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BUNDESTAG/6189: Heute im Bundestag Nr. 703 - 30.11.2016


Deutscher Bundestag
hib - heute im bundestag Nr. 703
Neues aus Ausschüssen und aktuelle parlamentarische Initiativen

Mittwoch, 30. November 2016, Redaktionsschluss: 13.11 Uhr

1. BDI will realistische Energiewende
2. Grünen-Antrag zu Palmöl angelehnt
3. Plädoyer für höhere Bildung


1. BDI will realistische Energiewende

Wirtschaft und Energie/Ausschuss

Berlin: (hib/fla) Eine "ambitionierte, aber realistische Energiewende" hat der scheidende Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI), Ulrich Grillo, ausgemahnt. Es müsse "marktwirtschaftlich umgesteuert" werden. Aus dem deutschen Klimaschutzplan 2050 dürfe "kein Industrievertreibungsplan 2050" werden, meinte er in einem Gespräch mit dem Ausschuss für Wirtschaft und Energie unter Leitung des Vorsitzenden Peter Ramsauer (CSU).

Wirtschaft und Industrie unterstützten die Energiewende, weil sie auch davon profitierten, versicherte er. Aber die Wende müsse eben auch "richtig gemacht werden". Die Vorgaben für einzelne Sektoren, etwa für Landwirtschaft, Verkehr oder auch Industrie, seien "willkürlich gesetzte Ziele ohne wissenschaftliche Grundlage". Er befand: "Wir können die deutsche Industrie ganz schnell dekarbonisieren, indem wir sie abschalten."

Der Präsident unterstrich die Bedeutung der Industrie für den deutschen Wohlstand: Sie trage zu 23 Prozent zum Bruttoinlandsprodukt bei und biete direkt und indirekt über zehn Millionen Arbeitsplätze. Für Deutschland als Exportnation gebe es "keine Alternative zu Freihandelsabkommen", unterstrich er. Darin müssten die hohen deutschen Standards festgeschrieben werden.

Freihandel gehöre wesentlich zum Wirtschaftswachstum. Das Ceta-Abkommen mit Kanada sei dabei ein "wesentlicher Baustein". Für Grillo ist die Ankündigung des künftigen US-Präsidenten Donald Trump, das TTP-Abkommen im amerikanisch-asiatischen Raum kündigen und kein neues schließen schließen zu wollen, noch nicht das letzte Wort: "Trump ist Geschäftsmann." Und der Handel zwischen Europa und Nordamerika sei "für beide wichtig".

Dass chinesische Unternehmen auch deutsche Schlüsselindustrie-Firmen aufkaufen wollten, beurteilte Grillo nicht negativ. Zumal es im klassischen Fall des Roboterproduzenten Kuka nicht um die Software gehe. Generell sei er "für freie Märkte". Mithin: "Wenn die Chinesen kaufen wollen, sollen sie dürfen." Wichtig sei, dass dies auch für deutsche Firmen in China gelte. Es gehe darum, "nicht in Deutschland Mauern aufzubauen, sondern in China Mauern einzureißen".

Grillo beklagte einen Investitionsstau etwa bei Infrastrukturprojekten von Netzen bis Straßenbau. Bereitgestellte Gelder würden auch durch Engpässe in den Behörden "häufig nicht abgerufen", mahnte er "Handlungsbedarf" an.

Er gestand ein, dass auch bei der Industrie die Investitionen zurückgegangen seien. Bei energieintensiven Unternehmen sei gar ein "schleichender Verzehr der Substanz" zu beobachten. Das liege auch an den politisch vorgegebenen Rahmenbedingungen wie den Strompreisen. Für die Unternehmer gelte: "Ich investiere, wenn ich mir Profit verspreche."

Grillo warnte vor Überlegungen, durch weitere Lohnerhöhungen die Wirtschaft anzukurbeln: "Wir müssen mit unseren Kostenstrukturen wettbewerbsfähig bleiben." Ohnehin boome der Konsum.

Auf Aussagen zu Parteipräferenzen - des Verbandes oder persönlich mochte sich Grillo nicht einlassen: "Ich bin da farbenblind. Mir geht es um Ergebnisse."

Angesichts von Rekordbeschäftigung und Wirtschaftswachstum laute der naheliegende Befund: "Es läuft doch gut", sagte der Präsident. Doch er verwies zugleich auf Risiken wie "America first", wie es Trump propagiere. China dränge auf den EU-Markt. Das "Megathema" der Bedrohung der offenen Gesellschaft komme hinzu. Überdies der Brexit, bei dem es "keine Rosinenpickerei" geben dürfe. Die Politik müsse im Interesse der Unternehmen und Belegschaften für Planungssicherheit und richtige Rahmenbedingungen sorgen, hatte Grillo zum Auftakt des Gesprächs nicht zuletzt das Thema Klimawende von vornherein mit einem hohen Stellenwert versehen.

