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BUNDESTAG/5604: Heute im Bundestag Nr. 118 - 25.02.2016


Deutscher Bundestag
hib - heute im bundestag Nr. 118
Neues aus Ausschüssen und aktuelle parlamentarische Initiativen

Donnerstag, 25. Februar 2016, Redaktionsschluss: 10.09 Uhr

1. Mehr Straftaten in Flüchtlingsheimen
2. Viel Kritik an Insolvenzanfechtungsreform
3. Europäische Datenschutzverordnung
4. Umsetzung der Nachhaltigkeitsziele
5. Grüne fordern Integrationskonzept
6. Finanzierung von Wissenschaft


1. Mehr Straftaten in Flüchtlingsheimen

Menschenrechte/Ausschuss

Berlin: (hib/AHE) Die Zahl der Straftaten in Erstaufnahmeeinrichtungen und Sammelunterkünften für Flüchtlinge hat im Verlauf des Jahres 2015 zugenommen. Wie eine Vertreterin des Bundesinnenministeriums (BMI) im Ausschuss für Menschenrechte ausführte, liege diese Zahl nach einer vorläufigen durch das Bundeskriminalamt bei den Ländern ermittelten Lageübersicht im "niedrigen fünfstelligen Bereich". Die BMI-Vertreterin verwies darauf, dass nicht alle Bundesländer Daten geliefert hätten und die Zahl mit Vorsicht zu genießen sei: Solide Daten würden erst mit der Polizeilichen Kriminalstatistik für 2015 vorliegen, die im Mai erwartet wird. Bei der Hälfte der erfassten Fälle in Unterkünften ab 50 Bewohnern habe es sich um Rohheitdelikte wie etwa Angriffe gegen die körperliche Unversehrtheit gehandelt, bei rund 16 Prozent um Diebstahl, sieben Prozent hätten Drogendelikte betroffen und ein Prozent der Fälle seien Angriffe gegen die sexuelle Selbstbestimmung gewesen. Diese Zahlen würden allerdings keinen Aufschluss darüber geben, ob solche Taten gegen ethnische, religiöse und andere Minderheiten innerhalb von Flüchtlingsunterkünften gerichtet gewesen seien: "Wir wissen nicht, ob Opfer dieser erfassten Angriffe etwa Christen oder Homosexuelle sind", sagte die Vertreterin des BMI.

Ein weiterer BMI-Vertreter verwies auf die Pläne des Bundesfamilienministeriums zum Schutz beziehungsweise zur besseren Förderung von Frauen und Kindern. Vorgesehen seien demnach bauliche Maßnahmen wie etwa die Einrichtung von Schutzräumen für Frauen, Fortbildungs- und Schulungsangebote für das Fachpersonal, bessere Lern- und Spielangebote für Kinder sowie Verbesserungen bei der psychologischen Betreuung traumatisierter Flüchtlinge.

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2. Viel Kritik an Insolvenzanfechtungsreform

Recht und Verbraucherschutz/Anhörung

Berlin: (hib/PST) Der Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Verbesserung der Rechtssicherheit bei Anfechtungen nach der Insolvenzordnung und nach dem Anfechtungsgesetz (18/7054) ist bei einer öffentlichen Anhörung im Rechtsausschuss in vielen Punkten kritisiert worden. Anliegen des Gesetzentwurfes ist es im Wesentlichen, klarer als bisher zu regeln, inwieweit Insolvenzverwalter zurückliegende Zahlungen des insolventen Unternehmens an Lieferanten, Dienstleister oder Arbeitnehmer zurückfordern können.

