinanzierten Leistung über das Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG). Die Kosten werden letztlich von den Kommunen getragen.

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2. 300 Millionen zusätzliche Impfungen

Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung/Ausschuss

Berlin: (hib/AHE) Die globale Impfallianz GAVI sieht sich sehr gut aufgestellt, in den Jahren 2016 bis 2020 zusätzlich 300 Millionen Kinder in Entwicklungsländern zu impfen. Die Impfrate bei Kindern weltweit sei mit rund 86 Prozent heute so hoch wie noch nie, sagte GAVI-Geschäftsführer Seth Berkley am Mittwoch im Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung. "Unser Ziel ist es, 100 Prozent der Kinder erreichen." Dafür sei es vor allem nötig, Datenbanken und funktionierende Kühlketten für schwer erreichbare und solche Regionen aufzubauen, die bisher kaum oder gar keine Gesundheitsversorgung haben. Den Anteil der GAVI-Mittel für solche strukturbildenden Maßnahmen liege zwischen 15 und 25 Prozent, sagte Berkley.

Durch die zusätzliche Impfung von 300 Millionen Kindern weltweit bis 2020 können nach Darstellung der Organisation zwischen fünf und sechs Millionen vorzeitige Todesfälle vermieden werden. Der volkswirtschaftliche Nutzen durch Produktivitätssteigerungen und Einsparungen im Gesundheitswesen sei auf 80 bis 100 Milliarden US-Dollar zu beziffern.

Die Impfallianz erreicht nach eigener Darstellung mit umfangreichen Bestellungen und Abnahmegarantien erhebliche Preisnachlässe bei Impfstoffherstellern. Getragen wird die Initiative von Staaten, der Weltgesundheitsorganisation WHO, der Weltbank, dem Kinderhilfswerk UNICEF, Unternehmen sowie von privaten Spendern wie der Bill & Melinda Gates Stiftung. Seit Gründung im Jahr 2000 habe GAVI zur Impfung von 500 Millionen Kindern weltweit beitragen können. Deutschland ist mit seiner Zusage vom Januar dieses Jahres, zwischen 2016 und 2020 insgesamt 600 Millionen Euro zur Verfügung zu stellen, viertgrößter staatlicher Geber für die Impfallianz und wird voraussichtlich ab 2016 einen Sitz im GAVI-Vorstand einnehmen.

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3. Anerkennung ausländischer Abschlüsse

Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung/Ausschuss

Berlin: (hib/ROL) "Die Finanzierungsmöglichkeiten gleichen einem Flickenteppich", sagte Mario Puzzi, Referatsleiter in der Abteilung Grundsatzfragen der beruflichen Bildung & Weiterbildung des DGB-Bundesvorstands in der Öffentlichen Anhörung zum "Gesetzentwurf zur Änderung des Berufsqualifikationsgesetzes (BQFG) und Bericht zum Anerkennungsgesetz 2015" am Mittwochvormittag vor dem Ausschuss für Bildung und Forschung in Berlin. Kritik in diese Richtung äußerten fast alle Experten, wenn sie auch im Grundsatz das vor gut drei Jahren beschlossene Gesetz lobten. Grundsätzlich sollen mit dem Anerkennungsgesetz die Verfahren zur Bewertung ausländischer Berufsqualifikationen im Zuständigkeitsbereich des Bundes vereinfacht und für bisher nicht anspruchsberechtigte Zielgruppen geöffnet werden. Doch viele Antragsteller hätten kaum Chancen auf Begleichung der Kosten, mahnten die Fachleute und würden deshalb keine Anerkennung ihrer Qualifikation erreichen.

Michael van der Cammen, Leiter der Koordinierungsstelle Migration der Bundesagentur für Arbeit (BA), wies darauf hin, dass das Anerkennungsgesetz einen wichtigen Beitrag zur Deckung des Fachkräftebedarfs leiste. Die Anerkennung beruflicher Abschlüsse erhöhe das Einkommen um rund 28 Prozent wie auch die Wahrscheinlichkeit, qualifikationsadäquat beschäftigt zu sein. Gleichwohl machte er darauf aufmerksam, dass in Deutschland der formale Abschluss fast mehr wiege als die vorhandene Kompetenz. Das werde in den Niederlanden von den Betrieben anders gehandhabt.

Ottmar Döring, Leiter des Fachstelle "Beratung und Qualifizierung" vom Forschungsinstitut Betriebliche Bildung (f-bb) betonte, dass das Anerkennungsgesetz vor allem bei den reglementierten Berufen erfolgreich sei, also den Berufen, bei denen ein Nachweis einer bestimmten Qualifikation zur Berufsausübung nötig ist. Eine gelungene Arbeitsmarktintegration könne man aber nicht alleine anhand von Quantitäten beurteilen, sondern auch an der Veränderung einer Kultur in einem Land, der Sensibilisierung von Mitarbeitern in Beratungsstellen. Daher leiste die Anerkennungsberatung auch dann einen positiven Beitrag, selbst wenn danach keine Antragstellung erfolge.

Michael Gwosdz vom Diakonie-Hilfswerk Hamburg, das seit 2010 über 5000 Menschen mit ausländischen Abschlüssen aus über 140 Ländern beraten hat, wies darauf hin, dass für die Betroffenen oft Kosten anfielen, die die nicht stemmen könnten und sprach sich deshalb ebenfalls dafür aus, Lücken in der Kostenübernahme zu schließen. Das Bundesland Hamburg habe beispielsweise ein eigenes Stipendienprogramm aufgelegt, um die Anerkennung ausländischer Berufsabschlüsse nicht an finanziellen Hürden scheitern zu lassen. Ein vergleichbares Programm auf Bundesebene wäre ein wichtiges Signal, dass die Aussage "Kein Arzt oder Ingenieur soll mehr Taxifahrer sein" ernst gemeint sei.

Ähnlich argumentierte Heike Klembt-Kriegel, Geschäftsführerin der IHK FOSA (Foreign Skills Approval), die das Gesetz "eine grundsätzliche Säule der Fachkräftesicherung" nannte, aber ebenfalls appellierte, Lücken in der Finanzierung zu schließen.

Stephan Schiele von MigraNet - IQ Landesnetzwerk Bayern Tür an Tür - Integrationsprojekte sagte, man könne das Gesetz nicht hoch genug loben, forderte aber, der Vereinheitlichung von Verfahren mehr Aufmerksamkeit zu schenken. Weiter Durchführungsverordnungen und Handlungsleitfäden für die Anerkennungsstellen wären hilfreich.

Die Leiterin des Multiplikatorenprojekts im Förderprogramm "Integration durch Qualifizierung (IQ)" bei der ebb Entwicklungsgesellschaft für Berufliche Bildung in Köln, Sabine Schröder, machte deutlich, dass ein Drittel der Flüchtlinge über berufliche und akademische Abschlüsse verfüge, was zu einem deutlich höheren Beratungsbedarf führe. Sie forderte eine Erhöhung der Ressourcen. Zudem müsse das Anerkennungsgesetz bei den Betrieben bekannter gemacht werden.

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Quelle:
Heute im Bundestag Nr. 486 - 30. September 2015 - 12.04 Uhr
Herausgeber: Deutscher Bundestag
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veröffentlicht im Schattenblick zum 2. Oktober 2015

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