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BUNDESTAG/6287: Heute im Bundestag Nr. 039 - 24.01.2017


Deutscher Bundestag
hib - heute im bundestag Nr. 039
Neues aus Ausschüssen und aktuelle parlamentarische Initiativen

Dienstag, 24. Januar 2017, Redaktionsschluss: 11.17 Uhr

1. Neues Reiserecht löst Sorgen aus
2. Vorsorge gegen Immobilienblase
3. Regulierung des Hochfrequenzhandels


1. Neues Reiserecht löst Sorgen aus

Recht und Verbraucherschutz/Anhörung

Berlin: (hib/PST) Wegen eines Gesetzentwurfs der Bundesregierung zur Änderung reiserechtlicher Vorschriften (18/10822), über den der Bundestag derzeit berät, geht in deutschen Reisebüros die Existenzangst um. Das wurde bei einer öffentlichen Anhörung des Rechtsausschusses am Montagabend deutlich. Mit dem Gesetz soll das deutsche Recht einer neuen EU-Richtlinie (2015/2302) angepasst werden. Ziel dieser Richtlinie ist, wie die Ausschussvorsitzende Renate Künast (Bündnis 90/Die Grünen) einführend darlegte, "die rechtliche Regelung den Entwicklungen im Reisemarkt anzupassen", namentlich der zunehmenden Buchung über das Internet.

Derzeit gibt es bei Pauschalreisen einen weitreichenden Verbraucherschutz, indem der Kunde Mängel beim Veranstalter geltend machen kann. Wer sich dagegen seine Reise im Internet zusammenstellt, muss sich bei Mängeln direkt mit dem jeweiligen Leistungsanbieter auseinandersetzen, etwa mit der Fluggesellschaft oder dem Hotelier im Ausland. Das gilt auch, wenn die verschiedenen Bestandteile der Reise über ein Reiseportal gebucht wurden. Die neue EU-Richtlinie sieht nun vor, das der Betreiber des Reiseportals wie ein Pauschalreiseanbieter in der Pflicht ist. Eine solche Gesamthaftung soll aber auch gelten, wenn ein stationäres Reisebüro eine individuelle Reise mit mehreren Elementen zusammenstellt, also beispielsweise mit einem Flug, einem Hotel, einem Mietwagen und einer Versicherung.

Mit dieser weitreichenden Haftung sehen sich die vielen überwiegend kleinen Reisevermittler aber überfordert. Eine Petition an den Bundestag gegen die Novelle hat fast 15.000 Unterstützer, wie Künast mitteilte. Norbert Fiebig, Präsident des Deutschen ReiseVerband e.V., sieht "erhebliche Probleme" auf seine Mitgliedsunternehmen zukommen. Entweder müssten sie teure Versicherungen bis hin zu Insolvenzversicherungen abschließen, um sich gegen die Haftungsrisiken abzusichern. Oder sie müssten sich jeden Reisebestandteil einzeln bezahlen lassen, also erst den Flug, dann das Hotel und so weiter. Denn sobald es einen Zahlungsvorgang für mehr als ein Produkt gebe, sei dies nach der Neuregelung wie eine Pauschalreise zu werten.

Michael Buller, Vorstand des Verbands Internet Reisevertrieb, wies darauf hin, dass von den neuen Haftungsregeln auch beispielsweise Fremdenverkehrsämter und Hotels betroffen seien, die neben der Übernachtung eine Gästekarte mit Vergünstigungen anbieten. Und unter den Reisevermittlern im Internet seien nicht nur die bekannten großen Portale, sondern auch viele kleine Anbieter. Für viele von ihnen seien nach dem neuen Recht "die Risiken zu groß", sagte Buller und warnte: "Die Vielfalt des Angebots könnte in Zukunft nicht mehr vorhanden sein."

Allerdings werden hierzulande, wie bei der Anhörung deutlich wurde, noch immer 80 Prozent der Reisen in klassischen Reisebüros gebucht, womit Deutschland im übrigen eine große Ausnahme in Europa sei. Doch Sabine Fischer-Volk, Rechtsreferentin der Verbraucherzentrale Brandenburg, wertete die geplanten Regelungen "auch als Chance für den stationären Vertrieb". Die Reisebüros könnten es den Kunden als Vorteil vermitteln, dass sie bei unliebsamen Überraschungen während der Reise gut abgesichert seien.

