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BUNDESTAG/7298: Heute im Bundestag Nr. 448 - 25.06.2018


Deutscher Bundestag
hib - heute im bundestag Nr. 448
Neues aus Ausschüssen und aktuelle parlamentarische Initiativen

Montag, 25. Juni 2018, Redaktionsschluss: 18.11 Uhr

1. Experten wollen mehr Hilfe für Kinderlose
2. Expertenstreit um Hardware-Updates


1. Experten wollen mehr Hilfe für Kinderlose

Familie, Senioren, Frauen und Jugend/Anhörung

Berlin: (hib/AW) Der FDP-Antrag zur "Reform der Richtlinie des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend zur assistierten Reproduktion" (19/585) stößt bei Experten in weiten Teilen mehrheitlich auf Zustimmung. Dies wurde in einer öffentlichen Anhörung des Familienausschusses am Montag deutlich. Die Sachverständigen sprachen sich überwiegend dafür aus, dass entweder der Staat oder die gesetzlichen Kassen einen höheren Anteil der Kosten für eine künstliche Befruchtung übernehmen sollen.

Mehrheitlich lehnten die Experten die derzeitige Regelung, nach der der Bund 25 Prozent der Kosten für drei Versuche einer künstlichen Befruchtung bei kinderlosen Paaren übernimmt, wenn das Bundesland sich in gleicher Höhe an den Kosten beteiligt, als ungerecht ab. Die Übernahme der Kosten dürfe nicht vom Wohnort eines Paares abhängen. Die Möglichkeit einer künstlichen Befruchtung dürfe auch nicht vom Einkommen eines Paares abhängen. Einkommensschwache Menschen seien nicht schlechtere Eltern als wohlhabende Menschen, sagte Inge Landgraf von Donum Vitae in Bayern. Die Medizinethikerin Sigrid Graumann von der Evangelischen Hochschule Rheinland-Westfalen-Lippe in Boch sagte, dass es zwar keine moralische Verpflichtung gebe, fortpflanzungsmedizinische Leistungen für ungewollt kinderlose Paare bereitzustellen. Wenn dies jedoch geschehe, dann müsste dies aus ethischer Sicht nach dem Gleichheitsgrundsatz geschehen.

Unterschiedlich bewerteten jedoch die Experten die Frage, ob auch Alleinstehende und unverheiratete Paare in den Genuss einer Übernahme der Kosten kommen sollten. Der Medizinethiker Axel W. Bauer vom Universitätsklinikum Mannheim verwies darauf, dass bereits 2,34 Millionen Kinder bei Alleinerziehenden lebten. Die Erziehungsleistung von Alleinerziehenden sei zwar zu würdigen. Es sei jedoch etwas völlig anderes, diese Situation mit Hilfe der Reproduktionstechnik planvoll herbei zu führen und dies auch noch staatlich zu finanzieren. Die Frauenärztin Ute Czeromin von der Kinderwunschpraxis Gelsenkirchen sprach sich ebenfalls gegen die Übernahme der Kosten bei Alleinstehenden aus. Kinder bräuchten Eltern, sagte sie. Diese müssten nicht zwangsläufig verheiratet sein, sollten sich aber eben beide für das Wohl des Kindes verantwortlich fühlen. Auch der Reproduktionsmediziner Jürgen Krieg vom Kinderwunschzentrum Amberg argumentierte ähnlich. Er plädierte sogar dafür, eine Übernahme der Kosten nur für Eheleute zu gewähren.

Überwiegend kritisch hinterfragten die Sachverständigen die derzeit geltenden Unter- und Obergrenzen beim Alter von Frauen. Der Reproduktionsmediziner Jan-Steffen Krüssel von der Universitätsfrauenklinik der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf argumentierte, dass es keinen Grund gebe, eine Übernahme der Kosten nur Frauen ab 25 Jahren zu gewähren. Ebenso sei die Obergrenze von 40 Jahren willkürlich. Jürgen Krieg argumentierte, auch Frauen über 40 Jahre könnten prinzipiell schwanger werden und ein Kind austragen. Die Frage der Erfolgswahrscheinlichkeit müsse individuell von einem Arzt beurteilt werden.

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2. Expertenstreit um Hardware-Updates

Verkehr und digitale Infrastruktur/Anhörung

Berlin: (hib/HAU) Aus Sicht von Umweltverbänden führt an verpflichtenden Hardware-Nachrüstungen bei Dieselfahrzeugen mit unzulässigen Abschalteinrichtungen kein Weg vorbei. Das wurde während einer öffentlichen Anhörung des Verkehrsausschusses zu Anträgen der FDP-Fraktion (19/1695) sowie der Fraktion Die Linke (19/1360) am Montagnachmittag deutlich. Die durch das von der Bundesregierung favorisierte Software-Update zu erreichenden 25 bis 30 Prozent Verminderung der Stickoxid-Emissionen, die aber auch nur bei optimalen Witterungsbedingungen erreichbar seien, reichten nicht aus, sagte Jens Hilgenberg vom Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND). Schließlich würden die Grenzwertüberschreitungen teils bei mehr als 100 Prozent liegen. Die Kosten für die benötigten Hardware-Updates müssten die Hersteller tragen, sagte der BUND-Vertreter.

