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BUNDESTAG/9809: Heute im Bundestag Nr. 502 - 14.05.2020


Deutscher Bundestag
hib - heute im bundestag Nr. 502
Neues aus Ausschüssen und aktuelle parlamentarische Initiativen

Donnerstag, 14. Mai 2020, Redaktionsschluss: 09.38 Uhr

1. Sorge um Rechtsstaatlichkeit in Ungarn
2. Nachhaltiger Weg aus der Corona-Krise
3. Verluste sollen verrechnet werden
4. Koalitionsantrag zu sauberem Wasser
5. Mehr Einsatz für sauberes Trinkwasser
6. Linke: Vier Milliarden Euro Soforthilfe


1. Sorge um Rechtsstaatlichkeit in Ungarn

Menschenrechte/Ausschuss

Berlin: (hib/SAS) Mit Sorge beobachtet die Bundesregierung die jüngsten Einschränkungen der Meinungs- und Pressefreiheit in Ungarn. Die im Kampf gegen die Corona-Pandemie vom Parlament gebilligten Notstandsgesetze, welche vor allem das Regieren per Dekret ohne zeitliche Befristung erlauben und Strafen für das Verbreiten falscher oder die Wahrheit verzerrender Nachrichten vorsehen, stelle eine weitere Beschneidung von Rechtsstaat und Demokratie dar, sagte eine Vertreterin der Bundesregierung am Mittwochnachmittag im Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe.

Wie "groß das Problem" sei, zeige auch die einhellig kritische Bewertung "aller EU-Institutionen sowie des Europarates" zu den Notstandsgesetzen, so die Regierungsvertreterin. Nicht minder kritisch zu sehen sei auch, dass die von Präsident Viktor Orbán geführte Regierung im Zuge der jüngsten Haushaltsumgestaltung den Parteien die Hälfte der staatlichen Förderung entzogen habe. "Die Halbierung der Parteienfinanzierung in einem Land, in der die Opposition so unter Druck steht wie in Ungarn, ist ein weiterer Punkt, den wir mit Sorge betrachten", betonte die Vertreterin des Auswärtigen Amtes.

Ähnlich unter Druck seien auch die Medien in Ungarn: Die Eigentumskonzentration nehme zu, inzwischen stünden "480 unterschiedliche Medien" unter der Kontrolle der 2018 geschaffenen, regierungsnahen Stiftung KESMA. Unabhängige Medien würden immer mehr "ins Internet gedrängt", sagte die Regierungsvertreterin. Die Berichterstattung sei stark polarisiert, regierungs- und oppositionsnahe Medien beschuldigten sich gegenseitig der "tendenziösen Berichterstattung". Laut der Nichtregierungsorganisation Freedom House seien ungarische Medien so nur noch "teilweise frei". "Dies ist ein sehr hartes Urteil für eine Demokratie", konstatierte die Vertreterin des Auswärtigen Amtes. International "große Verwunderung" habe vor wenigen Tagen auch die Einbestellung der in Budapest stationierten Botschafter Schwedens, Norwegens, Dänemarks und Islands hervorgerufen. Der ungarische Außenminister habe ihnen ihre Kritik an den Notstandsgesetzen vorgehalten.

Zunehmend eingeschränkt würden auch die Minderheitenrechte: Sehr beunruhigt sei die Bundesregierung aktuell über ein geplantes Gesetz, das es Transgender-Personen in Ungarn künftig unmöglich machen werde, das biologische Geschlecht oder den Vornamen offiziell ändern zu lassen, so die Regierungsvertreterin. Alle Rechtsdokumente würden dann nur noch den Namen und das Geschlecht "bei Geburt" ausweisen. Dies setze Transgender-Personen einer potenziellen Diskriminierung aus und widerspreche europäischen Menschenrechtsstandards, dies habe die Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung gerade erst öffentlich kritisiert.

Trotz allem halte die Bundesregierung weiterhin "alle Gesprächskanäle offen". Das sei gerade in der aktuellen Situation wichtiger denn je, betonte die Vertreterin des Auswärtigen Amtes. Dieser "duale Ansatz" umfasse bewusst Kontakte zur ungarischen Regierung sowie zur Zivilgesellschaft. Als Beispiel für letzteres nannte die Regierungsvertreterin die Fortsetzung des neu konzeptionierten "Deutsch-Ungarischen Forums", das den Dialog zwischen jungen Menschen fördern soll.

In der anschließenden Diskussion äußerten Vertreter nahezu aller Fraktionen ihre Besorgnis über die Situation in Ungarn. Während die Union die erheblichen Einschränkungen der Justiz monierte, thematisierten SPD und Die Linke die Diskriminierung von Minderheiten wie den Roma. Mehrheitlich forderten die Abgeordneten stärkere Konsequenzen - gerade seitens der Europäischen Union. Es sei EU-Beitrittskandidaten nicht zu vermitteln, kritisierten etwa Bündnis 90/Die Grünen, weshalb bei ihnen "strenge Maßstäbe" in Sachen Demokratie und Rechtsstaatlichkeit angelegt würden, während EU-Mitglieder gegen solche Werte verstoßen dürften. Für den "Zusammenhalt und das Ansehen der EU" sei dies verheerend. Die Fraktion plädierte deshalb, ebenso wie Die Linke, für eine stärkere Verknüpfung von EU-Zuwendungen an die Bewahrung von EU-Werten.

