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BUNDESTAG/8281: Heute im Bundestag Nr. 418 - 12.04.2019


Deutscher Bundestag
hib - heute im bundestag Nr. 418
Neues aus Ausschüssen und aktuelle parlamentarische Initiativen

Freitag, 12. April 2019, Redaktionsschluss: 10.03 Uhr

1. Keine personellen Folgen bei Bundeswehr
2. Zorn über Verstöße bei Beraterverträgen
3. Zeugin berichtet über Amris Umfeld


1. Keine personellen Folgen bei Bundeswehr

Verteidigung/Untersuchungsausschuss/Ausschuss

Berlin: (hib/fla) Die selbst eingestandenen Verstöße gegen Recht und Regeln bei der Vergabe von Beraterverträgen haben der Bundeswehr keinen Anlass für personelle Konsequenzen gegeben. Dazu habe es keinen Anlass gegeben, weil kein Schaden entstanden sei, meinte der Leiter der Rechtsabteilung, Andreas Conradi, als Zeuge vor dem Untersuchungsausschuss des Verteidigungsausschusses. In der Sitzung unter der Leitung von Wolfgang Hellmich (SPD) rückten auch persönliche Beziehungen zwischen den Auftraggebern in Ministerien und Truppe sowie externen Auftragnehmern in den Fokus der Abgeordneten.

Fehlerhaftes Verhalten der Verwaltung führe nicht zwangsläufig zu Konsequenzen, beschied Conradi. Er hatte im vergangenen Jahr nach der Kritik des Bundesrechnungshofes an der Vergabepraxis mit Rügen für fast alle der stichprobenartig überprüften Verträge eine interne Verwaltungsermittlung des Ministeriums geleitet. Da habe er keine Hinweise auf vorsätzliches Fehlverhalten gefunden. Es habe keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür gegeben, die zwingend die Aufnahme disziplinarischer Ermittlungen nahegelegt hätten. Auf Nachfragen ließ er offen, ob er dieser Frage näher nachgegangen war.

Ein häufiger Regelverstoß sei die fehlende Dokumentation rund um die Vergabe von Beraterverträgen gewesen. Dies erschwere, Verantwortlichkeiten nachzuspüren, war Conradis Aussage zu entnehmen.

Im Gegensatz zum Verteidigungsministerium beharrt der Bundesrechnungshof darauf, dass in einem Fall ein Schaden von gut einer Million Euro entstanden sei. Dem hielt Conradi entgegen, ein Schaden müsse in jedem Einzelfall "positiv nachgewiesen" werden. Das sei bei den fraglichen Verträgen nicht der Fall. Nicht jeder Verstoß gegen das Vergaberecht führe zu wirtschaftlichem Schaden.

Zum Untersuchungsauftrag des Ausschusses zählt auch, der Frage nachzugehen, ob Aufträge aufgrund persönlicher Beziehungen, von "Kennverhältnissen" ist die Rede, vergeben wurden. Conradi berichtete, dass im Rahmen der Verwaltungsermittlung eine Reihe von Personen vernommen worden seien, darunter die Ex-Rüstungsstaatssekretärin Katrin Suder. Dass sie solche "Kennverhältnisse" mit dem damals an Vergaben im IT-Bereich verantwortlichen Erhard Bühler und andererseits beteiligten Auftragnehmern hat, war laut Conradi rechtlich nicht zu beanstanden und habe sich auch nicht ausgewirkt. Es habe in diesem Zusammenhang keine Anhaltspunkte für sachfremde Entscheidungen gegeben. Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen beförderte Bühler inzwischen vorübergehend vom Drei- zum Viersternegeneral und entsandte ihn zeitlich begrenzt zur Nato.