Darauf, dass sich "nichts mehr ändern" lasse, wies Felix Methmann vom "Verbraucherzentrale Bundesverband" hin. Die neue EU-Richtlinie sei rechtsverbindlich und verlange eine "Vollharmonisierung", lasse also kaum Spielraum bei der nationalen Umsetzung. Mit einer Ausnahme: Die Richtlinie sieht bei Tagesreisen keine vergleichbare Mängelhaftung wie bei Pauschalreisen vor, erlaubt den nationalen Gesetzgebern aber, sie vorzuschreiben. Diese Klausel sei auf ausdrücklichen Wunsch der Bundesregierung eingefügt worden, sagte Methmann, da das deutsche Recht als einziges schon jetzt eine solche Haftung kenne. Jetzt aber habe die Bundesregierung als Entgegenkommen an die Reisebranche entschieden, von dieser Ausnahme keinen Gebrauch zu machen. Methmann appellierte an die Abgeordneten, diesen "Fehler" rückgängig zu machen und nicht zum "Totengräber bewährten Verbraucherschutzes" zu werden. Seine Kollegin Fischer-Volk wies darauf hin, dass mit dem Gesetzentwurf der Bundesregierung auch die vielen unseriösen Anbieter von Bus-Tagestouren, den sogenannten Kaffeefahrten, "raus aus der Haftung" wären.

Die Ausnahmeklausel in der EU-Richtlinie umfasst neben Tagesreisen auch über Reiseveranstalter gebuchte Einzelleistungen. Auch hier will die Bundesregierung nun doch nicht von der Möglichkeit Gebrauch machen, über die Richtlinie hinauszugehen, was mehrere Sachverständige kritisierten. Es dürfe "kein Unterschied sein, ob eine Ferienwohnung mit oder ohne Anreise gebucht wurde", mahnte der emeritierte Kemptener Rechtsprofessor Ernst Führich.

Eine Möglichkeit, das von den Reisebüros besonders gefürchtete Problem des gemeinsamen Zahlungsvorgang für mehrere Einzelleistungen zu umgehen, sah der Direktor der Bayreuther Forschungsstelle für Verbraucherrecht, Martin Schmidt-Kessel. Eine dazu von der CDU/CSU-Fraktion vorgeschlagene Formulierung sei mit der EU-Richtlinie konform, meinte Schmidt-Kessel. Der ehemalige Rostocker Jura-Professor Klaus Tonner warnte die Abgeordneten aber davor, "am Wortlaut der Richtlinie zu schaben". Dies gelte auch für eine kürzlich an die EU-Kommission gerichtete Anfrage der Bundesregierung, ob eine andere Formulierung der Bezahl-Regelung mit der Richtlinie vereinbar sei. Damit gebe die Regierung "den Reisebüros Steine statt Brot", kritisierte Tonner. Denn selbst wenn Brüssel grünes Licht gebe, "das letzte Wort hat immer der Europäische Gerichtshof". Sollte dieser aber nach fünf, sechs Jahren anders urteilen, dann, so sein Kollege Schmidt-Kessel, komme es zur Rückabwicklung alter Reiseverträge "mit fatalen Folgen für die Reisebüros".

Allerdings sahen mehrere Sachverständige eine Möglichkeit, deren Sorgen zu mindern. Denn die Regressansprüche der Vermittler gegenüber den Leistungserbringern könnten - durchaus im Einklang mit der Richtlinie - deutlich gestärkt werden. Im vorliegenden Gesetzentwurf seien solche "Regressansprüche nicht ausreichend verankert", kritisierte etwa Norbert Fiebig. Die Anhörung zeigte den Abgeordneten also durchaus Wege auf, den Sorgen der Reisebranche entgegenzukommen.

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2. Vorsorge gegen Immobilienblase

Finanzen/Gesetzentwurf

Berlin: (hib/SCR) Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) soll künftig gezielt mögliche Gefahren für die Finanzmarktstabilität in Folge einer Immobilienblase abwehren können. Ein Gesetzentwurf der Bundesregierung (18/10935) sieht vor, der BaFin neue Befugnisse einzuräumen, um gegebenenfalls bestimmte Mindeststandards für die Vergabe von Neukrediten festzulegen. Damit werden laut Begründung unter anderem Empfehlungen des Ausschusses für Finanzmarktstabilität der Bundesregierung (AFS) vom 30. Juni 2015 umgesetzt. Der Gesetzentwurf enthält zudem Regelungen zur Klarstellung der Kreditwürdigkeitsprüfung in Umsetzung der EU-Wohnimmobilienkreditrichtlinie. Weiterhin soll das Darlehensrecht an europarechtliche Vorgaben der Benchmark-Verordnung angepasst werden. Hierbei geht es um Informationspflichten zu Referenzwerten bei Allgemein-Verbraucherdarlehensverträgen sowie bei Immobiliar-Verbraucherdarlehensverträgen. Der Gesetzentwurf wird am Donnerstag in erster Lesung beraten.

