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PRESSEKONFERENZ/360: Regierungspressekonferenz vom 23. Januar 2012 (BPA)


Presse- und Informationsamt der Bundesregierung

Mitschrift der Pressekonferenz - 23. Januar 2012
Regierungspressekonferenz vom 23. Januar 2012

Themen: Lage in Nigeria, kroatisches Referendum zum EU-Beitritt, Energiewende, Beobachtung der Linkspartei durch den Verfassungsschutz, europäische Schuldenkrise, Spitzentreffen gegen Rechtsextremismus, hessische Regelung eines Kennzeichens für das ganze Autoleben, Lage in Syrien, Überfall auf eine Reisegruppe in Äthiopien, Vorschlag der Bundesjustizministerin zu einer Reform der Verfassungsschutzstruktur

Sprecher: StS Seibert, Peschke (AA), Schwarte (BMU), Kraus (BMWi), Spauschus (BMI), Aden (BMJ), Kothé (BMF), Kinert (BMFSFJ), Strater (BMVBS)


Vorsitzende Sirleschtov eröffnet die Pressekonferenz und begrüßt StS Seibert sowie die Sprecherinnen und Sprecher der Ministerien.

StS Seibert: Guten Tag, meine Damen und Herren! Ich wollte Ihnen zunächst zum Thema Nigeria etwas sagen.

Die Bundeskanzlerin hat mit sehr großer Bestürzung die Nachrichten über die jüngste Gewaltwelle im Norden Nigerias zur Kenntnis genommen, die sich gegen staatliche Institutionen und erneut auch wieder gegen die christliche Bevölkerung richtet. Hunderte von Menschen im Übrigen Christen wie Muslime sind in den vergangenen Wochen durch Attentate der Terrororganisation Boko Haram ums Leben gekommen oder verletzt worden. Die Bundeskanzlerin spricht dem gesamten nigerianischen Volk und seiner Regierung ihr tief empfundenes Beileid aus.

Diese Anschläge sind nach unserer festen Überzeugung eine große Gefahr für den inneren Frieden und für die Entwicklung dieses Landes. Gerade in einem Vielvölkerstaat wie Nigeria, dessen Ethnien nicht nur verschiedenen Religionen angehören, sondern auch unter sehr unterschiedlichen wirtschaftlichen und sozialen Bedingungen leben, ist friedliche religiöse Toleranz für das Zusammenleben unabdingbar. Die Bundeskanzlerin hat sich bei ihrem Besuch in Nigeria im letzten Jahr auch gerade deswegen mit Vertretern aller Religionsgruppen Christen wie Muslime getroffen und sehr eindringlich für eben diese religiöse Toleranz geworben. Die Bundesregierung appelliert jetzt an die nigerianische Regierung, dem Ausgleich der sozialen und wirtschaftlichen Ungleichheiten und der Unterschiede im Lande Priorität zu geben, um damit dem Terrorismus die Basis zu entziehen.

Zu dem Thema hat Herr Peschke für das Auswärtige Amt eine kleine Ergänzung.

Peschke: Es ist so, dass das Thema heute auch bei dem Treffen der EU-Außenminister in Brüssel auf der Tagesordnung stehen wird, nachdem sich die Hohen Repräsentanten und verschiedene EU-Außenminister unter anderem auch Bundesaußenminister Westerwelle am Wochenende dazu geäußert hatten. Das wird also als außerordentlicher Tagesordnungspunkt auf der Tagesordnung stehen.

Das ist eine Aussprache, die wir sehr begrüßen. Bundesaußenminister Westerwelle wird sich namens der Bundesregierung in Brüssel dafür einsetzen, dass die Europäische Union aktiv überlegt, was getan werden kann, um Nigeria in dieser schwierigen Sicherheitssituation zu helfen, die Lage zu stabilisieren und Ruhe und Sicherheit wieder herzustellen. Dabei geht es natürlich darum, welchen Beitrag die EU erbringen kann, die Wurzeln des Problems Herr Seibert hat es geschildert , nämlich soziale Ungleichheit, religiöse Spannungen und materielles Elend, anzugehen. Dazu kann die EU sicherlich einen Beitrag leisten. Das wird Teil des Maßnahmenpakets sein, auf das man sich hoffentlich in den nächsten Tagen verständigen kann.

StS Seibert: Ich würde Ihnen gerne noch die Stellungnahme der Bundesregierung zum Ausgang des kroatischen Referendums zum EU-Beitritt zur Kenntnis geben.

Die kroatische Bevölkerung hat sich in diesem Referendum dafür ausgesprochen, diesen europäischen Weg weiter zu gehen. Deutschland und die EU sehen dem Beitritt Kroatiens mit großer Freude entgegen. Dieses positiv verlaufende Referendum über den EU-Beitritt unterstreicht die Anziehungskraft der Europäischen Union, aber auch die andauernde Attraktivität der Idee der europäischen Einigung. Der bevorstehende EU-Beitritt Kroatiens sollte nach unserer Überzeugung auch für andere Staaten des westlichen Balkans ein Beispiel, ein Signal dafür sein, dass sich Reformen auf dem Weg nach Europa lohnen.

Frage: Eine Frage an das Wirtschafts- und das Umweltministerium: Wie gehen Sie mit dem Brief der Fraktionsvorsitzenden zu den Kosten der Energiewende um? Arbeiten Sie zusammen oder arbeitet jeder für sich etwas aus? Wird da überhaupt gehandelt?

Schwarte: Der Brief richtet sich an das Umweltministerium, insofern wird auch das Umweltministerium den Brief beantworten. Darüber hinaus arbeiten wir natürlich gemeinsam an der Umsetzung der Energiewende; das ist selbstverständlich. Das Umweltministerium wird in Kürze auch Vorschläge machen, wie wir mit dem erhöhten Ausbau der Fotovoltaik im Monat Dezember umgehen, das heißt, wir werden Änderungen am EEG vorschlagen.

Kraus: Für das BMWi kann ich das nur bestätigen. Ziel ist es, wie hier schon oft dargelegt, die EEG-Umlage bei 3,5 Cent pro Kilowattstunde stabil zu halten. Alle Vorschläge, alle Wege, alle Diskussionen und Verhandlungen, die dieses Ziel realisierbar machen, werden auch von uns unterstützt.

Frage: Herr Seibert, der Vizefraktionsvorsitzende der Linkspartei hat Bundeskanzlerin Merkel aufgefordert, die Beobachtung der Linkspartei durch den Verfassungsschutz zu beenden. Ist die Kanzlerin willens und in der Lage, dieser Forderung nachzukommen?

