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BUNDESTAG/5581: Heute im Bundestag Nr. 095 - 18.02.2016


Deutscher Bundestag
hib - heute im bundestag Nr. 095
Neues aus Ausschüssen und aktuelle parlamentarische Initiativen

Donnerstag, 18. Februar 2016, Redaktionsschluss: 09.33 Uhr

1. Sachverständige beklagen Kreditklemme im Tourismus-Sektor 2. Kontroverse um Urheberrechte 3. Experten fordern Wertstoffgesetz


1. Sachverständige beklagen Kreditklemme im Tourismus-Sektor Tourismus/Ausschuss

Berlin: (hib/wid) Langwierige Bewilligungsverfahren, mangelnde Branchenkenntnis und Scheu vor finanziellen Risiken auf Seiten der Banken, aber auch oftmals zu geringe betriebswirtschaftliche Qualifikationen der betroffenen Unternehmer erschweren die Kreditversorgung der Fremdenverkehrswirtschaft. Diesen Eindruck vermittelte am Mittwoch eine Anhörung im Tourismusausschuss. Als Experten geladen waren Martin Bornschein, Projektmanager bei der KfW Bankengruppe, der auf den Hotelsektor spezialisierte Kieler Unternehmensberater Robert Cordes, Birgit Pferdmenges, Dozentin für internationales Tourismusmanagement an der Hochschule für Technik und Wirtschaft des Saarlandes sowie der Tourismusreferent des Ostdeutschen Sparkassenverbandes Thomas Wolber.

Cordes beklagte die fehlende "Vielfalt in der Bankenwelt", die für den überwiegend mittelständisch strukturierten, zu 70 Prozent aus Familienunternehmen bestehenden Hotelsektor ein Problem sei. Die großen Geschäftsbanken seien als Kreditgeber nicht interessiert. Daher komme nur die örtliche Sparkasse und die Genossenschaftsbank in Frage. Hätten beide einen Kreditantrag abgelehnt, sei ein investitionswilliger Gastronom schnell am Ende seiner Möglichkeiten. Es fehle in den Kreditinstituten auch an "branchenspezifischer Kompetenz", so dass es vorkomme, dass Darlehensanträge abgelehnt würden, weil die Bank den zugrunde liegenden Investionsplan nicht angemessen bewerten könne.

Zu bemängeln sei generell die Dauer der Verfahren, sagte Cordes. Idealerweise sollten nicht länger als zwei bis höchstens vier Wochen vergehen, bis über einen Kreditantrag entschieden sei. Er kenne aus seiner Praxis aber Fälle, in denen anderthalb Jahre verstrichen seien. Mittlerweile seien staatliche Institutionen schneller mit Förderzusagen zur Stelle als die Hausbank eines betroffenen Unternehmens. Das sei vor drei, vier Jahren noch umgekehrt gewesen. Sehr positiv, betonte Cordes, habe sich die von der FDP in der vergangenen schwarz-gelben Koalition durchgesetzte Ermäßigung des Mehrwertsteuersatzes für das Hotelgewerbe ausgewirkt. Sie habe Investitionen ausgelöst und auch "die Banken motiviert".

Aus Sicht der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) kritisierte Bornschein die zunehmend restriktiven Wettbewerbsregeln der Europäischen Union: "Wann immer wir aktiv werden als staatliche Bank, benötigen wir eine beihilferechtliche Grundlage" - gewissermaßen eine Unbedenklichkeitserklärung, dass EU-Regeln nicht verletzt werden. Mitte 2014 habe die KfW ein neues Programm zur Innovationsförderung aufgelegt und zur Genehmigung in Brüssel eingereicht. Dort hänge es seither fest. Mittlerweile sei das Verfahren in der sechsten der üblichen Nachfragerunden angelangt, in denen die zuständigen EU-Beamten um immer neue Präzisierungen ersuchten. Die Rückfragen, meinte Bornschein, würden indes immer substanzloser. Unterdessen habe sich auch der Innovationsbegriff gewandelt. Früher habe eine Innovation als förderungswürdig gegolten, wenn sie neuartig für das betroffene Unternehmen gewesen sei. Heute werde verlangt, dass eine Innovation neuartig für ganz Europa sein müsse.

