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BUNDESTAG/6138: Heute im Bundestag Nr. 652 - 08.11.2016


Deutscher Bundestag
hib - heute im bundestag Nr. 652
Neues aus Ausschüssen und aktuelle parlamentarische Initiativen

Dienstag, 08. November 2016, Redaktionsschluss: 09.45 Uhr

1. Zwei Bankenvertreter verweigern Aussage
2. Abstimmungsbedarf bei blauer Plakette
3. Seminar der Bundespolizeiakademie
4. Kosten einer externen Stellungnahme


1. Zwei Bankenvertreter verweigern Aussage

4. Untersuchungsausschuss (Cum/Ex)/Ausschuss

Berlin: (hib/WO) Auskunftsfreudige Commerzbanker und zugeknöpfte Kollegen aus dem Norden - zwischen diesen Extremen bewegte sich die Zeugenbefragung im 4. Untersuchungsausschuss (Cum/Ex) am gestrigen Montag. In der Sitzung gaben Vertreter der Commerzbank detaillierte Einblicke in die Abläufe dieser in Verruf geratenen Aktiengeschäfte in ihrem Hause. Sie betonten allerdings, dass die Commerzbank mit mehrfachen Erstattungen für eine einmal gezahlte Steuer nichts zu tun gehabt und solche Modelle auch nicht an Kunden vermittelt habe. Die Bank hat Ende vergangenen Jahres eine freiwillige Untersuchung solcher Geschäfte seit 2003 eingeleitet. Der Bund hält immer noch eine Minderheitsbeteiligung an der Frankfurter Bank.

Von ihrem umfassenden Zeugnisverweigerungsrecht machten dagegen der Aufsichtsratsvorsitzende der Hamburger Privatbank M.M.Warburg & Co., Christian Olearius, und Christian Hofmann von der staatlichen HSH Nordbank Gebrauch. Der Anwalt von Olearius führte zur Begründung an, gegen seinen Mandanten ermittle die Kölner Staatsanwaltschaft wegen des Verdachts der Steuerhinterziehung im Zusammenhang mit Cum/Ex-Geschäften unter Beteiligung des Bankhauses Warburg. Aussagen von Olearius könnten daher den Tatverdacht der Behörde verstärken und die Gefahr der Strafverfolgung erhöhen.

Der Anwalt von Hofmann sagte, sein Mandant könne sich mit der Beantwortung von Fragen zu Aktienhandelsgeschäften aus Sicht der Staatsanwaltschaft potenziell strafbar machen, und es könnte jederzeit der Anfangsverdacht eines Straftatbestand entstehen. Der Ausschussvorsitzende Hans-Ulrich Krüger (SPD) bewertete die Verweigerungsgründe als berechtigt und brach die Vernehmung der beiden Zeugen daraufhin ab.

Die Warburg Bank war im Januar von Ermittlern durchsucht worden. Im April erklärte die Bank, nach einer intensiven Überprüfung könne sie "an ihrer Auffassung festhalten, dass sie rechtlich einwandfrei gehandelt hat". Für den Fall "einer etwaigen abweichenden Beurteilung" verfüge sie über ausreichende Reaktionsmöglichkeiten. Olearius ist seit 2014 Aufsichtsratsvorsitzender von M.M.Warburg und war zuvor Sprecher der Gesellschafter der Bank.

Der Ausschuss hatte die Warburg Bank im Oktober aufgefordert, Verkaufsprospekte für verschiedene Fonds an das Gremium herauszugeben. In dem Beschluss heißt es unter anderem, dass M.M.Warburg im Kontext von Cum/Ex-Geschäften enge Beziehungen zur Bank J. Safra Sarasin unterhalten habe. Das schweizerisch-brasilianische Bankhaus war im Frühjahr 2014 wegen dieser Geschäfte in die Schlagzeilen geraten. Laut Presseberichten hatte es entsprechende Fonds vor allem an Prominente wie Carsten Maschmeyer, Clemens Tönnies und Erwin Müller verkauft.

Die HSH Nordbank hatte Ende 2013 erklärt, sie habe aufgrund der Medienberichterstattung im Dezember 2012 eine unabhängige Prüfung angestoßen. Dabei seien in den Jahren 2008 bis 2011 29 Cum/Ex-Transaktionen identifiziert worden. Daraufhin sei die Rückzahlung von insgesamt 127 Millionen Euro veranlasst worden.