Abgeordnete machten bei der Sitzung öffentlich, dass in der Verwaltungsuntersuchung, die dem Ausschuss übergeben wurde, die Vernehmung Suders nur knapp und ohne Auflistung der gestellten Fragen dokumentiert worden sei und - nur bei ihr - die Uhrzeiten geschwärzt worden seien. Ob ihre Befragung länger oder kürzer als bei den anderen über 30 Personen gedauert habe, sei mithin nicht festzustellen. Dass Suder nicht vorm Verteidigungsausschuss erscheinen und Fragen nur schriftlich beantworten wollte, gilt als Auslöser dafür, dass er die ihm grundgesetzlich gegebene Möglichkeit ausschöpfte, sich zum Untersuchungsausschuss zu erklären. Der wird Suder jetzt als Zeugin bindend vorladen.

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2. Zorn über Verstöße bei Beraterverträgen

1. Untersuchungsausschuss/Ausschuss

Berlin: (hib/fla) Mit völligem Unverständnis hat Bundeswehr-Revisor Reinhard Müller auf die zahlreichen Verstöße bei der Vergabe von Beraterverträgen reagiert: "Warum man so agiert hat, entzieht sich meinem Horizont", meinte er bei seiner Zeugenvernehmung im Untersuchungsausschuss des Verteidigungsausschusses unter der Leitung von Wolfgang Hellmich (SPD). Das Verhalten entspreche nicht dem Transparenzgedanken der öffentlichen Verwaltung. Es sei aber auch im Interesse der Beschäftigten, sich durch Transparenz vor möglichen Ermittlungen gegen sie zu schützen.

Müller war nach seinem Bekunden schon ein Dreivierteljahr vor dem Bundesrechnungshof in ähnlichen Fällen Verstößen gegen die Vergabeordnung auf die Spur gekommen. Er habe deshalb gleich nach Bekanntwerden der Rechnungshof-Kritik den Auftrag bekommen, dem Befund erneut nachzugehen. Er wies darauf hin, dabei auf das "Uraltsystem" mit der Abkürzung "EMIR" angewiesen zu sein - ein System zum elektronischen Management unter anderem der Vertrags-Vergabe. Es enthalte nur Fragmente von Informationen darüber, was geregelt worden sei, welche Papiere zu Grunde lägen und wer verantwortlich sei - und sei "gefühlt 40 bis 50 Jahre alt".

Ohnehin hat die interne Revision bei der Bundeswehr nach Müllers Darstellung nur "homöopathische Auswirkungen". Die gerade mal 25 Prüferstellen seien zum Teil nicht besetzt. Es reiche gerade mal für zwei routinemäßige Prüfvorgänge im Jahr. Müllers Schwerpunkt im Bereich Ausrüstung ist mit dem IT-Bereich genau jener Sektor, auf den auch der Bundesrechnungshof ein besonderes Augenmerk legte. Die Bundeswehr-Revisoren prüfen nach Müllers Schilderung, ob beim Abschluss der Verträge die Verwaltungsvorschriften eingehalten wurden, ob alle Unterlagen vorliegen. Sie gingen nicht Fragen nach, ob Projekte sinnvoll und zweckmäßig seien. Demgegenüber lege der Bundesrechnungshof sein besonderes Augenmerk auf Haushaltsaspekte.

Müller erläuterte das Verfahren der Revisoren: Wenn sie bei der Überprüfung der Einhaltung von Verwaltungsregeln eine Soll-Ist-Abweichung feststellen, verfassten sie dazu zunächst einen vorläufigen Bericht. Den besprächen sie zunächst mit dem betroffenen Bereich. Erst danach werde der endgültige Bericht vorgelegt.

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3. Zeugin berichtet über Amris Umfeld

1. Untersuchungsausschuss/Ausschuss

Berlin: (hib/wid) Eine Zeugin aus dem Berliner Landeskriminalamt (LKA) hat dem 1. Untersuchungsausschuss über Personen im weiteren Umfeld des Attentäters Anis Amri berichtet. In ihrer Vernehmung am Donnerstag schilderte Kriminaloberkommissarin S. D. ihre Ermittlungen gegen ein radikalislamisches Schleusernetzwerk, das in den Jahren 2014 und 2015 Jugendliche aus Berlin zur Ausreise ins Gebiet des sogenannten Islamischen Staats (IS) in Syrien bewegte. Die heute 29-Jährige war von Dezember 2014 bis Mai 2016 in der Abteilung 5 ("Staatsschutz") des Berliner LKA für die Bekämpfung radikalislamischer Kriminalität zuständig.

