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BUNDESTAG/7818: Heute im Bundestag Nr. 970 - 10.12.2018


Deutscher Bundestag
hib - heute im bundestag Nr. 970
Neues aus Ausschüssen und aktuelle parlamentarische Initiativen

Montag, 10. Dezember 2018, Redaktionsschluss: 16.53 Uhr

1. KI-Strategie im Fokus
2. Expertenmehrheit für Tabakwerbeverbot


1. KI-Strategie im Fokus

Künstliche Intelligenz - Gesellschaftliche Verantwortung und wirtschaftliche Potenziale/Ausschuss

Berlin: (hib/SCR) Die Enquete-Kommission "Künstliche Intelligenz - Gesellschaftliche Verantwortung und wirtschaftliche Potenziale" hat sich in ihrer Sitzung am Montag mit der jüngst vorgestellten Strategie der Bundesregierung zur Künstlichen Intelligenz (KI) befasst. Dazu berichteten drei Vertreter der federführenden Bundesministerien für Wirtschaft und Energie (BMWi), Bildung und Forschung (BMBF) sowie Arbeit und Soziales (BMAS).

Um Künstliche Intelligenz (KI) in Deutschland zu fördern und die Wettbewerbsfähigkeit des Landes zu sichern, will die Bundesregierung laut Strategie (19/5880) bis 2025 zirka drei Milliarden Euro zur Verfügung stellen. Die Bundesregierung geht davon aus, dass die Mittel eine Hebelwirkung in Wirtschaft, Wissenschaft und Ländern entfalten, die mindestens zu einer Verdoppelung der Mittel führen werde. In der Strategie skizziert die Bundesregierung Ziele und Handlungsfelder der kommenden Jahre. Grundlegend soll nach Willen der Bundesregierung Forschung, Entwicklung und Anwendung der KI in Deutschland und Europa auf ein "weltweit führendes Niveau" gebracht werden. "Artificial Intelligence (AI) made in Germany" solle zu einem weltweit anerkannten Gütesiegel werden, heißt es in der Strategie. Die Bundesregierung sieht als einen zweiten Zielvektor die "verantwortungsvolle und gemeinwohlorientierte Entwicklung und Nutzung von KI" an. Als dritte Zielorientierung ist in der Strategie vorgesehen, einen breiten gesellschaftlichen Dialog zu führen und die Entwicklung aktiv zu gestalten, um KI "ethisch, rechtlich, kulturell und institutionell in die Gesellschaft" einzubetten.

Oliver Wittke (CDU), Parlamentarischer Staatssekretär im BMWi, betonte die Bedeutung der Schlüsseltechnologie KI: "Wenn wir den Wohlstand steigern wollen, dann müssen wir die Entwicklung vorantreiben." "KI made in Germany" sei Teil einer europäischen Antwort auf den Wettbewerb mit China und den Vereinigten Staaten. Aus wirtschaftspolitischer Sicht bestünden "große Chancen in der KI". Die Technologie werde Treiber künftiger Produktivitätssteigerungen sein, prognostizierte der Staatssekretär. Wittke ging dabei auch auf die erwarteten Umbrüche ein: "Wir können nicht Jobs vor dem Fortschritt schützen." Wichtig sei es vielmehr, Beschäftigte zu unterstützen, sich entsprechend weiterzubilden. "Nur mit Akzeptanz wird KI erfolgreich sein", so der Christdemokrat. Wittke verwies darauf, dass die KI-Strategie der Bundesregierung unter anderem als ein Ziel formuliere, Deutschland als KI-Standort zu stärken. Bei der Grundlagenforschung sei Deutschland etwa mit dem Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz sowie Max-Planck-Instituten sehr gut aufgestellt. Problematisch sei allerdings der Transfer in die Wirtschaft sowie die Anwendungsforschung. Dazu müsse die KI-Kompetenz kleiner und mittlerer Unternehmen gestärkt werden, sagte Wittke und verwies auf entsprechende Maßnahmen der KI-Strategie.