Im Widerspruch zu Cordes hob Wolber das Verdienst der Sparkassen hervor, eine "flächendeckende Mittelstandsfinanzierung im Tourismus" zu gewährleisten. Es gebe allerdings Probleme. Auch unter dem Druck internationaler Regelungen seien Banken gehalten, verstärkt auf die Eigenkapitalquote zu achten. Hier liege im Hotelsektor vieles im Argen. Zu beobachten seien ein zunehmender "Werteverzehr" und eine zu geringe Rücklagenbildung. Erfolglose Kreditanträge würden zu zwei Dritteln wegen "unzureichender Geschäftskonzepte" abgelehnt.

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2. Kontroverse um Urheberrechte

Recht und Verbraucherschutz/Anhörung

Berlin: (hib/PST) Bei einer öffentlichen Anhörung des Rechtsausschusses zur Vergütung geistigen Eigentums sind unterschiedliche Interessen deutlich zutage getreten. Gegenstand war der Entwurf eines Bundesgesetzes (18/7223), mit dem eine Richtlinie der EU zur Harmonisierung des Rechtsrahmens von Verwertungsgesellschaften in nationales Recht umgesetzt werden soll. Mit dem Gesetz soll zudem die Geräte- und Speichermedienvergütung neu geregelt werden, mit der beim Verkauf beispielsweise von Kopiergeräten und Speichersticks pauschal Gebühren an die Verwertungsgesellschaften abgeführt werden, die dann an Urheber, etwa Autoren oder Komponisten, weiterverteilt werden.

Da es immer wieder Schwierigkeiten gibt, diese Vergütung einzutreiben, sieht der Gesetzentwurf eine Sicherheitsleistung vor, die von den Herstellern zu hinterlegen ist. Rechtsanwalt Stefan Laun als gemeinsamer Vertreter von drei Verbänden der Geräteindustrie griff diese Regelung scharf an. Sie sei systemfremd und zudem zu unbestimmt. Zudem sei der Forderungsausfall "die absolute Ausnahme" und keinesfalls die Regel. Immerhin hätten sich die Einnahmen der Verwertungsgesellschaften aus den betroffenen Produkten innerhalb weniger Jahre auf fast 300 Millionen Euro verdoppelt.

Dagegen sind aus Sicht der Zentralstelle für private Überspielungsrechte (ZPÜ), über die neun Verwertungsgesellschaften gemeinsam ihre Interessen gegenüber der Geräteindustrie vertreten, die "vorgesehenen gesetzlichen Bestimmungen grundsätzlich geeignet". ZPÜ-Gesellschaftervertreter Jürgen Becker appellierte an den Gesetzgeber, die Verwertungsgesellschaften und damit die Rechteinhaber gegenüber der "Verhandlungsmacht der teils multinationalen Rechtenutzer" zu stärken.

Gerhard Pfennig, Sprecher der Initiative Urheberrecht, in der mehr als 35 Verbände und Gewerkschaften zusammengeschlossen sind, pflichtete dem bei. Er gab zu bedenken, dass die wirtschaftlichen Probleme vieler Rechteinhaber größer seien als die der Industrie. Demgegenüber wies der Berliner Rechtsanwalt Oliver Poche, dessen Kanzlei nach eigenen Angaben sowohl Urheber als auch Online-Unternehmen vertritt, auf die Lage insbesondere von Start-Up-Firmen hin. Die verlangte Hinterlegung einer Sicherheitsleistung für längere Zeiträume könne für sie zu einer "Markteintrittshürde" werden.