StS Seibert: Vielen Dank für Ihre Frage. Vielleicht will zunächst einmal das BMI etwas dazu sagen, und ich würde das dann ergänzen.

Spauschus: Vielen Dank. Zunächst einmal muss man feststellen, dass das Bundesamt für Verfassungsschutz im Rahmen eines gesetzlichen Auftrags aus dem Bundesverfassungsschutzgesetz handelt. Das heißt, wenn das Bundesamt jetzt die Partei DIE LINKE beobachtet, kommt sie insoweit nur ihrem gesetzlichen Auftrag nach. Das ist auch kein neuer Sachverhalt. Die Partei DIE LINKE wird von den Verfassungsschutzbehörden bereits seit Jahren im Rahmen dieses eben beschriebenen gesetzlichen Auftrags beobachtet.

Auch die Zahl 27, die jetzt kursierte, ist nicht neu: Bereits im Oktober 2009 gab es eine Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, in der diese Zahl bestätigt wurde. Das Bundesverwaltungsgericht hat zuletzt mit Urteil vom 21. Juli 2010 ausdrücklich die Rechtmäßigkeit der Beobachtung der Partei DIE LINKE festgestellt. Dies schließt auch die Beobachtung von Abgeordneten dieser Partei mit ein. Dem besonderen Abgeordnetenstatus, um den es in diesem Zusammenhang auch geht, ist jeweils im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung Rechnung zu tragen. Letztlich bestätigt dies aber nur die grundsätzliche Rechtmäßigkeit der Beobachtung auch von Funktionsträgern.

Insofern ist das keine neue Praxis. Das ist zuletzt auch bei der Vorstellung des Bundesverfassungsschutzberichts vom Bundesinnenminister noch einmal betont worden. Der Bundesinnenminister hatte seinerzeit hervorgehoben, dass die Partei DIE LINKE zu Recht vom Verfassungsschutz beobachtet wird, weil sich in ihr Kräfte sammeln, die eine Veränderung der bisherigen Staats- und Gesellschaftsform wollen. Diese Auffassung wurde zuletzt von den Gerichten bestätigt, wie eben beschrieben.

StS Seibert: Ich würde das unterstützen: Das, was das BMI gerade dargelegt hat, steht für sich. Es gibt einen gesetzlichen Auftrag, der durch das Bundesverwaltungsgericht 2010 ausdrücklich als rechtmäßig bestätigt worden ist. Ich glaube, das ist alles, was für die Bundesregierung jetzt dazu zu sagen ist.

Zusatzfrage: Herr Seibert, einige der Personen, von denen da die Rede ist, sind der Bundeskanzlerin ja persönlich bekannt, unter anderem der Fraktionsvorsitzende Gysi. Hält die Bundeskanzlerin zum Beispiel Gregor Gysi für eine Gefahr für die verfassungsmäßige Ordnung in diesem Land?

StS Seibert: Die Bundeskanzlerin kennt sehr viele Bundestagsabgeordnete vielleicht ist sie sogar mehr als der Hälfte von ihnen schon ausführlicher begegnet. Was sie von dem einen oder anderen privat hält, ist das eine; ein gesetzlicher Auftrag, der durch das Bundesverwaltungsgericht 2010 rechtlich bestätigt wurde, ist das andere. Insofern hat das eigentlich keine Relevanz. Dieser gesetzliche Auftrag des Bundesverfassungsschutzes entzieht sich dem persönlichen Zugriff oder den persönlichen Überzeugungen der Bundeskanzlerin.

Frage: Wenn ich das richtig verstehe, wird dieser Beobachtungsauftrag also unverändert beibehalten?

Zweitens. Es gibt Darstellungen, wonach für diese Beobachtung nur öffentlich zugängliche Quellen, also Redemanuskripte etc. ausgewertet werden. Trifft das zu oder gibt es auch, wie innerhalb der Linkspartei vermutet wird, andere Maßnahmen, mit denen die betroffenen Personen wie auch immer überwacht werden?

Spauschus: Die Partei DIE LINKE beziehungsweise deren Vorgängerorganisation wird seit 1995 vom Bundesamt für Verfassungsschutz beobachtet. Wie gesagt, zuletzt ist auch im Verfassungsschutzbericht 2010 beschrieben worden, dass sie noch immer beobachtet wird. Wenn Sie in das Parteiprogramm hineinschauen, dann sehen Sie, dass sich an diesem Sachverhalt seit der Vorstellung des letzten Verfassungsschutzberichtes auch nichts geändert hat.

Zu Ihrer Frage zur Bedeutung des Begriffs "Beobachtung": Es ist in der Tat richtig, dass "Beobachtung" bedeutet, dass nur auf der Grundlage offen verfügbarer Quellen ermittelt wird, und nicht mit nachrichtendienstlichen Mitteln. Das heißt, das sind Dinge, die jedermann ohnehin einsehen könnte, und es geht letztlich darum, eine Gesamtschau zu erstellen. Dem kommt das Bundesamt für Verfassungsschutz entsprechend nach.

Zusatzfrage: Ich meine, es wäre auch der aktuelle Verfassungsschutzbericht, in dem steht, ein Grund für die Beobachtung sei auch, dass DIE LINKE zum Beispiel dazu aufgerufen habe, beim Castor-Transport 2010 zu "schottern". Es gibt ja seit Jahren durchaus auch eine entsprechende Aktivität der Grünen, die selbst Fraktionssitzungen vor Ort in Gorleben abgehalten haben. Werden die Grünen also in ähnlichem Umfange und Maße beobachtet?

Spauschus: Nein. Ich darf vielleicht einmal aus 3 BVerfSchG Aufgaben der Verfassungsschutzbehörden zitieren:

(1) Aufgabe der Verfassungsschutzbehörden des Bundes und der Länder ist die Sammlung und Auswertung von Informationen, insbesondere von sach- und personenbezogenen Auskünften; Nachrichten und Unterlagen, über

1. Bestrebungen, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind oder eine ungesetzliche Beeinträchtigung der Amtsführung der Verfassungsorgane des Bundes oder eines Landes oder ihrer Mitglieder zum Ziele haben [...]

Es gibt dann noch weitere Ziffern, aber das ist in diesem Fall die einschlägige Vorschrift, auf deren Grundlage die Beobachtung der Partei DIE LINKE erfolgt ist. Es gibt im Parteiprogramm eben Anhaltspunkte, die auf solche Bestrebungen hindeuten, und auf dieser Grundlage wird eine entsprechende Beobachtung durchgeführt.

Frage: Herr Spauschus, damit war die Frage des Kollegen, ob auch die Grünen beobachtet werden, ja noch nicht beantwortet. Die Antwort auf diese Frage würde auch mich interessieren.