Zum Auftakt der Sitzung erklärte Markus Plümer, Head of Securities Finance and Equity Collateral Solutions bei der Commerzbank, sein Haus habe im Ergebnis der freiwilligen Aufarbeitung festgestellt, entgegen ursprünglicher Annahmen in Einzelfällen in den Jahren 2004, 2005 und 2008 doch Cum/Ex-Geschäfte getätigt zu haben. 2004 und 2005 hätten die Händler nicht gewusst, dass es sich um Leerverkäufe handelte, und 2008 habe es eine "bedingte Freigabe" gegeben, da es keine Absprachen und keine ausländische Beteiligung gegeben habe.

In keinem dieser Fälle sei es zu einer doppelten Steuererstattung gekommen, und es habe auch keinen Anlass gegeben, an der Legalität der Geschäfte zu zweifeln. Die Transaktionen hätten im Eigenhandel als Standardgeschäfte stattgefunden und seien nicht für Kunden aufgelegt worden. Insofern hätten sich die Commerzbank-Geschäfte von den Transaktionen anderer Banken unterschieden. Das Gesamtvolumen bezifferte Plümer auf bis zu 52 Millionen Euro. Weitere Details solle eine forensische Untersuchung erbringen, mit deren Abschluss Anfang 2018 gerechnet werde. Anlass für die Ende 2015 aufgenommene Untersuchung war Plümer zufolge der immer stärker werdende öffentliche Druck auf die Bankenbranche und das damit verbundene Reputationsrisiko. Es habe vorher keine klaren Indizien für eine Verwicklung gegeben.

Stefan Korten, Leiter der Steuerabteilung der Commerzbank, verwies in der Befragung auf die seit 2000 geltende Selbstverpflichtung im Eigenhandel betreffend Geschäfte um den Dividendenstichtag. So müsse eine bestimmte Halteperiode eingehalten werden, um ein erhöhtes Transaktionsvolumen zu vermeiden. Einzelne Verstöße dagegen hätten sich aber offenbar nicht ausschließen lassen und würden jetzt gesondert untersucht.

Korten, der seit 2006 Mitglied des Steuerausschusses des Bundesverbands deutscher Banken (BdB) ist, sagte, das Ausmaß der Cum/Ex-Geschäfte sei in diesem Gremium so nicht wahrgenommen worden, und es habe darüber auch keinen Austausch gegeben. Zum Thema Cum/Cum sagte Korten, er halte diese Form des Dividendenstrippings für ein "ganz normales Bankgeschäft" und steuerlich unproblematisch. Die Commerzbank verzichte aber im Zuge des seit diesem Jahr geltenden Gesetzes zur Unterbindung von Steuergestaltungen darauf, was den Wegfall eines großen Teils ihres Geschäfts und damit Personalabbau bedeute. Die Bank wolle nur noch Geschäfte machen, die in der Öffentlichkeit akzeptiert werden, betonte Korten.

Steuerreferatsleiter Matthias Hensel vom Bundesfinanzministerium (BMF) erläuterte, wie sein Haus nach Bekanntwerden von Cum/Ex-Steuererstattungsmodellen 2009 umgehend aktiv wurde, und begründete, warum es noch zwei Jahre bis zur endgültigen Unterbindung dauerte. Es habe zunächst zwei anonyme allgemeine Hinweise auf Steuergestaltungen im Zusammenhang mit Leerverkäufen gegeben, deren Auswertung wegen der Komplexität der Materie sehr schwierig gewesen sei. Dann sei relativ schnell zusammen mit den Ländern und den Branchenverbänden ein BMF-Schreiben entworfen worden, das Anfang Mai 2009 veröffentlicht worden sei, sagte Hensel. Damit sollten die Praktiken unterbunden und der Markt aufgeschreckt werden. Zu diesem Zeitpunkt seien allerdings keine einzelnen Fälle bekannt gewesen. Es habe aber schon im Sommer 2009 zusammen mit den Banken Bestrebungen gegeben, eine gesetzliche Lösung herbeizuführen. Diese Lösung habe letztlich den Steuerabzug durch die Banken vorgesehen, was eine doppelte Erstattung ausschließe, und sie sei nach Diskussionen mit den Ländern mit dem OGAW-IV-Umsetzungsgesetz im Herbst in den Bundestag eingebracht und im April 2011 zur Anwendung ab 2012 beschlossen worden.

Fragen der Ausschussmitglieder nach der Rolle des ehemaligen BMF-Mitarbeiters Arnold Ramackers konnte auch Hensel nicht eindeutig beantworten. Ramackers war nach eigenen Angaben sowohl für das Ministerium als auch für den BdB tätig und hat auch an der Cum/Ex-Thematik mitgearbeitet. Plümer, Korten und Hensel wurden anschließend in geheimer Sitzung weiter befragt.