Michael Meister (CDU), Parlamentarischer Staatssekretär im BMBF, hob hervor, dass das Ministerium schon seit 30 Jahren mit KI befasst sei. Es sei aber "sehr lange als reines Forschungsthema gesehen worden". Das habe sich inzwischen geändert. Meister stellte heraus, dass in der KI-Strategie zahlreiche Vorhaben enthalten seien, die das BMBF betreffen. Wichtig sei es unter anderem, "Talente anzulocken und in Köpfe zu investieren". Rein übers Geld werde das aber nicht gelingen, sagte der Staatssekretär mit Blick auf die privatwirtschaftliche Konkurrenz in den USA. Wichtig sei vielmehr, ansprechende Arbeitsbedingungen zu schaffen. Meister verwies zudem auf die in der Strategie angekündigten 100 neuen KI-Professuren. Dazu sei die Bundesregierung aber auf die Mitwirkung der Länder angewiesen. Neben der Schaffung dezentraler Forschungsstrukturen und der Vernetzung mit Frankreich hob Meister ebenfalls die Bedeutung des Wissenstransfers zwischen Forschung und Wirtschaft hervor.

Hubertus Heil (SPD), Bundesminister für Arbeit und Soziales, sagte, die KI-Anwendung sei noch in einer frühen Phase. Damit gebe es noch Zeit, arbeits- und sozialpolitisch zu gestalten. Das müsse die Politik auch tun, um zu verhindern, dass KI spaltend wirke. Dabei gehe es um "Chancen und Schutz im Wandel und nicht Schutz vor dem Wandel", sagte der Minister. Heil verwies auf den Fachkräftemonitor seines Hauses, nach dem bis 2025 durch den technologischen Wandel 1,3 Millionen Jobs verschwinden, aber gleichzeitig bis zu 2,1 Millionen neue Jobs entstehen könnten. Diese und andere Studien böten zwar keine absolute Gewissheit. Sie seien aber "so wahrscheinlich, dass wir uns darauf einstellen sollten". Als eine der wesentlichen, auch in der KI-Strategie benannten Herausforderungen hob Heil die Weiterbildung hervor. Dies sei zunächst Aufgabe der Unternehmen. Allerdings gebe es bei kleinen und mittleren Unternehmen Anlass zur Sorge mit Blick auf die Geschwindigkeit des Prozesses. Dabei unterstütze die Bundesregierung unter anderem mit dem jüngst beschlos senen Qualifizierungschancengesetz. Zudem muss laut Minister eine "Kultur der Weiterbildung" etabliert werden. Heil ging außerdem auf die Veränderungen der digitalen Arbeitswelt und ihre Folgen für betriebliche Mitbestimmung und Arbeitnehmerrechte ein. Die Mitgestaltung der Entwicklung durch die Beschäftigten sei wichtig für die Akzeptanz der Entwicklung, betonte Heil. Grundsätzlich dürfe es aber keine "Schnellschüsse" beim Regulieren geben, sagte der Minister. Die Bundesregierung wolle dazu "betriebliche Experimentierräume" unterstützen.

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2. Expertenmehrheit für Tabakwerbeverbot

