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PRESSEKONFERENZ/410: Regierungspressekonferenz vom 2. Mai 2012 (BPA)




Presse- und Informationsamt der Bundesregierung

Mitschrift der Pressekonferenz - Mittwoch, 2. Mai 2012
Regierungspressekonferenz vom 2. Mai 2012

Themen: Kabinettssitzung (KFOR-Einsatz der Bundeswehr, Gesetzentwurf zur Stärkung der deutschen Finanzaufsicht, Gesetzentwurf zur Einrichtung einer Markttransparenzstelle für den Großhandel mit Strom und Gas, Wissenschaftsfreiheitsgesetz), Mindestlohn, Plagiatsvorwürfe gegen die Bundesbildungsministerin, USA-Reise des Bundesinnenministers, Energietreffen, Äußerungen des Vorsitzenden der Eurogruppe, Reformen in Spanien, Verstaatlichung eines spanischen Stromunternehmens in Bolivien, Sorgerecht unverheirateter Eltern, Anti-Islam-Kampagne von "pro NRW", Folgen der EHEC-Epidemie in 2011, Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz, europäischer Fiskalpakt

Sprecher: StS Seibert, Kothé (BMF), Knauß (BMBF), Beyer (BMI), Maaß (BMU), Rouenhoff (BMWi), Zimmermann (BMJ), Peschke (AA), Albrecht (BMG), zu Erbach-Fürstenau (BMELV)

Vorsitzender Fichtner eröffnet die Pressekonferenz und begrüßt StS Seibert sowie die Sprecherinnen und Sprecher der Ministerien.

StS Seibert: Guten Tag auch von mir, meine Damen und Herren! Das erste Thema, mit dem sich das Bundeskabinett befasst hat, ist der Einsatz der Bundeswehr im Kosovo als Teil der dortigen internationalen Sicherheitspräsenz KFOR. Das Kabinett hat beschlossen, dass sich die Bundeswehr weiterhin an KFOR beteiligen soll, und zwar mit unverändertem Mandat, sowohl inhaltlich als auch, was die Personalstärke betrifft. Es bleibt also bei der Personalobergrenze von 1.850 deutschen Soldatinnen und Soldaten.

Insgesamt umfasst KFOR zurzeit 6.200 Soldatinnen und Soldaten. Die Bundeswehr stellt das stärkste nationale Kontingent, und seit einiger Zeit stellt Deutschland ja auch den KFOR-Befehlshaber. Aktuell sind etwa 1.200 deutschen Soldatinnen und Soldaten im Kosovo. In dieser Zahl enthalten sind etwa 500 Soldaten des Reservebataillons.

Die Lage in der Republik Kosovo ist im Allgemeinen erfreulicherweise ruhig und stabil. Der kosovarisch-serbisch dominierte Norden des Landes bleibt eine Ecke des Kosovo mit einem gewissen Eskalationspotenzial. Unsere Überzeugung ist, das die internationale Truppenpräsenz KFOR weiterhin erforderlich bleibt, um eben ein sicheres und stabiles Umfeld zu ermöglichen, bis eines Tages die Sicherheitsorgane Kosovos - dann unterstützt von EULEX, der europäischen Rechtsstaatsmission - die Sicherheit für alle Bevölkerungsgruppen im Kosovo gleichmäßig gewährleisten können. - Wie immer bei solchen Beschlüssen ist es natürlich entscheidend, dass der Bundestag dem zustimmt.

Das zweite Thema im Kabinett war ein Gesetzentwurf zur Stärkung der deutschen Finanzaufsicht. Das ist die Umsetzung eines Auftrages aus der Koalitionsvereinbarung. Die Finanzkrise hat gezeigt: Es ist nicht nur notwendig, besser zu regulieren, was es an Finanzdienstleistungen und Finanzdienstleistern auf dem Markt gibt, sondern es ist auch notwendig, eine effektivere Finanzaufsicht zu haben, die eben für die Durchsetzung der Regel zuständig ist. Die Bundesregierung hat daher heute einen Gesetzentwurf beschlossen, mit dem sie die Finanzaufsicht und die Überwachung der Finanzstabilität in Deutschland stärken will. Staatssekretär Kampeter aus dem BMF, der diesen Gesetzentwurf in das Kabinett eingebracht hat, sprach von "vorsorgendem Brandschutz".

Ein wichtiger Teil dieser gesetzlichen Maßnahmen ist die Einrichtung eines Ausschusses für Finanzstabilität beim Bundesfinanzministerium. Dem gehören Vertreter der Deutschen Bundesbank, des Bundesfinanzministeriums, der BaFin sowie - ohne Stimmrecht - ein Vertreter der Bundesanstalt für Finanzmarktstabilisierung an. Die Deutsche Bundesbank enthält aufgrund ihrer besonderen Expertise den gesetzlichen Auftrag, die für die Finanzstabilität maßgeblichen Sachverhalte laufend zu analysieren, mögliche Gefahren zu identifizieren und eben auch Vorschläge für Warnungen und Empfehlungen zu erarbeiten. Auf der Grundlage dieser Warnungen und Empfehlungen wird der Ausschuss für Finanzstabilität künftig Gegenmaßnahmen oder Empfehlungen für solche Gegenmaßnahmen erarbeiten, die sich an die Bundesregierung, die BaFin oder andere öffentliche Stellen richten.

Nicht zuletzt werden auch die Interessen der Verbraucher besser geschützt. Dafür wird ein Verbraucherbeirat eingerichtet und das Beschwerdeverfahren für Kunden und für Verbraucherverbände wird gesetzlich besser ausgestaltet.

Ein weiteres Thema des Bundeskabinetts war heute der Gesetzentwurf für die Einrichtung einer Markttransparenzstelle für den Großhandel mit Strom und Gas. Diese Markttransparenzstelle soll beim Bundeskartellamt eingerichtet werden. Sie soll die Transparenz und die Integrität der Preisbildung auf den Strom- und Gasgroßhandelsmärkten erhöhen und damit auch das Vertrauen der Marktteilnehmer in diese Märkte stärken. Sie wird außerdem auf den Mineralölmärkten, also bei Tankstellen, Händlern und Raffinerien, wöchentlich Verkaufs-, Beschaffungs- und Mengendaten erheben. Damit kann das Bundeskartellamt dann unzulässige Strategien zur Verdrängung mittelständischer Mineralölunternehmen und missbräuchlich überhöhte Preise der großen Mineralölkonzerne besser aufdecken und verfolgen.