Dorothee Saar von der Deutschen Umwelthilfe (DUH) sagte, bei Temperaturen von ein bis zwei Grad lägen die Emissionswerte mit Software-Updates sogar höher als ohne. "Software-Updates tragen nicht dazu bei, dass die Luftqualität entscheidend verbessert wird", sagte sie. Daher würden technische Nachrüstungen benötigt, die durch die Hersteller finanziert und durchgeführt werden müssten, da nur so eine korrekte Ansteuerung des SCR-Katalysators durch die von den Herstellern programmierte Motorsteuerung sichergestellt werden könne. Es gebe verfügbare Hardware-Nachrüstungen, sagte Saar. Die DUH gehe von Kosten in Höhe von 1.500 Euro pro Fahrzeug aus.

Widerspruch gab es dazu von Professor Thomas Koch vom Karlsruher Institut für Technologie, Mitautor einer Studie, wonach Hardware-Nachrüstungen technisch kompliziert und teuer seien. Eine feldfähige Hardware-Lösung existiere derzeit nicht, sagte Koch. Die schnellste Wirkung, um die Stickoxid-Emissionen zu reduzieren, werde mit einem Software-Update erreicht, sagte er. Nachrüstlösungen hätten hingegen zur Folge, dass mit ihnen möglicherweise ein Sachverhalt verbessert werde, aber mehrere neue Probleme auftauchten.

Professor Georg Wachtmeister von der TU München, der in einer weiteren Studie für die Bundesregierung SCR-Katalysatoren als System für die Nachrüstung empfohlen hatte, warnte davor, zu denken, es gebe schnelle Nachrüstungen "aus der Schublade". Es werde Fahrzeuge geben, bei denen es schwierig bis unmöglich sei, einen motornahen Platz für den Katalysator und den AdBlue-Tank zu finden. Daher könne er sich spezielle Software-Lösungen für Städte vorstellen, sagte Wachtmeister.

Professor Matthias Klinger vom Frauenhofer-Institut für Verkehrs- und Infrastruktur-Systeme kritisierte die gewählten Standorte für die Emissionsmessungen. So sei etwa das Neckartor in Stuttgart nicht repräsentativ für den Luftzustand der Stadt. Je näher die Messcontainer an der Fahrbahn stünden, desto höher lägen auch die ermittelten Werte, sagte Klingner. Im Interesse schutzwürdiger Personen sei es vielmehr, Messungen in angrenzenden Kindergärten, Altenheimen, Krankenhäusern sowie Park- und Wohnanlagen durchzuführen und die Messdaten nach einem standardisierten Verfahren auszuwerten.

ADAC-Vertreter Alexander Möller warnte davor, Mobilität und Gesundheit gegeneinander auszuspielen. Ziel müsse es sein, Grenzwerte einzuhalten und Fahrverbote zu vermeiden, sagte er. Ein generelles Fahrverbot, wie es mit einer Blauen Plakette verbunden sei, lehne der ADAC ab, betonte Möller. Das Bundesverwaltungsgericht habe ohnehin lediglich lokale Fahrverbote als letztes Mittel erlaubt. Aus Sicht des ADAC-Vertreters hätten die Kommunen aber noch nicht sämtliche Möglichkeiten zur Emissionssenkung ausgeschöpft.

Hilmar von Lojewski, Vertreter des Deutschen Städtetages, sah das anders. Die Kommunen hätten sehr wohl alle Möglichkeiten ausgeschöpft, "die sie mit eigenen Mitteln darstellen können". Enttäuscht zeigte er sich von dem seitens der Bundesregierung aufgelegtem "Sofortprogramm Saubere Luft", von dem noch nicht ein Cent abgeflossen sei, weil sich die Abwicklung für die Kommunen als ausgesprochen sperrig gestalte. Der benötigte "Blanko-Scheck" für die Kommunen sei das Programm nicht, sagte Lojewski.

Frank Schmid von dem Beratungsunternehmen Schmid Mobility Solutions GmbH warnte vor einer ausschließlichen Betrachtung der Stickoxid-Emissionen. Eine nur darauf gerichtete Minderungsstrategie könne die Erhöhung anderen Emissionen zur Folge haben, sagte er.

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Quelle:
Heute im Bundestag Nr. 448 - 25. Juni 2018 - 18.11 Uhr
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veröffentlicht im Schattenblick zum 27. Juni 2018

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