Zweitens diese Frage geht auch an Herrn Seibert : Man wundert sich ja doch ein bisschen über die Personen, die da betroffen sind. Herr Bartsch zum Beispiel ist ja seit Monaten dafür bekannt, dass er sich mit dem radikalen Flügel seiner Partei herumschlägt; für die ist er ein rotes Tuch. Herr Bartsch ist von Herrn Gabriel eingeladen worden, doch in die SPD zu kommen. So radikal kann er dann ja nicht sein. Eine zweite solche Person ist Frau Pau, die Bundestags-Vizepräsidentin ist und somit ein Staatsamt bekleidet. Ich wundere mich also ein bisschen darüber, dass Sie hier jetzt so nonchalant sagen: Das ist alles richtig so und da machen wir weiter.

Spauschus: Was die Partei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN betrifft, so ist mir nicht bekannt, dass da eine Beobachtung stattfindet.

Was die Personen betrifft, die in dem Artikel genannt wurden: Dazu kann von hier aus letztlich nichts gesagt werden, weil es geheim tagende Gremien gibt und auch die entsprechenden Vorlagen an diese Gremien eingestuft sind. Deswegen bitte ich um Verständnis, dass zu einzelnen Personen im Grundsatz keine Stellung genommen werden kann. Das ist entsprechend eingestuft.

Zusatzfrage: Aber es wird ja auch nicht dementiert weder von Ihnen noch vom Bundesamt für Verfassungsschutz , dass auch diese Personen beobachtet werden. Entweder dementieren Sie das also oder Sie müssen sich in irgendeiner Weise auch zu diesen konkreten Personen verhalten. Da wird ja nicht das Parteiprogramm beobachtet, sondern da werden konkrete Personen beobachtet, und dafür muss es doch auch eine konkrete Rechtfertigung geben?

Spauschus: Die Rechtfertigung ist zunächst einmal, dass die Partei DIE LINKE beobachtet wird. Damit steht letztlich aber auch im Zusammenhang, dass die Amtsträger zwangsläufig mit einbezogen sind. Die Partei lebt ja letztlich von ihren Amtsträgern und ihrem Tun; das ist ja selbstverständlich.

Zusatzfrage: Dann müssten Sie ja alle Amtsträger beobachten, aber Sie beobachten ja "nur" ein Drittel der Fraktion, und zwei Drittel der Fraktion beobachten Sie nicht. Infolgedessen muss es dafür ja Auswahlkriterien geben?

Spauschus: Es ist letztlich Sache des Bundesamtes für Verfassungsschutz, diese Entscheidungen zu treffen. Es handelt im Rahmen seines gesetzlichen Auftrags und kommt diesem Auftrag eben nach, indem für 27 Personen, die der Partei DIE LINKE zugehören, eine entsprechende Beobachtung durchgeführt wird.

Frage: Eine Frage an das Justizministerium: Haben Sie Hinweise oder Signale aus Karlsruhe, wann das Bundesverfassungsgericht die anhängigen Klagen von einzelnen Abgeordneten der Linkspartei entscheidet?

Aden: Nein, das kann ich Ihnen leider nicht sagen.

Spauschus: Wenn ich das ergänzen darf: Das Bundesverfassungsgericht hat nach meiner Kenntnis die Verfassungsbeschwerde gegen das Urteil bisher nicht zur Entscheidung angenommen.

Frage: Noch einmal eine Frage an das BMI: Nach den Informationen, die jetzt vorliegen, ist die Beobachtung der Linkspartei vom Aufwand her ja zu vergleichen mit der Beobachtung der NPD. Ist das nach Einschätzung Ihres Hauses oder des Ministers verhältnismäßig?

Spauschus: Auch zum Aufwand kann ich letztlich nichts sagen. Auch die Zahlen, die am Wochenende kommuniziert worden sind, unterfallen eben dem genannten Geheimbericht an ein vertraulich tagendes Gremium. Insofern kann ich die hier jetzt nicht kommentieren.

Zusatzfrage: Können Sie dann verstehen, dass unsererseits jetzt ein bisschen Unbehagen aufkommt? Sie berufen sich jetzt immer auf ein geheim tagendes Gremium, es geht aber um die Beobachtung einer im Bundestag vertretenen Partei. Da müssten Sie doch einsehen, dass Nachfragen berechtigt sind, oder?

Spauschus: Naja, es ist das Gremium, dem die parlamentarische Kontrolle über das Bundesamt für Verfassungsschutz obliegt. Dem wird Bericht erstattet, und um solche Berichte geht es hier, wenn wir in der Sache darüber reden.

Frage: Wenn ich das richtig verstanden habe, sitzen da Mitarbeiter des Verfassungsschutzes, lesen Reden nach, nehmen das Parteiprogramm, nehmen Flugblätter und analysieren dann. Was sind das eigentlich für Leute? Sind das ausgebildete Staatsrechtler, Politikwissenschaftler, Philosophen, Polizisten? Ich würde mir nicht zutrauen, aufgrund eines Flugblatts sofort zu erkennen: Ist das jetzt verfassungsgemäß oder nicht? Ich würde da jemanden fragen, der sich damit besser auskennt. Wie muss man sich das also vorstellen? Werden diese Leute speziell geschult oder geht das Pi mal Daumen? Wenn irgendwo "Revolution" steht, dann ist es verfassungswidrig, und wenn irgendwo "Marktwirtschaft" steht, dann ist es gut?

Spauschus: Nein, nein. Ich kann Ihnen jetzt zu Details der Arbeit des Bundesamtes für Verfassungsschutz nichts sagen, aber Sie dürfen davon ausgehen, dass die Personen, die diese Einschätzungen treffen, auch über die notwendige Expertise verfügen, diese Sachverhalte zu beurteilen.

Frage: Noch eine Frage an das Bundesinnenministerium: Verstehe ich das richtig, dieser Beobachtungsauftrag wird trotz der Welle, die es jetzt gibt, unverändert bleiben? Oder gibt es in Ihrem Hause jetzt Überlegungen, das vielleicht noch einmal zu modifizieren?

Zweitens. Habe ich das richtig verstanden: Ihnen ist nichts darüber bekannt, ob die Grünen auch beobachtet werden; Sie wissen es aber nicht, es könnte also sein?

Spauschus: Soweit ich weiß, findet keine Beobachtung der Grünen statt.

Was den gesetzlichen Auftrag angeht: Wie gesagt, der hat sich jetzt nicht durch eine öffentliche Protestwelle geändert. Es gibt nach wie vor ein Parteiprogramm. Allein die Tatsache, dass es öffentlichen Protest gibt, kann nichts an der Notwendigkeit einer Beobachtung durch den Verfassungsschutz ändern.