Ernährung und Landwirtschaft/Ausschuss

Berlin: (hib/EIS) Die Einführung eines umfassenden Tabakwerbeverbots wird von Experten mehrheitlich befürwortet. In einer öffentlichen Anhörung des Ausschusses für Ernährung und Landwirtschaft am Montagnachmittag haben sich sechs von acht Sachverständige wohlwollend über einen entsprechenden Antrag der Fraktion Die Linke (19/2539) und einen Gesetzentwurf der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen (19/1878) geäußert. Die Linksfraktion forderte darin ein umfassendes Verbot aller Formen der Kino- und Außenwerbung für Tabakprodukte, ein Verbot der kostenlosen Abgabe von Tabakerzeugnissen, ein Verbot des Tabaksponsorings sowie ein Verbot des gezielt an Jugendliche gerichteten Tabakmarketings. Deutschland habe das Rahmenübereinkommen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) zur Eindämmung des Tabakgebrauchs unterzeichnet, aber nicht umgesetzt, kritisieren die Abgeordneten. Die Grünen traten ebenfalls für ein Werbeverbot für Tabakerzeugnisse, elektronische Zigaretten und Nachfüllbehälter ein und wandten sich gegen die kostenlose Abgabe von Tabakerzeugnissen. Deutschland sei das einzige Land in der EU, in dem großflächige Außenwerbung auf Plakaten oder Tabakwerbung im Kino noch immer erlaubt seien, heißt es in der Vorlage. Mit dem Gesetzentwurf sollen "vermeidbare Risiken für die menschliche Gesundheit insbesondere bei Kindern und Jugendlichen reduziert werden".

Frank Henkler-Stephani vom Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) stellte in der Anhörung fest, dass die Raucherquote mit 25 Prozent in Deutschland deutlich höher liege als in vergleichbaren Industrieländern wie den Niederlanden und Großbritannien, Der Wissenschaftler erläuterte, dass in den Vergleichsländern weitreichende Werbebeschränkungen gelten würden. Nach toxikologischen Kriterien sei die Tabakzigarette das mit Abstand risikoreichste Tabakerzeugnis. Die rund 120.000 Todesfälle im Zuge des Tabakkonsums seien im Wesentlichen auf die Tabakzigaretten zurückzuführen. Zumindest im Bereich der Zusatzstoffregulierung seien in den vergangenen Jahren wichtige Fortschritte erzielt worden, sagte der Wissenschaftler, hinsichtlich der Werbeverbote hingegen noch nicht.

Gegen ein Totalwerbeverbot wandte sich Jan Mücke vom Deutschen Zigarettenverband e.V. (DZV), denn Tabakwerbung, die sich an Kinder und Jugendliche richte, sei bereits gesetzlich verboten. Nach den Zahlen der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung sei in den letzten 15 Jahren die sogenannte Raucherprävalenz bei Kinder?n und Jugendlichen von 28 Prozent auf 7,4 Prozent gesunken. Das sei der gemeinsame Erfolg durch Aufklärung, Prävention und die strikte Anwendung von Kinder- und Jugendschutzregeln durch den Handel und die Industrie. Die fehlende Verfügbarkeit sei das beste Instrument, um den Kinder- und Jugendschutz sicherzustellen. Weil bereits jetzt ein weitreichendes Tabakwerbeverbot durchgesetzt sei, würde ein vollständiges Verbot der Werbung allerdings einen Eingriff in die Freiheitsrechte der Unternehmen darstellen, argumentierte Mücke. Ein Totalwerbeverbot wäre demnach verfassungswidrig.

Aus juristischer Sicht sprach sich Christoph Degenhart von der Universität Leipzig ebenfalls gegen ein Totalverbot aus, das er als unverhältnismäßig bewertete. Denn es gehe bei dieser Frage nicht nur um die Tabakwerbung, sondern die Vorstöße für ein Totalverbot hätten generell eine Pilotfunktion für Verbote und Reglementierungen für Produkte und Dienstleistungen, die als schädlich oder als sozial unverträglich gewertet werden. Auch wenn die Initiativen Ausdruck staatlicher Fürsorge seien, dürfe die Fürsorge nicht erdrückend wirken und im Widerspruch zur grundgesetzlichen Autonomie des Einzelnen stehen. Außerdem sei die Begründung für die Verbotserweiterung, Jugendliche schützen zu wollen, verfassungsrechtlich nicht hinreichend legitimiert, denn es gelte in dieser Hinsicht bereits ein Verbot. Degenhart bewertete ein mögliches Verbot der Außenwerbung als intensiven Grundrechtseingriff, weil auch die Werbung Ausdruck grundgesetzlicher kommunikationsrechtlicher Freiheit sei und grundrechtlich geschützt. Es sei nicht Aufgabe des Staates, einzelne Erwachsene vor sich selbst zu schützen.

