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BUNDESTAG/7243: Heute im Bundestag Nr. 393 - 11.06.2018


Deutscher Bundestag
hib - heute im bundestag Nr. 393
Neues aus Ausschüssen und aktuelle parlamentarische Initiativen

Montag, 11. Juni 2018, Redaktionsschluss: 12.04 Uhr

1. Kontroverse über Parteienfinanzierung
2. Bekämpfung unerbetner Werbeanrufe
3. Grenzüberschreitende Umweltkriminalität
4. Richterstellen an den Familiengerichten
5. Besetzung von Bundesrichterstellen
6. Zustellbevollmächtigte bei Twitter
7. Grüne fragen nach belgischen AKW


1. Kontroverse über Parteienfinanzierung

Inneres und Heimat/Anhörung

Berlin: (hib/suk) Parteien sollen künftig mehr Geld aus der staatlichen Parteienfinanzierung bekommen: Das sind die Pläne der Großen Koalition, für die sie einen Entwurf zur Änderung des Parteiengesetzes und anderer Gesetze (19/2509) vorgelegt hat. Damit soll die Obergenze der staatlichen Parteienfinanzierung von aktuell 165 Millionen Euro auf 190 Millionen Euro ab dem kommenden Jahr erhöht werden. Bei Experten sorgt das Vorhaben für ein ganz unterschiedliches Echo, auch was die Bewertung betrifft, ob die geplanten Neuregelungen verfassungsgemäß sind. Dies wurde am Montagvormittag, 11. Juni 2018, in einer öffentlichen Anhörung des Ausschusses für Inneres und Heimatdeutlich.

So äußerten sich Professor Michael Brenner von der rechtswissenschaftlichen Fakultät der Friedrich-Schiller-Universität Jena und Professor Bernd Grzeszick, Staatsrechtler aus Heidelberg, klar für den Entwurf. Das Bundesverfassungsgericht habe "verfassungsrechtliche Leitlinien" erlassen, innerhalb derer die absolute Obergrenze der Parteienfinanzierung verändert werden könne, so Brenner: Gebe es "einschneidende Veränderungen der bestehenden Verhältnisse" sei eine Erhöhung möglich. Diese seien gegeben - etwa durch die Notwendigkeit, Hackerangriffe abwehren, Fake News entkräften und stärker auf die Digitalisierung setzen zu müssen, entstünden den Parteien höhere Kosten. Die Aufrechterhaltung der freien demokratischen Grundordnung sollte dem Staat 190 Millionen Euro im Jahr "wert sein". Auch Bernd Grzeszick betonte, steigende Wahlbeteiligung und neue partizipative Instrumente, die die Parteien anwenden müssten, würden diese Erhöhung rechtfertigen. Der Entwurf sei seines Erachtens "verfassungsgemäß".

Auch der Verwaltungswissenschaftler Professor Wolfgang Zeh zeigte sich zufrieden mit dem Gesetzentwurf: Das Modell der hälftigen Finanzierung der Parteien durch private Mittel, Spenden und Beiträge einerseits und staatliche Alimentation andererseits sei ein "ausgezeichnetes Modell". Die absolute Obergrenze führe bisher dazu, dass Anstrengungen, den privaten Anteil zu erhöhen, mit einer Kappung einhergingen. Von "Selbstbedienung" könne keine Rede sein: Hier würden sich nicht "Parteimitglieder die Taschen füllen", das Geld werde für die Bewältigung der "wachsenden Aufgaben", also für Personal, Technik, Veranstaltungen und ähnliches, verwendet.

Dies sieht Professor Sophia Schönberger, Staatsrechtlerin in Konstanz, anders: Die tatsächliche Veränderung der Verhältnisse werde in dem Entwurf mitnichten klar dargelegt. Die Darlegungslast werde "in keiner Weise erfüllt" - so liege zum Beispiel der Verdacht nahe, dass die Digitalisierung zwar durchaus Geld koste, man aber gleichzeitig auch spare. Grundsätzlich müsse man angesichts des "Dilemmas der Entscheidung in eigener Sache" mehr Sensibilität erwarten.