Der letzte Punkt der Kabinettssitzung war ein Gesetzentwurf der Bundesministerin für Bildung und Forschung, das Wissenschaftsfreiheitsgesetz. Der genaue Titel lautet "Entwurf eines Gesetzes zur Flexibilisierung von haushaltsrechtlichen Rahmenbedingungen außeruniversitärer Wissenschaftseinrichtungen". Nennen wir es also besser Wissenschaftsfreiheitsgesetz. Darüber hat Bundesministerin Schavan hier in der Bundespressekonferenz schon berichtet, weswegen ich es sehr kurz mache: Die Bundesregierung stärkt die internationale Wettbewerbsfähigkeit der außeruniversitären Forschungseinrichtungen damit weiter. Sie stärkt vor allem ihre Autonomie in den Bereichen Haushalt, Personal, Beteiligungen und Bauverfahren, und sie baut bürokratische Hemmnisse ab. Dies ist die Umsetzung einer entsprechenden Vereinbarung im Koalitionsvertrag. Wer sich erinnert: Bereits 2008 wurden Eckwerte eingebracht, aber erst die christlich-liberale Koalition ist in der Lage, dieses Gesetz nun auch im Detail ausformuliert einzubringen. - So weit mein Bericht aus dem Kabinett.

Frage: Zur Finanzaufsicht und dem zu gründenden Verbraucherbeirat würde mich interessieren, wie der zusammengesetzt sein soll, wer darüber entscheidet und wie er finanziell ausgestattet wird.

StS Seibert: Ich schlage vor, dass Ihnen das BMF das beantwortet.

Kothé: Es soll eben diesen Verbraucherbeirat neu geben, und das Beschwerdeverfahren für Kunden soll ja auch geändert werden. Wie das jetzt im Einzelnen ausgestaltet wird, wird bei der Umsetzung zu entscheiden sein. Dazu, was das genau kostet, habe ich jetzt keine Angaben. Das steht, glaube ich, auch noch nicht im Gesetzentwurf, aber dies vielleicht als Information. Wir werden das heute Nachmittag auch alles einstellen. Das ist eigentlich so weit.

Vielleicht noch ein Hinweis, weil das Thema Verbraucherschutz für sehr viele auch immer von Interesse ist: Das Verbraucherministerium wird, so der Vorschlag, zukünftig auch einen Sitz im Verwaltungsrat der Bundesanstalt bekommen.

StS Seibert: Ich könnte vielleicht noch hinzufügen: Dieser Verbraucherbeirat soll nach meinen Informationen zwölf Mitglieder haben. Die werden vom BMF bestellt. Es sind Mitglieder aus der Wissenschaft, den Verbraucher- und den Anlegerschutzorganisationen sowie Mitarbeiter außergerichtlicher Streitschlichtungssysteme und des BMELV.

Frage: Zum zweiten Thema, das Frau Kothé eben schon gesprochen hat: Sie haben gesagt, dass es dieses Beschwerderecht bisher auch schon gegeben habe. Das würde jetzt nur auf eine gesetzliche Grundlage gestellt werden. Können Sie erklären, was sich dadurch in der Praxis verändert?

Kothé: Das war, wie es mir die Kollegen erklärt haben, bisher eben nicht richtig gesetzlich geregelt, und man hat versucht, jetzt eine klare Struktur für diese Beschwerdemöglichkeiten zu schaffen.

Zusatzfrage: Kann man sich künftig über Dinge beschweren, über die man sich bisher nicht beschweren konnte? Es gab diese Beschwerdestelle ja schon.

Kothé: Ich glaube, dabei ging es dann auch hauptsächlich um Zuständigkeiten und um Verfahren. Man konnte sich beschweren und man kann sich natürlich auch in Zukunft beschweren. Kein Gesetz kann vorschreiben, über was ich mich als Verbraucher zu beschweren habe oder nicht.

Frage: Herr Staatssekretär, am Wochenende oder in den letzten Tagen haben verschiedene Koalitionspolitiker in Interviews übereinander geredet. Es ging um Inflexibilität, Pawlowsche Reaktionen und sonstiges. Es ging um Themen wie Mindestlohn oder mangelnde Flexibilität von Partnern. Das hat ja öffentlich eine Rolle gespielt. Meine Frage lautet deshalb: Gab es in irgendeiner Form eine als ein Signal der neuen Kooperationsfähigkeit zu verstehende Einlassung der Kanzlerin, oder hat der Vizekanzler gesagt "Bevor wir uns im Koalitionsausschuss öffentlich auffordern - von dem keiner genau weiß, ob es ihn überhaupt noch gibt -, ein Thema zu besprechen, wäre es vielleicht ganz gut, dass man miteinander spricht"? Können Sie irgendwie ein klimatisches Signal ausmachen, das die Koalition möglicherweise zu einer neuen Friedenswilligkeit veranlassen könnte?

StS Seibert: Es bedarf weder klimatischer Signale noch Beteuerungen der Kanzlerin, dass Kooperationswilligkeit besteht; denn Kooperationswilligkeit und Kooperationsfähigkeit haben diese Bundesregierung immer ausgezeichnet. Sie sehen das daran, dass sich das Kabinett auch heute wieder ganz der sinnvollen Sacharbeit gewidmet hat.

Zusatzfrage: Zu der sinnvollen Sacharbeit gehört aber, wenn ich das richtig verstehe, die Ausklammerung des Themas Mindestlohn, um es konkret zu machen.

