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BUNDESTAG/8167: Heute im Bundestag Nr. 302 - 20.03.2019


Deutscher Bundestag
hib - heute im bundestag Nr. 302
Neues aus Ausschüssen und aktuelle parlamentarische Initiativen

Mittwoch, 20. März 2019, Redaktionsschluss: 17.49 Uhr

1. Seehofer berichtet über Digitalvorhaben
2. Risiko für Ärzte bei Cannabistherapien
3. Anträge der Linken abgelehnt


1. Seehofer berichtet über Digitalvorhaben

Ausschuss Digitale Agenda/Ausschuss

Berlin: (hib/LBR) Der Stand der Digitalisierung im Arbeitsbereich des Bundesinnenministers Horst Seehofer (CSU) hat den Ausschuss Digitale Agenda unter Leitung von Hansjörg Durz (CSU) in seiner 29. Sitzung beschäftigt. Die über 80.000 Mitarbeiter aus seinem Geschäftsbereich seien "auch international auf der Höhe der Zeit und können mithalten", berichtete Seehofer dem Ausschuss. Er wolle dem Vorurteil vorbeugen, "dass wir immer nur hinterherhecheln". Dies könne für den Ausbau der Infrastruktur gelten, aber im Ministerium und im Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) "sind wir sehr gut aufgestellt", betonte der Minister. Ziel der Regierung sei mehr Sicherheit im Netz auf höchstem Niveau. Dafür werde das IT-Sicherheitsgesetz 2.0 in den nächsten Tagen in die Ressortanhörung gehen, damit "Sicherheitsstandards auf die Höhe der Zeit" gesetzlich angepasst würden.

Unabhängig davon werde er im Bundessicherheitsrat über die aktive Cyberabwehr als "letzte aller möglichen Maßnahmen in einem Rechtsstaat" beraten, sagte der Minister und verwies auf die Notwendigkeit, über Mittel der Abwehr wie etwa die Stilllegung von Servern oder Leitungen zu verfügen, wenn kritische Infrastrukturen wie Krankenhäuser oder Kraftwerke angegriffen würden. Dazu müsse die Diskussion wieder aufgenommen werden. Die Frage sei, wann die fünfte Stufe einsetze und wer diese auslösen solle, sagte Seehofer und merkte an, dass bei diesem Thema eine Grundgesetzänderung anstehen könne.

Auch soll die Breite der Aufgaben des BSI erhöht werden, kündigte Seehofer dem Ausschuss an. Dazu gehöre, dem Wunsch der Bevölkerung zu folgen, dass das BSI als Beratungsstelle für Fragen der IT-Sicherheit zur Verfügung stehe und zu Fragen der Daten- und Cybersicherheit sensibilisiere. Ein Vertreter des Bundesinnenministeriums ergänzte, dass durch das IT-Sicherheitsgesetz 2.0 das BSI erweiterte Möglichkeiten zum Schutz der IT des Bundes, aber auch der Infrastruktur erhalten soll. Anfallende Daten sollen so "länger als bisher gespeichert", aber auch unpseudonomisiert verarbeitet werden können. In diesem Zusammenhang solle auch ein IT-Sicherheitskennzeichen eine Rolle spielen.

Ein weiterer Schwerpunkt sei die moderne digitale Verwaltung, die dem Bürger, aber auch der Wirtschaft dienen solle. Bis 2022 sollen alle öffentlichen Dienstleistungen, 575 an der Zahl, digitalisiert und in einem Portalverbund von Bund, Ländern und Kommunen zur Verfügung stehen. "Dieses Ziel werden wir auch erreichen", kündigte Seehofer an. Ein Vertreter seines Ministeriums führte aus, dass die Betaversion des Bundes (www.beta.bund.de ) im Laufe diesen Jahres in eine reguläre Version überführt werden soll. Auch ein Nutzerkonto soll implementiert werden. Für den Portalverbund sei eine Online-Gateway zwischen den Bundesländern Hamburg, Hessen und Bayern gestartet, zu dem der Bund und das Land Berlin im April 2019 hinzustoßen werden. Danach sollen weitere Bundesländer folgen. Die 575 Services seien zudem in 14 Themenfelder aufgeteilt worden, die arbeitsteilig bearbeitet würden.