Frage: Ich hatte es zumindest so in Erinnerung, dass das Bundesamt, anders als einzelne Landesämter, nur einzelne radikalere Strömungen innerhalb der Partei beobachtet hatte, denen die jetzt genannten Namen nicht angehören. Jetzt haben Sie gesagt, das sei alles nicht neu und die Zahl sei die gleiche geblieben. Können Sie sagen, ob sich bei Beibehaltung der Zahl die einzelnen beobachteten Personen und damit auch die Ausrichtung der Beobachtung verändert haben?

Spauschus: Nein, dazu kann ich Ihnen jetzt keine weiteren Details nennen. Wenn Sie aber in den Verfassungsschutzbericht schauen, dann sehen Sie, dass dort in der Tat auch die Rede von der kommunistischen Plattform und ähnlichen Splittergruppen innerhalb der Partei DIE LINKE ist. Das ist alles detailliert aufgeführt.

Zusatzfrage: Diesen Gruppen gehören ja weder Frau Pau noch Herr Gysi an.

Spauschus: Über Personen kann ich hier sowieso nicht spekulieren, aber wie gesagt, lesen Sie es bitte im Verfassungsschutzbericht nach.

Zusatzfrage: Das heißt, es bleibt bei der Konzentration auf diese einzelnen Gruppen innerhalb der Partei?

Spauschus: Es ist so, wie im Verfassungsschutzbericht dargestellt: Es ist die Partei DIE LINKE, bei der Anhaltspunkte für linksextremistische Bestrebungen gesehen werden. Auf Grundlage dieser Annahme oder dieser Anhaltspunkte erfolgt eine entsprechende Beobachtung. Darüber hinaus gibt es eben andere Gruppen, bei denen diese Dinge sicherlich noch ausgeprägter vorhanden sind.

Frage: Heißt die Bundesregierung politisch diese Beobachtung gut, oder steht sie dazu neutral?

StS Seibert: Die Bundesregierung heißt es gut, dass der Verfassungsschutz seinem gesetzlichen Auftrag nachkommt. Sie weiß aber auch, dass die Art und Weise, wie dieser Auftrag erfüllt wird, natürlich immer wieder auch einer Überprüfung unterzogen wird, und dass immer wieder auch innerhalb des Verfassungsschutzes sich die Frage gestellt wird, ob bestimmte Maßnahmen verhältnismäßig sind oder nicht.

Frage: Noch eine kurze Frage an das Bundesinnenministerium: Die Partei DIE LINKE hat ja gerade ihr Programm verabschiedet, das erstmals gemeinsam beschlossen worden ist und gerade auch durch Mitgliederentscheid verabschiedet worden ist. Haben Sie das jetzt noch einmal auf kritische Inhalte geprüft oder läuft das gerade? Wie verhält es sich damit?

Spauschus: In dem Programm, das ich selber jetzt als aktuelles Programm gefunden habe, finden sich die Passagen, die Sie auch im Verfassungsschutzbericht finden, unverändert wieder. Damals, als der Verfassungsschutzbericht vorgestellt wurde, war es noch der erste Entwurf für das Parteiprogramm. Die entsprechenden Passagen, die dort abgedruckt sind, finden sich jetzt auch noch in dem beschlossenen Parteiprogramm wieder.

Frage: Weiß man denn, was bei dieser Beobachtung herausgekommen ist? Ist das auch ein Kriterium dafür, ob die Beobachtung fortgesetzt wird?

Spauschus: Beobachtung ist zunächst einmal eine Daueraufgabe; es ist ja nicht so, dass man sagt: Jetzt wissen wir alles. Es ist aber, wie Herr Seibert eben auch schon betont hat, so, dass natürlich kontinuierlich das Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen für eine Beobachtung überprüft wird. Dabei wird eben auch besonderes Augenmerk auf die parteiinternen Veränderungen usw. gelegt. Insofern ist das ein kontinuierlicher Prozess, aber Beobachtung ist letztendlich eine Daueraufgabe, solange die gesetzlichen Voraussetzungen vorliegen.

Frage: Überprüft das Bundesamt sich da selbst oder gibt es da irgendeine Einwirkung von außen, zum Beispiel durch das BMI?

Spauschus: Vom Prinzip her handelt das Bundesamt für Verfassungsschutz im Rahmen seines gesetzlichen Auftrages. Es geht also nicht darum, dass da in irgendeiner Weise parteipolitisch Einfluss genommen würde, sondern der gesetzliche Auftrag ist, wie eben beschrieben, klar festgelegt. Dann gibt es verschiedene Kontrollgremien es gibt das Parlamentarische Kontrollgremium, es gibt die Fachaufsicht des BMI. Aber wie gesagt, die Sache steht im Vordergrund; insofern ist entscheidend, ob die Voraussetzungen für eine Beobachtung vorliegen.

Frage: Der Parlamentarische Geschäftsführer der Bundestagsfraktionen der Grünen, Volker Beck, hat vorgeschlagen, mit der Beobachtung von Abgeordneten doch auch den Immunitätsausschuss des Bundestages zu befassen, ähnlich wie bei Abgeordneten, die in irgendeiner Weise und sei es nur in marginaler Weise kriminell aufgefallen sind. Können Sie sich seitens der Bundesregierung vorstellen, dass Herr Fromm in den Immunitätsausschuss geht und sagt: "Den Bartsch müssen wir jetzt beschatten, dürfen wir das?" Ist das eine denkbare Variante?

StS Seibert: Ob das Parlament seinen Immunitätsausschuss mit etwas befassen möchte, ist eine Variante, die dem Parlament obliegt.

Frage (zur europäischen Schuldenkrise): Eine Frage an Herrn Regierungssprecher Seibert: Der italienische Ministerpräsident fordert eine Verdopplung des Volumens des Rettungsschirms ESM. Sagen Sie dazu im Vorfeld des Gipfels schon klar Nein, oder ist man da verhandlungsbereit?

StS Seibert: Zunächst einmal ist die Bundesregierung bereit, mit all ihren europäischen Partnern über das zu sprechen, was diese europäischen Partner als Vorschläge mit an den Tisch bringen in Brüssel oder anderswo.

Grundsätzlich hat sich an unserer Haltung, an der Haltung der Bundesregierung, aber nichts geändert. Es muss jetzt erst einmal darum gehen, die EFSF wirklich voll operationsfähig zu machen. Dazu gibt es sehr weit gediehene Arbeiten. Es gibt des Weiteren den Vorschlag beziehungsweise das europäische Vorhaben, den ESM um ein Jahr vorzuziehen und schon in diesem Sommer in Kraft treten zu lassen. Das ist gemeinsame europäische Position. Diese Gemeinsamkeit darf man, glaube ich, nicht unterschätzen. Deutschland ist auch bereit, dabei über eine Veränderung des Taktes der Einzahlung des Kapitals nachzudenken. Dies sind Maßnahmen, die wir jetzt erst einmal mit unseren Partnern besprechen wollen und die uns vorrangig erscheinen.

