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BUNDESTAG/8511: Heute im Bundestag Nr. 654 - 05.06.2019


Deutscher Bundestag
hib - heute im bundestag Nr. 654
Neues aus Ausschüssen und aktuelle parlamentarische Initiativen

Mittwoch, 5. Juni 2019, Redaktionsschluss: 15.46 Uhr

1. Gesetzespaket zu Migrationspolitik
2. Experten wollen Target-System beibehalten
3. FDP fordert freie Fahrt für Angler


1. Gesetzespaket zu Migrationspolitik

Inneres und Heimat/Ausschuss

Berlin: (hib/STO) Der Innenausschuss hat den Weg für ein Gesetzesbündel der Regierungskoalition zur Ausländerpolitik frei gemacht. Mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen von CDU/CSU und SPD verabschiedete das Gremium am Mittwoch insgesamt fünf Gesetzentwürfe der Bundesregierung zumeist in modifizierter Fassung, die am Freitag zur Schlussabstimmung auf der Tagesordnung des Bundestagsplenums stehen.

Zu dem Paket gehört unter anderem der Entwurf eines "Zweiten Gesetzes zur besseren Durchsetzung der Ausreisepflicht" (19/10047). Wie die Bundesregierung darin ausführt, kommt eine "hohe Zahl vollziehbar Ausreisepflichtiger" nicht der Verpflichtung nach, Deutschland zu verlassen. Diese müsse gegebenenfalls im Wege der Abschiebung durchgesetzt werden.

Ziel des Gesetzentwurfes ist es der Begründung zufolge, "die Zuführungsquote zu Rückführungsmaßnahmen deutlich zu erhöhen". Dazu sollen unter anderem die Voraussetzungen der Abschiebungshaft verändert werden. So ist laut Bundesinnenministerium vorgesehen, die Voraussetzungen für Sicherungshaft abzusenken, um ein Untertauchen zu verhindern. Ferner soll den Angaben zufolge die sogenannte Vorbereitungshaft auf Gefährder ausgeweitet werden. Neu eingeführt werden soll zudem eine "Mitwirkungshaft". Sie soll eine Vorführung aus der Haft ermöglichen, wenn der Ausländer bestimmten Anordnungen zur Mitwirkung bei der Identitätsklärung keine Folge leistet. Darüber hinaus enthält der Gesetzentwurf eine Klarstellung im Rahmen des Ausreisegewahrsams, dass das Kriterium Fluchtgefahr nicht vorliegen muss.

Zusätzlich zu den "bisherigen knapp 487 speziellen Abschiebungshaftplätzen" sollen zudem durch ein vorübergehendes Aussetzen des Trennungsgebots von Abschiebungs- und Strafgefangenen bis zu 500 weitere Plätze in Justizvollzugsanstalten für den Vollzug der Abschiebungshaft genutzt werden können, wie aus dem Gesetzentwurf weiter hervorgeht.

Darüber hinaus soll einem Ausländer nach Ablauf der Frist zur freiwilligen Ausreise der Termin einer geplanten Abschiebung nicht angekündigt werden dürfen, um ein Untertauchen des Betreffenden zu verhindern. Informationen zum konkreten Ablauf einer Abschiebung werden in dem Gesetzentwurf strafrechtlich als Geheimnis eingestuft. Machen Amtsträger oder "besonders verpflichtete Personen" dem Abzuschiebenden oder Dritten solche Informationen zugänglich, können sie sich demnach strafbar machen und andere Personen wegen Anstiftung oder Beihilfe belangt werden.

Eingeführt werden soll laut Vorlage auch eine neue Duldungskategorie "für Personen mit ungeklärter Identität". Sie soll Ausreisepflichtigen erteilt werden, deren Abschiebung aus von ihnen zu verantwortenden Gründen nicht vollzogen werden kann, etwa weil sie ihrer Passbeschaffungpflicht nicht nachkommen oder über ihre Identität oder Staatsangehörigkeit täuschen. Die Betreffenden sollen den Angaben zufolge keine Erwerbstätigkeit aufnehmen dürfen; auch soll eine Wohnsitzauflage ausgesprochen werden können.