Die ganz unterschiedliche Interessen vertretenden Sachverständigen waren sich in der Kritik an einer Regelung des Gesetzentwurfs einig, dem sogenannten Fiskusprivileg. Es soll gezahlte Sozialversicherungsbeiträge und Steuern weitgehend vor Anfechtung schützen. Der Präsident des Landgerichts Passau, Michael Huber, sagte voraus, dass durch diese Regelung, aber auch einige andere, die Zahl der Insolvenzanträge massiv zurückgehen würde, weil mangels Masse in vielen Fällen keine Sanierung mehr möglich wäre. Noch deutlicher wurde der Vorsitzende des Verbands der Insolvenzverwalter Deutschlands, Christoph Niering. Der Grundsatz "sanieren statt liquidieren" der bestehenden Insolvenzordnung werde durch den Gesetzentwurf ins Gegenteil verkehrt. Der Vertreter des Deutschen Anwaltvereins, Martin Prager, bezweifelte, dass überhaupt eine Reform des Insolvenzanfechtungsrechts nötig sei. Es sei zwar richtig, dass es manche Übertreibung bei der Durchsetzung von Ansprüchen gegeben habe, die Rechtsprechung habe dem aber mittlerweile einen Riegel vorgeschoben.

Dem mochte sich die Rechtsanwältin Birgit Kurz, die den Bundesverband der Deutschen Industrie vertrat, keinesfalls anschließen. Vor allem kleine und mittlere Unternehmen "ächzen unter der zunehmenden Vorsatzanfechtung", erklärte sie den Ausschussmitgliedern und Zuhörern. Bis zu zehn Jahre zurückliegende Zahlungen würden zurückgefordert mit der Behauptung, der Lieferant oder Dienstleister habe aufgrund bestimmter Indizien gewusst, dass der Auftraggeber zahlungsunfähig ist. Kurz begrüßte daher im Wesentlichen den Gesetzentwurf - mit der großen Ausnahme des "Fiskusprivilegs".

Breite Zustimmung fand, dass mit der Reform Arbeitnehmer weitgehend vor der Rückforderung bezahlter Löhne geschützt werden. Während allerdings der Verbandsvorsitzende der Insolvenzverwalter, Niering, die Insolvenzanfechtung gegen Arbeitnehmer als seltene Ausnahme bezeichnete, sprach Andrej Wroblewski, Vorstandsjurist der IG Metall, von einem bedeutsamen Problem. Für ein Unternehmen in Insolvenz sei es wichtig, dass die Arbeitnehmer weiter arbeiten. Nach jetziger Rechtslage müsse man ihnen aber raten, ihr Leistungsverweigerungsecht geltend zu machen, und ihnen sagen: "Nehmt lieber Arbeitslosengeld, das könnt ihr behalten." Die Regelung, dass nur Löhne, die innerhalb von drei Monaten nach erbrachter Leistung erbracht wurden, vor Pfändung geschützt sind, ist nach Einschätzung des Leiters der DGB-Rechtsabteilung, Ralf-Peter Hayen, vertretbar. Dabei gehe es um den engen zeitlichen Zusammenhang zwischen Leistung und Gegenleistung. Besser fände Hayen aber einen generellen Ausschluss der Arbeitnehmerentgelte von Anfechtung.

Der Hamburger Fachanwalt für Insolvenzrecht Nils G. Weiland wies darauf hin, dass eine "Fülle der sonstigen Regelungen" im Gesetzentwurf "hochgradig nachteilig" für Arbeitnehmer sei. All die nämlich, welche die vorhandene "Masse zugunsten des Fiskus verringern" und damit Arbeitsplätze gefährdeten. Generell enthalte der Gesetzentwurf zu viele Detail-Regelungen. Von dieser Kritik nahm Weiland nur die Schutzbestimmung für Arbeitnehmer aus.

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3. Europäische Datenschutzverordnung

Ausschuss Digitale Agenda/Anhörung

Berlin: (hib/HAU) Die Europäische Datenschutzgrundverordnung stößt bei deutschen Datenschützern auf ein positives Echo. Das wurde während einer öffentlichen Anhörung des Ausschusses Digitale Agenda deutlich. Die Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit, Andrea Voßhoff, sagte, die Europäische Datenschutzgrundverordnung bewege sich auf hohem Niveau "trotz aller Kritik im Detail". Dagmar Hartge, die Brandenburger Landesbeauftragte für den Datenschutz und für das Recht auf Akteneinsicht, sprach von einem Erfolg. Die Bürgerrechte und die Anforderungen der Wirtschaft seien in einen fairen Ausgleich gebracht worden.

