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BUNDESTAG/7227: Heute im Bundestag Nr. 377 - 06.06.2018


Deutscher Bundestag
hib - heute im bundestag Nr. 377
Neues aus Ausschüssen und aktuelle parlamentarische Initiativen

Mittwoch, 6. Juni 2018, Redaktionsschluss: 14.30 Uhr

1. Konzept zum Investorenschutz begrüßt
2. Ministerin legt Fahrplan vor
3. Fachgespräch zum Solidaritätszuschlag


1. Konzept zum Investorenschutz begrüßt

Wirtschaft und Energie/Ausschuss

Berlin: (hib/wid) Die Absicht der Europäischen Union, Konflikte zwischen Staaten und ausländischen Investoren künftig der Rechtsprechung eines eigenen ständigen internationalen Gerichts zu überlassen, hat in einer Anhörung des Wirtschaftsausschusses ein überwiegend positives Echo der geladenen Sachverständigen gefunden. Gegenüber der bisherigen Praxis, zur Regelung solcher Streitigkeiten jeweils von Fall zu Fall eine Schiedskammer einzusetzen, sei von einem Multilateralen Investitionsgerichtsgerichtshof (Mulitateral Investment Court; MIC) ein deutlicher Zuwachs an Transparenz und Rechtssicherheit zu erwarten, hieß es in der Sitzung am Mittwoch. Bedenken gegen das Vorhaben äußerte in erster Linie der Vertreter des Deutschen Richterbundes.

Gegenstand der Anhörung war der Entwurf der EU-Kommission für einen Beschluss des Rates, der die Aufnahme von Verhandlungen über die Gründung des Multilateralen Hofes ermöglichen soll. Dazu lagen Anträge der Linksfraktion vor, die von einer "Paralleljustiz für Konzerne" sprach und sich gegen die Zustimmung zu dem Mandat für die EU-Kommission wandte, sowie der FDP, die das Projekt befürwortete.

In der Anhörung wies der Passauer Wirtschaftsrechtler Christoph Herrmann darauf hin, dass das System des internationalen Investorenschutzes wesentlich auf deutsche Initiative zurückgehe. Bereits 1959 habe die Bundesrepublik mit Pakistan das erste einschlägige Abkommen geschlossen. Mittlerweile sei Deutschland mit rund 130 zumeist bilateralen Verträgen zum Investorenschutz "Weltmarktführer" auf diesem Gebiet. Der Kritik, Investorenschutz hebele das Regulierungsrecht der Parlamente aus, hielt Herrmann entgegen, dass das in den Verträgen fixierte Klagerecht lediglich für Fälle "krasser Enteignung" und nicht zur Anfechtung demokratisch legitimierter Gesetzgebung gelte.

Der Göttinger Völkerrechtler Till Patrik Holterhus bezog sich auf die gängigen Bedenken gegen das bestehende System der Schiedsverfahren in Streitfällen zwischen ausländischen Investoren und Staaten. Die Vielzahl von Fall zu Fall eingesetzte Kammern beeinträchtige die Rechtssicherheit, Berufungsverfahren seien nicht vorgesehen, die Streitparteien hätten zu viel Einfluss auf die Benennung der Richter, was deren Unabhängigkeit beeinträchtige, überdies fehle es an jeglicher Transparenz, weil weder die Verfahren noch die Schiedssprüche öffentlich gemacht werden müssten.

Gemessen daran, seien von dem geplanten MIC erhebliche Fortschritte zu erwarten, ergänze der in Dänemark lehrende Jurist Steffen Hindelang. Dies gelte insbesondere für die Garantie der richterlichen Unabhängigkeit, da die Mitglieder des MIC unabhängig von den zu entscheidenden Streitfällen berufen würden. Christian Tietje, Wirtschaftsrechtler der Universität Halle-Wittenberg, und Gabriel Felbermayr vom Münchener ifo-Institut für Wirtschaftsforschung widersprachen gestützt auf statistische Daten der Vermutung, in den bisher geläufigen Schiedsverfahren würden einseitig die Investoren bevorzugt.

Zu deren Gunsten fielen im Durchschnitt nur 25 Prozent der Schiedssprüche aus, sagte Felbermayr. Weitere 25 Prozent der Verfahren endeten mit einem Vergleich. In Fällen, in denen Investoren eine finanzielle Entschädigung zugesprochen werde, betrage diese im Durchschnitt nur 29 Prozent der zunächst geforderten Summe. Dagegen sei belegbar, dass Abkommen zum Investorenschutz in den Zielländern ein um 25 Prozent höheres Investitionsvolumen generieren; überdies engagierte sich Unternehmen stärker für die Schaffung von Arbeitsplätzen sowie Forschung und Entwicklung.