Außerdem soll die Verletzung von Mitwirkungspflichten während des Asylverfahrens künftig in größerem Umfang als bisher zu Leistungseinschränkungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz führen können. Des Weiteren ist eine Überarbeitung des Ausweisungsrechts geplant, mit der "auch Sozialleistungsbetrug und Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz zu einer Ausweisung führen können, soweit diese zu einer rechtskräftigen Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr geführt haben".

Asylbewerber, bei denen feststeht, dass Deutschland nicht für die Prüfung des Asylantrags zuständig ist, und deren Überstellung durchgeführt werden kann, sollen nach dem Willen der Bundesregierung künftig nur noch Anspruch auf eingeschränkte Leistungen haben. "Vollziehbar ausreisepflichtige Ausländer, denen bereits in einem anderen EU-Mitgliedstaat internationaler Schutz zuerkannt wurde, der fortbesteht, haben nur noch Anspruch auf Überbrückungsleistungen", heißt es in der Vorlage weiter.

Mit den Stimmen von CDU/CSU und SPD nahm der Ausschuss zudem einen Änderungsantrag der Koalitionsfraktionen an, wonach zur Ergreifung eines abzuschiebenden Ausländers dessen Wohnung von der zuständigen Behörde betreten werden kann. Auch soll ein ausreisepflichtiger Ausländer in Ausreisegewahrsam genommen werden können, wenn er die Frist zur Ausreise um mehr als 30 Tage überschritten hat. Ferner vorgesehen ist unter anderem, dass erwachsene Asylbewerber ohne Kinder bis zu eineinhalb Jahren in Erstaufnahmeeinrichtungen wohnen sollen.

In der Ausschusssitzung betonte die CDU/CSU-Fraktion, mit den Änderungen werde ein guter Gesetzentwurf der Bundesregierung noch besser. Damit würden die Möglichkeiten der Rechtdurchsetzung bei Abschiebungen verbessert.

Die SPD-Fraktion warb dafür, den Gesetzentwurf im Zusammenhang mit den weiteren Vorlagen des Gesamtpaketes zu betrachten, zu dem auch Regelungen etwa zur Einwanderung von Fachkräften aus Drittstaaten zählen.

Die AfD-Fraktion äußerte Kritik an einer Reihe von Einzelregelungen des Gesetzesentwurfs. Unter anderem monierte sie dabei, dass einzelne Bestimmungen widersprüchlich seien.

Die FDP-Fraktion bescheinigte der Vorlage, auch Verbesserungen zu enthalten. Dennoch sei sie kein "Musterbeispiel guter Gesetzgebung" und bleibe Stückwert. "Das ist zu wenig", bemängelte die Fraktion.

Die Fraktion Die Linke beklagte, dass das Vorhaben der Regierungskoalition "drastische" Gesetzesverschärfungen beinhalte. Betroffen davon seien die Schwächsten der Gesellschaft.

Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen verurteilte den Gesetzentwurf ebenfalls scharf. Sie kritisierte, die Vorlage der Regierungskoalition stoße nicht nur auf verfassungsrechtliche Bedenken.

Zu dem vom Ausschuss verabschiedeten Gesetzespaket, über das der Bundestag am Freitag abschließend berät, gehören auch die Regierungsentwürfe eines Fachkräfteeinwanderungsgesetzes (19/8285), eines Gesetzes über Duldung bei Ausbildung und Beschäftigung (19/8286) und eines Zweiten Datenaustauschverbesserungsgesetzes (19/8752), zu denen der Innenausschuss jeweils Änderungsanträge der Koalitionsfraktionen annahm, sowie der Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Entfristung des Integrationsgesetzes (19/8692). Den beiden letztgenannten Vorlagen stimmten im Ausschuss neben den Koalitionsfraktionen auch die AfD zu.

