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BUNDESTAG/5686: Heute im Bundestag Nr. 200 - 11.04.2016


Deutscher Bundestag
hib - heute im bundestag Nr. 200
Neues aus Ausschüssen und aktuelle parlamentarische Initiativen

Montag, 11. April 2016, Redaktionsschluss: 16.43 Uhr

1. Reform der Arbeitslosenversicherung
2. Arzneimittelversorgung von Epileptikern
3. Aufsichtspflicht zur Kontrolle der KBV
4. Studienchancen von Flüchtlingen
5. Zulassungsbeschränkungen an Unis


1. Reform der Arbeitslosenversicherung

Arbeit und Soziales/Anhörung

Berlin: (hib/CHE) Die Vorschläge von Grünen und Linken zur Reform der Arbeitslosenversicherung stoßen bei Experten auf ein geteiltes Echo. Das ergab eine Anhörung des Ausschusses für Arbeit und Soziales am Montagnachmittag, in dessen Mittelpunkt zwei Anträge der Oppositionsfraktionen standen. Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen verlangt in ihrem Antrag (18/5386) unter anderem, schon nach viermonatiger Beitragszeit einen zweimonatigen Bezug von Arbeitslosengeld zu gewähren und die Arbeitslosenversicherung für alle Selbständigen bezahlbar zu machen. Die Linksfraktion plädiert in ihrem Antrag (18/7425) unter anderem dafür, die Rahmenfrist, innerhalb derer Anwartschaftszeiten für den Bezug von Arbeitslosengeld I (ALG I) erworben werden müssen, von zwei auf drei Jahre zu verlängern.

Unterstützt wurde dieser Vorschlag von Gerhard Bosch, Professor für Arbeitssoziologie an der Universität Duisburg-Essen. Angesichts der Zunahme befristeter Beschäftigungsverhältnisse sei eine Verlängerung der Rahmenfrist angebracht. Gerade die hohe Zahl befristeter Verträge bei Jugendlichen und deren fehlende soziale Absicherung zeige, dass es sich hier um eine "massive Problemlage" und keine Trivialität handele, sagte Bosch. Bojana Markovic vom Verein für öffentliche und private Fürsorge betonte, es sei dringend nötig, die Zugangshürden zur Arbeitslosenversicherung zu senken, um deren Bedeutungsverlust entgegenzuwirken. Peer Rosenthal von der Arbeitnehmerkammer Bremen sprach sich ebenfalls für verkürzte Anwartschaftszeiten und eine längere Bezugsdauer von ALG I aus. Besonders für atypisch Beschäftigte sollten die Zugangshürden gesenkt werden. Es müsse wieder zum Grundprinzip werden, dass die Arbeitslosenversicherung eine Statussicherung auf niedrigem Niveau ermögliche, forderte Rosenthal. Der Deutsche Gewerkschaftsbund schlug vor, die Leistungen der Arbeitslosenversicherung und der Grundsicherung in einer Hand zu organisieren. Viele Arbeitslose könnten mit dem ALG I kein existenzsicherndes Einkommen mehr erreichen, sagte DGB-Vertreter Johannes Jakob.

Kritik an den Oppositionsvorschlägen kam dagegen von Arbeitgebern. Marlene Schubert vom Zentralverband des Deutschen Handwerks sprach sich sowohl gegen eine längere Rahmenfrist als auch gegen verkürzte Anwartschaftszeiten für den Bezug von ALG I aus. Damit wäre eine massive Ausweitung des Kreises der Leistungsberechtigten mit deutlich höheren Leistungsausgaben verbunden, betonte Schubert. Ähnlich argumentierte auch Anna Robra von der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA). Verkürzte Beitragszeiten würden Fehlanreize zu kurzzeitigen Beschäftigungen setzen und dadurch Diskontinuität in den Erwerbsverläufen eher noch stärken, zeigte sie sich überzeugt. Wichtiger sei es, an den Ursachen unterbrochener Erwerbsverläufe anzusetzen und die passgenaue Qualifizierung der Arbeitslosen zu stärken, sagte Robra. Auf die finanziellen Mehrkosten verwies Manfred Schnitzler von der Bundesagentur für Arbeit. So würde eine verlängerte Rahmenfrist von drei Jahren bei gleichzeitiger Reduzierung der Anwartschaftszeiten auf vier Monate die Arbeitslosenversicherung mit 1,3 Milliarden Euro jährlich belasten, rechnete er vor.