Zusatzfrage: Das war jetzt kein klares Nein, und Frau Lagarde hat eine ähnliche Forderung erhoben. Heißt das, die Kanzlerin wäre bereit, über diese Forderung auf dem Gipfel zu sprechen?

StS Seibert: Nein, ich habe lediglich gesagt, dass die Bundesregierung bereit ist, über das zu sprechen, was europäische Partner mit an den Verhandlungstisch in Brüssel bringen. Das ist die Grundlage europäischer Zusammenarbeit. In welchem Sinne man darüber spricht, ist eine andere Frage. Die Bundesregierung ist derzeit nicht der Überzeugung, dass das Volumen des ESM verdoppelt werden muss. Sie glaubt wie auch die EFSF , dass (diese beiden Rettungsschirme) so ausgestattet sind, dass sie ihre Aufgabe erfüllen können. Sie sieht ihre Priorität erstens darin, die EFSF jetzt operativ zu machen, sodass mit diesem Geld auch tatsächlich etwas angefangen werden kann, und zweitens darin, den ESM vorzuziehen und darüber nachzudenken, welches starke Signal man vielleicht geben könnte, indem man das Kapital, das diesen ESM ja ausmacht und ihn von der Zusammensetzung des EFSF unterscheidet, früher oder in anderem Takt einzahlt, um den Märkten der internationalen Gemeinschaft ein starkes Signal zu geben. Das sind unsere Prioritäten.

Frage: Herr Seibert, jetzt ist ja nicht nur von einer Verdoppelung die Rede, sondern es gibt auch den Vorschlag, den ESM parallel zum EFSF zu installieren, also das noch vorhandene Vermögen im EFSF einfach weiter zu nutzen und ihn nicht, wie es ursprünglich einmal vorgesehen war, auslaufen zu lassen. Wie stellt sich die Regierung dazu?

StS Seibert: Wir haben demnächst genauer gesagt am 30. Januar ein wichtiges informelles Treffen der Staats- und Regierungschefs in Brüssel. Bei diesem Treffen kann über all diese Dinge gesprochen werden. Heute treffen sich die Finanzminister ebenso in Brüssel. Ich werde hier jetzt nicht deutsche Verhandlungspositionen bekanntgeben. Sie wissen aber, dass wir von einer Abfolge ausgegangen sind und im Moment keinen Grund sehen, daran etwas zu ändern.

Frage: Schnellere Einzahlung heißt dann ja Erhöhung der Verschuldung?

StS Seibert: Schnellere Einzahlung heißt zunächst einmal schnellere Einzahlung. Das ist ja nicht beschlossen, sondern das ist eine Möglichkeit, die sich die Bundesregierung vorstellen könnte, weil das nach unserer Überzeugung ein gewisses Signal an die Märkte schicken könnte, dass Europa bereit ist, sich wirklich für das Gelingen des ESM und für seine Operativität einzusetzen. Darüber ist aber noch kein Beschluss in Europa gefällt worden, und deswegen ist dies zunächst nur ein Gedanke.

Zusatzfrage: Aber da Sie ja keine Überschüsse haben, die Sie anzapfen könnten, um das einzuzahlen, würde das ja im Effekt eine höhere Verschuldung bedeuten, oder sehe ich das falsch?

StS Seibert: Zunächst einmal steht ja fest, mit wie viel Kapital sich Deutschland am ESM beteiligen will. Die Vereinbarung war, dieses Kapital in fünf Tranchen einzuzahlen. Die Summe würde sich durch einen anderen Takt der Einzahlung nicht erhöhen.

Zusatzfrage: Aber haushaltswirksam wäre das doch? Das macht doch einen Unterschied?

StS Seibert: Wir sprechen aber von etwas, was bisher erst eine Idee beziehungsweise ein Vorschlag ist, den wir mit unseren europäischen Partnern besprechen müssen. Die Frage, wie dieser Vorschlag im Falle einer europäischen Einigung dann haushaltstechnisch umgesetzt würde, würde das BMF dann mit Sicherheit mit voller Kraft angehen.

Zusatzfrage: Könnten Sie mich jetzt bitte aufklären: Wenn nicht in fünf Raten eingezahlt wird, sondern in zweieinhalb, dann heißt das doch, dass sich die Verschuldung in den betreffenden Jahren erhöht, oder mache ich da einen Denkfehler?

Kothé: Es stimmt erst einmal, was Herr Seibert gesagt hat: Wir brauchen erst einmal den Beschluss, dann wissen wir genau, was wann und in welchen Tranchen fällig wird. Dann geht das in das normale Haushaltsverfahren und wir würden darüber diskutieren, wie wir das umsetzen das wäre dann ja ein Nachtragshaushalt. Aber die Neuverschuldung hängt am Ende ja immer von einer Reihe von Faktoren auch anderen Faktoren im Haushaltsverfahren ab. Von daher wäre es spekulativ, jetzt zu sagen, dass das eins zu eins (eine höhere Verschuldung bedeuten würde). Wir wissen jetzt noch nicht, wie das dann finanziert würde, denn das ergibt sich erst im Haushaltsverfahren.

Zusatz: Nachtragshaushalt heißt ja in der Regelung höhere Verschuldung. Ich kenne keine Nachtragshaushalte, in denen man Überschüsse verarbeitet.

Frage: Herr Seibert, am Wochenende hat Herr Lammert von Deutschland ja eine besondere Verantwortung beziehungsweise ein besonders großes Engagement bei der Euro-Rettung verlangt. Wäre eine veränderte Taktung der Trancheneinzahlungen für Sie schon ein solches besonders großes Engagement, oder was gäbe es da noch für Möglichkeiten?

StS Seibert: Ich glaube, man kann seit Beginn der europäischen Bemühungen, diese Schuldenkrise in den Griff zu bekommen und an ihren Wurzeln zu bekämpfen, an allen Ecken und Enden spüren, dass sich Deutschland seiner besonderen Verantwortung als ein besonders wirtschaftsstarkes Land in der Mitte dieses Kontinents bewusst ist. Ich glaube, die Zahlen sprechen auch für sich: Der deutsche Beitrag an Garantien und auch an künftigen Kapitaleinzahlungen in den Fonds liegt höher als der jedes anderen europäischen Landes. Ich glaube, die deutsche Bundesregierung ist sich einer starken Verantwortung für Europa bewusst und hat immer wieder in Wort und Tat klargemacht, dass sie dieser starken Verantwortung auch nachkommen wird.