Der Marburger Medienrechtler Georgios Gounalakis forderte, die Kulturförderung durch die Verwertungsgesellschaften aus dem Gesetzentwurf zu streichen. Deren Aufgabe sei es allein, Gebühren bei den Rechtenutzern einzutreiben und an die Rechteinhaber in voller Höhe auszuschütten. Dies sei auch die beste Form der Kulturförderung. Derzeit gebe die für Musiker-Rechte zuständige GEMA 3,4 Prozent ihrer Einnahmen für Kulturförderung aus, die für Schriftsteller, Journalisten und Verleger zuständige VG-Wort sogar 3,7 Prozent. Vertreter der Verwertungsgesellschaften und der Urheber wiesen dies einhellig zurück. So verwies Pfennig darauf, dass die Urheber selbst bei den Mitgliederversammlungen über diese Mittelverwendung entschieden. Die kulturelle und auch soziale Förderung der Verwertungsgesellschaften sei "Ausdruck der Sozialpflichtigkeit auch des geistigen Eigentums", sagte Pfennig.

Eine große Rolle spielte in der Anhörung das sogenannte Reprobel-Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom 12. November 2015, demzufolge die Zahlung von Urheberrechtsvergütungen an Verleger nicht vom europäischen Recht gedeckt ist. Dieses Urteil hatte bereits den Bundesrat veranlasst, in seiner Stellungnahme zu dem Gesetzentwurf (18/7453) die Bundesregierung aufzufordern, sich auf europäischer Ebene für eine Festschreibung dieses Verlegerrechts einzusetzen. Dazu wandte Robert Staats, Geschäftsführer der Verwertungsgesellschaft Wort (VG-Wort) ein, dass eine europarechtliche Klärung lange dauere. Die EuGH-Entscheidung lasse aber auch eine Festschreibung der Verleger-Ansprüche im nationalen Recht zu. Dazu forderte er die Abgeordneten auf.

Verschiedene Einwände betrafen die Regelungen über die innere Demokratie der Verwertungsgesellschaften. Tobias Holzmüller, Chefjustitiar der GEMA, nannte es problematisch, dass neben der persönlichen Anwesenheit in der Mitgliederversammlung auch die elektronische Abstimmung ermöglicht werden soll. Die elektronischen Abstimmungssysteme seien derzeit noch zu anfällig für Fehler oder Manipulationen, wandte Holzmüller ein. Michael Weller, Verwaltungsrat der Cultural Commons Collecting Society (C3S), schlug eine Kann-Vorschrift zur elektronischen Stimmrechtswahrnehmung anstelle des geplanten Zwangs vor. Zudem könne analog zum Aktiengesetz festgelegt werden, dass eine technische Störung während des Abstimmungsvorgangs kein Anfechtungsgrund ist.

Eine Stimmengewichtung bei Mitgliederversammlungen zu erlauben forderte René Houareau, Vertreter des Bundesverbands Musikindustrie, einem der Träger der Gesellschaft zur Verwertung von Leistungsschutzrechten (GVL). Große Rechteinhaber, welche die wirtschaftliche Basis einer Verwertungsgesellschaft darstellten, könnten sonst von einer Mehrzahl wirtschaftlich weniger bedeutender Rechteinhaber majorisiert werden. Verwertungsgesellschaften müssten die Möglichkeit bekommen, dies zu verhindern.

Gegen den im Gesetz vorgesehenen Aufnahmezwang von Rechteinhabern in eine Verwertungsgesellschaft wandte sich Meinhard Starostik, Verwaltungsratsvorsitzender der C3S, welche die Zulassung als Verwertungsgesellschaft anstrebt. Die C3S wolle nur originäre Urheber als Mitglieder, nicht Erben oder Verleger, um zu verhindern, dass diese die eigentlichen Urheber dominierten, erklärte Starostik.

Als Sachverständige geladen war auch Anne Algermissen vom Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA), die sich aber selbst nicht in dieser Rolle sehen wollte. Denn als für die Verwertungsgesellschaften zuständige Abteilungsleiterin sei sie selbst an der Erstellung des Gesetzentwurfs beteiligt gewesen. Algermissen ging deshalb nicht auf Einzelheiten ein, hob aber hervor, dass das neue Gesetz die Aufgaben der Verwertungsgesellschaften sehr viel konkreter regeln würde als bisher. Dies würde auch die Aufsicht durch ihre Behörde effektiver machen.