Ein Vertreter der CDU/CSU-Fraktion lobte, dass klare Prioritäten benannt wurden und fragte danach, wann mit dem Beginn der Beratungen des IT-Sicherheitsgesetzes 2.0 im Parlament zu rechnen sei. Eine Vertreterin der SPD-Fraktion interessierte sich für den Stellenaufwuchs im BSI und forderte Details dazu, ob es Probleme bei der Ausschreibung und Besetzung der Stellen gebe. Auch wie der Stand bei der Modernisierung der Register sei, wollte sie wissen.

Ob das Meldegesetz Teil des IT-Sicherheitsgesetzes 2.0 werden soll, wollte eine Vertreterin der AfD-Fraktion wissen. Sie interessierte auch, ob sich die Bundesregierung für den neuen Verschlüsselungsstandard einsetze. Die FDP-Fraktion wollte Details dazu erfahren, um welche Daten es bei den verlängerten Datenspeicherungsmöglichkeiten des neuen Gesetzes genau gehe und bat um Details zu dem IT-Sicherheitskennzeichen. Zudem interessierte sie sich für die Einschätzung des Ministeriums, ob bei einem verbreiterten Aufgabenkatalog des BSI auch ein weiterer Personalaufwuchs notwendig sei.

Eine Vertreterin der Fraktion Die Linke bemängelte, dass das IT-Sicherheitskennzeichen nicht verpflichtend sein soll. Sie fragte, ob das internetbasierte Zusammentragen und anschließende Veröffentlichen personenbezogener Daten (doxxing) in das Gesetz aufgenommen werden soll. Eine Vertreterin der Grünen fragte nach der Schutzbedürftigkeit der digitalen Kommunikation im Privaten und auch nach der Sensibilisierung von kleinen und mittleren Unternehmen für mehr Sicherheit im Netz. Vor dem Hintergrund, dass das BSI Aufgaben im Bereich Verbraucherschutz übernehmen soll, wollte sie zudem wissen, ob geplant sei, dass das BSI unabhängig ist.

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2. Risiko für Ärzte bei Cannabistherapien

Gesundheit/Anhörung

Berlin: (hib/PK) Gesundheitsexperten halten den Genehmigungsvorbehalt der Krankenkassen bei Therapien mit Medizinalcannabis für sinnvoll. Anlässlich einer Expertenanhörung des Gesundheitsausschusses des Bundestages zu dem Thema am Mittwoch machten Mediziner wie auch der Spitzenverband der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) deutlich, dass ein Verzicht auf diese Regelung für die Ärzte mit zusätzlichen Risiken verbunden wäre.

Zugleich plädierten einige Sachverständige dafür, rund zwei Jahre nach der Verabschiedung des Cannabisgesetzes die Regelungen für die Ausgabe von Cannabis zu medizinischen Zwecken in einigen Punkten anzupassen. Die Sachverständigen äußerten sich auch in schriftlichen Stellungnahmen.

Gegenstand der Anhörung waren Gesetzentwürfe der Fraktion Die Linke (19/6196) und von Bündnis 90/Die Grünen (19/5862), in denen gefordert wird, den Genehmigungsvorbehalt der Krankenkassen zu streichen. Ferner verlangt die FDP-Fraktion in einem Antrag (19/4835), die Möglichkeit zu schaffen, Medizinalcannabis in Deutschland gezielt zum Export anzubauen. Die AfD-Fraktion fordert in einem Antrag (19/8278) eine wissenschaftliche Nutzenbewertung für Medizinalcannabis analog dem Arzneimittelrecht.