Als Präsidiumsmitglied des Deutschen Richterbundes bemängelte Oberstaatsanwalt Peter Schneiderhan hingegen, dass für die Tätigkeit des MIC eine international verbindliche Rechtsgrundlage fehle. Die Erlanger Völkerrechtlerin Rhea Hoffmann kritisierte das von der EU-Kommission verlangte Verhandlungsmandat als zu begrenzt, weil von Pflichten der Investoren sowie einer rechtlichen Besserstellung von Bürgern gegenüber Unternehmen keine Rede sei.

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2. Ministerin legt Fahrplan vor

Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung/Ausschuss

Berlin: (hib/ROL) "Angesichts der Herausforderungen können wir ruhig auch streiten und diskutieren. Es gehört dazu, dass wir nicht immer einer Meinung sein werden", sagte Anja Karliczek (CDU), Bundesministerin für Bildung und Forschung, vor dem Ausschuss für Bildung und Forschung am Mittwochvormittag in Berlin. Es war das erste Mal, dass die Ministerin seit Amtsantritt den Mitgliedern des Ausschusses Frage und Antwort stand. Karliczek betonte, dass in den vergangenen zehn Jahren der Etat des Bundesministeriums für Bildung und Forschung um 140 Prozent angestiegen sei, nämlich von 7,5 Milliarden auf 17,6 in 2018. Die leichte Senkung gegenüber 2017 begründete die Ministerin damit, dass die doppelten Abiturjahrgänge nun abgearbeitet seien. Gleichwohl kündigte sie für 2019 indirekt eine erneute Erhöhung an, da die verschiedenen Schwerpunkte "mit finanziellen Mitteln" unterlegt werden müssten. Im späteren Verlauf der Sitzung äußerte der Vertreter von Bündnis 90/Die Grünen dennoch die Befürchtung, dass nach einer langen "Expansionsphase" nun eine Phase der finanziellen Stagnation des Haushalts folgen könnte.

Karliczek äußerte die Hoffnung, dass der DigitalPaktSchule, für den der Bund in dieser Legislaturperiode 3,5 Milliarden Euro bereitstellt und dann im weiteren Verlauf noch weitere 1,5 Milliarden Euro ausgeben will, mit dem Beginn des Jahres 2019 starten wird. Deshalb müsste nun schnell die Grundgesetzänderung des Artikel 104c GG mit Zweidrittelmehrheit im Parlament beschlossen werden. Es gilt als wahrscheinlich, dass außer der AfD alle Oppositionsparteien dafür stimmen werden. Am 02.05.2018 hatte das Bundeskabinett einen Gesetzentwurf zur Änderung von Artikel 104c GG sowie drei weiteren Artikeln des Grundgesetzes bereits beschlossen, um den DigitalPakt Schule zwischen Bund und Ländern zu ermöglichen. Gleichwohl mahnte die Ministerin auch die Länder, weiterhin Verantwortung zu übernehmen. Gerade die Grundfinanzierung von Hochschulen bleibe Ländersache. Sie sagte: "Entscheidung und Verantwortung müssten dicht beieinander liegen." Das fand große Zustimmung bei der CDU/CSU-Fraktion, die anders als der Koalitionspartner SPD einer Aufhebung des Kooperationsverbotes zwischen Bund und Ländern in Teilen eher skeptisch gegenüber steht und dieses mit der Frage: "Was leisten die Länder bei den Bund-Länder-Vereinbarungen?", zum Ausdruck brachte.

Die AfD fragte ganz grundsätzlich nach dem Begriff der digitalen Bildung, die wie ein "Modethema" durch die Debatte geistere. Im weiteren Verlauf der Sitzung konstatierte die Ministerin, dass der Begriff eigentlich falsch sei. Es ginge um "gute Bildung im digitalen Zeitalter". Die digitalen Instrumente seien Mittel zum Zweck. Die Kinder sollten nicht nur die Instrumente bedienen können, sondern mit ihrer Hilfe Inhalte verstehen.

Ferner machte die Ministerin deutlich, dass sie sich für die Gleichberechtigung der akademischen und beruflichen Bildung einsetzen wolle, was auch ein Anliegen der SPD ist. Und auch die Vertreterin der FDP betonte, wie wichtig die berufliche Bildung sei. Die Ministerin führte aus, es sei wichtig, dass junge Menschen frei zwischen den zwei Strängen wählen und auch wechseln könnten. Ein Jugendlicher, der aus einer akademischen Familie käme, müsse nicht zwangsläufig einen akademischen Abschluss machen und umgekehrt. Karliczek sagte das auch vor dem Hintergrund, da insbesondere die Vertreterin der Linken in der Sitzung auf die mangelnde Bildungsgerechtigkeit in Deutschland aufmerksam gemacht hatte. Um dieser Ungleichheit besser zu begegnen machte die Ministerin deutlich, dass sie an einem neuen Konzept für das BAföG arbeite und betonte auch die Funktion des Aufstiegs-BAföG. Das Aufstiegs-BAföG (AFBG) fördert die Vorbereitung auf mehr als 700 Fortbildungsabschlüsse wie den Meister, Fachwirt, Techniker, Erzieher oder Betriebswirt.