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2. Arzneimittelversorgung von Epileptikern

Petitionsausschuss/Ausschuss

Berlin: (hib/HAU) Die Forderung nach einer Reform des Arzneimittelmarktneuordnungsgesetzes (AMNOG) hat der Petitionsausschuss in seiner öffentlichen Sitzung am Montag erörtert. Grundlage dafür war eine Petition der Vorsitzenden des Epilepsie Bundes-Elternverbandes, Susanne Fey. Darin heißt es, eine Reform des AMNOG sei nötig, um die Versorgung aller therapieresistenten Menschen mit Epilepsien mit neuen Medikamenten auch in Deutschland sicherzustellen und so die systematische Benachteiligung deutscher Patienten gegenüber anderen Betroffenen in Europa zu stoppen.

Voraussetzung für die Zulassung neuer Medikamente in Deutschland sei der Nachweis des Herstellers, dass sein Medikament besser ist als bereits verfügbare Standardtherapien für denselben Anwendungsbereich - es also über einen so genannten "Zusatznutzen" verfügt, sagte die Petentin vor den Abgeordneten. Für Epilepsien seien diese Vorgaben aber nicht zu erfüllen, da es keine Standardtherapie gäbe, gegen die man neue Medikamente testen könne. Epilepsiepatienten, so Fey weiter, reagierten auf Therapien ausgesprochen individuell - selbst wenn sie an der gleichen Form der Epilepsie erkrankt sind. Darum sei ein direkter Vergleich zwischen zwei Epilepsiemedikamenten zur Bestimmung des Zusatznutzens nicht sinnvoll, urteilte sie. "Der Head to head-Vergleich wird bei allen individualisierten Therapien neuen Medikamenten das Genick brechen."

Fey, deren Sohn an Epilepsie gestorben ist, forderte die Politik auf, das AMNOG so nachzubessern, "dass es Lösungsmöglichkeiten für individualisierte Therapien gibt". Dies kann aus ihrer Sicht über eine Zusatznutzenkategorie für schwerkranke therapieresistente Menschen erreicht werden. Oder auch, indem bestimmte Ärzte mit DGFE-Zertifikat (Deutsche Gesellschaft für Epileptologie) neue Medikamente verordnen dürfen.

Die Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesgesundheitsministerium, Annette Widmann-Mauz (CDU), machte deutlich, dass die Bundesregierung an einer "relevanten Erweiterung eines therapeutischen Spektrums" interessiert sei. Derartige Medikamente sollen nach den Vorstellungen von Widmann-Mauz auch den Patienten in Deutschland zur Verfügung gestellt werden.

Die Staatssekretärin verwies auch auf den seit etwa anderthalb Jahren geführten "Pharmadialog" mit pharmazeutischen Verbänden, den beteiligten Ministerien, Forschungseinrichtungen und der Wirtschaft hin. Dabei sei auch die Frage der Relevanz unterschiedlicher Vergleichstherapien für die Preisfindung bei Arzneimitteln, die durch den Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) keinen zusätzlichen Nutzen attestiert bekommen haben, ein relevantes Gesprächsthema gewesen. Ohne der morgen geplanten Vorstellung der Ergebnisse des Pharmadialogs vorgreifen zu wollen, könne sie sagen, dass darin "zu diesem Sachverhalt interessante Aussagen zu finden sein werden", sagte Widmann-Mauz.

Thematisiert wurde während der Sitzung auch das sogenannte Nikolausurteil des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 2005 wonach Patienten in Ausnahmefällen auch auf vom G-BA ausgeschlossene Untersuchungs- und Behandlungsmethoden Anspruch haben. Laut Urteil ist das der Fall, wenn der Patient "an einer lebensbedrohlichen oder sogar regelmäßig tödlichen Erkrankung leidet, für die schulmedizinische Behandlungsmethoden nicht vorliegen". Dabei müsse allerdings die gewählte Behandlungsmethode "eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf Heilung oder auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf versprechen". Dieses Urteil sei im Paragraf 2 des SGB V gesetzlich geregelt, sagte die Gesundheitsstaatssekretärin. Ein Anspruch darauf müsse allerdings individuell dargelegt werden.

Epilepsie werde durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherungen (MDK) nicht als lebensbedrohliche Krankheit angesehen, entgegnete Petentin Fey. Im Übrigen sei ihr bewusst, dass das Gesundheitsministerium nur die Rechtsaufsicht habe, während das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) und der G-BA die medizinische Beurteilung von Arzneimitteln übernähmen, so Fey. "Aber Sie geben die Richtlinien vor, nach denen die medizinischen Beurteilungen erfolgen. Und diese Richtlinien bilden unsere Probleme nicht ab", kritisierte sie.

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3. Aufsichtspflicht zur Kontrolle der KBV

Gesundheit/Kleine Anfrage

Berlin: (hib/PK) Mit den umstrittenen Immobiliengeschäften der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) befasst sich erneut die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen in einer Kleinen Anfrage (18/8023). Es geht um die Frage, ob die Bundesregierung ihrer gesetzlichen Aufsichtspflicht nachgekommen ist. Die Abgeordneten wollen unter anderem wissen, warum das Bundesgesundheitsministerium die KBV nicht wie vorgeschrieben regelmäßig überprüft habe.