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2. Nachhaltiger Weg aus der Corona-Krise

Parlamentarischer Beirat für nachhaltige Entwicklung/Ausschuss

Berlin: (hib/HAU) Um einen nachhaltigen Weg aus der aktuellen Krise zu finden, braucht es internationale Partnerschaften statt Isolationismus. Diese Ansicht vertraten die zu einem öffentlichen Fachgespräch des Parlamentarischen Beirats für nachhaltige Entwicklung am Mittwochabend geladenen Experten. Nachhaltigkeit ohne einen internationalen Blick sei nicht fruchtbar, sagte Professor Christoph M. Schmidt, Präsident des RWI-Leibniz-Instituts für Wirtschaftsforschung und ehemaliger Vorsitzender des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung. Es sei nicht ausreichend, sich etwa bei den Treibhausgas-Emissionen auf nationale Indikatoren zu konzentrieren, befand er.

Christian Kroll, Scientific Co-Director, Sustainable Development Goals Index & Dashboards und Senior Expert of Sustainable Development bei der Bertelsmann Stiftung, vertrat die Auffassung, dass auch Deutschland - bei aller Notwendigkeit für die Beschäftigung mit der Krise daheim - den Blick auf die Weltlage insgesamt erweitern müsse, "die uns früher oder später einholen wird". Nur so könne durch gemeinsame Anstrengungen mit anderen Staaten künftigen Krisen besser vorgebeugt werden.

Die Corona-Krise werde die Ungleichheit zwischen den Staaten weiter vergrößern, sagte Kroll. 40 Prozent der Weltbevölkerung hätten keinen ausreichenden Zugang zur Gesundheitsversorgung. Betroffen seien nicht nur Entwicklungs- oder Schwellenländer. Auch in den USA und in Russland sei mit schwereren multiplen Krisen zu rechnen. Verstärken werde sich aber auch die Ungleichheit innerhalb der einzelnen Staaten. In den USA etwa seien von Corona "Schwarze und Hispanics deutlich häufiger betroffen als Weiße". Covid-19 sei wie ein Brennglas für die Probleme in der Welt, sagte Kroll. Das gelte auch für die Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen (SDGs).

Die Krise unterstreiche aber auch die Bedeutung der Entwicklungszusammenarbeit, betonte er und forderte, am 0,7-Prozent-Ziel (0,7 Prozent des Bruttoinlandsproduktes für die Entwicklungszusammenarbeit) festzuhalten. So könne beispielsweise eine drohende Hungerkrise in Afrika milder und besser zu bewältigen sein, "wenn wir dort schnell in die Gesundheitssysteme investieren".

Corona, so Kroll weiter, stelle eine "Stunde Null" dar. Mit Förderprogrammen und Anreizen könne eine nachhaltige Transformation umgesetzt werden. Beispielhaft zu nennen sei Kanada, wo die Regierung angekündigt habe, staatliche Unterstützung für Unternehmen an eine aktive Verpflichtung zu den Nachhaltigkeitszielen zu verknüpfen.

Die Krise hat aus Sicht von Christoph M. Schmidt dafür gesorgt, "dass globale Herausforderungen nicht mehr so eine große Abstraktheit besitzen". Es sei deutlich geworden, dass die Zukunft nicht darin bestehen könne, allein auf die nationale Prosperität zu schauen, sagte er. Deutschland, so seine Forderung, sollte seine eigene Prosperität erarbeiten - etwa bei der Gesundheitsversorgung seiner alternden Bevölkerung - gleichzeitig aber zur Prosperität der Weltgemeinschaft beitragen. "Wir können uns nicht isolieren", betonte er. Nachhaltigkeitsdiskussionen könnten nicht mehr so leicht aus dem Bewusstsein verdrängt werden, was eine Chance sei, sagte Schmidt.

Aus seiner Sicht hat Deutschland eine hervorragende Basis dafür, die Herausforderung anzugehen, eine neue Balance zwischen Effizienz, Leistungsfähigkeit und Resilienz zu schaffen. Damit aber insbesondere die kleinen und mittelständischen Unternehmen in Deutschland den Balanceakt zwischen wirtschaftlicher Öffnung und Gesundheitsschutz schaffen, brauche es so viel wirtschaftliche Öffnung wie verantwortbar ist, statt das Vorsichtsprinzip über alles zu setzen. Schmidt sagte außerdem, um Unternehmen zum nachhaltigen Wirtschaften zu bewegen, sei es jetzt mehr denn je von Bedeutung, die CO2-Bepreisung auf europäischer Ebene sektorenübergreifend anzustreben.