StS Seibert: Das Thema Mindestlohn ist derzeit nicht ein Thema, hinsichtlich dessen die Bundesregierung bereits einen Gesetzentwurf oder Ähnliches besprechen kann. Die Kabinettssitzung dient dem Voranbringen von gesetzlichen Vorhaben, und davon habe ich Ihnen heute vier aus ganz unterschiedlichen Ressorts vorgetragen, deren Ressortchefs auch ganz unterschiedlichen Koalitionsparteien angehören. Das ist die Sacharbeit, die ich meine. Alles andere wird in den geeigneten Koalitionsforen - beispielsweise auch bei Sitzungen des Koalitionsausschusses - besprochen werden.

Zusatzfrage: Hat denn Bildungsministerin Schavan dem Kabinett möglicherweise etwas zu ihrer persönlichen Plagiatssache erklärt, oder kam das für die Kabinettssitzung zu spät?

StS Seibert: Die Bildungsministerin hat im Kabinett über das sehr wichtige Wissenschaftsfreiheitsgesetz gesprochen, das ein weiteres Beispiel dafür ist, dass Bildung und Forschung in dieser christlich-liberalen Koalition einen besonders hohen Stellenwert genießen und große Fortschritte gemacht wurden.

Zusatzfrage: Aber hat sie in Bezug auf die gegen sie im Blog öffentlich erhobenen Plagiatsvorwürfe weder der Kanzlerin noch dem Kabinett etwas mitgeteilt?

StS Seibert: Nein, das war im Kabinett kein Thema.

Knauss: Bildungs- und Forschungsministerin Schavan hat sich vor zwei Stunden an dieser Stelle zu der Frage geäußert; das können Sie in den Agenturen auch schon nachlesen.

Zusatz: Ich wollte nur wissen, ob sie im Kabinett ein Signal zur Beruhigung ihrer Kolleginnen und Kollegen - die sollen sich keine Sorgen machen; alles gut mit der Promotionsarbeit - gegeben hat. Aber das wurde ja nicht gesagt.

Knauss: Sie hat an dieser Stelle gesagt, dass sie bereit ist, mit jedem, der sich namentlich und ausführlich mit ihrer Dissertation beschäftigt, zu sprechen. Zu anonymen Vorwürfen kann man natürlich schwerlich Stellung nehmen. Ich kann Ihnen aber auch schon sagen, dass sich die Promotionskommission der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf auf Bitte von Frau Schavan mit der Dissertation beschäftigen wird, und das bald.

Beyer: Ich wollte Ihnen etwas mitteilen: Der Bundesinnenminister ist heute Vormittag zu einer dreitägigen USA-Reise aufgebrochen. Minister Friedrich führt in Washington politische Gespräche, unter anderem mit Vertretern der US-Regierung. Schwerpunkt der Reise ist das Thema Cyber-Sicherheit. Dazu wird der Minister heute am frühen Nachmittag Washingtoner Zeit auch eine Rede auf einer internationalen Cyber-Security-Konferenz halten. Des Weiteren sind auch ein Besuch im National Cybersecurity and Communications (Integration) Center, also dem amerikanischen Cyber-Sicherheitszentrum, und Gespräche unter anderem mit Experten des American Jewish Committee über Fragen der Migration und der Integration religiöser Minderheiten geplant. Die Reise wird bis einschließlich Freitag andauern.

Frage: Herr Seibert, es geht um das heutige Energietreffen: Wie bewertet die Kanzlerin den Stand des Kraftwerkzubaus? Welche Möglichkeiten gibt es, um den Neubau von fossilen Kraftwerken für Investoren attraktiv zu gestalten beziehungsweise welche favorisiert das Kanzleramt?

StS Seibert: Ich werde diese Fragen sicherlich nicht schon im Vorfeld des Treffens besprechen. Ich fände es unhöflich, wenn man schon im Vorhinein sagen würde, was man denen sagen möchte, mit denen man ein einer vertraulichen Runde zusammenkommt.

Das Treffen heute Nachmittag dient den Perspektiven des Kraftwerksausbaus im Rahmen des Energiekonzepts. Es dient dazu zu sehen: Wie weit sind wir in der Umsetzung? Woran hapert es noch? Wo wird man möglicherweise nacharbeiten müssen? Wie vor allem stellen sich die Akteure im Markt dazu?

Es ist im Grunde auch der Sinn der Sache, dass man mit denen spricht, die dazu am Markt aktiv werden sollen und können.

Zusatzfrage: Sie können also zum Stand der jetzigen Zufriedenheit auch gar nichts sagen?

StS Seibert: Für den Kraftwerksbereich gilt der Kabinettsbeschluss vom Sommer 2011. Am 6. Juni sind die vielen Gesetze und Verordnungen im Kabinett behandelt worden. Es ist klar: Wir brauchen eine schnelle Fertigstellung der fossilen Kraftwerke, die derzeit im Bau sind - bis 2013‍ ‍geht es um 10 Gigawatt -, und wir brauchen bis 2020 den Zubau weiterer gesicherter Kraftwerksleistungen. Da geht es nach meinen Informationen um weitere 10 Gigawatt. Wir haben dafür Impulse gesetzt. Die Novelle des Kraftwärmekoppelungsgesetzes ist dabei sehr wichtig.

Nun wird es darum gehen - dieses ist das x-te Treffen in einer ganzen Reihe von Treffen der Bundeskanzlerin und der Mitglieder der Bundesregierung mit den Akteuren -, gemeinsam zu klären: An welcher Stelle sind die Fortschritte so, wie wir sie gerne hätten? An welcher Stelle muss noch nachgearbeitet werden?

Frage: Zu dem Treffen sind verschiedene Erwartungen formuliert worden, unter anderem auch zum Netzausbau. Ist es richtig, dass das kein Thema sein soll und es nur um den Kraftwerksneubau geht?

Zum Kraftwerksneubau: Könnten Sie noch einmal konkretisieren, ob es insbesondere um die Frage der Subventionen gehen soll?

Eine weitere Frage zu den Teilnehmern an Sie, Herr Seibert, oder an die zuständigen Ministerien: Ist inzwischen klar, ob Herr Röttgen und Herr Rösler teilnehmen werden?

Eine letzte Frage: In welcher Form ist eine Unterrichtung über die Ergebnisse geplant?