Datenzentrierte Geschäftsmodelle werden auch weiterhin möglich sein, sagte die Bundesbeauftragte Voßhoff. Ob sie datenschutzrechtlich zulässig sind, müsse jeweils im Einzelfall geprüft werden. "Ich setze darauf, dass die Digitalwirtschaft intelligente Lösungen entwickelt, um die enormen Potentiale der Datenwirtschaft auch datenschutzgerecht auf den Markt zu bringen", sagte sie. Positiv bewertete sie auch die Chance die Regelungen zum Beschäftigtendatenschutz beizubehalten. Diese seien zwar in der Verordnung nicht explizit enthalten, könnten jedoch über Öffnungsklauseln national geregelt werden.

Wenn, wie in der Verordnung geschehen, mehr Transparenz bei der Datenverarbeitung vorgeschrieben werde, steigere das auch die Bereitschaft der Menschen, ihre Daten für Big-Data Zwecke zur Verfügung zu stellen, befand Dagmar Hartge. Als sehr wichtig bezeichnete sie das festgeschriebene Marktortprinzip, nach dem die Datenschutzregelungen des jeweiligen Ziellandes eines Produkts relevant sind. Damit würden unter anderem auch US-amerikanische Unternehmen an europäisches Datenschutzrecht gebunden. "Das ist gut für einen fairen Wettbewerb", sagte die Brandenburger Datenschützerin.

Skeptischer zeigte sich Jan Oetjen, Vorstandsmitglied beim Internetdienstleister United Internet AG. Mit der Verordnung würden keine Anreize geschaffen, Daten in pseudonymisierter Form zu nutzen. Gerade Big-Data Anwendungen seien jedoch auf pseudonymisierte Daten angewiesen. Das Marktortprinzip nannte der Wirtschaftsvertreter wichtig. Es dürften jedoch keine Lücken entstehen, sagte er. Oetjen warnte zugleich von einer Inflation der Einwilligungserklärungen (Opt-In). Wenn der Nutzer schon bei ganz unbedenklichen Anwendungen ständig für seine Einwilligung klicken müsse, verliere er den Blick für die wirklich problematischen Fälle. Zudem sei ein Zuwachs bei den Opt-In-Regelungen gefährlich für kleinere Plattformen. "Für große Anbieter ist es einfacher Opt-Ins einzukassieren", sagte Oetjen und forderte eine Plattformneutralität.

Für Waltraut Kotschy, österreichische Expertin für Datenschutz und E-Government, wird das Ziel einer Vereinheitlichung des Datenschutzrechts in den Mitgliedsstaaten der EU "nur sehr oberflächlich erreicht". So gebe es nicht nur viele Delegierungen an die nationalen Gesetzgeber sondern auch "wenig stringente Formulierungen in vielen wesentlichen Punkten", die einen weiten Interpretationsspielraum schafften der einer Vereinheitlichung hinderlich sei. Dem Europäischen Datenschutzausschuss (EDSA) stehe noch viel Arbeit bevor, um ein einheitliches Verständnis der zahlreichen vieldeutigen Textstellen herbeizuführen, sagte Kotschy.

Der Datenschutzexperte Alexander Roßnagel von der Universität Kassel übte heftige Kritik an der Verordnung. Sie führe zu einer Absenkung des Datenschutzes in Deutschland, urteilte er. Dies sei wiederum deshalb nicht so gravierend, weil die Verordnung gar nicht zu einem einheitlichen unionsweiten Datenschutzrecht führe und in vielen Fragen den Mitgliedstaaten Entscheidungsspielräume belasse. Inhaltlich verursacht die Verordnung seiner Ansicht nach vor allem durch ihre übertriebene Technikneutralität Defizite. Es dürfe nicht sein, dass die gleichen Regelungen wie für die Datenverarbeitung beim Bäcker um die Ecke auch für risikoreiche Datenverarbeitungsformen wie Big Data oder Cloud Computing gelten sollen, sagte Roßnagel.