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2. Experten wollen Target-System beibehalten

Finanzen/Anhörung

Berlin: (hib/HLE) Sachverständige, Bankenverbände und die Deutsche Bundesbank haben zu mehr Gelassenheit in der Diskussion um die sogenannten Target2-Salden im Europäischen Währungssystem aufgerufen. In einer öffentlichen Anhörung des Finanzausschusses am Mittwoch unter Leitung der Vorsitzenden Bettina Stark-Watzinger (FDP) erklärte Isabel Schnabel, Professorin für Finanzmarktökonomie an der Universität Bonn und Mitglied des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung: "Unserer Meinung nach sind keine umfassenden Reformen des Target-Systems erforderlich, da von diesem System keine wesentlichen Risiken für den deutschen Steuerzahler ausgehen." Die Diskussion über die Target-Salden sei durch Missverständnisse und Fehldarstellungen geprägt, was zu einer Überschätzung der Risiken aus den Target-Salden in der deutschen Öffentlichkeit geführt habe, beklagte die Wissenschaftlerin, die erwartet, dass sich die Target-Salden im Zuge einer weniger expansiven Geldpolitik weiter reduzieren werden.

Grundlage der Anhörung waren zwei Anträge von Oppositionsfraktionen. So will die FDP-Fraktion (19/6416) durch eine Vertiefung der europäischen Kapitalmarktunion eine Verringerung der Target-Salden in der Eurozone erreichen. Die deutschen Forderungen innerhalb des Systems würden sich derzeit auf rund 900 Milliarden Euro belaufen, während einzelner Schuldnerländer teilweise Verbindlichkeiten von mehr als 400 Milliarden Euro hätten. Die FDP-Fraktion fordert, dass Banken für das Halten von Staatsanleihen Eigenkapital vorhalten müssen; die Verbindung von Staaten und Banken soll durch Großkreditobergrenzen begrenzt werden. Die AfD-Fraktion fordert in ihrem Antrag (19/9232) eine umfassende Besicherung von Target-Forderungen durch Vermögensgegenstände inklusive Gold und Goldforderungen. Damit sollen insbesondere die sich aus den Target-Forderungen der Bundesbank ergebenden Risiken abgesichert werden. Durch Vermeidung einer Insolvenz beziehungsweise einer bilanziellen Überschuldungssituation der Bundesbank sollen so Einnahmeausfälle oder Nachschusspflichten für den Bundeshaushalt vermieden werden.

Schnabel bezeichnete die dem AfD-Antrag zugrundeliegenden Analysen als fehlerhaft. So würden unter anderem Brutto- und Nettogrößen verglichen. Zu den in beiden Anträgen vorhandenen Warnungen vor den Folgen des Austritts eines Eurolandes aus der Währungsunion sagte Schnabel, dies sei der "Ausfall" einer "Forderung", die die Deutsche Bundesbank zu nichts berechtige. Da die "Forderung" die Deutsche Bundesbank zu nichts berechtige, hätte dieser Ausfall selbst keine betriebswirtschaftlichen Folgen. Der Wert der "Forderung" sei Null, so Schnabel. Dirk Ehnts (Technische Universität Chemnitz) bezeichnete Target2-Salden als reine Buchungsposten, aber keine Schulden. Daher müssten diese auch nicht mit Sicherheiten unterlegt werden.

Wie Schnabel erklärte auch die Deutsche Bundesbank in ihrer Stellungnahme die Entwicklung der Target-Salden seit 2015 nicht zuletzt mit den Effekten der technischen Abwicklung der Wertpapierankauf-Programme. Zu Target2 selbst hieß es in der Bundesbank-Stellungnahme, dieses System sichere den freien Fluss von Zentralbankgeld im gesamten Euroraum und unterstütze damit die Transmission der Geldpolitik, gut funktionierende Finanzmärkte, die Wirtschaftstätigkeit und die Finanzstabilität. "Es ist daher ein unverzichtbarer Bestandteil unserer Währungsunion", so die Bundesbank, die eine Besicherung der Target2-Salden zum Beispiel mit Gold als unnötig bezeichnete.