Die Bundesregierung betont in der Begründung, dass die neuen BaFin-Instrumente "rein vorsorglich" geschaffen werden, "um für den Gefahrenfall das geeignete Instrumentarium für ein schnelles und zielgerichtetes Handeln der Aufsicht zur Verfügung zu stellen". Handlungsbedarf bestehe, weil die vorhandenen Instrumente nach Auffassung des AFS "nicht ausreichen, um mögliche systemische Risiken aus expansiver Kreditvergabe, sinkenden Kreditvergabestandards und schnell steigenden Preisen wirksam und zielgenau abwehren zu können". Durch die neuen Instrumente sollen Ausfallwahrscheinlichkeiten beziehungsweise Verlustquoten reduziert werden.

Die Aktivierung der Instrumente setzt laut Entwurf seitens der BaFin eine "Einschätzung drohender Risiken für die Funktionsfähigkeit des Finanzsystems und für die Finanzstabilität voraus". In diesem Fall kann die BaFin gemäß des neu zu schaffenden Paragraphen 48u Kreditwesengesetz (KWG) unter anderem eine "Obergrenze für das Verhältnis zwischen Darlehenshöhe und Immobilienwert" festsetzen. Weiterhin sind Vorgaben zum Tilgungszeitraum beziehungsweise zur maximalen Laufzeit (Amortisationsanforderung), Schuldendienstfähigkeit (DSTI, DSCR) und zur Obergrenze für das "Verhältnis zwischen Gesamtverschuldung und Einkommen" (DTI) möglich. Die Instrumente können einzeln oder in Kombination eingesetzt werden und auf nach bestimmten Kriterien ausgewählte Neukredite begrenzt werden. Die BaFin wird zudem ermächtigt, Freikontingente und Bagatellgrenzen festzulegen. Kredite für "Vorhaben der sozialen Wohnraumförderung und die Renovierung von Wohnimmobilien sowie Anschlussfinanzierungen" sind laut Entwurf von der Neuregelung nicht betroffen.

Die Änderungen zur Klarstellung der Kreditwürdigkeitsprüfung betreffen das BGB, das Einführungsgesetz zum BGB und das KWG. Vorgesehen sind Verweise auf die Wohnimmobilienkreditrichtlinie, um den Anwendungsbereich klarer zu fassen. Ebenfalls mit Verweis auf die Richtlinie sollen die Anforderungen an die Prüfung der Kreditwürdigkeit deutlicher gemacht werden. Bundesjustizministerium und Bundesfinanzministerium sollen in Zukunft zudem gemeinsam Verordnungen mit Leitlinien für die Vergabe von Immobiliar-Verbraucherdarlehensverträge erlassen können.

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3. Regulierung des Hochfrequenzhandels

Finanzen/Gesetzentwurf

Berlin: (hib/SCR) Zur Umsetzung europäischer Vorgaben hat die Bundesregierung den Entwurf eines Zweiten Finanzmarktnovellierungsgesetzes (18/10936) vorgelegt. Damit soll die Richtlinie 2014/65/EU des Europäischen Parlaments und des Rats vom 15. Mai 2014 über Märkte für Finanzinstrumente umgesetzt werden. Zudem will die Bundesregierung Ausführungsbestimmungen für unter anderem die zur Richtlinie gehörende Verordnung (EU) Nr. 600/2014 sowie Vorgaben einer Delegierten Richtlinien kodifizieren. Änderungen sind unter anderem im Wertpapierhandelsgesetz (WpHG), dem Kreditwesengesetz, dem Börsengesetz und dem Kapitalanlagegesetzbuch vorgesehen. Der Gesetzentwurf soll am Donnerstag in erster Lesung beraten werden.

Im WpHG werden unter anderem im neuen Abschnitt 11 (vorher Abschnitt 6) die geänderten Verhaltens- und Organisationspflichten der umzusetzenden Richtlinie normiert. Neu eingeführt werden Abschnitte, die die Überwachung von Positionslimits bei Warenderivaten und zur Aufsicht über Datenbereitstellungsdienste regeln. Der Hochfrequenzhandel im Speziellen sowie der algorithmische Handel im Allgemeinen sollen künftig stärker reguliert werden.

Zudem werden im WpHG sowie im Kreditwesengesetz, dem Börsengesetz, dem Kapitalanlagebuch und dem Versicherungsaufsichtsgesetz die Kataloge der Ordnungswidrigkeitstatbestände erweitert und Bußgeldrahmen erhöht. Der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) soll über Änderungen im zweiten Abschnitt des WpHG zudem neue Befugnisse erhalten.

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Quelle:
Heute im Bundestag Nr. 039 - 24. Januar 2017 - 11.17 Uhr
Herausgeber: Deutscher Bundestag
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veröffentlicht im Schattenblick zum 25. Januar 2017

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