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4. Umsetzung der Nachhaltigkeitsziele

Parlamentarischer Beirat für nachhaltige Entwicklung/Anhörung

Berlin: (hib/HAU) Die Umsetzung der im vergangenen Jahr verabschiedeten nachhaltigen Entwicklungsziele (Sustainable Development Goals, SDGs) muss zum Tagesgeschäft werden. In dieser Forderung waren sich die zu einer öffentlichen Anhörung des Parlamentarischen Beirats für nachhaltige Entwicklung geladenen Experten einig. Gleichzeitig betonten sie, die derzeitige Flüchtlingsproblematik dürfe die Debatte um die nachhaltige Entwicklung nicht in den Hintergrund drängen.

Die SDGs seien ein Meilenstein in der Nachhaltigkeitspolitik, sagte Wolfgang Große Entrup, Vorstandvorsitzender des Forums für nachhaltige Entwicklung der deutschen Wirtschaft. Deutschland, so Große Entrup, sei absoluter Vorreiter bei der Umsetzung der Entwicklungsziele. Die Thematik sei auch bei Unternehmen und Industrie längst angekommen. Da Nachhaltigkeit aber nicht bedeuten könne, das Rad der Entwicklung zurückzudrehen, würden ganz neue Kooperationen gebraucht, sagte Große Entrup. Wandel und Fortschritt, so der Wirtschaftsvertreter weiter, seien eher Chance statt Bedrohung für die Nachhaltigkeit. Um diese Chance zu nutzen, würden innovationsfreundliche Rahmenbedingungen benötigt. "Die deutsche Wirtschaft steht als Partner für die Erreichung der Ziele zur Verfügung", sagte er zu.

Die SDGs stellten eine große Herausforderung dar und böten die Chance, den Nachhaltigkeitsbegriff in Deutschland "wieder auf die Füße zu stellen", sagte Hubert Weiger, Vorsitzender des Bundes für Umwelt- und Naturschutz Deutschland. Man müsse wegkommen von der Beliebigkeit, wonach im Grunde alles nachhaltig sei. Eine der Herausforderungen ist laut Weiger, dass Deutschland zwar eine Nachhaltigkeitsstrategie habe, "aber kein nachhaltiges Land ist". Am Ressourcenverbrauch habe sich in den vergangenen Jahren nichts geändert, so der Umweltexperte. Außerdem seien viele nationale Nachhaltigkeitsziele nicht erreicht worden. "Wenn wir es ernst meinen mit dem Ziel, die Erderwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen, müssen wir - je rascher desto besser - aus den fossilen Brennstoffen aussteigen", forderte er.

Anna Würth vom Deutschen Institut für Menschenrechte sagte, die SDGs seien auf die Einhaltung der Menschenrechte ausgerichtet, "und zwar für alle". Gleiches gelte auch für die Agenda 2030. Jedes Land müsse die SDGs und damit die Menschenrechte bei sich umsetzen. Das führe zu einer "geteilten Herausforderung" was aus Sicht der Menschenrechtlerin zu begrüßen sei. Würth ging schließlich auf die SDG-Forderung nach Bekämpfung der Armut und Schaffung einer guten Regierungsführung durch Deutschland aber auch in Deutschland ein. Dafür, so ihre Einschätzung, brauche es eine Erweiterung der Gremienarchitektur um die Menschenrechtskomponente.

