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BUNDESTAG/9389: Heute im Bundestag Nr. 079 - 15.01.2020


Deutscher Bundestag
hib - heute im bundestag Nr. 79
Neues aus Ausschüssen und aktuelle parlamentarische Initiativen

Mittwoch, 15. Januar 2020, Redaktionsschluss: 17.10 Uhr

1. Anerkennung als NS-Opfergruppe


1. Anerkennung als NS-Opfergruppe

Kultur und Medien/Ausschuss

Berlin: (hib/AW) Menschen, die während des Nationalsozialismus als sogenannte "Asoziale" und "Berufsverbrecher" verfolgt wurden, sollen als NS-Opfergruppe anerkannt werden. Einen entsprechenden gemeinsamen Antrag der CDU/CSU- und der SPD-Fraktion (19/14342) verabschiedete der Kulturausschuss am Mittwoch ohne Gegenstimmen. Lediglich die AfD-Fraktion enthielt sich der Stimme. Abgelehnt wurden hingegen mit der Stimmenmehrheit der Koalitionsfraktionen ähnliche Anträge der Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen (19/7736), der FDP-Fraktion (19/8955) und der Linksfraktion (19/14333).

In ihrem Antrag fordern Union und Sozialdemokraten die Bundesregierung auf, die beiden Opfergruppen stärker in das öffentliche Bewusstsein zu rücken und ihnen einen angemessen Platz im staatlichen Erinnern zu verschaffen. So soll eine Ausstellung in Auftrag gegeben werden, die an verschiedenen Orten in der Bundesrepublik gezeigt werden soll, Forschungsarbeiten finanziert und KZ-Gedenkstätten und Dokumentationszentren unterstützt werden, um das Schicksal dieser Menschen zu präsentieren. Zudem sollen die als "Asoziale" und "Berufsverbrecher" Verfolgten explizit in die nicht abschließende Aufzählung der Leistungsempfänger der Richtlinie der Bundesregierung über Härteleistungen an Opfer von nationalsozialistischen Unrechtmaßnahmen aufgenommen werden.

Die Union begrüßte, dass bei allen Differenzen zwischen den vorliegenden Anträgen Einigkeit darüber bestehe, dass kein Mensch zu Recht in einem Konzentrationslager inhaftiert worden sei - auch dann nicht, wenn sich dieser einer Straftat schuldig gemacht haben sollte. Die Einstufung als "Asozialer" oder "Berufsverbrecher" sei ein Stigma gewesen, das auch nach dem Ende des Nationalsozialismus noch jahrzehntelang nachgewirkt habe. In diesem Sinne argumentierte auch die SPD. Neben der Zahlung von Entschädigungen und der historischen Aufarbeitung der Verfolgung der sogenannten "Asozialen" und "Berufsverbrecher" müsse es darum gehen, diesen Menschen und ihren Familien ihre Würde zurückzugeben.

Die AfD wies eine pauschale Anerkennung der beiden Gruppen als NS-Opfer zurück. Dies sei angesichts des Umstandes, dass viele "Asoziale" und "Berufsverbrecher" in den Konzentrationslagern als sogenannte "Kapos" und "Funktionshäftlinge" schwerste Verbrechen im Auftrag der SS an anderen Häftlingen begangen hätten, nicht angemessen. Sie verwies darauf, dass andere Opfergruppen die sogenannten "Asozialen" und "Berufsverbrecher" aus diesem Grund nach dem Zweiten Weltkrieg nicht als Leidensgenossen anerkannt hätten.

Die FDP wies darauf hin, dass es überfällig sei, dass das Schicksal der beiden vergessenen Opfergruppen 75 Jahre nach Ende des Nationalsozialismus gewürdigt werde. Deshalb sei es zu begrüßen, dass alle Fraktionen mit Ausnahme der AfD-Fraktion entsprechende Anträge vorgelegt hätten. Die Liberalen plädierten zugleich für eine möglichst weitgehende Entschädigung der noch lebenden Opfer.

Die Grünen wiesen darauf hin, dass ihre Fraktion bereits im Februar vergangenen Jahres als erste einen entsprechenden Antrag vorgelegt habe, der von der Koalition aufgegriffen worden sei. Sie monierten zugleich, dass es seitdem jedoch nicht möglich gewesen sei, zu einem überfraktionellen Antrag zu kommen. Dies sei am Widerstand der Union gescheitert. Angesichts der Tatsache, dass wieder Rechtsextremisten im Bundestag vertreten seien, sei die Chance für ein starkes Zeichen vertan worden.

Auch die Linksfraktion kritisierte, dass es trotz aller Bemühungen zu keinem überfraktionellen Antrag gekommen sei. Die Anerkennung der sogenannten "Asozialen" und "Berufsverbrecher" als NS-Opfer sei überfällig. Bis heute habe keine historische Aufarbeitung der sozial-rassistischen Verfolgung durch die Nationalsozialisten stattgefunden, von der ganze Bevölkerungsgruppen betroffen gewesen seien.

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Quelle:
Heute im Bundestag Nr. 79 - 15. Januar 2020 - 17.10 Uhr
Herausgeber: Deutscher Bundestag
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veröffentlicht im Schattenblick zum 18. Januar 2020

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