StS Seibert: Ich fange von hinten an: Dies ist ein vertrauliches Gespräch. Es ist danach keine Pressekonferenz geplant.

Zweite Frage: Es werden hochrangige Vertreter - nicht die beiden Minister, sondern Abteilungsleiter - der beiden Ministerien, also Wirtschafts- und Umweltministerium, teilnehmen. Somit ist also auch die unverzügliche Information der Minister gewährleistet.

Es geht heute um den Kraftwerksbau. Das ist das zentrale Thema dieses Gesprächs, ohne dass ich ausschließen möchte, dass sich das Gespräch auch noch anderen Aspekten der Energiewende zuwendet.

Zusatzfrage: Ist insbesondere der Schwerpunkt das Thema Subventionen? Können Sie sagen, warum die Minister nicht teilnehmen?

StS Seibert: Beide Häuser sind auf der Ebene hoher Beamter vertreten. Das ist das Entscheidende. Beide Minister - wie Sie wissen, ist der eine Parteivorsitzende und der andere Spitzenkandidat - sind in diesen Tagen auch eine ganze Menge im Wahlkampf unterwegs. Aber vor allem ist dieses eben eines von vielen Gesprächen der Bundeskanzlerin, die sie persönlich führt. Sie ist mit den beiden Ministern im ständigen Austausch über alle Fragen der Energiewende.

Wie gesagt: Ich bleibe dabei, dass es um das Thema des Kraftwerksausbaus geht. Welche Unterfacetten dieses Themas besprochen werden, will ich erst einmal dem Gespräch überlassen.

Frage: Eine Frage an Umwelt- und Wirtschaftsministerium: Ministerpräsident Kretschmann hat noch einmal angemahnt, das Thema Versorgungssicherheit zu besprechen. Wie sehen Sie momentan den Stand der Versorgungssicherheit im Energiebereich?

Maaß: Ich kann mich Herrn Seibert erst einmal nur anschließen. Wir werden uns natürlich vor diesem Gespräch nicht zu diesem Thema äußern.

Zusatz: Sie werden doch sagen können, wie Sie momentan die Versorgungssicherheit im Strombereich einschätzen.

Maaß: Gut.

Rouenhoff: Jetzt warten Sie erst einmal die heutigen Gespräche ab, bei denen sicherlich nicht nur über das Thema Kraftwerkszubau, sondern auch über andere Themen gesprochen wird. Ich bitte Sie einfach um ein wenig Geduld.

Frage: Herr Maaß, wann hat denn Herr Röttgen entschieden, dass er lieber in den Wahlkampf als zur Kanzlerin zum Energiegipfel geht?

Herr Seibert, warum ist eigentlich das Unternehmen Vattenfall nicht eingeladen? Habe ich daraus irgendetwas zu schlussfolgern? Ist das Zufall? Waren die Vattenfall-Manager auch im Wahlkampf?

Maaß: Erst einmal vorweg: Die Unterstellung weise ich natürlich zurück.

Zuruf: Welche Unterstellung?

Maaß: Dass Herr Röttgen etwas entschieden habe. Es ist einvernehmlich entschieden worden, das Gespräch so zu gestalten, wie es jetzt gestaltet wird. Im Übrigen ist Herr Röttgen heute in Berlin.

StS Seibert: Ich habe auch nicht sagen wollen, dass Herr Röttgen (Wahlkampf betreibt).

Maaß: Mehr kann ich dazu wirklich nicht sagen. Die Lösung ist so, wie sie ist, gut.

Zuruf: Herr Röttgen macht heute keinen Wahlkampf? Ich bin nur durch den Hinweis des Regierungssprechers möglicherweise auf eine falsche Fährte geführt worden.

Maaß: Ich bin über die Details des Terminkalenders nicht en détail informiert. Er ist im Moment in Berlin. Ich habe ihn gerade heute noch im Ministerium gesehen.

Zuruf: Danach packt er die Koffer.

Maaß: Ich glaube, er spricht möglicherweise mit dem einen oder anderen Kollegen von Ihnen. Das könnte ja auch der Fall sein.

Frage: Eine Nachfrage an den Vertreter des Wirtschaftsministeriums: Sie sagen, wir sollen die Ergebnisse abwarten. Deshalb noch einmal die Frage: Wie erfahren wir von den Ergebnissen?

Rouenhoff: Die Ergebnisse werden zu gegebener Zeit, wenn sie besprochen und diskutiert worden sind, der Öffentlichkeit zugänglich gemacht, wenn sie für die Öffentlichkeit bestimmt sind.

Zuruf: Die Frage in Sachen Vattenfall ist noch offen.

StS Seibert: Ich kann Ihnen sagen, wer eingeladen ist, was nicht unbedingt gleichbedeutend damit sein muss, dass die Eingeladenen heute alle Nachmittag kommen; aber davon gehen wir einmal aus. Es sind tatsächlich Vertreter verschiedener Energiekonzerne - nicht der von Ihnen genannte -, Gewerkschaftsvertreter, Wissenschaftler, Vertreter von Stadtwerken, Öko-Institut und Bundesnetzagentur eingeladen; Vattenfall nicht.

Zuruf: Gäbe es dafür eine Begründung?

StS Seibert: Das kann ich Ihnen einfach nicht sagen, weil ich nicht weiß, auf welcher Basis diese Liste zustande gekommen ist.

Frage: Herr Seibert, am Montagabend hat der Chef der Eurogruppe, Herr Juncker, als Grund für seinen Rückzug unter anderem seine Verbitterung über die deutsch-französischen Einmischungen genannt. Mich würde interessieren, wie Sie diesen Vorwurf bewerten und ob die Bundesregierung diese Äußerungen als Anlass für Selbstkritik sieht.

Die zweite Frage richtet sich an das Finanzministerium: Herr Juncker hat sich für Wolfgang Schäuble als seinen Nachfolger ausgesprochen. Wie hat Herr Schäuble darauf reagiert? Ist er bereit, die Nachfolge von Herrn Juncker anzutreten?

StS Seibert: Ich kenne die Äußerungen von Herrn Juncker, auf die Sie anspielen, ehrlich gesagt nicht. Deswegen kann ich sie hier unmöglich kommentieren.

