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BUNDESTAG/9450: Heute im Bundestag Nr. 140 - 31.01.2020


Deutscher Bundestag
hib - heute im bundestag Nr. 140
Neues aus Ausschüssen und aktuelle parlamentarische Initiativen

Freitag, 31. Januar 2020, Redaktionsschluss: 09.56 Uhr

1. Amris missglückter Ausreiseversuch
2. Rechnungshof kritisiert Ministerium
3. Geschlechtsunterschiede berücksichtigen


1. Amris missglückter Ausreiseversuch

1. Untersuchungsausschuss/Ausschuss

Berlin: (hib/WID) Zwei Beamtinnen der Bundespolizei haben dem 1. Untersuchungsausschuss ("Breitscheidplatz") über ihre Rolle beim gescheiterten Ausreiseversuch des späteren Attentäters Anis Amri im Sommer 2016 berichtet. Es sei ihnen darum gegangen, zu verhindern, dass ein erkannter islamistischer Gefährder unkontrolliert in Europa herumfahren und womöglich als Dschihadist nach Syrien gelangen könne, sagten Polizeidirektorin Julia Buchen und Kriminalhauptkommissarin Jana Seeber in der öffentlichen Sitzung am Donnerstag. Amri war am 30. Juli 2016 kurz nach Mitternacht in Friedrichshafen von Beamten der Bundespolizei aus einem Flixbus geholt und an der beabsichtigten Weiterreise nach Zürich gehindert worden.

Die Zeugin Buchen hatte damals in der Bundespolizeidirektion Stuttgart nächtlichen Bereitschaftsdienst als "Entscheidungsbeamtin" für knifflige Fälle, die auch in Abwesenheit der hauptamtlich Verantwortlichen einer raschen Lösung bedurften. Nach eigenen Worten war sie es, die nach einigen Telefonaten mit der unmittelbar zuständigen Bundespolizeiinspektion Konstanz und dem Bundespolizeipräsidium in Potsdam schließlich anordnete, Amri nach Paragraph 46 Absatz 2 Aufenthaltsgesetz die Ausreise zu verwehren. "Mir war wichtig, dass Amri nicht unkontrolliert in ein Nachbarland ausreist, sondern kontrolliert an die Landespolizei übergeben wird", begründete sie vor dem Ausschuss ihre Entscheidung.

Nach Aktenlage wurde Amri um 0.11 Uhr in Friedrichshafen aus dem Bus geholt. Um 0.46 Uhr erreichte die Zeugin Buchen zu Hause ein Anruf aus ihrer Dienststelle, mit dem sie über den Fall unterrichtet und zugleich über die Erkenntnisse der Sicherheitsbehörden zur Person Amris informiert wurde. Der Mann, sagte sie, habe ein Straftatenregister aufzuweisen gehabt, das "mir immer noch eine Gänsehaut verschafft". Die Beamten in Friedrichshafen hatten bei Amri einen gefälschten italienischen Personalausweis gefunden sowie, eingenäht in eine Jacke, auf den zweiten Blick noch einen weiteren. Für sie sei damit klar gewesen, sagte Buchen, dass Amri "kein normaler Reisender" war.

Mit dem Dienstgruppenleiter der Polizeiinspektion in Konstanz führte die Zeugin noch eine längere Diskussion über die Rechtsgrundlagen einer möglichen Ausreiseuntersagung. Als Handhabe kam Amris Status als eingestufter islamischer Gefährder in Frage, was der Konstanzer Kollege indes nicht für gerichtsfest gehalten habe. Der einfachere Weg sei gewesen, Amri die Weiterreise zu verwehren, weil er keinen gültigen Ausweis besaß: "Meine Motivation, Amri im Land zu behalten, war nicht, ihn zwingend im Land zu behalten, sondern präventionspolizeilich zu verhindern, dass Amri nach Syrien ausreist, sich als Terrorist ausbilden lässt, nach Deutschland zurückkehrt oder in Italien einen Anschlag begeht." Dazu bestehe seit 2014 auch eine völkerrechtliche Verpflichtung durch eine einschlägige Resolution des UN-Sicherheitsrats.