Nach Paragraf 274 SGB V sei das Bundesgesundheitsministerium dazu verpflichtet, die Ärzteorganisation mindestens alle fünf Jahre zu überprüfen. Dies sei nicht geschehen. Vielmehr habe es nach 1996 nur 2010 eine solche Prüfung gegeben.

Im Hintergrund geht es um den Bau und die Finanzierung von Bürogebäuden in Berlin. Die KBV, die 2004 von Köln nach Berlin umzog, hatte vom Bundesgesundheitsministerium keine Genehmigung zum Bau einer Repräsentanz in der Hauptstadt bekommen. Die KBV ging daraufhin eine Kooperation mit der Deutschen Apotheker- und Ärztebank (apoBank) ein, die im Auftrag der Ärzteorganisation das Bürogebäude errichten sollte, um es dann an die KBV zu vermieten. Dazu gründete die Bank die APO KG.

Später folgten in direkter Nachbarschaft weitere Bauten für den Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) und ein Medizinisches Versorgungszentrum (MVZ). Die APO KG geriet dadurch in finanzielle Schieflage. 2010 übernahm die KBV die überschuldete APO KG fast komplett, ohne die nötige Zustimmung des Bundesgesundheitsministeriums als Aufsichtsbehörde. Die KBV gewährte der Gesellschaft Mieterdarlehen in Höhe von derzeit 57,3 Millionen Euro. Die KBV hat in der Vergangenheit außerdem mit Wertpapiergeschäften erhebliche Verluste gemacht.

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4. Studienchancen von Flüchtlingen

Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung/Kleine Anfrage

Berlin: (hib/ROL) Im Jahr 2015 sind nach Angaben des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF) mehr als eine Million Flüchtlinge nach Deutschland gekommen. Der Deutsche Akademische Austauschdienst erwartet, dass unter den Flüchtlingen viele ein gutes Bildungsniveau haben. Laut verschiedener Hochrechnungen brächten etwa 30.000 bis 50.000 Flüchtlinge Voraussetzungen für die Aufnahme oder Fortsetzung eines Hochschulstudiums mit, schreibt die Fraktion Bündnis 90/ Die Grünen in einer Kleinen Anfrage (18/8019).

Die Abgeordneten wollen wissen, was die Bundesregierung tut, um die unbürokratische Anerkennung von Hochschulzugangsberechtigungen zu unterstützen. Ferner fragt die Fraktion, wie die zügige Bestandsaufnahme der individuellen Studierfähigkeit von geflüchteten Studenten, die beispielsweise keine Noten nachweisen können, geprüft wird.

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5. Zulassungsbeschränkungen an Unis

Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung/Kleine Anfrage

Berlin: (hib/ROL) Im Wintersemester 2014/2015 sind rund 21. 000 Studienplätze unbesetzt geblieben. Gleichzeitig hätten tausende Studienberechtigte keinen Studienplatz erhalten, schreibt die Fraktion Die Linke in einer Kleinen Anfrage (18/8021). Ferner führt die Fraktion aus, dass das Numerus-Clausus-Urteil vom 18. Juli 1972 erlaube, als "vorübergehende Notmaßnahme" das grundgesetzlich gewährleistete Recht auf freie Berufswahl durch die Erhebung von NCs einzuschränken. Die dadurch notwendigen Mehrfachbewerbungen hätten jedoch unbesetzte Studienplätze zur Folge und würden zum zusätzlichen Mangel von Studienplätzen beitragen. Das Dialog-orientierte Serviceverfahren (DoSV) sei aufgrund der geringen Beteiligung der Hochschulen derzeit nicht in der Lage, dieses Problem zu lösen, bemängelt die Fraktion.

Die Abgeordneten möchten wissen, was die Bundesregierung dagegen tun will, dass es einerseits Mehrfachbewerbungen, andererseits trotz eines massiven Studienplatzmangels jedes Semester zwischen 15.000 und 20.000 unbesetzte Studienplätze gebe. Zudem fragt die Fraktion, ob die Bundesregierung über ein Bundeshochschulzulassungsgesetz die Einschränkung des grundgesetzlich gewährleisteten Rechts auf freie Berufswahl rückgängig machen will und wie sie das grundgesetzlich gewährleistete Recht auf freie Berufswahl zukünftig garantieren will.

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Quelle:
Heute im Bundestag Nr. 200 - 11. April 2016 - 16.43 Uhr
Herausgeber: Deutscher Bundestag
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veröffentlicht im Schattenblick zum 13. April 2016

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