In der Stellungnahme von drei großen Bankenverbänden hieß es, seit dem Ende der Nettokäufe von Staatsanleihen durch die Europäische Zentralbank im Dezember 2018 hätten sich auch die Target-Salden wieder leicht zurückgebildet. "Unmittelbarer Reformbedarf für den grundsätzlichen Umgang mit den Target2-Salden ergibt sich aus Sicht der tragenden Säulen der deutschen Kreditwirtschaft daher nicht, hieß es in der gemeinsamen Stellungnahme des Deutschen Sparkassen- und Giroverbands, des Bundesverbands der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken sowie des Bundesverbands öffentlicher Banken Deutschlands. Ähnlich argumentierte der Bundesverband deutscher Banken, der die Target2-Salden als eine Art eingebauter Stabilisator für Zahlungsbilanzprobleme bezeichnete.

Gerhard Schick (Bürgerbewegung Finanzwende) kritisierte, es sei zu lange der Eindruck erweckt worden, dass es eine innereuropäische Umverteilung gebe. Das stimme aber nicht. Als zentrale Herausforderung bezeichnete es Schick, dass man sich elf Jahre nach der Finanzkrise immer noch mit der Stabilität von Banken befassen müsse.

Stefan Kooths vom Institut für Weltwirtschaft in Kiel erklärte, es habe eine massive Zahlungsbilanzfinanzierung durch das Eurosystem stattgefunden. Dabei seien Marktmechanismen außer Kraft gesetzt worden. Um der Target2-Problematik wirksam zu begegnen, müsse die Widerstandsfähigkeit der Geschäftsbanken im Euroraum und insbesondere die nationale Segmentierung der Bankenmärkte überwunden werden. Hierzu gehören erster Linie, den Nexus zwischen Geschäftsbanken und Solvenz der Staaten ihrer jeweiligen Sitzländer zu überwinden.

Nach Ansicht von Professor Philipp Bagus müssen die Target2-Forderungen ökonomisch gesehen als Geschenke betrachtet werden, da ein Kredit ohne Laufzeit ein Geschenk sei. Die Target2-Forderungen würden auch keine deutschen Ersparnisse darstellen, weil sie nicht einbringbar seien. "Wem die Interessen der deutschen Bürger, vor allem Sparer und Geldnutzer, zweitrangig sind und wer in erster Linie an der Verwirklichung einer Transferunion interessiert ist, für den sind die monetäre Umverteilung und die Target2-Salden ohnehin unproblematisch", erklärte Bagus mit Blick auf die anderen Stellungnahmen. Als Verbesserung des AfD-Antrages empfahl er, nur noch Gold und Goldforderungen als Sicherheit zuzulassen und am besten gleich einen "Goldeuro" einzuführen.

Ein Sprecher der CDU/CSU-Fraktion kritisierte massiv, dass die Europäische Zentralbank ihre Teilnahme an der öffentlichen Anhörung kurzfristig abgesagt habe.

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3. FDP fordert freie Fahrt für Angler

Ernährung und Landwirtschaft/Antrag

Berlin: (hib/EIS) Die FDP-Fraktion fordert die Bundesregierung dazu auf, Angler den Jägern, Imkern und berufsmäßigen Fischern gleichzustellen. Dazu legen die Abgeordneten einen Antrag (19/10617) vor, der Anglern im Besitz eines gültigen Fischereischeins bei der Ausübung ihrer Tätigkeit erlauben soll, die Zusatzzeichen Z 1026-36 "Landwirtschaftlicher Verkehr frei" und Z 1026-38 "Land- und forstwirtsch. Verkehr frei" zu passieren. Die Liberalen begründen die Forderung damit, dass Angelvereine und ihre Mitglieder viel für den angewandten Naturschutz leisten würden. Viele Gewässer wären ohne Angler in einem schlechten Zustand. Angler sollen deshalb bei der Ausübung ihrer Tätigkeit in Zukunft ebenfalls unter den fischereiwirtschaftlichen Verkehr und damit den landwirtschaftlichen Verkehr im Sinne des Straßenverkehrsrechts fallen.

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Quelle:
Heute im Bundestag Nr. 654 - 5. Juni 2019 - 15.46 Uhr
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veröffentlicht im Schattenblick zum 7. Juni 2019

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