Erhebliche Kritik am Verfahren insgesamt äußerten drei Sachverständige. So sagte Michael Kloß von der Ludwig-Maximilians-Universität München, die Koalition verletze offenbar die "informelle Norm" bei einer Entscheidung über die Parteienfinanzierung Einvernehmen mit den übrigen im Parlament vertretenen Parteien herzustellen. Auch inhaltlich sei die Begründung für die Notwendigkeit, die Finanzierung zu erhöhen, nicht nachzuvollziehen. Offenbar habe die Koalition Finanzprobleme, die die anderen Parteien nicht hätten, gleichzeitig entstehe der Eindruck, dass lediglich "ein Nehmen stattfindet", auf eine größere - seit langem angemahnte - Transparenz bei der Parteienfinanzierung aber verzichtet werde. Er, so Kloß, sehe den Entwurf daher "überaus kritisch".

Auch Heike Merten von der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf äußerte Kritik: Eine Erhöhung der Parteienfinanzierung über den Preisindex hinaus sei eine "Wertungsfrage" in den Händen des Gesetzgebers - denkbar wäre hier, auf das Votum objektiver Sachverständiger zu hören, was aber nicht getan werde. Auch die geänderten Verhältnisse insbesondere mit Blick auf neue Beteiligungsformen müssten klar diskutiert werden. es gehe "nicht, erst das Geld haben zu wollen", aber dann nicht die Möglichkeiten zu schaffen.

Der Staatsrechtler Professor Karl-Albrecht Schachtschneider warf dem Bundestag vor, immer wieder vor dem Bundesverfassungsgericht einzuknicken und forderte eine Initiative aus dem Parlament heraus zur staatlichen Parteienfinanzierung. Dafür müsse es Volksentscheide geben, bis dahin solle die bisherige Regelung beibehalten werden.

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2. Bekämpfung unerbetener Werbeanrufe

Recht und Verbraucherschutz/Gesetzentwurf

Berlin: (hib/mwo) Unerbetene Werbeanrufe sollen wirksamer bekämpft werden. Das sieht ein Gesetzentwurf des Bundesrates (19/2538) vor. Alle bisher vom Gesetzgeber ergriffenen Maßnahmen zur Bekämpfung dieses Phänomens hätten nicht in ausreichendem Maße eine Verbesserung der Situation bewirken können, heißt es in dem Entwurf.

Zuletzt habe die Bundesregierung mit dem Gesetz gegen unseriöse Geschäftspraktiken von 2013 versucht, belästigenden Telefonanrufen im Bereich der Gewinnspieldienste den Boden zu entziehen, und hatte einen neuen Bußgeldtatbestand für unerlaubte Telefonanrufe eingeführt. Eine Evaluierung des Gesetzes stehe jedoch noch aus, und das Geschäft mit überraschenden Werbeanrufen und untergeschobenen Verträgen floriere nach einer Untersuchung des Verbraucherzentralen weiterhin. Es bestehe daher weiterhin der Bedarf nach einer klaren gesetzlichen Regelung, die die Beweissituation bei der Frage nach dem Zustandekommen von telefonischen Verträgen zu Gunsten der Verbraucher verbessert. Die vorgeschlagene Regelung eröffne die Möglichkeit, wirksam gegen unseriös agierende Unternehmen der Callcenter-Branche vorzug

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3. Grenzüberschreitende Umweltkriminalität

Recht und Verbraucherschutz/Kleine Anfrage

Berlin: (hib/mwo) Welche Initiativen die Bundesregierung zur Bekämpfung der Umwelt- und Naturkriminalität ergriffen hat, will die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen wissen. In einer Kleinen Anfrage (19/2594) verweisen die Abgeordneten auf die zuletzt global deutlich gestiegenen Fallzahlen und eine Vielzahl an dramatischen Berichten. Sie fragen unter anderem, wie viele Ermittlungsverfahren zu Straftaten im Bereich der Umweltkriminalität nach Kenntnis der Bundesregierung in den Jahren 2007 bis 2016 in Deutschland jeweils anhängig waren und welche Aufklärungsquote in den einzelnen Jahren jeweils erreicht wurde. Weiter wollen die Abgeordneten unter anderem wissen, wie viele Verurteilungen wegen Straftaten gegen die Umwelt in diesen Jahren der Bundesregierung bekannt sind und welche Straftaten seit 2007 besonders vermehrt begangen wurden. Darüber hinaus fragen sie, welche Gesetzes- und Regelungslücken die Bundesregierung für Umwelt- und Naturkriminalität in Deutschland und Europa identifiziert hat.