Frage: Nun sind die Verhandlungen über das sogenannte PSI, also den Schuldenschnitt Griechenlands, seit vorigem Freitag unterbrochen worden. Ist die Bundesregierung bereit, einzugreifen, sich einzumischen, um hier aus der Sackgasse herauszukommen? Hat sie dabei Zielvorstellungen, was die diversen noch umstrittenen Fragen betrifft?

Kothé: Wir gehen davon aus, dass die PSI-Verhandlungen jetzt zügig abgeschlossen werden. Die Signale, die wir bekommen haben, lassen uns auch davon ausgehen, dass das auf gutem Wege ist. Solche Verhandlungen sind aber natürlich schwierig; darüber haben wir hier auch schon mehrfach berichtet. Die Bundesregierung ist an diesen Verhandlungen aber nicht unmittelbar beteiligt, sondern es ist die griechische Regierung, die diese Verhandlungen zu führen hat. Wir denken aber, dass diese Verhandlungen ein wichtiger Bestandteil oder Baustein im zweiten Griechenland-Paket sind. Wir denken und hoffen, dass diese Verhandlungen bald zu einem Abschluss kommen.

Zusatzfrage: Hat die deutsche Regierung im Zusammenhang mit diesen Verhandlungen auch, wenn sie daran nicht beteiligt ist denn bestimmte Zielvorstellungen?

Kothé: Unsere Zielvorstellung ist, dass die Verhandlungen, so wie vereinbart, abgeschlossen werden und das möglichst bald beziehungsweise bis Ende des Monats, denn das ist eben Teil des Gesamtpaketes.

StS Seibert: Wenn ich das noch ganz kurz dazusagen darf: Ich glaube, die entscheidende Zielvorstellung ist die, die die europäischen Staats- und Regierungschefs mit Beteiligung Griechenlands im Übrigen Ende letzten Jahres auch niedergelegt haben, nämlich dass Griechenland bis 2020 zu einem Verschuldung in einer Größenordnung von 120 Prozent des Bruttoinlandsprodukts zurückkommen muss, die man dann als tragfähig bezeichnen kann und die eben auch eine Rückkehr an die Märkte erlaubt. Diese Zielvorstellung steht im Raum, und auf die muss hingearbeitet werden. Das ist unverändert.

Frage: Es gibt jetzt von der FDP-Bundestagsfraktion den Vorschlag, die Finanztransaktionssteuer etwas zu ändern, und zwar dergestalt, dass die Bankenabgabe, die es in Deutschland ja schon gibt, auf europäischer Ebene eingeführt werden soll. Wie stellt sich die Bundesregierung dazu?

Zweitens. Die FDP schlägt auch vor, die Börsensteuer dergestalt einzuführen, dass in erster Linie Aktien besteuert werden. Halten Sie das für machbar?

StS Seibert: Das sind interessante Vorschläge aus dem Parlament. Es gibt keine Veränderung der Position der Bundesregierung und zwar der gesamten Bundesregierung : Wir unterstützen den von der EU-Kommission vorgelegten Richtlinienvorschlag, der sehr genau darlegt, wie er sich eine Finanztransaktionssteuer auf breiter Bemessungsgrundlage und mit niedrigem Steuersatz vorstellen könnte, und kämpfen dafür, dass dieser Vorschlag im Europa der 27 zur Politik wird.

Frage: Gestern Abend hat sich die Bundeskanzlerin mit Frau Lagarde getroffen. Ich nehme an, auch Griechenland war ein Thema dieses Gesprächs. Sind sich die Bundesregierung und der Internationale Währungsfonds nun darin einig, dass die Kosten, was das Programm für Griechenland betrifft, niedrig gehalten werden sollen?

StS Seibert: Könnten Sie mir die Frage noch einmal stellen? Ich habe sie, ehrlich gesagt, nicht verstanden Entschuldigung, Herr Pappas.

Frage: Es gibt momentan einen großen Streit darüber, wie hoch die Zinsen für das PSI sein sollen. Daraus ergibt sich ja, wie viel die Euroländer übernehmen müssen. Ist die Bundesregierung mit dem Internationalen Währungsfonds in dieser Geschichte auf einer Linie?

StS Seibert: Jetzt habe ich die Frage verstanden; vielen Dank für die Wiederholung. Es bleibt dabei, dass ich hier nicht mit Äußerungen in die laufenden Verhandlungen über die griechischen Umschuldungen im privaten Sektor eingreife. Das läuft, und so etwas wird nicht dadurch befördert, dass man sich von verschiedenen Seiten in die Debatte hineinhängt.

Es stimmt, dass die Bundeskanzlerin und Frau Lagarde gestern einen sehr ausführlichen Gedankenaustausch hatten, und zwar über die ganze Breite der derzeitigen Themen in der Eurozone. Es stimmt, dass natürlich auch Griechenland dabei eine Rolle gespielt hat; denn schließlich ist der IWF als Teil der Troika gerade wieder in Athen zu Gesprächen gewesen. Weitere Themen waren beispielsweise auch der Fiskalpakt und die Entwicklungen auf den Anleihemärkten. Dieses Gespräch war aber, wie wir es vorher auch gesagt hatten, ein vertraulicher Gedankenaustausch, und so soll es auch weiter behandelt werden.

Im Übrigen hält Frau Lagarde heute einen Vortrag in der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik, und die Bundeskanzlerin gibt nachher mit Herrn di Rupo eine Pressekonferenz. Es gibt also noch weitere Gelegenheiten, Einblicke zu bekommen.

Frage: Zum morgigen Spitzentreffen gegen Rechtsextremismus hätte ich Fragen an das Innenministerium und das Familienministerium. Herr Minister Friedrich hatte im Vorfeld dieses Treffens heute in der "FAZ" gesagt, dass er sich vor allem ein Zeichen erhofft. Soll es über dieses Zeichen hinaus konkrete Ergebnisse oder Erkenntnisse geben, die angestrebt oder erhofft sind?

An das Familienministerium: In demselben heutigen Artikel hieß es auch, an der Extremismuserklärung solle sich nichts ändern. Wird das Gegenstand der Gespräche sein? Wie konkret ist überhaupt die Agenda der Gespräche?