Ferner ging sie auch auf das Thema Forschung und Innovation ein und warb für die Weiterentwicklung der High-Tech-Strategie. Allerdings sei es angesichts der schnellen Veränderung auch wichtig, die Menschen mitzunehmen, die Skepsis sei an manchen Stellen sehr stark. Man dürfe aber nicht verkennen, dass Deutschland und Europa in einem harten Wettkampf zu den USA und China stünden. Gerade China habe sehr schnell aufgeholt.

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3. Fachgespräch zum Solidaritätszuschlag

Finanzen/Ausschuss

Berlin: (hib/HLE) Der Finanzausschuss hat in seiner Sitzung am Mittwoch unter Leitung der Vorsitzenden Bettina Stark-Watzinger (FDP) die Durchführung eines öffentlichen Fachgesprächs zum steuerlichen Solidaritätszuschlag beschlossen. Das Fachgespräch soll am Mittwoch, den 27. Juni, stattfinden. Grundlagen sind ein Antrag der AfD-Fraktion (19/1179) und ein Gesetzentwurf der FDP-Fraktion (19/1038). Ein Sprecher der AfD-Fraktion erklärte in der Sitzung, die Erhebung des Solidaritätszuschlags sei verfassungswidrig. Und verfassungswidrige Gesetze seien abzuschaffen. Die Verfassungswidrigkeit sieht die AfD-Fraktion in ihrem Antrag unter anderem darin, dass im Ausland erzielte Einkünfte in geringerem Maße durch den Solidaritätszuschlag belastet werden als inländische. Dies stelle einen Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz dar. Zudem sei der vor 23 Jahren angegebene Zweck der Sicherung des einigungsbedingten Mittelbedarfs des Bundes inzwischen weggefallen, argumentiert die AfD-Fraktion.

Ein Sprecher der FDP-Fraktion warb in der Sitzung für eine Abschaffung des Solidaritätszuschlages ab dem Jahr 2020. Bis 2019 seien die Einnahmen aus dem Zuschlag noch verplant. Zur Begründung schreibt die Fraktion in ihrem Gesetzentwurf, den Bürgern sei bei Einführung des Solidaritätszuschlages versprochen worden, dieser werde nur befristet erhoben. Das unbefristete Solidaritätszuschlaggesetz sei 1995 mit der Begründung erlassen worden, dieses "finanzielle Opfer" sei zur Finanzierung der Vollendung der Einheit unausweichlich. Mittelfristig sei eine Überprüfung zugesagt worden. "Der zur Vollendung der deutschen Einheit aufgelegte Solidarpakt II läuft 2019 aus, so dass auch die Legitimation des Solidaritätszuschlaggesetzes 1995 spätestens zu diesem Zeitpunkt wegfällt", begründet die FDP-Fraktion ihren Vorstoß. Einen Fortbestand des Solidaritätszuschlags hält die Fraktion für einen Verstoß gegen das Grundgesetz, da er als sogenannte Ergänzungsabgabe gegenüber der regulären Besteuerung Ausnahmecharakter besitze und dementsprechend nicht dauerhaft erhoben werden dürfe.

Der Finanzausschuss beschloss außerdem die Durchführung einer öffentlichen Anhörung zu dem von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Ausübung von Optionen der EU-Prospektverordnung und zur Anpassung weiterer Finanzmarktgesetze (19/2435). Die öffentliche Anhörung soll am Mittwoch, den 13. Juni, stattfinden. Der Gesetzentwurf sieht vor, dass bei öffentlichen Angeboten von Wertpapieren mit einem Gesamtgegenwert von 100.000 Euro, aber weniger als acht Millionen Euro, statt eines Prospekts ein dreiseitiges Wertpapier-Informationsblatt vorgelegt werden muss. In den Fällen, wo kein Prospekt veröffentlicht werden muss, sind außerdem Einzelanlageschwellen zu beachten, die für nicht qualifizierte Anleger gelten. "Sofern von einem nicht qualifizierten Anleger ein Betrag von über 1.000 Euro investiert werden soll, ist dies nur dann zulässig, wenn der nicht qualifizierte Anleger entweder über ein frei verfügbares Vermögen in Form von Bankguthaben und Finanzinstrumente von mindestens 100.000 Euro verfügt oder er maximal den zweifachen Betrag seines durchschnittlichen monatlichen Nettoeinkommens investiert. In jedem Fall ist die Einzelanlage auf 10.000 Euro begrenzt", heißt es in der Begründung.

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Quelle:
Heute im Bundestag Nr. 377 - 6. Juni 2018 - 14.30 Uhr
Herausgeber: Deutscher Bundestag
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veröffentlicht im Schattenblick zum 7. Juni 2018

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