Auch die Zeugin Seeber hatte damals Nachtschicht als Sachbearbeiterin im Führungs- und Lagedienst des Bundespolizeipräsidiums. Sie hatte Amri seit Dienstbeginn um 18.30 Uhr auf dem Schirm, nachdem das Berliner Landeskriminalamt am Nachmittag entdeckt hatte, dass er sich in südlicher Richtung bewegte, und seine Reiseroute verfolgte. In mehreren Telefonaten mit dem Dienstgruppenleiter in Konstanz drängte auch Seeber darauf, ihm die Ausreise zu verwehren, da die Gefahr nicht auszuschließen sei, dass er nach Syrien in den Dschihad strebte.

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2. Rechnungshof kritisiert Ministerium

2. Untersuchungsausschuss/Ausschuss

Berlin: (hib/CHB) Vertreter des Bundesrechnungshofs haben ihre Kritik am Bundesverkehrsministerium wegen der Umsetzung der Infrastrukturabgabe für Personenkraftwagen bekräftigt. Bei der öffentlichen Zeugenvernehmung des 2. Untersuchungssausschusses ("PKW-Maut") standen am Donnerstag haushalts- und vergaberechtliche Bedenken im Zentrum, die der Bundesrechnungshof bereits zuvor in einem Bericht vorgetragen hatte.

"Über das endgültige Angebot hätte nicht mehr verhandelt werden dürfen", sagte Werner Pelzer, Ministerialrat im Bundesrechnungshof und dort Prüfungsgebietsleiter für die PKW-Maut, in der vom Ausschussvorsitzenden Udo Schiefner (SPD) geleiteten Sitzung. Mit seiner Aussage bezog er sich darauf, dass das Verkehrsministerium nach Abgabe des endgültigen Angebots durch die Bietergemeinschaft aus Kapsch TrafficCom und CTS Eventim weitere Gespräche mit den Bietern geführt und sie zur Abgabe eines zweiten finalen Angebots aufgefordert hatte.

"Das ist vergaberechtlich nicht zulässig", sagte auch Romy Moebus, Leiterin der für Verkehr und Infrastruktur zuständigen Abteilung V des Bundesrechnungshofs. In diesen nach Abgabe des endgültigen Angebots geführten Verhandlungen seien die Mindestanforderungen geändert worden. Deshalb, sagten Moebus und Pelzer in getrennten Vernehmungen, hätte das Ministerium das Verfahren zurücksetzen und den zuvor ausgestiegenen Bietern die Möglichkeit geben müssen, sich wieder am Verfahren zu beteiligen. Zwar gebe es die Möglichkeit, aus schwerwiegenden Gründen nachzuverhandeln. "Das Ministerium", sagte Moebus, "hat aber keine schwerwiegenden Gründe vorgebracht."

Ministerialdirektor Reinhard Klingen, Leiter der Zentralabteilung im Bundesverkehrsministerium, widersprach im Anschluss dieser Darstellung. "Es wurden Aufklärungsgespräche und Verhandlungen mit den verbliebenen Bietern geführt, die im rechtlichen Sinne keine Nachverhandlungen waren", sagte Klingen. Im späteren Verlauf der Vernehmung modifizierte er diese Aussage: Konfrontiert mit Paragraf 17 der Vergabeverordnung, wonach Verhandlungen über endgültige Angebote unzulässig sind, sprach er nur noch von "Aufklärungsgesprächen" zwischen Ministerium und Konsortium.