Spauschus: Im Grunde genommen kann ich den Aussagen des Ministers da nichts hinzufügen. Der Minister hatte in dem von Ihnen angesprochenen Interview deutlich gemacht, dass mit dem Abwehrzentrum gegen Rechtsextremismus und der Verbunddatei, die letzte Woche im Kabinett gewesen ist, bereits auf der fachlichen Ebene vieles bewegt worden ist, und dass es jetzt darum geht, auch die gesellschaftliche Komponente, die gesellschaftliche Dimension in Augenschein zu nehmen. Wie gesagt, darüber wird morgen gesprochen, dem kann ich an dieser Stelle nicht vorgreifen.

Zusatzfrage: Was heißt "in Augenschein nehmen", was passiert da?

Spauschus: Es wird einmal geschaut, welche Initiativen gegen Rechtsextremismus es gibt. Dann wird man sich morgen vielleicht die Frage stellen, ob bestimmte Dinge gebündelt werden können, bestimmte Dinge fortgesetzt werden können. Das kommt morgen auf den Tisch und wird Gegenstand der Gespräche sein.

Zusatzfrage: Mit Entscheidungen?

Spauschus: Das müssen wir abwarten.

Kinert: Ich kann den Gesprächen natürlich nicht vorgreifen, genauso wenig wie ich ausschließen kann, dass jemand der Teilnehmer das Thema Demokratieerklärung ansprechen wird. Die Position der Ministerin dazu ist deutlich die hat sich auch in diesem wie auch in anderen Interviews und bei anderen Gelegenheiten noch einmal sehr deutlich gemacht : Sie wird an der Demokratieerklärung festhalten. Insofern gilt: Wenn morgen einer der Teilnehmer Gesprächsbedarf zu diesem Thema hat, dann wird sich die Ministerin dem nicht verschließen. Ich kann mir aber nicht vorstellen, dass sich an der Position der Ministerin nach den morgigen Gesprächen etwas ändert. Das heißt, die Demokratieerklärung wird für die Ministerin weiter bindend bleiben.

Zusatzfrage: Und was können Sie ansonsten zur Agenda sagen? Gibt es einen festen Themenkatalog?

Kinert: Ich glaube, alles, was es zu den Inhalten zu sagen gibt, hat der Kollege aus dem Innenministerium das ja Gastgeber der morgigen Veranstaltung ist genannt. Wir werden den Gesprächen hier nicht vorgreifen, aber ich bin mir sicher, dass es morgen auch Ergebnisse zu präsentieren gibt.

Frage: Ich habe noch eine Frage an das Verkehrsministerium: Es gibt heute Meldungen, wonach der Verkehrsminister die hessische Regelung eines Autokennzeichens für das ganze Autoleben unterstützt. Können Sie uns vielleicht ein bisschen erklären, warum der Verkehrsminister dieses Projekt betreibt und welchen Hintergrund das hat?

Strater: Dazu muss ich sagen, dass diese Meldung falsch ist. Es gibt keine Pläne, solch eine Regelung bundesweit einzuführen. Diese Regelung gilt auf Länderebene. Ich weiß von Hessen und Schleswig-Holstein, dass dort solche Regelungen festgeschrieben sind, aber die Meldung, dass hier eine bundesweit einheitliche Regelung geschaffen werden soll, ist nicht richtig.

Frage: Hat die Destabilisierung der Nahost-Region keine negative Wirkung auf Europa? Warum schweigt die Bundesregierung zu dem kriminellen Terror in Syrien, wo zum Beispiel das Gesundheitssystem völlig zum Erliegen gekommen ist und wo auch hunderte von Schulen wegen des Terrors schließen mussten?

StS Seibert: Ich will nur ganz allgemein, bevor sich das Auswärtige Amt vielleicht ausführlicher dazu äußert, sagen, dass die Bundesregierung erstens eine Vielzahl von Informationen aus Syrien hat aus verschiedenen Quellen und dass die Bundesregierung aufgrund dieser Informationen an mehreren Stellen ihre große Sorge über die Entwicklung der humanitären Lage und der Menschenrechte in Syrien zum Ausdruck gebracht hat. Die Bundesregierung hat die Regierung Assad mehrfach aufgefordert, dafür zu sorgen, dass das Töten von Menschen, die von ihren Rechten auf freie Meinungsäußerung und auf Demonstrationsfreiheit Gebrauch machen, aufhört. Die Bundesregierung unterstützt, dass sich die Arabische Liga bemüht, in dieser sehr schwierigen Situation zu einer Lösung der Krise beizutragen. Das sind Bemühungen, die unsere und auch die gesamteuropäische Unterstützung haben.

Peschke: Das will ich ausdrücklich unterstreichen. Der Vorwurf, dass die Bundesregierung hier sprachlos geblieben sei oder nicht gehandelt habe, trifft aus unserer Sicht eindeutig nicht zu. Im Gegenteil, die Bundesregierung hat sich in der Syrien-Krise von Anfang an sehr aktiv engagiert, und zwar auf Linie dessen, was der Regierungssprecher gerade ausgeführt hat.

Heute steht das Thema Syrien auf der Tagesordnung der EU-Außenminister. Es werden weitere Sanktionen gegen Mitglieder des syrischen Regimes getroffen, die für die Gewalt in Syrien, die Sie beschrieben haben, verantwortlich sind. Diese Gewalt muss aus unserer Sicht unbedingt gestoppt werden.

Im Übrigen sind wir in sehr engem Kontakt mit der Arabischen Liga, die in Syrien in der Tat eine sehr aktive Rolle spielt. Außenminister Westerwelle begrüßt die Beschlüsse, die die Arabische Liga gestern zu Syrien gefasst hat, und geht davon aus, dass auch in der Europäischen Union heute ein Signal an die Arabische Liga gesendet wird, das das Vorgehen und die Bemühungen der Arabischen Liga, die Krise in Syrien zu lösen, unterstützt. Das, was gestern beschlossen wurden, ist das muss man festhalten durchaus einschneidend; das hat es so in der Geschichte der Arabischen Liga noch nie gegeben. Wir werden weiter alles dafür tun, dass die Bemühungen der Liga Erfolg haben.

Im Übrigen unterstützen wir auch, dass die Arabische Liga für ihr Vorgehen eine Unterstützung des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen erreichen möchte. Außenminister Westerwelle und die Bundesregierung sagen schon lange, dass eine Behandlung des Themas und eine Verurteilung der Gewalt in Syrien im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen überfällig sind. Dafür haben wir uns eingesetzt und werden wir uns weiter einsetzen. Auf Grundlage der Beschlüsse der Arabischen Liga werden wir jetzt nochmal auf diejenigen zugehen, die bisher zögerlich waren, um sie von der Notwendigkeit eines klaren Signals des Sicherheitsrats zu überzeugen.