Kommunen und Regionen würden bei der Umsetzung der Nachhaltigkeitsstrategie eine Schlüsselrolle einnehmen, sagte Uwe Zimmermann, stellvertretender Hauptgeschäftsführer des deutschen Städte- und Gemeindebundes. Gewöhnungs- und Ermattungseffekte müssten jedoch vermieden werden, auch wenn Nachhaltigkeit zum Tagesgeschäft werden soll. Die Nachhaltigkeitsagenda, so seine Einschätzung, müsse zum einen Verankerung und Rückhalt in der Bevölkerung finden. Zum anderen bräuchten Kommunen für möglichst wirksame Beiträge zur Nachhaltigkeit finanzielle Handlungsspielräume, sagte Zimmermann mit Verweis auf einen "Rekordschuldenstand und erhebliche Investitionsrückstand bei den Kommunen".

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5. Grüne fordern Integrationskonzept

Inneres/Antrag

Berlin: (hib/HAU) Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen fordert die Bundesregierung auf, einen Nachtragshaushalt vorzulegen und mit Ländern, Kommunen und Zivilgesellschaft ein umfassendes Integrationskonzept zu entwickeln. Das geht aus einen Antrag (18/7651) mit dem Titel "Integration ist gelebte Demokratie und stärkt den sozialen Zusammenhalt" hervor, der am Donnerstag erstmals im Plenum des Bundestags beraten wird.

Als einen der Eckpunkte für ein solches Konzept benennt die Fraktion zügige, qualifizierte und faire Asylverfahren. "Dafür müssen die personellen Ressourcen sichergestellt werden", heißt es in der Vorlage. Es sei eine Voraussetzung für gut gelingende Integration, dass Asylsuchende nicht in langer Ungewissheit verharren müssen.

Ein weiterer Eckpunkt ist aus Sicht der Fraktion die Integration in eine offene Gesellschaft. Um den Flüchtlingen das Einleben in Deutschland zu ermöglichen, müssten ihnen entsprechende Angebote von Beginn an zur Verfügung stehen, "unabhängig von der Bleibeperspektive". Wenn Schutzsuchende über lange Zeiträume auf Integrationskurse warten müssen und keine Möglichkeit haben, Deutsch zu lernen würden damit falsche Weichen gestellt, schreiben die Abgeordneten.

Angesichts der Tatsache, dass mehr als die Hälfte der Flüchtlinge Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene sind, stellen die Grünen auch die Teilhabe an Bildung als wichtigen Punkt für eine gelungen Integration dar. Benötigt werde eine strukturelle Förderung und ein inklusives Bildungssystem. Es reiche nicht, auf die bestehenden, im Bildungsbereich oftmals mit zu wenigen Ressourcen ausgestatteten Angebote zu setzen, vielmehr müsse hier zusätzlich investiert werden.

Mit den Bereichen Ausbildung, Arbeit, gemeinsames Leben und Wohnen, Gesundheit und soziale Sicherung als Teil einer umfassenden Integrationspolitik, verstärkte Maßnahmen gegen Anfeindungen und Diskriminierung, Stärkung und Verstetigung des bürgerschaftlichen Engagements, effektive staatliche Strukturen für Integration und europäische Investitionen führen die Grünen weitere Eckpunkte auf, die das geforderte Integrationskonzept umfassen müsse.

In der Vorlage kritisiert die Fraktion auch die bisherige Flüchtlingspolitik der Bundesregierung. Das Regierungshandeln habe die Integration der Geflüchteten bislang massiv vernachlässigt und dadurch sogar behindert, urteilen die Parlamentarier. Bei keinem der Gesetzespakete zur Flüchtlingspolitik spiele Integration eine Rolle. "Es fehlt ein schlüssiges Gesamtkonzept für Integration und es fehlt an bundesweiter Steuerung", heißt es in dem Antrag.