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3. Experten fordern Wertstoffgesetz

Parlamentarischer Beirat für nachhaltige Entwicklung/Ausschuss

Berlin: (hib/HAU) Das Wertstoffgesetz muss noch in dieser Legislaturperiode verabschiedet werden. Diese Forderung erhoben am Mittwochabend die zu einem öffentlichen Fachgespräch des Parlamentarischen Beirats für nachhaltige Entwicklung geladenen Experten Olaf Tschimpke, Präsident des Nabu-Bundesverbandes und Eric Schweitzer, Vorstandsvorsitzender des Recyclingunternehmens Alba. Tschimpke und Schweizer gaben sich jedoch skeptisch, ob es zu der Verabschiedung kommt. Zwischen dem Entwurf der Bundesregierung und dem, was der Bundesrat unlängst als Entschließungsantrag verabschiedet hätte, lägen Welten, bedauerte der Nabu-Präsident. Der Streit darüber, "wem die Tonne gehört", drohe das Wertstoffgesetz, "das sehr anspruchsvolle Recyclingquoten vorsieht", zu Fall zu bringen, sagte der Alba-Vorstandsvorsitzende.

Während die Bundesregierung die Verantwortung für Sammlung und Verwertung von Verpackungen und stoffgleichen Nichtverpackungen - also Wertstoffen aus dem gleichen Material, die aber keine Verpackungen sind - den dualen Systemen überlassen will, wollen die Länder die Verantwortung auf die Kommunen übertragen wissen. Alba-Chef Schweitzer sprach sich für eine "pragmatische Lösung" aus. Seiner Ansicht nach sollten die Zuständigkeiten im Bereich der Verpackungen den dualen Systemen überlasen werden, wie es derzeit der Fall ist. "Im Bereich der stoffgleichen Nichtverpackungen belässt man sie dafür bei den Kommunen."

Neben der Forderung nach zügiger Verabschiedung des Wertstoffgesetzes einte die beiden Experten, die im Jahr 2011 gemeinsam im Rat für Nachhaltige Entwicklung eine einhundertprozentige Recyclingquote als machbar beschrieben hatten, die Forderung nach ordnungspolitischen Eingriffen. Gerade in Zeiten fallender Rohstoffpreise brauche es den Mut, Ressourcenabgaben politisch durchzusetzen, sagte Nabu-Präsident Tschimpke. Ebenso müssten beim Pfandsystem Schlupflöcher geschlossen werden. "Wir brauchen Wettbewerbsgerechtigkeit mit allen externen Kosten", forderte er. Zugleich verwies er auf die nach wie vor zu hohen Kapazitäten bei der Müllverbrennung. Dies sei nur ordnungspolitisch zu ändern, sagte Tschimpke, räumte aber zugleich ein, dass die Absenkung der Kapazitäten "nicht von einem Tag auf den anderen" erfolgen könne.

Schweitzer ging auf das Elektroaltgerätegesetz ein. Darin sei zwar die Rücknahmepflicht enthalten. "Das hat zu einer höheren Erfassungsquote geführt", sagte der Alba-Vorstandsvorsitzende. Nicht geregelt sei allerdings, wie die Altgeräte nach der Rücknahme durch Handel und Hersteller recycelt werden müssen. Den Vollzug des Gesetzes den Ländern zu überlassen, die dafür nach eigener Aussage kein Geld hätten, sei falsch, urteilte Schweitzer.

Tschimpke und Schweitzer gingen auch auf ihr Thesenpapier aus dem Jahr 2011 ein. Damals sei man davon ausgegangen, dass sich die Rohstoffpreise verteuern würden. Eingetreten sei das Gegenteil, sagte Tschimpke. Die Rahmenbedingungen hätten sich völlig verändert, bestätigte auch Schweitzer. Statt darüber zu streiten, wer welche Tonne fährt, müsse gefragt werden, wie mehr Recycling erreicht werden kann, forderte er. Dabei sei klar: "Über die Rohstoffpreise wird es nicht gehen", sagte der Alba-Vorstandsvorsitzende.

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Quelle:
Heute im Bundestag Nr. 095 - 18. Februar 2016 - 09.33 Uhr
Herausgeber: Deutscher Bundestag
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veröffentlicht im Schattenblick zum 20. Februar 2016

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