Zusatzfrage: Anders gefragt: Hat die Bundesregierung den Eindruck, dass es überhaupt zu Einmischungen von deutscher und französischer Seite gekommen ist, was die Arbeit des Chefs der Eurogruppe angeht?

StS Seibert: Wie gesagt: Da ich diesen Teil der Junckerschen Äußerungen nicht kenne, kann ich ihn nicht kommentieren. "Einmischung" halte ich grundsätzlich für das falsche Wort. Deutschland und Frankreich haben in Europa eine besonders große Verantwortung, der sie immer versuchen, gerecht zu werden.

Kothé: Dazu kurz eine Bemerkung: Gerade im Bereich der Finanzpolitik ist immer dieser deutsch-französische Motor sehr wichtig gewesen - auch in dieser Krisenbewältigungszeit - und hat sich aus unserer Sicht bewährt.

Zur Juncker-Nachfolge, auf die Sie mich direkt angesprochen haben: Es gibt keinen neuen Stand. Die Amtszeit von Herrn Juncker läuft im Juni aus. Das wird zu gegebener Zeit zu entscheiden sein.

Frage: Was denkt die Kanzlerin über die Reformen in Spanien? Welche Meinung hat die Bundesregierung zur Entscheidung der bolivianischen Regierung, ein spanisches Stromunternehmen zu verstaatlichen?

StS Seibert: Zu Letzterem möchte ich mich wirklich nicht äußern. Bolivianisch-spanische Beziehungen sind nicht das Thema für den deutschen Regierungssprecher.

Zu Ersterem, also zur Reformtätigkeit der spanischen Regierung: Wir haben an dieser Stelle mehrfach gesagt, für wie wichtig wir es halten, dass die Regierung Rajoy tatsächlich diesen Reformkurs betreibt, für wie wichtig wir die Arbeitsmarkt- und Haushaltsreformen halten, dass wir das unterstützen und dass wir sehr hoffen, dass Spanien auf diesem Kurs bleiben wird.

Frage: Eine Frage an das Justizministerium. Es geht um die Regelung des Sorgerechts von nicht verheirateten Vätern. Dazu gab es ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs und die Bewertung als Diskriminierung. Welche Veränderungen sind jetzt geplant?

Zimmermann: Vielen Dank für die Frage. - Wir haben dazu auch bereits auf unserer Homepage einige Ausführungen eingestellt. Die Veränderungen im Wesentlichen sind dahingehend, dass wir quasi ein Antragsverfahren haben, dass dem Vater in einem einfachen und unkomplizierten Verfahren die Möglichkeit gegeben wird, die gemeinsame Sorge zu beantragen und dass die gemeinsame Sorge auch zugesprochen wird, wenn Kindeswohlgründe nicht entgegenstehen. Dies führt dann dazu, dass in Zukunft in vereinfachten und schnelleren Verfahren dafür Sorge getragen wird, dass in der Regel die gemeinsame Sorge auch Vater und Mutter zusteht. Das ist im Wesentlichen kurz das, was sich dadurch ändern soll.

Wichtig ist noch, zu sagen, dass bei all dem natürlich immer das Kindeswohl im Mittelpunkt steht und dass man grundsätzlich davon ausgehen kann, dass die gemeinsame Sorge im Normalfall dem Kindeswohl entspricht.

Zusatzfrage: Es ist jetzt ein Referentenentwurf fertiggestellt. Wann wird eine Gesetzesänderung wirksam?

Zimmermann: Das hängt ganz davon ab, wie es im parlamentarischen Verfahren weiter geht. Dazu kann ich konkret noch nichts sagen.

Frage: Zum Thema Mindestlohn. Herr Seibert, die Bundeskanzlerin hat sich in einem Interview geäußert, dass über das Thema Mindestlohn auch im Koalitionsausschuss geredet werden sollte. Können Sie das zeitlich etwas konkretisieren? Die Arbeitsministerin hat ja klar gesagt, dass das noch in dieser Legislaturperiode umgesetzt werden soll. Ist es auch die Haltung der Bundeskanzlerin, dass das ein wichtiges Thema ist, das noch in der Legislaturperiode umgesetzt werden soll? Wie soll das mit einem Koalitionspartner gehen, der klar sagt "Das kommt für uns nicht infrage"?

StS Seibert: Es ist die Haltung der Kanzlerin, dass diese Lohnuntergrenze, festgelegt durch eine Kommission aus Arbeitgebern und Gewerkschaften, der richtige Weg ist. Dieses ist auch der Beschluss der CDU, deren Vorsitzende die Bundeskanzlerin ist. Nun ist eine Lösung gefunden. Diese hält sie für eine gute. Natürlich ist der Wunsch der Kanzlerin, dass dieses auch umgesetzt wird. Aber in einer Regierung aus mehreren Koalitionspartnern wird nur umgesetzt, was alle Koalitionspartner mittragen. Deswegen muss man jetzt miteinander ins Gespräch gehen und sich die Argumente der jeweils anderen Seite anhören.

Zusatzfrage: Das heißt, wenn der Koalitionspartner Nein sagt, wird es auch nichts?

StS Seibert: Jetzt hört man sich erst einmal die Argumente an. Dafür wird es eine Gelegenheit geben. Jetzt kommt ihr Kollege und möchte wissen wann. Das kann ich ihm noch nicht sagen. Es wird eine Gelegenheit geben. Ich nehme nicht vorweg, welches Ergebnis dieses Gespräch haben wird.

Frage: Herr Regierungssprecher, ich wüsste gerne, ob der Bundeskanzlerin und CDU-Vorsitzenden die Angelegenheit Mindestlohn dringlich ist. Ich unterstelle einmal, dass ihr das wichtig ist. Wenn ihr das wichtig ist, will ich nicht wissen, wann der Koalitionsausschuss tagt, sondern ich möchte nur eine Erklärung dafür haben, dass bisher keinerlei Bestrebungen erkennbar sind, dass es überhaupt zu einer nächsten Sitzung des Koalitionsausschusses kommt. Wie kann es sein, wenn die Kanzlerin eine dringliche Angelegenheit, ein dringliches Thema benennt und dann überhaupt nichts dafür tut, dass man in der Koalition bei der Lösung vorankommt?