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2. Grünen-Antrag zu Palmöl angelehnt

Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung/Ausschuss

Berlin: (hib/JOH) Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen will verbindliche Umwelt- und Sozialstandards in der internationalen Palmölproduktion verankern, ist jedoch am Mittwochmorgen im Entwicklungsausschuss mit einem entsprechenden Antrag (18/8398) gescheitert. Die Koalitionsfraktionen lehnten ihn ab, die Linksfraktion enthielt sich der Stimme.

Die Palmölproduktion bringe gigantische Probleme mit sich, betonte ein Vertreter der Grünen in der Sitzung. Allein in Indonesien seien zwischen Juni und September 2015 1,8 Millionen Hektar Wald brandgerodet worden, um Platz für neue Palmölplantagen zu schaffen. Die bisherigen Landeigner würden häufig ohne Entschädigung von ihrem Besitz vertrieben, außerdem stehe der Wasser-, Düngemittel- und Pestizideinsatz in den Plantagen im Widerspruch zu den Klimazielen von Paris und den nachhaltigen Entwicklungszielen (SDGs). Darüber hinaus sei der Einsatz von Palmöl in Biodiesel doppelt so CO2-schädlich wie die Verwendung von herkömmlichem Dieselkraftstoff. Der Grünen-Abgeordnete forderte die Bundesregierung daher auf, gegen die Expansion des Palmölanbaus vorzugehen und ein ambitioniertes Konzept für die Zertifizierung von Palmöl vorzulegen.

Den Linken begründeten ihre Enthaltung damit, dass die Grünen die Probleme zwar klar benennen würden, ihre Vorschläge aber nicht weit genug gingen. Wichtig sei es, sagte ein Vertreter der Fraktion, die Nachfrage nach dem Produkt deutlich zu reduzieren. Außerdem sei es nur von begrenztem Nutzen, wenn die Europäische Union nur noch zertifiziertes Palmöl einführe, die meisten anderen Staaten aber nicht.

Die SPD erklärte, dass sie einige der Forderungen im Antrag teile, lobte aber zugleich die Ministerien für Landwirtschaft und Entwicklung für deren Engagement in dieser Frage. Die Bundesregierung habe eine Reihe von Problemen bei der Palmölproduktion erkannt und gehe diese bereits an.

Ein Vertreter der Unionsfraktion wies darauf hin, dass insbesondere Kleinbauern in den Entwicklungsländern häufig von der Palmölproduktion profitierten. Ein Zurückfahren der Produktion würde sie als erstes treffen. Außerdem hätten andere biogene Stoffe eine deutlich schlechtere CO2-Bilanz als Palmöl, welches nicht zuletzt einen viel höheren Ertrag auf dem Feld aufweise.

Der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesministerium für wirtschaftliche Entwicklung und Zusammenarbeit (BMZ), Hans-Joachim Fuchtel (CDU), betonte, Palmöl berge Chancen und Risiken. Ziel sei es, nur noch zertifiziertes Palmöl in die EU einzuführen. Mit Blick auf die Lage der Kleinbauern sagte Fuchtel, es sei wichtig "nicht ein Ziel für das andere zu opfern". Es gelte, die Probleme bei der Palmölproduktion in den Griff zu bekommen, aber dennoch das Einkommen der Kleinbauern zu sichern.

Oliver Pye von der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn wies demgegenüber darauf hin, dass viele Kleinbauern als Tagelöhner oder Scheinselbstständige zu Niedrigstlöhnen für die großen Produzenten arbeiten würden. "Die Palmölproduktion trägt damit zur Entwicklung der Wenigen bei und perpetuiert die Armut der Massen."

Problematisch ist nach Ansicht von Pye zudem die Expansion der Plantagen in Regenwaldgebiete und die Verflechtung der Palmölproduzenten mit den staatlichen Akteuren, die jede Regulierung verhindere. Er forderte die Beendigung des Biokraftstoffprogramms, mehr Unterstützung für unabhängige Kleinbauernverbände und freie Gewerkschaften und insgesamt klarere internationale Regeln für die Produktion und den Import von Palmöl.