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6. Finanzierung von Wissenschaft

Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung/Antrag

Berlin: (hib/ROL) Die Entwicklung von Hochschulen, wie die des gesamten Bildungssystems habe das im Grundgesetz verankerte und 2014 gelockerte Kooperationsverbot im Bereich Wissenschaft und Hochschule massiv behindert. Das schreibt die Linke in ihrem Antrag (18/7643). Darin fordert sie die Bundesregierung auf, zusammen mit den Ländern das Kooperationsverbot vollständig aufzuheben und mit den Ländern in Verhandlungen zu treten, um die Grundfinanzierung der Hochschulen zu verbessern. Ferner soll gemeinsam mit den Ländern die Gemeinschaftsaufgabe Hochschulbau wieder im Grundgesetz verankert werden und mit einem Anreizprogramm zehn Jahre lang die Einrichtung von 100.000 unbefristeten Stellen gefördert werden.

Nach Ansicht der Linken erlebte das deutsche Hochschul- und Wissenschaftssystem in den vergangenen 15 Jahren im Zuge des "neoliberalen Umbaus der Gesellschaft" eine rasante Umgestaltung in seinen Organisations- und Finanzierungsstrukturen wie auch in seinen inneren Funktions- und Steuerungsmechanismen. Leidtragende dieser Situation seien die Studenten, die Wissenschaftler sowie die Wissenschaft selbst.

Negative Auswirkungen erfahre auch die strukturelle Entwicklung der verschiedenen Regionen und einzelnen Bundesländer. Statt ein von Erkenntnisgewinn getriebenes wissenschaftliches Arbeiten in einem finanziell verlässlichen Rahmen und kooperativen Arbeitsumfeld zu gewährleisten, wurde nach Ansicht der Linken der Wettbewerb um die Finanzierung und um wenige Dauerstellen zum Leitmotiv der Wissenschaftspolitik erhoben. Der Anteil frei verfügbarer Grundmittel gehe weiter zurück und werde zunehmend durch projektbezogene eingeworbene Drittmittel und leistungsbezogene finanzierte Mittelanteile ersetzt. Der Wettbewerb um diese Mittel dominiere heute die Finanzierungs- und Verwaltungsstrukturen von Hochschulen und Forschungsinstituten und überlagere vielfach die intrinsische Motivation der Wissenschaft.

Der vom Bund forcierte Wettbewerb zwischen Hochschulen und Bundesländern habe zur Folge, dass das politisch in Kauf genommene ökonomische Auseinanderdriften der Bundesländer ebenso in der Wissenschaft nachvollzogen werde: Vor allem die im Südwesten Deutschlands liegenden Regionen mit dem Finanzplatz Frankfurt, der Versicherungswirtschaft in München, dem Automobilbau um Stuttgart und München seien in den vergangenen Jahrzehnten durch politische Entscheidungen massiv wirtschaftlich gefördert worden. Dies sei durch die massive direkte Förderung der technisch orientierten Exportindustrien, wie Automobil- und Maschinenbau sowie der chemischen Industrie in Verbindung mit dem Abbau der Großindustrie in den ostdeutschen Bundesländern geschehen. Zum anderen kämen indirekte Effekte der Umverteilung hinzu, wie etwa das massive Ansteigen des Geldvermögens der Kapitaleigner durch Deregulierung am Arbeitsmarkt, erzwungene Lohnzurückhaltung und die Absenkung der Besteuerung hoher Einkommen.

Entsprechend würden sich beispielsweise die Mittel aus der Exzellenzförderung des Bundes vor allem auf die mit umfangreichen Finanzmitteln ausgestatteten und von außeruniversitären Forschungseinrichtungen umgebenen Hochschulen in Süddeutschland und dem Ruhrgebiet verteilen. Ausgenommen sei hier Berlin, allerdings dürfte hier der Status der Bundeshauptstadt eine gewisse Rolle spielen, führt die Linke an. Die neuen Bundesländer (ohne Berlin) erhielten 2013 gerade einmal fünf Prozent der durch die Exzellenzinitiative verteilten Finanzmittel, hingegen bekam Baden-Württemberg allein 25,3 Prozent der Exzellenzmittel.

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Quelle:
Heute im Bundestag Nr. 118 - 25. Februar 2016 - 10.09 Uhr
Herausgeber: Deutscher Bundestag
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veröffentlicht im Schattenblick zum 26. Februar 2016

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