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4. Richterstellen an den Familiengerichten

Recht und Verbraucherschutz/Kleine Anfrage

Berlin: (hib/mwo) Die Zahl der Richterstellen an den Familiengerichten ist Thema einer Kleinen Anfrage der AfD-Fraktion (19/2477). Die Richterstellen seien in der Vergangenheit erhöht worden, aber auch die Zahl der familiengerichtlichen Verfahren, vor allem der Kindschaftssachen, sei kontinuierlich angestiegen, heißt es darin. Vor diesem Hintergrund wollen die Abgeordneten unter anderem wissen, wie viele Familienrichterstellen nach Kenntnis der Bundesregierung derzeit bundesweit eingerichtet und besetzt sind und wie sich die Zahl der Richterstellen an den Familiengerichten seit 1985, insbesondere nach Inkrafttreten des Kindschaftsrechtsreformgesetzes von 1998, entwickelt hat.

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5. Besetzung von Bundesrichterstellen

Recht und Verbraucherschutz/Kleine Anfrage

Berlin: (hib/mwo) Mit der Wahl der Bundesrichterstellen befasst sich eine Kleine Anfrage der AfD-Fraktion (19/2543). Am 5. Juli 2018 wähle der Richterwahlausschuss des Deutschen Bundestages erneut Personen in hohe öffentlicher Richterämter, ohne dass zuvor eine öffentliche Stellenausschreibung stattgefunden habe, schreiben die Abgeordneten in der Anfrage. Es erhielten derzeit ausschließlich die Kandidaten einen Zugang zu einem hohen öffentlichen Richteramt, die von bestimmten Ministern der einzelnen Bundesländer und von bestimmten vom Bundestag gewählten Vertretern (Richterwahlausschuss) vorgeschlagen werden. Die Abgeordneten wollen unter anderem wissen, nach welchen Kriterien die Vertreter des Richterwahlausschusses die zur Wahl stehenden Personen vorschlagen, und ob sich die zur Wahl stehenden Personen vorher bei den Abgeordneten bewerben konnten. Weiter fragen sie, warum es kein (transparentes) Bundesrichter-Bewerbungsverfahren gibt.

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6. Zustellbevollmächtigte bei Twitter

Recht und Verbraucherschutz/Kleine Anfrage

Berlin: (hib/mwo) Wer der Zustellungsbevollmächtigte bei dem Kommunikationsdienste-Anbieter Twitter ist, will die Fraktion Die Linke von der Bundesregierung wissen. In einer Kleinen Anfrage (19/2503) fragen die Abgeordneten, ob Twitter nach Auffassung der Bundesregierung ein soziales Netzwerk im Sinne von Paragraf 1 des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes (NetzDG) ist, und ob nach Einschätzung der Bundesregierung auf den Webseiten von Twitter auf den Zustellungsbevollmächtigten in leicht erkennbarer Weise hingewiesen wird. Das NetzDG sehe vor, dass Anbieter sozialer Netzwerke im Inland einen Zustellungsbevollmächtigten zu benennen und auf ihrer Plattform in leicht erkennbarer und unmittelbar erreichbarer Weise auf ihn aufmerksam zu machen haben, heißt es in der Anfrage. Dies sei auf den Seiten von Twitter nicht ohne weiteres möglich. Laut Bundesregierung habe Twitter die Firma T.I. Kontakt GmbH als Zustellungsbeauftragten bevollmächtigt, die über Monate nicht auf der Webseiten von Twitter zu finden gewesen sei und mittlerweile in einem Impressum genannt werde, das nicht ohne weiteres auffindbar sei.

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7. Grüne fragen nach belgischen AKW

Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit/Kleine Anfrage

Berlin: (hib/MTR) Ob Materialdefekte in den belgischen Atomkraftwerken Tihange 2 und Doel 3 bereits beim Bau bekannt waren, ist Thema einer Kleinen Anfrage (19/2370) der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Sie verlangt Informationen über den Kenntnisstand der Bundesregierung, auch zu eventuellen personellen Konsequenzen beim belgischen AKW-Betreiber. Außerdem soll die Bundesregierung über die Aktivitäten der Deutsch-Belgischen Nuklearkommission Auskunft geben.

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Quelle:
Heute im Bundestag Nr. 393 - 11. Juni 2018 - 12.04 Uhr
Herausgeber: Deutscher Bundestag
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veröffentlicht im Schattenblick zum 12. Juni 2018

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