Allerdings machte Klingen darauf aufmerksam, dass er die Zentralabteilung erst seit Ende Juli 2019 leitet. Mehrmals erklärte er deshalb im Laufe der Vernehmung: "Ich habe zu dieser Frage keine persönliche Wahrnehmung." Wenig Erhellendes konnte er auch zur Frage beitragen, wie genau das Ministerium zur Einschätzung kam, das Risiko eines negativen Urteils des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) sei gering. Der EuGH entschied bekanntlich im Juni 2019, die PKW-Maut in der beschlossenen Form sei nicht vereinbar mit EU-Recht, da sie ausländische Fahrzeughalter benachteilige.

Das Ministerium habe dieses Risiko "nicht in dokumentierter Form betrachtet", kritisierte Rechnungshofsprüfer Pelzer. "Wir haben nirgendwo gesehen, dass sich das Ministerium mit dem Risiko auseinandergesetzt hat." Dem widersprach eine Mitarbeiterin des Bundesverkehrsministeriums, die nicht als Zeugin geladen war, der aber vom Ausschussvorsitzenden das Wort erteilt wurde. Sie wies auf ein Dokument in den dem Ausschuss zur Verfügung gestellten Akten hin, das nach ihren Angaben belegt, dass das Ministerium das Risiko einer negativen EuGH-Entscheidung fortlaufend berücksichtigte.

Auch zu haushaltsrechtlichen Fragen äußerten sich die Vertreter des Bundesrechnungshofs. Es seien ihnen keine anderen Vergabeverfahren bekannt, in denen die Angebotssumme der Bieter um ein Drittel heruntergehandelt worden sei, erklärten sie übereinstimmend in getrennten Befragungen. Bei der PKW-Maut wurde die Angebotssumme von rund drei Milliarden Euro in den Endverhandlungen auf rund zwei Milliarden Euro reduziert. Erst dadurch wurde es möglich, die Verpflichtungsermächtigung des Bundestags einzuhalten.

Mehrere Fraktionen fragten zudem nach der Kooperationsbereitschaft des Verkehrsministeriums bei der Prüfung durch den Bundesrechnungshof. "Wer freut sich schon, wenn der Bundesrechnungshof kommt?", antwortete Moebus. Es sei vorgekommen, dass trotz rechtzeitiger Ankündigung des Besuchs durch die Prüfer kein Computer im Büro gestanden habe und kein Zugang zum Laufwerk gewährleistet gewesen sei.

Als "verbesserungswürdig" bezeichnete auch Prüfungsgebietsleiter Pelzer die Kooperation mit dem Verkehrsministerium. Fragen, wie sich die mangelnde Kooperationsbereitschaft konkret geäußert habe, beantwortete er unter Verweis auf die Vertraulichkeit entsprechender interner Vermerke nicht. Das Angebot des Ausschussvorsitzenden Schiefner, sich zu diesem Aspekt in nicht öffentlicher Sitzung zu äußern, lehnte der Vertreter des Bundesrechnungshofs ab.

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3. Geschlechtsunterschiede berücksichtigen

Gesundheit/Antwort

Berlin: (hib/PK) Die Berücksichtigung geschlechtsspezifischer Besonderheiten kann nach Ansicht der Bundesregierung in der Medizin einen wesentlichen Beitrag zur Verbesserung der Versorgung und Patientensicherheit leisten. Seit 2015 seien die gesetzlichen Krankenkassen dazu verpflichtet, diese Besonderheiten zu berücksichtigen, heißt es in der Antwort (19/16769) der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage (19/16409) der FDP-Fraktion.

Zudem gehe es darum, eine geschlechtssensible Gesundheitsversorgung zu stärken. Dazu bedürfe es neben der Erweiterung des Wissens über frauen- und männerspezifische Erkrankungen auch der Entwicklung geschlechtsspezifischer Versorgungskonzepte. Grundsätzlich sinnvoll sei beispielsweise die Erforschung genderspezifischer Arzneimittelwirkungen und Nebenwirkungen.

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Quelle:
Heute im Bundestag Nr. 140 - 31. Januar 2020 - 09.56 Uhr
Herausgeber: Deutscher Bundestag
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veröffentlicht im Schattenblick zum 1. Februar 2020

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