Zusatzfrage: Habe ich Sie richtig verstanden, dass Sie den Bericht der Arabischen Liga gelesen haben? Darin wird doch ganz klar von Killern und Heckenschützen gesprochen; da ist keine Rede von der Tötung von friedlichen Demonstranten.

Peschke: Das müssen wir hier jetzt nicht im Einzelnen diskutieren, darüber können wir auch separat noch einmal sprechen. Ich habe den Bericht der Arabischen Liga nicht nur gelesen, sondern habe ihn auch vor mir liegen und habe alle wesentlichen Passagen gegilbt; insofern könnte ich Ihnen gern daraus vortragen. Ich glaube aber, so, wie Sie das jetzt vorgetragen haben, ist das eine sehr einseitige Sicht. Nur ein Beispiel: Die Arabische Liga fordert Präsident Assad auf, die Macht abzugeben, damit innerhalb von zwei Monaten die Bildung einer Regierung der Nationalen Einheit möglich wird. Ich denke, das ist ein sehr eindeutiges Signal, das man an Klarheit nicht übertreffen kann. Jetzt gilt es, das in anderen internationalen Gremien zu unterstützen und aufzunehmen.

Frage: Auch an das Auswärtige Amt: Es gab vorhin eine Meldung, dass sich eine äthiopische Rebellenorganisation der Entführung der beiden Deutschen bekannt habe. Was ist Ihnen darüber bekannt? Gibt es sonstige Neuigkeiten in dieser Sache?

Peschke: Diese Meldungen haben wir auch gesehen; ich kann sie zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht bestätigen. Unser Stand ist nach wie vor, dass nach dem Überfall auf eine Reisegruppe in Äthiopien zwei deutsche Staatsangehörige mit dem Verdacht auf Entführung vermisst werden. Die Botschaft und der Krisenstab im Auswärtigen Amt sind eingeschaltet. Wir bemühen uns mit Hochdruck, die Sache aufzuklären und unseren Staatsangehörigen zu helfen.

In diesem Zusammenhang kann ich sagen, dass sechs Mitglieder der Reisegruppe, die unmittelbar nach dem Vorfall auch durch Bemühungen der Botschaft in Zusammenarbeit mit den äthiopischen Behörden per Luftweg aus der Gefahrenzone herausgebracht werden konnten, inzwischen wohlbehalten wieder in Deutschland eingetroffen sind.

Frage: Herr Peschke, gibt es denn Kontakte zu den Geiselnehmern, können Sie dazu etwas sagen?

Peschke: Nein, dazu kann ich nichts sagen. Das ist für uns jetzt ein hochoperativer, sehr komplizierter Fall. Wie üblich werde ich zu den operativen Einzelheiten unserer Bemühungen, unseren Landsleuten dort zu helfen, an dieser Stelle keine Stellung nehmen. Auch wenn ich Ihr Interesse sehr gut verstehe, steht für uns jetzt ganz klar im Vordergrund, den Fall zu lösen.

Zusatzfrage: Haben Sie eine Idee hinsichtlich der Identität der Entführer?

Peschke: Sie können gern noch weiter in mich dringen, aber ich muss Ihnen jetzt schon ankündigen, dass ich dazu jetzt keine weiteren Auskünfte geben kann.

Frage: Es gab den neuerlichen Vorschlag der Bundesjustizministerin zu einer Reform der Verfassungsschutzstruktur und die Ablehnung aus dem Innenministerium. Die Frage an beide Häuser: Ist das Thema Strukturänderung damit vom Tisch und nur die Vernetzung geplant, oder soll das noch einmal angegangen werden?

Aden: Da kann ich gerne beginnen. Frau Leutheusser-Schnarrenberger hat ja schon kurze Zeit nach Bekanntwerden der als NSU bezeichneten Terrorzelle darauf hingewiesen, dass es 16 Landeskriminalämter, 16 Landesverfassungsschutzämter, das Bundesverfassungsschutzamt, den Militärischen Abwehrdienst und das Bundeskriminalamt gibt, die alle als Behörden Zuständigkeiten bei der Bekämpfung und auch der Aufklärung von rechtsextremistischen Straftaten wahrnehmen, und dass diese beispiellose Pannenserie, die bekanntgeworden ist, (zeigt, dass es) offensichtlich auch Effizienzverluste gibt. Die Ministerin hat deswegen vorgeschlagen, Strukturänderungen vorzunehmen, und hat auch schon einen konkreten Vorschlag gemacht, wie das aussehen könnte. Dieser Vorschlag bleibt nach wie vor ihr Vorschlag. Sie hat in der vergangenen Woche im Zusammenhang mit der Kabinettsbefassung der Verbunddatei auch gesagt, dass die Verbunddatei ein guter Schritt ist, aber eben nur ein erster Schritt sein kann. Auch das gilt nach wie vor so.

Spauschus: Der Bundesinnenminister, der hier aus meiner Sicht zuständig ist, hat sich in der "FAZ" eindeutig dazu geäußert. Dem habe ich hier auch nichts hinzuzufügen.

Zusatzfrage: Meine Frage war ja, wie es jetzt weitergeht. Ist eine Strukturreform vom Tisch oder soll es eine Strukturreform noch geben? Es kann ja auch Gegenstand der verschiedenen Gremien sein, die sich jetzt mit der NSU befassen, dass man insgesamt die Struktur noch einmal in den Blick nimmt. Wird diese Frage noch einmal aufgegriffen und gibt es dafür eine zeitliche Agenda?

Spauschus: Wie gesagt, aus Sicht des Bundesinnenministeriums wird natürlich an jeder Stelle Aufklärung geleistet, und es wird auch geschaut, wo Defizite bestanden haben. Es gibt derzeit aber keine Bestrebungen, am Aufbau der Verfassungsschutzbehörden in Deutschland etwas zu ändern. Der Minister hat darauf hingewiesen, dass die Länder auf ihrer Eigenstaatlichkeit und Handlungsfähigkeit bestehen und leistungsfähige Strukturen aufgebaut haben.

Aden: Die Aufklärung der Defizite ist ja noch lange nicht abgeschlossen. Es wird einen Bundestags-Untersuchungsausschuss geben, der sich damit befassen wird. Frau Leutheusser-Schnarrenberger hat auch wiederholt darauf hingewiesen, dass man, wenn die Aufklärung abgeschlossen ist, schauen muss, welche Konsequenzen daraus zu ziehen sein werden.


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Quelle:
Mitschrift der Pressekonferenz - Montag, 23. Januar 2012
http://www.bundesregierung.de/Content/DE/Mitschrift/Pressekonferenzen/2012/01/2012-01-23-regpk.html?nn=391778
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veröffentlicht im Schattenblick zum 25. Januar 2012