Schattenblick → INFOPOOL → PARLAMENT → FAKTEN


BUNDESTAG/7129: Heute im Bundestag Nr. 278 - 27.04.2018


Deutscher Bundestag
hib - heute im bundestag Nr. 278
Neues aus Ausschüssen und aktuelle parlamentarische Initiativen

Freitag, 27. April 2018, Redaktionsschluss: 10.00 Uhr

1. Einschätzungsfehler im Fall Amri
2. Ausbau der Hightech-Strategie
3. Netzentgelte in Deutschland
4. Erfahrungen mit Energieausweisen
5. Deutsche in türkischer Haft


1. Einschätzungsfehler im Fall Amri

1. Untersuchungsausschuss/Ausschuss

Berlin: (hib/wid) Bei der Beobachtung des späteren Terroristen Anis Amri haben sich die Behörden in ihrer Einschätzung offenbar von falschen Kriterien leiten lasssen. Darauf wies die Berliner Publizistin und Islamismus-Expertin Claudia Dantschke in einer Anhörung des 1. Untersuchungsausschusses ("Breitscheidplatz") hin. Die Zuständigen hätten über alle relevanten Informationen verfügt. Sie hätten aber wohl in der Bewertung die Akzente nicht richtig gesetzt.

Die Beurteilung Amris als minder gefährlich habe sich auf den Umstand gestützt, dass bei ihm kein fromm islamischer Lebenswandel zu beobachten war, sagte Dantschke. Der Mann habe gekifft, mit Drogen gehandelt und Alkohol getrunken. Zugleich allerdings habe er weiterhin im Umfeld des radikalislamischen Predigers Abu Walaa und der Moabiter Fussilet-Moschee verkehrt, die später als islamistische Brutstätte geschlossen wurde: "Er hat nicht den Bruch vollzogen zu diesem Netzwerk." Den Behörden sei auch dies bekannt gewesen. Sie hätten es in Abwägung gegen die vermeintlich lockeren Sitten der Zielperson indes nicht hinreichend gewichtet: "Man ist der Entwicklung hinterhergehinkt."

Das allerdings unterlaufe den Behörden bei der Bekämpfung des radikalislamischen Terrorismus öfters, kritisierte Dantschke: "Die Szene entwickelt sich rasant schnell." Das werden nicht angemessen wahrgenommen. So sei im vorigen Sommer das Erstaunen über die Hamburger Messerattacke groß gewesen. Man habe indes wissen können, dass der Islamische Staat (IS) damals bereits seit anderthalb Jahren seine Anhänger in Deutschland aufgefordert habe: "Nimm ein Messer, stich den Nachbarn ab." Die Behörden müssten sicherstellen, dass sie immer auf dem gleichen Informationsniveau seien wie die Szene, forderte Dantschke.

Die Leiterin der Stabsstelle "Radikalisierungsprävention" im bayerischen Sozialministerium, Christiane Nischler-Leibl, wies auf die Komplexität der Materie hin. In jedem Einzelfall verlaufe ein Radikalisierungsprozess individuell. Umso schwerer sei es, die maßgeblichen Faktoren zu diagnostizieren und zu gewichten: "Man erkennt es sehr viel leichter im Nachgang als im Vorfeld." Hilfreich sein könne allenfalls eine generelle Haltung der "Sensibilität" und "Wachheit".

Für den Präsidenten der Bundesakademie für öffentliche Verwaltung und früheren Islamismusexperten beim Verfassungsschutz, Alexander Eisvogel, lautet die Hauptfrage, welche tatsächlichen Anhaltspunkte für die Radikalisierung Amris vorgelegen hätten, aber nicht genutzt worden seien. Wann hätten die Behörden erkennen können, dass er etwas plante? Wer habe in welcher Intensität versucht, alle Informationen über Amri zusammenzutragen? Dabei sei es kaum zielführend, persönlichen Radikalisierungsprozessen nachzuspüren, also darüber zu spekulieren, "was in Amris Kopf vorging". Maßgeblich hätten allein Anhaltspunkte sein können, die sich aus seinem beobachteten Verhalten ergaben. Hätte es den Behörden nicht auffallen können, dass Amri zu einem bestimmten Zeitpunkt ein bemerkenswertes Interesse für Lastwagen an den Tag legte, fragte Eisvogel.