StS Seibert: Die Unterstellung, die Kanzlerin tue nichts, muss ich wirklich zurückweisen. Wir haben gerade - ich glaube, am 25. April - die Einigung der Arbeitsgruppe der Unions-Bundestagsfraktion auf dieses Modell gehabt, das beschreibt, wie man eine tarifoffene allgemeine Lohnuntergrenze auf tarifpartnerschaftlicher Basis vereinbaren kann. Mit der Vorlage dieses Konzepts - es ist ein Modell der Unionsfraktion - hat nun die Debatte innerhalb der Koalition begonnen. Jetzt werden Gespräche darüber geführt, und die werden sicherlich auch demnächst geführt werden - ohne dass ich Ihnen jetzt einen Termin nennen kann. Aber machen Sie sich keine Sorgen, es wird den Termin für dieses Gespräch geben.

Frage: Eine Frage an das Wirtschaftsministerium: Kann es aus Sicht des Wirtschaftsministeriums ein Modell für einen Mindestlohn geben, das Sie für sinnvoll und für umsetzungsbedürftig halten?

Rouenhoff: Der Minister hat sich zum Thema Mindestlohn gerade eben in einem Statement geäußert. Seine Position, seine Haltung ist klar und eindeutig, und dem habe ich nichts hinzuzufügen.

Frage: Herr Seibert, es gibt noch keinen Termin für den nächsten Koalitionsausschuss und es ist auch noch keiner ins Auge gefasst?

StS Seibert: Es gibt noch keinen Termin für den nächsten Koalitionsausschuss.

Zusatzfrage: Aber demnächst, wie Sie sagten?

StS Seibert: Ich bin nicht derjenige, der die Termine für diese Parteiveranstaltung, die es ja essenziell auch ist, festlegt. Ich kann Ihnen dann, wenn es einen Termin gibt, etwas darüber sagen; ich kann Ihnen aber nicht sagen, wann es einen Termin gibt.

Frage: Ich hätte gerne eine Reaktion der Bundesregierung zu der Anti-Islam-Kampagne der rechtsextremen Pro-NRW-Partei, die die Mohammed-Karikaturen vor deutschen Moscheen zeigen will. Gestern gab es ja im Rahmen dieser Aktion teils heftige Auseinandersetzungen vor einer Solinger Moschee.

Beyer: Es ist so, dass wir uns bei dem, was Sie angesprochen haben, auf dem Feld eines Ereignisses in Nordrhein-Westfalen bewegen. Dazu wissen wir, dass im Land Nordrhein-Westfalen die entsprechenden Maßnahmen zusammengeführt worden sind und dass von den dortigen Sicherheits- und Ordnungsbehörden entsprechend damit umgegangen worden ist.

Die Vorkommnisse, die Sie ansprechen, sind natürlich auch den Bundessicherheitsbehörden bekannt. Man muss hierzu sagen, dass sich die gemeinsame Gefahrenprognose der Bundessicherheitsbehörden und der Sicherheitsbehörden des Landes Nordrhein-Westfalen letzten Endes als zutreffend herausgestellt haben.

Zusatzfrage: Sind Sie besorgt, dass das in der Zukunft Auswirkungen auf die öffentliche Sicherheit haben könnte?

Beyer: Für die Bewertung würde ich gerne, wie ich eingangs schon sagte, an das Land Nordrhein-Westfalen verweisen; denn die Situation, die Sie eben geschildert haben, ist dort momentan eben eine örtliche Situation. Es ist aber natürlich so, dass wir uns im Austausch zwischen Bundes- und Landesbehörden gegenseitig informieren und dass auch entsprechende Gefahreneinschätzungen vorgenommen werden. Zu einer Bewertung ist es jetzt aber noch zu früh, was den konkreten Fall angeht.

Zusatzfrage: Im Fall Dänemarks kam es in der islamischen Welt zu großen Protesten vor dänischen Einrichtungen, Botschaften und diplomatischen Vertretungen. Sind für deutsche Einrichtungen im Ausland - gerade in der islamischen Welt - jetzt irgendwelche verschärften Sicherheitsvorkehrungen vorgesehen oder sieht man die Sache sehr gelassen?

Peschke: Nein, die Sicherheit unserer Auslandsvertretungen sehen wir nie gelassen, sondern betrachten sie immer mit der notwendigen Stringenz und Konsequenz. Inwiefern sich aus diesen Vorfällen jetzt konkrete Entwicklungen ableiten lassen, bleibt es abzuwarten. Im Übrigen wird die Sicherheitslage nahezu täglich überprüft und den jeweils obwaltenden Umständen angepasst. Auf Details gehen wir schon aus Sicherheitsgründen niemals ein.

Frage: Eine Frage an das Gesundheitsministerium und auch an das Verbraucherschutzministerium: Mir geht es um die Tatsache, dass vor ungefähr einem Jahr die EHEC-Epidemie ausgebrochen ist. Ich wollte jetzt nachfragen, was sich getan hat.

Erst einmal an das Gesundheitsministerium: Es sind ja ungefähr 3.800 Erkrankungsfälle. Wie viele davon haben unter Spätfolgen zu leiden? Es ging ja des Weiteren auch darum, die Übermittlungsvorschriften und die Meldevorschriften zu verbessern. Wie weit sehen Sie das schon umgesetzt?

Albrecht: Vielen Dank für die Frage. In der Tat liegen die Vorkommnisse um EHEC jetzt knapp zwölf Monate zurück. Über die Spätfolgen kann ich Ihnen nichts sagen. Wir wissen, dass es damals 53 Todesfälle gegeben hat. Zu den weiteren Spätfolgen der 3.800 Erkrankungen und zu der Frage, wer noch unter Spätfolgen leidet, kann ich Ihnen, wie gesagt, im Moment keine Auskunft geben. Ich kann Ihnen das aber gerne nachreichen.