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3. Plädoyer für höhere Bildung

Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung/Ausschuss

Berlin: (hib/ROL) "Der Bildungsstand in Deutschland steigt." Das betonte Andreas Schleicher, Director for Education bei der OECD, zu Beginn des Öffentlichen Fachgesprächs zum Thema "Bildung in Deutschland", zu dem der Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung am Mittwochvormittag in Berlin eingeladen hatte. Vor allem die berufliche Bildung und Ausbildung sei in Deutschland vorbildlich, unterstrich Schleicher, der sich in seinem Vortrag auf den OECD-Bericht "Bildung auf einen Blick 2016" stützte. Auch habe sich der tertiäre Bereich in Deutschland entwickelt. Darunter versteht man auf die Sekundarschulbildung aufbauende Bereiche wie Fachhochschulen, Berufsakademien und Universtäten. Er betonte, dass der Arbeitsmarkt in Deutschland für höher Qualifizierte noch nicht gesättigt sei.

In Deutschland würde sich höhere Bildung auch monetär auszahlen. Jemand, der einen Bachelorabschluss habe, würde später rund 50 Prozent mehr als der Durchschnitt verdienen, jemand mit einem Master Abschluss sogar 80 Prozent. Allerdings sei der Verdienst auch stark vom Studienfach abhängig. Kritisch merkte er an, dass Deutschland nur 4,2 Prozent des Bruttoinlandsproduktes für Bildung investieren würde. Das Mittel in der OECD läge immerhin bei 4,8 Prozent.

Kai Maaz, Deutsches Institut für Internationale Pädagogische Forschung, und Thomas Rauschenbach, Direktor des Deutschen Jugendinstituts, unterstrichen, dass trotz des Anstiegs junger Menschen mit einer Hochschulzugangsberechtigung der Anteil der Jugendlichen, die maximal einen Hauptschulabschluss erreichen würden, noch immer zu hoch sein - vor allem bei jungen Menschen aus sozial weniger begünstigten Familien und Migrantenfamilien. Auf diese Gruppe müsste daher in Zukunft vermehrt der Blick gerichtet werden. Der enge Zusammenhang zwischen sozialer Herkunft und Bildungserfolg sei noch immer nicht aufgelöst, betonten die beiden Mitglieder der Autorengruppe "Nationale Bildungsberichterstattung".

Susanne J. Czaja, Doktorandin an der Freien Universität Berlin und Vorstandsmitglied der Initiative "Was bildet ihr uns ein", forderte mehr als bisher die sogenannten "Bildungsbetroffenen" in den Diskurs mit einzubeziehen. Die Beteiligung von jungen Menschen am Diskurs zum Bildungssystem habe ein großes demokratisches Potential.

Elke Hannack, stellvertretende Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB), sprach von einer "gespaltenen Bildungsrepublik". Sie kritisierte die soziale und regionale Spaltung, die strikte Trennung von beruflicher und akademischer Bildung und den wachsenden Anteil privater Schulen. Sie forderte bessere Standards bei der frühkindlichen Bildung in den Kitas, den Rechtsanspruch auf einen Ganztagsschulplatz, den Ausbau der Schulsozialarbeit und die Stärkung des BAföGs.

Udo Michallik, Generalsekretär der Ständigen Konferenz der Kultusminister der Länder in der Bundesrepublik Deutschland (KMK), lobte in seiner Stellungnahme in weiten Teilen die Erfolge des Bildungssystems. Aber auch er betonte, dass Staat und Gesellschaft ein besonderes Augenmerk auf die potenzielle Bildungsverlierer richten müssten. Dies betreffe vor allem diejenigen, deren Eltern keinen Abschluss auf Sekundarstufe II-Niveau (Schule bzw. Berufsausbildung) erreicht hätten.

Rita Nikolai, Institut für Erziehungswissenschaften an der Humboldt Universität Berlin, forderte zur Verbesserung der Chancengerechtigkeit den Ausbau der Ganztagsschulen voran zu treiben und die Sprachbildung, gerade für Migrantenkinder, zu stärken.

Petra Stanat, Institut zur Qualitätsentwicklung im Bildungswesen (IQB) an der Humboldt-Universität, setzte sich unter anderem dafür ein, in Zukunft den Fokus stärker auf die Qualität von Schule und Unterricht statt auf Schulstrukturen zu setzen.

Auch Ulrich Trautwein vom Hector-Institut für Empirische Bildungsforschung der Universität Tübingen betonte, dass bei der Modernisierung des Bildungssystem das Augenmerk auf die Qualitätsstrukturen gelegt werden müsste. Ferner forderte er mehr Qualitätssicherung, also abschließende Evaluationen von Maßnahmen im Bildungssystem.

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Quelle:
Heute im Bundestag Nr. 703 - 30. November 2016 - 13.11 Uhr
Herausgeber: Deutscher Bundestag
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veröffentlicht im Schattenblick zum 2. Dezember 2016

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