Der aus dem Libanon gebürtige Regisseur und Drehbuchautor Imad Karim stellte einen Unterschied zwischen "Islam" und "Islamismus" rundheraus in Abrede. Wenn im Westen das Bestreben, eine allein religiös legitimierte Gesellschaft zu schaffen, als Hauptmerkmal des Islamismus gelte, so werde verkannt, dass genau dies auf den Islam insgesamt zutreffe. Der Begriff des Islamismus sei erfunden worden, "um dem Islam einen Dauerpersilschein auszustellen", sagte Karim und warnte vor einem "Ausverkauf der Werte der Aufklärung".

*

2. Ausbau der Hightech-Strategie

Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung/Antwort

Berlin: (hib/ROL) Die Planungen über das Mittelvolumen zur Umsetzung der im Koalitionsvertrag vereinbarten Maßnahmen werden unter anderem Gegenstand der aktuell angelaufenen regierungsinternen Haushaltsaufstellungen für die Jahre 2018 und 2019 und der Finanzplanung bis 2022 sein. Zurzeit können noch keine Aussagen darüber getroffen werden. Das schreibt die Bundesregierung in ihrer Antwort (19/1678) auf die Kleine Anfrage (19/1458) der Linken. Die Linke hatte gefragt, welche Mehrausgaben die Bundesregierung für hochschulpolitische Maßnahmen in der 19. Legislaturperiode plant und ob die Bundesregierung vorhat, eventuelle Mehrausgaben vollständig durch Umschichtungen innerhalb des Haushaltes des Bundesministeriums für Bildung und Forschung gegenzufinanzieren.

Gleichwohl betont die Bundesregierung in ihrer Antwort, dass die Hightech-Strategie (HTS) in der 19. Legislaturperiode als ressortübergreifende Forschung und Innovationsstrategie weiterentwickelt werden soll. Die HTS bündele seit 2006 ressortübergreifend die Förderung von Forschung und Innovation. Sie habe maßgeblich dazu beigetragen, die Position Deutschlands im globalen Wettbewerb zu verbessern und ein Umfeld zu schaffen, das die Umsetzung von Ideen in marktfähige Produkte und Dienstleistungen befördere.

Diese Strategie werde sich an den großen gesellschaftlichen Herausforderungen ausrichten und dazu beitragen, sie zu bewältigen. Dafür würden Kompetenzen in zukunftsweisenden Technologien ausgebaut, die Aus- und Weiterbildung von Fachkräften modernisiert und die Nutzer- bzw. Bürgerperspektive von Beginn an einbezogen. Die neue Forschungs- und Innovationsstrategie soll dazu beitragen, in Deutschland eine offene Innovationskultur zu etablieren, die Raum für kreative Ideen biete und die neben technischen auch soziale Innovationen befördere. Die Bundesregierung werde den Transfer von der Grundlagenforschung in nutzbringende Anwendungen forcieren und die Entstehung von Sprunginnovationen fördern. Die Gründungskultur in Deutschland soll gestärkt und der Mittelstand auf dem Weg in eine moderne, digitalbasierte Wirtschaftsweise unterstützt werden. Mit einer Transfer-Initiative werde die Bundesregierung die Unternehmen darin unterstützen, die Ergebnisse der wissenschaftlichen Forschung in Produkte und Verfahren umzusetzen. Nicht zuletzt werde die europäische und internationale Zusammenarbeit in Forschung und Innovation intensiviert. Mit diesen und weiteren Maßnahmen soll das im Koalitionsvertrag festgelegte Ziel, bis 2025 mindestens 3,5 Prozent des BIP für Forschung und Entwicklung aufzuwenden, gemeinsam mit den Ländern und der Wirtschaft erreicht werden.

In den vergangenen Jahren habe der Bund auch seine Ausgaben für Bildung erheblich gesteigert. Im Koalitionsvertrag seien darüber hinaus zahlreiche Maßnahmen vereinbart worden, um gerechte Bildungschancen für alle zu gewährleisten und ein hohes Qualifikationsniveau zu sichern.

Der Koalitionsvertrag nenne für die 19. Legislaturperiode außerdem prioritäre Ausgaben für Schwerpunkte im Bereich Bildung. Dies betreffe den Ausbau der Ganztagsbetreuung, die Reform des Berufsausbildungsförderungsgesetzes, die Aufstiegsfortbildung in der beruflichen Bildung sowie den DigitalPakt Schule.