Für ein umfassendes Werbeverbot sprach sich Reiner Hanewinkel vom IFT-Nord Institut für Therapie- und Gesundheitsförderung aus. Untersuchungen hätten ergeben, dass Werbung für Tabak und E-Zigaretten für Kinder und Jugendliche eine Rolle spiele. Zahlreiche Studien würden belegen, dass Tabakwerbung als eigenständiger Risikofaktor für die Initiierung des Rauchens angesehen werden müsse. Auch neue Tabaksticks und E-Zigaretten sollten nach Meinung von Hanewinkel verboten werden. Darüber hinaus müsse auch die E-Zigarettenwerbung in ihrem Einfluss auf das Verhalten der Kinder mit in die Verbotsbemühungen einbezogen werden. Auch Tobias Effertz von der Universität Hamburg stimmte den Verbotsforderungen zu. Nach Schätzung des Wissenschaftlers kosten die Folgen des Rauchens die Gesellschaft jedes Jahr 97 Milliarden Euro. Insbesondere erwachsene Raucher würden trotz der gesunkenen Raucherprävalenzen bei den Jugendlichen verstärkt weiterrauchen. Alle Sozialversicherungszweige könnten davon profitieren, wenn das Rauchen insgesamt weiter zurückgeführt werden würde. Bei der Außenwerbung und Kinowerbung handele es sich um effektive Maßnahmen zur Begünstigung und Verstetigung des Tabakrauchens bei Jugendlichen und Heranwachsenden. Die nach wie vor bestehenden Werbemöglichkeiten der Tabakindustrie hätten in den vergangenen Jahren dazu beigetragen, dass der Rückgang der Raucher in Deutschland nur sehr gering ausgefallen sei, meinte Effertz. Deshalb sollten auch die E-Zigaretten vom Werbeverbot eingeschlossen werden, denn dahinter stehe ebenfalls das Produkt Nikotin.

Daniel Kotz von der Heinrich-Heine-Universität in Düsseldorf befürwortete ebenfalls ein umfassendes Werbeverbot, das alle Formen von Werbung, Promotion und Sponsoring einbeziehen sollte sowie alle alternativen Tabakprodukte wie E-Zigaretten, Tabakerhitzer und Wasserpfeifen. Es sei leicht mit dem Rauchen anzufangen, aber unendlich schwer damit aufzuhören. Die Folgen des Tabakrauchens seien verheerend und das Rauchen der größte vermeidbare Risikofaktor für zahlreiche Erkrankungen. Nach Ansicht des Wissenschaftlers ist die Tabakwerbung eine wichtige Ursache für den anhaltend hohen Tabakkonsum in Deutschland.

Ute Mons vom Deutschen Krebsforschungszentrum in Heidelberg bezeichnete Tabakkonsum als das größte vermeidbare Krebsrisiko dieser Zeit. Allein in diesem Jahr könnten 85.000 Krebsneuerkrankungen und damit jede fünfte Krebserkrankung auf das Rauchen zurückgeführt werden. Mons sah ein Werbeverbot ebenfalls als erforderlich an, denn es gebe einen kausalen Zusammenhang zwischen Tabakwerbung und einem erhöhten Tabakkonsum. Werbung für Tabakerzeugnisse werde nicht nur von erwachsenen Rauchern, sondern auch von Jugendlichen wahrgenommen und befördere den Einstieg. Ein Außenwerbeverbot sei deshalb erforderlich und würde eine Schutzlücke schließen.

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Quelle:
Heute im Bundestag Nr. 970 - 10. Dezember 2018 - 16.53 Uhr
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veröffentlicht im Schattenblick zum 12. Dezember 2018

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