Die Bundesärztekammer (BÄK) wandte sich gegen eine Streichung des Genehmigungsvorbehaltes. Cannabis in Form von Blüten und Extrakten sei nicht mit anderen Arzneimitteln zu vergleichen. So mangele es den Cannabisarzneien weiterhin an den nötigen wissenschaftlichen Wirkungsnachweisen sowie an dem Nachweis eines über bereits verfügbare Therapien liegenden Nutzens. Es handele sich auch angesichts der gebotenen Wirtschaftlichkeit um eine Ausnahmeverordnung, die eine Einzelfallgenehmigung durch die Krankenkassen rechtfertige.

Auch die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) lehnte eine Aufhebung des Genehmigungsvorbehalts ab. Die jetzige Regelung erhöhe die Sicherheit für die Ärzte, da sich diese dann nicht gegenüber den Krankenkassen in Wirtschaftlichkeitsprüfungen rechtfertigen müssten, Cannabispräparate verordnet zu haben. Nachvollziehbar sei die Forderung, dass bei einem Wechsel der Cannabissorte zur optimalen Einstellung der Patienten keine erneute Genehmigung der Kassen erforderlich sei. Eine solche Neuregelung sei in einem kommenden Gesetzentwurf vorgesehen.

Der GKV-Spitzenverband erklärte, angesichts der "enttäuschenden Evidenzlage" diene die nachrangige Versorgung mit Cannabisarzneimitteln dem Schutz der Patienten vor nicht ausreichenden Therapien. Mit der Vorabprüfung durch die Kassen könne auch sichergestellt werden, "dass die Indikationsstellung des Vertragsarztes den gesetzlichen, medizinischen und im weiteren Sinn wirtschaftlichen Anforderungen gerecht" werde.

Mehrere Sachverständige befürworteten, in Deutschland produzierten Cannabis auch für den Export vorzusehen. Dies würde die Versorgungssicherheit erhöhen, argumentierte der Mediziner Jan P. Witte. Es sei absehbar, dass die zur Produktion ausgeschriebenen Mengen nicht ausreichten, um den inländischen Bedarf zu decken.

Wie der Sachverständige Werner Sipp in der Anhörung mit aktuellen Zahlen belegte, ist die Produktion von Medizinalcannabis international in den vergangenen Jahren sprunghaft gestiegen. Hauptproduzenten seien das Vereinigte Königreich, Kanada und Israel.

Nach Ansicht der Arbeitsgemeinschaft Cannabis als Medizin (ACM) sind viele der gewünschten Veränderungen nicht in der Praxis angekommen. So erhielten immer noch zahlreiche Patienten keine Behandlung mit Cannabis, etwa, weil sie keinen Arzt fänden, der ihnen solche Medikamente verschreibe oder Lieferengpässe für Cannabisblüten eine konstante Therapie verhinderten. Auch lehnten Krankenkassen immer wieder eine Kostenübernahme ab, weil Erkrankungen nicht als schwerwiegend eingestuft würden. Dabei werde übersehen, dass nahezu alle Erkrankungen, bei denen Cannabismedizin nützlich sein könne, von leicht bis schwerwiegend eingeschätzt würden. Dieser Umstand sollte gesetzlich berücksichtigt werden.

Die Forderung, Medizinalcannabis wie andere Arzneimittel zu behandeln, sei im Ansatz richtig, aber rechtlich schwer umsetzbar, erklärte die ACM, denn Cannabis sei keine Heilpflanze wie jede andere.

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3. Anträge der Linken abgelehnt

Tourismus/Ausschuss

Berlin: (hib/WID) Der Tourismusausschuss hat am Mittwoch zwei Anträge der Linken gegen den "Abbau der Bahninfrastrukur" (19/7907) und für den "Nulltarif im Öffentlichen Nahverkehr" (19/1359) abgelehnt. Für die Antragssteller erinnerte zunächst die Abgeordnete Kerstin Kassner daran, dass das deutsche Eisenbahnnetz seit 1976 in vier Jahrzehnten um 10.000 Kilometer geschrumpft sei. Das sei ein Zustand, der nicht hingenommen werden könne, zumal da der individuelle motorisierte Verkehr an seine Grenzen stoße und die Erfahrung zeige, dass eine einmal stillgelegte Bahnstrecke kaum jemals wieder in Betrieb genommen werde.