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3. Verluste sollen verrechnet werden

Finanzen/Antrag

Berlin: (hib/HLE) Zur Milderung der wirtschaftlichen Folgen der Covid-19-Epidemie soll der steuerliche Verlustrücktrag für Verluste aus dem Jahr 2020 zeitlich befristet ausgeweitet werden. Dies fordert die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen in einem Antrag (19/19134). Dazu sollen die zu erwartenden Verluste in diesem Jahr auf Basis einer qualifizierten Schätzung durch die Unternehmen und Selbstständigen ermittelt werden und bis maximal eine Million Euro auf mehrere Jahre rücktragbar gemacht werden. Dies soll maximal bis ins Jahr 2016 möglich sein.

Zur Begründung schreiben die Abgeordneten, die wirtschaftlichen Folgen der Covid-19-Epidemie hätten Unternehmen und Selbständige unvermittelt und schwer getroffen. Nach Monaten wegbrechender Umsätze sei für viele Unternehmen und Selbständige der Erhalt von Liquidität und die Deckung laufender Kosten eine große Herausforderung. Kurzfristige Liquidität von Unternehmen habe durch Kredit- und Darlehensprogramme gewährleistet werden können. Diese Kredite müssten jedoch zurückgezahlt werden. Die Unternehmen würden damit weniger Liquidität zur Erreichung ihrer alten Leistungsfähigkeit zur Verfügung haben. Die Koalition habe zwar die Möglichkeit geschaffen, für das Jahr 2020 zu erwartende Verluste teilweise mit Vorauszahlungen aus 2019 verrechenbar zu machen, allerdings bleibe diese Maßnahme hinter dem zurück, was in der aktuellen Krise möglich und nötig sei.

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4. Koalitionsantrag zu sauberem Wasser

Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung/Antrag

Berlin: (hib/JOH) Die Fraktionen von CDU/CSU und SPD fordern die Bundesregierung in einem Antrag (19/19152) auf, sich weiterhin für die Umsetzung der Agenda 2030 und insbesondere für das sechste Entwicklungsziel "Sauberes Wasser und Sanitäreinrichtungen" einzusetzen. So solle sie die umfassende Einbindung der Landwirtschaft im Rahmen der internationalen Wasserarchitektur sicherstellen und Forschung und Entwicklung zu innovativen Produktionsmethoden und Techniken zur Steigerung der Wassernutzungseffizienz fördern. Auch mahnen die Verfasser an, die Privatwirtschaft als verantwortlichen Akteur stärker in die Verbesserung der Systeme und Reduzierung der wasserbezogenen Risiken einzubinden und dabei darauf zu achten, dass sauberes Wasser ein für jeden zugängliches und bezahlbares Gut wird.

Der Bundestag berät erstmals am morgigen Freitag zusammen mit einem Antrag (19/19147) von Bündnis 90/Die Grünen über die Initiative der Koalitionsfraktionen.

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5. Mehr Einsatz für sauberes Trinkwasser

Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung/Antrag

Berlin: (hib/JOH) Die Bundesregierung soll laut einem Antrag (19/19147) der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen das Menschenrecht auf sauberes Trinkwasser und Sanitärversorgung konsequent umsetzen und sich für die Einrichtung eines hochrangigen Komitees der Vereinten Nationen engagieren, welches den politischen Willen stärkt und die Ambitionen und Eigenleistungen der Mitgliedstaaten erhöht. Das Thema Wasser im Sinne der Agenda 2030 solle die Regierung in allen relevanten Ressorts berücksichtigen und deren Austausch im Sinne der Politikkohärenz fördern, fordern die Abgeordneten.

Der Bundestag berät erstmals am morgigen Freitag zusammen mit einem Antrag (19/19152) von CDU/CSU und SPD über die Initiative.

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6. Linke: Vier Milliarden Euro Soforthilfe

Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung/Antrag

Berlin: (hib/JOH) Die Fraktion Die Linke fordert die Bundesregierung auf, aus dem Ende März 2020 beschlossenen Nachtragshaushalt von 156 Milliarden Euro vier Milliarden Euro zusätzlich für die öffentliche Entwicklungszusammenarbeit und Humanitäre Hilfe (ODA) an Soforthilfe bereitzustellen und diesen Mittelaufwuchs in den regulären Haushaltsplänen der kommenden Jahre zu verstetigen. Die Mittel sollten in erster Linie zum Ausbau einer breiten öffentlichen Gesundheitsversorgung für eine effektive Bekämpfung der Corona-Pandemie und andere vernachlässigte und armutsassoziierte Krankheiten sowie zur ökonomischen Stabilisierung der Länder des globalen Südens verwendet werden, fordern die Abgeordneten in einem Antrag (19/19138). Darin rechnen sie vor, dass "selbst bei dem durch die Corona-Krise prognostizierten Absinken des deutschen Bruttonationaleinkommens (BNP) im Jahr 2020 um 6,3 Prozent" im regulären Haushalt für 2020 eine Finanzierungslücke von rund acht Milliarden Euro zur Erreichung der ODA-Quote von 0,7 Prozent des BNP klaffe.

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Quelle:
Heute im Bundestag Nr. 502 - 14. Mai 2020 - 09.38 Uhr
Herausgeber: Deutscher Bundestag
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veröffentlicht im Schattenblick zum 15. Mai 2020

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