Zudem betont die Bundesregierung, dass sie der Chancengleichheit von Frauen und Männern in Wissenschaft und Forschung große Bedeutung beimesse. Unter anderem hätten Bund und Länder im Rahmen der Fortschreibung des Paktes für Forschung und Innovation (PFI) die Gewährleistung chancengerechter und familienfreundlicher Strukturen und Prozesse an den von ihnen institutionell geförderten außeruniversitären Forschungseinrichtungen als wesentliches Ziel vereinbart. Im Fokus stünden zudem familienfreundliche und gendergerechte Strukturen und Prozesse sowie eine quantitative Erhöhung des Frauenanteils insbesondere in verantwortungsvollen Positionen in den Wissenschaftsorganisationen mittels freiwilliger Zielquoten.

*

3. Netzentgelte in Deutschland

Wirtschaft und Energie/Antwort

Berlin: (hib/PEZ) Haushalte in Deutschland zahlen weiterhin deutlich unterschiedlich viel für ihr Stromnetz. Wie aus einer Antwort der Bundesregierung (19/1679) auf eine Kleine Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hervorgeht (19/1460), schwankte die Höhe im Januar 2018 zwischen 3,51 Cent pro Kilowattstunde und 10,89 Cent pro Kilowattstunde. Grundlage der Berechnung ist ein Haushaltskunde mit einem jährlichen Verbrauch von 3.500 Kilowattstunden pro Jahr. Auf eine unterschiedliche Effizienz der Anbieter deute diese Schwankung erst einmal nicht hin, erklärt die Bundesregierung weiter. "Sowohl unter den Netzbetreibern mit den niedrigsten als auch unter den Netzbetreibern mit den höchsten Netzentgelten für Haushaltskunden gibt es Unternehmen, die einen Effizienzwert von 100 Prozent haben."

Grundsätzlich sei die Höhe der Netzentgelte von einer Vielzahl von Faktoren abhängig. Dabei gebe es durchaus einen Zusammenhang zur Dichte der Besiedlung: Ländliche Netzbetreiber hätten im Regelfall eine umfangreichere Netzinfrastruktur bei gleichzeitig weniger Abnehmern. Die regional unterschiedlichen Kosten für Stromnetze liefern immer wieder Anlass für Diskussionen - genauso wie das ob und wie ihres Angleichens.

*

4. Erfahrungen mit Energieausweisen

Wirtschaft und Energie/Antwort

Berlin: (hib/PEZ) Im Zuge der anstehenden Novelle des Energieeinsparrechts für Gebäude durch ein neues Gebäudenergiegesetz sollen strengere Sorgfaltspflichten für die Aussteller von Energieausweisen geprüft werden. Wie die Bundesregierung in der Antwort (19/1683) auf eine Kleine Anfrage (19/1468) der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen schreibt, würden solche Überlegungen nach einer ersten Erfahrungsbilanz der Länder in den Prozess einfließen. Wann und in welchen Punkten genau das Gesetz erneuert werden soll, stehe noch nicht fest. Für Stichprobenkontrollen bei Energieausweisen für Gebäude sind die Länder zuständig. Die Bundesregierung hat nicht vor, entsprechende Erfahrungsberichte zu veröffentlichen; dies liege in der Hoheit der Bundesländer, erklärt sie.

*

5. Deutsche in türkischer Haft

Wirtschaft und Energie/Antwort

Berlin: (hib/PEZ) Zum Stichtag 15. März 2018 sind nach Angaben der Bundesregierung 42 deutsche Staatsbürger in türkischer Haft sowie vier deutsche Staatsbürger in Abschiebegewahrsam gewesen. In der Antwort (19/1685) auf eine Kleine Anfrage der Fraktion der AfD (19/1479) heißt es weiter, dies seien acht weniger als zum Stichpunkt 18. Januar 2018 gewesen, also etwa einen Monat vor der Freilassung des Journalisten Deniz Yücel.

Darüber hinaus erklärt die Bundesregierung, seit 24. September 2017 Ausfuhrgenehmigungen für Rüstungsgüter in die Türkei mit einem Gesamtwert in Höhe von 15,03 Millionen Euro vergeben zu haben. An welche Unternehmen, wollte die Bundesregierung mit Verweis auf Staatswohlinteressen und zum Schutz der Unternehmen nicht öffentlich mitteilen.

*

Quelle:
Heute im Bundestag Nr. 278 - 27. April 2018 - 10.00 Uhr
Herausgeber: Deutscher Bundestag
Parlamentsnachrichten, PuK 2
Platz der Republik 1, 11011 Berlin
Telefon: +49 30 227-35642, Telefax: +49 30 227-36191
E-Mail: mail@bundestag.de
Internet: www.bundestag.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 28. April 2018

Zur Tagesausgabe / Zum Seitenanfang