Was die Meldefristen angeht, so haben wir seinerzeit feststellen müssen, dass die Meldung der Krankheitsfälle an das Robert-Koch-Institut nicht stringent und schnell erfolgen konnte. Deswegen haben wir uns gesetzlich auf den Weg gemacht und haben diese Meldefristen verkürzt. Es gab Meldefristen, die bis zu 16 Tage lang waren; diese Meldefristen werden jetzt auf maximal drei Tage verkürzt. Das ist Teil eines Gesetzes, das noch im Vermittlungsausschuss des Bundesrates liegt.

Das heißt, die Bundesregierung hat ihre Aufgabe erledigt. Die Verbraucherschutzministerin und der Bundesgesundheitsminister haben am Wochenende - vielleicht haben Sie das zur Kenntnis nehmen können - ein gemeinsames Interview gegeben, in dem sie dieses Thema auch angesprochen haben. Uns ist wichtig, dass die Länder wissen, dass sie, wenn sie das Gesetz im Vermittlungsausschuss anhalten, die Umsetzung dieser Verkürzung der Meldefristen verhindern. Daraufhin haben sich beide Minister in dem Interview dahingehend geäußert, dass die Länder diesem Umstand doch Rechnung tragen und dieses Gesetz mit auf den Weg bringen (mögen). Wie gesagt, als Bundesregierung haben wir da unsere Hausaufgaben erledigt.

Zusatzfrage: Wie sieht es mit den Hausaufgaben des Verbraucherschutzministeriums aus, Herr Erbach? Es ist ja auf EU-Ebene einiges durchzusetzen; unter anderem geht es darum, das Rückverfolgungssystem zu verbessern. Gibt es diesbezüglich Fortschritte, über die Sie berichten können?

Zu Erbauch-Fürstenau: Wir haben in diesem Bereich ja verschiedene Maßnahmen. Wir haben zum einen die strengeren Hygienevorschriften, im Rahmen derer es auch um die Verbesserung der Rückverfolgbarkeit geht. Da werden verschiedene Ansätze verfolgt. Wir haben ja herausgefunden, dass die EHEC-Erreger durch Sprossen übertragen wurden. Deshalb soll es zum einen schärfere Hygieneanforderungen für Sprossenbetriebe geben. Des Weiteren wird es ein neues Lebensmittelsicherheitskriterium für Sprossen geben; künftig müssen Hersteller von Sprossen ihre Produkte regelmäßig auf EHEC untersuchen lassen, bevor sie überhaupt in den Verkauf gelangen. Zusätzlich wurde herausgefunden, dass die Sprossen aus Drittländern kamen; insofern ist geplant, dass es strengere Einfuhrvorschriften gibt. Sprossen und die Samen aus Drittländern dürfen demnach künftig nur noch in die EU eingeführt werden, wenn mit ihrem Zertifikat nachgewiesen wird, dass die entsprechenden europäischen Hygienestandards eingehalten wurden. Was die Verbesserung der Rückverfolgbarkeit betrifft, so soll in der gesamten EU ein Kontrollsystem etabliert werden, um die Warenströme besser und präziser zurückverfolgen zu können. Ein genauer Zeitplan, wann was in Kraft tritt, ist angesichts der europäischen Wege immer schwierig vorauszusagen, deswegen kann ich das an dieser Stelle noch nicht tun.

Auf der anderen Seite haben wir außerdem die Strukturen des Krisenmanagements verbessert. Wir hatten ja eine Taskforce eingerichtet, in der Experten aus Bund, Land und EU erfolgreich mitgearbeitet hatten. Die Ministerin hat in dem angesprochenen Interview gesagt, dass es relativ selten ist, dass man überhaupt nachprüfen kann, was die Ursache war, wenn es zu einem EHEC-Ausbruch kommt. In diesem Fall war das möglich gewesen. Es ist daher geplant, dass beim BVL, dem Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit in Berlin, die entsprechenden Strukturen eingerichtet werden, damit die Taskforce jederzeit einsatzbereit ist.

Frage: Eine Frage an das Bundesgesundheitsministerium zum Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz: Nach diesem Gesetz sollen ja die Rabatte, die Kassen mit den Pharmafirmen aushandeln, veröffentlicht werden, um Transparenz herzustellen. Nun gibt es in der Union Bestrebungen, hier Änderungen zu erzielen, und zwar in die Richtung, dass diese Rabatte nicht veröffentlicht werden müssten. Wie steht das Gesundheitsministerium zu diesem Vorstoß? Kann sich Herr Bahr vorstellen, dass man in dieser Richtung Korrekturen vornimmt? Welche Folgen hätte es, wenn die Rabatte nicht veröffentlicht würden?

Albrecht: Sie haben Recht, das ist ein Vorschlag der Union, der schon seit ein paar Wochen kursiert. Wir haben seinerzeit, als dieser Vorschlag in die Diskussion geworfen wurde, eingewendet, dass wir erst einmal die ersten Runden der Preisverhandlungen abschließen müssen, damit wir überhaupt wissen, wie das AMNOG wirkt und ob es überhaupt wirkt. Das ist in den letzten Wochen geschehen. Wir haben daraufhin ein Symposium mit dem G-BA veranstaltet, der das ja federführend macht, um die ersten Erfahrungen des Gesetzes auszuwerten. Dabei sind wir gerade.

Sie haben Recht: Die Union hat als Koalitionspartner das BMG gebeten, diesen Vorschlag einmal zu prüfen. Das tun wir. Insbesondere wurden wir gebeten, zu prüfen, was gesetzlich überhaupt umsetzbar ist; denn in der Tat ist die Frage, wie man einen solchen Rabatt überhaupt geheim halten kann, keine leichte Frage. Wie gesagt, wir sind in der Prüfung, die Prüfung ist zugesichert. Das Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz ist auf dem Weg; es ist noch nicht beschlossen. Im Rahmen der Gesetzgebung werden wir das dann tun.

Zusatzfrage: Das heißt, der Minister ist durchaus offen für Korrekturen in dieser Richtung?