Zu Anis Amri, dem späteren Urheber des Terroranschlags am Berliner Breitscheidplatz, habe sie damals allerdings "keinen Bezug" gehabt, sagte die Zeugin. Sie könne sich nicht erinnern, dass Amri ihr während ihrer Tätigkeit beim Staatsschutz überhaupt bekannt geworden sei. Allerdings habe sie mit dessen engstem Freund Bilel ben Ammar zu tun gehabt, ebenso wie mit mehreren Personen, die in einem Ermittlungsvorgang des Bundeskriminalamts unter dem Codenamen "Eisbär" wegen Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat eine Rolle spielten.

Ausgangspunkt ihrer Ermittlungen war, wie die Zeugin berichtete, der Fall eines Berliner Jugendlichen, den die türkische Polizei im August 2015 beim Versuch der Ausreise nach Syrien an der Grenze aufgegriffen und nach Deutschland überstellt hatte. In der Vernehmung nannte der Junge die Tarnnamen zweier Berliner Islamisten, die den Ausreiseversuch organisiert hatten. Sie hätten ihm die Bekanntschaft mit einem 15-jährigen Mädchen aus Dortmund vermittelt, das sich nach ihren Worten ebenfalls dem IS anschließen wollte, und dem damals 16-Jährigen die Reise nach Syrien mit dem Hinweis schmackhaft gemacht, dort dürfe er anders als in Deutschland die junge Frau heiraten. In der Türkei sei er allerdings in die Hände von Menschen geraten, die drohten, ihn "abzuschlachten", ihm den Kopf abzuschneiden und seine Leiche an einem unauffindbaren Ort zu verscharren, sollte er sich einfallen lassen, an Rückkehr zu denken.

Einen der Islamisten, die den jungen Mann in Berlin bearbeitet hatten, konnte die Zeugin als Sabou Saidani identifizieren, die Schlüsselfigur in den damaligen "Eisbär"-Ermittlungen. Diese richteten sich gegen ein Trio aus Tunesien, das der Planung eines Sprengstoffanschlags verdächtig war. Saidani habe damals mehreren jungen Berlinern im Alter zwischen 14 und 17 Jahren zur Ausreise in Richtung Syrien verholfen. Ebenfalls im Schleusernetzwerk aktiv war der Konvertit Emmanuel K.-P., der den jungen Mann zur Wechselstube und später zum Flughafen begleitete. Er war freilich auch ein Informant des Berliner Landesamtes für Verfassungsschutz (LfV).

An der Durchsuchung der Berliner Seituna-Moschee, wo nach Vermutungen der Polizei damals ein Koffer mit Sprengstoff aus Tunesien angeliefert werden sollte, war die Zeugin Ende 2015 ebenso beteiligt wie an der anschließenden Vernehmung des Amri-Vertrauten Ben Ammar. Er habe den Ermittlern von seinem Freund "Anis" erzählt, mit dem er in Berlin eine Zeitlang im selben Flüchtlingsheim zusammengewohnt habe, und den er jetzt eine Woche lang in Düsseldorf besuchen wolle. Seine Mobilfunknummer hatte er unter dem Namen "Anis" im Telefon gespeichert. Sie habe allerdings keine Ahnung gehabt, wer dieser Anis war, geschweige denn, dass sie ihn als bereits polizeinotorischen Islamisten erkannt hätte, sagte die Zeugin.

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Quelle:
Heute im Bundestag Nr. 418 - 12. April 2019 - 10.03 Uhr
Herausgeber: Deutscher Bundestag
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veröffentlicht im Schattenblick zum 13. April 2019

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