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2. Abstimmungsbedarf bei blauer Plakette

Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit/Antwort

Berlin: (hib/SCR) Die Bundesregierung hat noch keine "abgestimmte Position" zur möglichen Einführung einer sogenannten blauen Plakette. Dies geht aus einer Antwort (18/10191) auf eine Kleine Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen (18/9771) hervor. Die Grünen hatte darin eine Forderung der Umweltministerkonferenz nach einer restriktiveren Umweltzone vom April 2016 aufgegriffen. Die Umweltminister hätten demnach angeregt, es Kommunen zu ermöglichen, in bestimmten Zonen erhöhte Anforderung an den Stickstoff-Ausstoß von Fahrzeugen zu stellen. Möglich sei etwa ein Grenzwert von 80 mg/km, "so wie es die aktuelle Euro-6-Abgasnorm für Dieselfahrzeuge vorschreibt". Die Bundesregierung verweist in ihrer Antwort hingegen zusätzlich auf die Verkehrsministerkonferenz, die Anfang Oktober die für die blaue Plakette notwendige Fortentwicklung der 35. Bundesimmissionsschutzverordnung als "nicht entscheidungsreif" angesehen habe.

Grundsätzlich sei die Bundesregierung der Auffassung, dass "Diesel-Pkw im realen Betrieb zu hohe Stickstoffoxidemissionen aufweisen", heißt es in der Antwort. Dies sei ein "wesentlicher Grund", warum die Bundesrepublik gegen EU-Vorgaben zu Luftqualitätsgrenzwerten für Stickstoffdioxid verstoße. Die Bundesregierung setze sich deshalb unter anderem für eine "kontinuierliche Verbesserung der EU-Abgasgesetzgebung" ein, beispielsweise bei der Kontrolle von Schadstoffemissionen im realen Betrieb.

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3. Seminar der Bundespolizeiakademie

Inneres/Antwort

Berlin: (hib/STO) An einem einwöchigen Seminar der Bundespolizeiakademie im Mai 2016 in Lübeck zur Schulung von Angehörigen internationaler Sicherheitsbehörden im Bereich "Monitoring, Mentoring, Advising und Training" haben Vertreter von 13 Staaten teilgenommen. Neben neun EU-Staaten einschließlich der Bundesrepublik zählten dazu Brasilien, Timur-Leste, Tunesien und die Türkei, wie aus der Antwort der Bundesregierung (18 /10180) auf eine Kleine Anfrage der Fraktion Die Linke (18/10007) hervorgeht.

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4. Kosten einer externen Stellungnahme

Inneres/Kleine Anfrage

Berlin: (hib/STO) Um "Kosten einer externen Stellungnahme zu Verfassungsbeschwerden wegen Ingewahrsamnahmen bei Castor-Protesten" geht es in einer Kleinen Anfrage der Fraktion Die Linke (18/10169). Wie die Fraktion darin schreibt, hat nach ihren Information "eine Atomkraftgegnerin gegen ihre Ingewahrsamnahmen durch die Bundespolizei anlässlich von Castortransporten nach Lubmin in den Jahren 2010 und 2011 Verfassungsbeschwerden beim Bundesverfassungsgericht eingereicht". Zu diesen Beschwerden sei die Bundesregierung durch das Bundesverfassungsgericht um Stellungnahme gebeten worden. Dazu habe die Regierung nach Kenntnis der Fraktion eine Kanzlei beauftragt, die eine fünfseitige Stellungnahme angefertigt habe.

Weiter heißt es in der Vorlage, dass die Beschwerdeführerin aufgrund ihrer Mittellosigkeit Prozesskostenhilfe und die Beiordnung eines Rechtsanwaltes zur Formulierung einer Erwiderung beantragt habe. Nach Informationen der Fraktion sei die Beiordnung eines Rechtsanwaltes durch das Bundesverfassungsgericht mit der Begründung abgelehnt worden, dass die Beschwerdeführerin in der Lage sei, ihre Interessen selbst zu verteidigen, das Verfahren zudem kostenfrei sei und vor dem Bundesverfassungsgericht kein Anwaltszwang bestehe.

Wissen wollen die Abgeordneten, warum die Bundesregierung eine Anwaltskanzlei mit dem Fall beauftragt hat, obwohl vor dem Bundesverfassungsgericht kein Anwaltszwang besteht. Auch erkundigen sie sich danach, aus welchen Gründen sich die Bundesregierung "einer externen Kanzlei zur Stellungnahme bedient" hat, statt auf eigene juristische Expertise aus dem zuständigen Ministerium zurückzugreifen. Ferner fragen sie unter anderem, wie hoch die Kosten beziehungsweise Honorare für die Stellungnahme der Kanzlei waren.

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Quelle:
Heute im Bundestag Nr. 652 - 8. November 2016 - 09.45 Uhr
Herausgeber: Deutscher Bundestag
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veröffentlicht im Schattenblick zum 9. November 2016

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