Albrecht: Wir haben klar gesagt, dass wir uns anschauen, wie das Gesetz wirkt. Diese Offenheit präjudiziert aber nichts, sondern kann bedeutet, dass das in die eine oder andere Richtung geht. Als dieser Vorschlag der Union vor vier Wochen in die Debatte kam und die ersten Verhandlungen noch gar nicht abgeschlossen waren, haben wir ganz klar gesagt: Das machen wir jetzt nicht. Es gehört zu einer Diskussion und zu einer Prüfbitte, dass wir das prüfen und dass wir das Ergebnis abwarten - ich präjudiziere hier jetzt gar nichts.

Zusatzfrage: Es ist ja kein Geheimnis, dass diese Idee von der Pharmaindustrie selber kommt; denn die Pharmaindustrie hat ein Interesse daran, dass nur die von ihr gesetzten Preise öffentlich sind, auch weil Deutschland als Referenzmarkt für den europäischen Raum gilt. Das heißt, wenn hier tatsächlich niedrigere Preise gezahlt würden und diese Preise dann auch öffentlich wären, dann könnten auch die Preise in den anderen Ländern sinken. Von daher stellt sich die Frage: Welchen Grund könnte es denn überhaupt aus Sicht des Gesundheitsministeriums geben, der Pharmaindustrie hier so weit entgegenzukommen? Sind Sie für höhere Preise?

Albrecht: Es gibt überhaupt keine Aussage, dass das Bundesgesundheitsministerium der Pharmaindustrie entgegenkommen will; im Gegenteil, die Pharmaindustrie sieht die Wirkung des Gesetzes zurzeit noch völlig anders. Man kann in der Tat darüber diskutieren, ob es Sinn hat, in Preisverhandlungen Preise öffentlich zu nennen. Es kann auch Sinn haben, einen Preis geheim zu lassen, um einem Unternehmen einzuräumen, weitere Preisnachlässe zu geben. Da gibt es insofern zwei Seiten.

Noch einmal: Wir werden in dieser Frage nichts präjudizieren. Das Arzneimittelneuordnungsgesetz ist ein erfolgreiches Gesetz. Bei den Krankenkassen gibt es nicht umsonst Rücklagen in dieser Höhe; denn dieses Gesetz wirkt nachhaltig. Erstmals geben wir wieder mehr Geld für ambulante Versorgung von Patientinnen und Patienten aus als für Arzneimittel. Das ist ein echter Erfolg. Wir haben keinen Anlass, diesen Erfolg in Frage zu stellen.

Zusatzfrage: Warum denken Sie denn überhaupt über Lockerungen oder Aufweichungen nach?

Albrecht: Wir sind vom Koalitionspartner gebeten worden, darüber nachzudenken. Woher der Koalitionspartner diese Anregungen hat, mögen Sie ihn bitte selbst fragen. Wenn wir gebeten werden, prüfen wir. Dann wird das im Übrigen in der Koalition verhandelt.

Frage: Eine Frage an Herrn Seibert zum Thema Fiskalpakt: In den letzten Tagen haben wir erfahren, dass das italienische und das deutsche Parlament den Fiskalpakt zusammen ratifizieren könnten; das wurde von einem deutschen Abgeordneten auch bestätigt. Wie sieht die Bundesregierung diese mögliche Initiative? War das auch ein Thema beim letzten Treffen zwischen Angela Merkel und Mario Monti in Rom?

StS Seibert: Danke für Ihre Frage. Als die Bundeskanzlerin und Herr Monti im März einander in Rom begegnet sind, haben sie tatsächlich auch darüber gesprochen, ob es vielleicht als Zeichen der großen deutsch-italienischen Verbundenheit in Sachen ESM und Fiskalpakt denkbar wäre, dass der jeweilige Minister vor einen parlamentarischen Ausschuss in dem jeweils anderen Land treten würde. Man muss aber sagen: Die Entscheidung über so etwas treffen natürlich die Parlamente, wie auch der Zeitplan der Befassung und der Entscheidung über ESM und Fiskalpakt sowohl in Rom als auch in Berlin Angelegenheit der Parlamente ist. Es ist so, dass die ohnehin enge deutsch-italienische Zusammenarbeit jetzt, bei der Überwindung der Schuldenkrise, noch einmal intensiviert worden ist. Es gibt da eine große Übereinstimmung zwischen der Bundesregierung und der Regierung Monti über die entscheidenden Fragen der Euro-Krisenpolitik und eine große Übereinstimmung auch in Fragen der finanziellen Disziplin, der Haushaltsdisziplin in Europa, wie sie sich ja im Fiskalpakt niederschlägt. Da könnte tatsächlich ein solches Zeichen gesetzt werden; das würde die Bundeskanzlerin durchaus begrüßen. Die Entscheidungen liegen aber in den nationalen Parlamenten.

Vielleicht kann ich bei der Gelegenheit - das ist themenverwandt - noch etwas sagen: In Frankreich werden offensichtlich Meldungen über eine angebliche Geheimverabredung zwischen der Bundesregierung und den Mitarbeitern des sozialistischen Kandidaten Hollande lanciert. Ich will bei dieser Gelegenheit nur für die Bundesregierung sagen, dass es keine solchen Verabredungen zwischen der Bundesregierung und dem sozialistischen Kandidaten gibt, weder offene noch geheime. Selbstverständlich sind diese Medienberichte erfunden. Die Bundesregierung wartet das Votum der französischen Wähler ab, und dieses Votum am Sonntag wird entscheiden, wer unser Ansprechpartner in Paris sein wird. Wie die Kanzlerin mehrfach gesagt hat: Wer auch immer dieser Ansprechpartner sein wird, ein deutscher Bundeskanzler beziehungsweise eine deutsche Bundeskanzlerin und ein französischer Staatspräsident werden immer gut und eng miteinander zusammenarbeiten. Das entspricht unserer gemeinsamen Geschichte und der deutsch-französischen Freundschaft.

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Quelle:
Mitschrift der Pressekonferenz - Montag, 2. Mai 2012
http://www.bundesregierung.de/Content/DE/Mitschrift/Pressekonferenzen/2012/05/2012-05-02-regpk-breg.html?nn=391778
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veröffentlicht im Schattenblick zum 4. Mai 2012