Zur Begründung der Forderung nach kostenlosen Bussen und Bahnen machte Kassners Fraktionskollegin Sabine Zimmermann ebenfalls ökologische Gesichtspunkte geltend und meinte, eine solche Regelung wäre auch für den Tourismus gut. Zur Gegenfinanzierung schlug sie unter anderem eine Nahverkehrsabgabe von Unternehmen mit mehr als zehn Mitarbeitern vor.

Der Abgeordnete Michael Donth (CDU) hielt den Antragstellern vor, ihre Klage über ein schrumpfendes Schienennetz gehe von falschen Voraussetzungen aus. Gerade in den vergangenen Jahren habe der Bund "mehr als je zuvor" in den Ausbau der Bahninfrastruktur investiert, und dies mit Erfolg. So sei das deutsche Schienennetz mittlerweile wieder gewachsen von 33.300 auf 33.500 Streckenkilometer. Verfehlt sei auch der Wunsch der Antragsteller, der Bahn den Verkauf von Immobilien zu verbieten. In vielen Fällen habe sich der Zustand von Bahnhöfen verbessert, wenn sie etwa von Kommunen übernommen worden seien.

Den Nulltarif-Antrag der Linken nannte Donth "unrealistisch, ordnungspolitisch fragwürdig und sauteuer". Er bemängelte, dass die Antragsteller die Kosten zu 90 Prozent dem Bund aufbürden wollten, der dafür einen Betrag von jährlich 17 Milliarden Euro zu stemmen hätte. Wichtiger als Gratisfahrten nannte Donth Investitionen in die Ausweitung der Kapazitäten des Öffentlichen Nahverkehrs, damit Fahrgäste sich nicht mehr in vollgestopfte "Sardinenbüchsen" zwängen müssten.

Für die SPD wies der Abgeordnete Martin Burkert auf die hohen gesetzlichen Hürden hin, die der Stilllegung von Eisenbahnstrecken im Wege stünden. Sie sei nur dann zulässig, wenn dem Betreiber die weitere Nutzung nicht mehr zumutbar sei, kein Dritter sich zur Übernahme bereitfinde und kein Verkehrsbedarf mehr bestehe. Überdies seien die Strecken für eine spätere erneute Nutzung freizuhalten. Am Nulltarif-Antrag der Linken rügte Burkert unter anderem die unzureichende Gegenfinanzierung.

Christoph Neumann (AfD) nannte den Erhalt der Bahninfrastruktur "dringend geboten" und wandte sich gegen die Entwidmung von Strecken und den Verkauf von Bahngrundstücken nicht anders als die Antragsteller. Deren Forderungen gingen aber zu weit. Roman Müller-Böhm (FDP) wies darauf hin, dass es aus betrieblichen und verkehrswirtschaftlichen Gründen nicht sinnvoll sei, jede Strecke zu erhalten. Am Nulltarif-Antrag missfiel ihm die Forderung nach einer Nahverkehrsabgabe der Wirtschaft. Davon wären nach seinen Worten auch viele Betriebe im Tourismussektor betroffen.

Verständnis für beide Anträge äußerte allein der Grüne Markus Tressel. Der Verkauf von Bahnimmobilien an private Investoren wirke sich keineswegs in allen Fällen vorteilhaft aus, auch würden in manchen Gegenden nach wie vor Nebenstrecken stillgelegt. Unabdingbar sei auch, im Öffentlichen Nahverkehr die Zahl der Personenkilometer bis etwa 2030 zu verdoppeln.

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Quelle:
Heute im Bundestag Nr. 302 - 20. März 2019 - 17.49 Uhr
Herausgeber: Deutscher Bundestag
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veröffentlicht im Schattenblick zum 22. März 2019

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