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PRESSEKONFERENZ/456: Regierungspressekonferenz vom 25. Juli 2012 (BPA)


Presse- und Informationsamt der Bundesregierung

Mitschrift der Pressekonferenz - Mittwoch, 25. Juli 2012
Regierungspressekonferenz vom 25. Juli 2012

Themen: Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Bundestagswahlrecht, europäische Schuldenkrise, Apell von Wirtschaftsverbänden hinsichtlich der Liberalisierung der Visa-Pflicht mit den europäischen Nachbarstaaten des Schengenraums, Auslieferungshaftbefehl gegen den Tierschützer Paul Watson, Umsetzung der AIFM-Richtlinie, Ausbau der Offshore-Windenergie, Emissionshandel, unterirdische CO2-Speicherung, aktuelle Wirtschaftsentwicklung

Sprecher: SRS Streiter, Lörges (BMI), Blankenheim (BMF), Aden (BMJ), Peschke (AA), Stamer (BMU), Kraus (BMWi), Ballensiefen (BMBF)



Vorsitzender Wefers eröffnet die Pressekonferenz und begrüßt SRS Streiter sowie die Sprecherinnen und Sprecher der Ministerien.

Frage: Herr Streiter, sieht denn die Kanzlerin in dem Zustand, dass es im Moment kein gültiges Wahlrecht in Deutschland gibt, ein Problem? Was wäre, wenn jetzt oder in den nächsten Wochen die Koalition platzen würde? Wie würde es dann weitergehen?

SRS Streiter: Sie können davon ausgehen, dass die Koalition nicht innerhalb der nächsten Wochen und Monaten platzen wird, sondern dass die Legislaturperiode so zu Ende gehen wird, wie das ursprünglich einmal vorgesehen war. Möglicherweise wird sich das nach einer Weile ja sogar noch fortsetzen.

Nein, die Bundesregierung nimmt dieses Urteil mit Respekt zur Kenntnis. Mit diesem Urteil wird Klarheit in der rechtlich komplexen und komplizierten Materie des deutschen Wahlrechts geschaffen. Das Wahlrecht unterliegt traditionell der Hoheit des Parlaments. So ging auch diese Reform des Wahlrechts, mit der sich das Bundesverfassungsgericht befasst hat, auf einen Vorschlag des Deutschen Bundestags zurück. Dieses Urteil muss nun sorgfältig, aber auch zügig geprüft werden. Wie den Vorgaben des aktuellen Urteils des Verfassungsgerichts entsprochen wird und wie eine konkrete, neue gesetzliche Regelung ausgestaltet wird, prüft und entscheidet der Deutsche Bundestag in eigener Zuständigkeit.

Zusatzfrage: Herr Streiter, gibt es schon konkrete Vorstellungen dazu, wann denn im nächsten Jahr genau gewählt wird? Gibt es also schon ein Termin für die Bundestagswahl?

SRS Streiter: Nein. Das Einzige, was feststeht, ist der letztmögliche Termin. Das ist, glaube ich, der 27. Oktober.

Zusatzfrage: Ich habe noch eine Frage an die Verfassungsministerien, das Innen- und das Justizministerium: Was würde denn passieren, wenn bis zu diesem letztmöglichen Wahltermin kein neues Wahlrecht vorliegen sollte? Könnte dann trotzdem gewählt werden, oder ist dann sozusagen der Spruch der Karlsruher Richter gültig?

Lörges: Das ist eine hypothetische Frage. Wir gehen davon aus, dass bis dahin ein endgültiges Gesetz vorliegen wird.

Zusatz BLANK: Entschuldigung, aber wenn Sie es innerhalb von drei Jahren nicht geschafft haben, im Bundestag ein neues Wahlrecht hinzubekommen, das verfassungsfest ist, dann ist die Frage ja durchaus berechtigt, ob das jetzt innerhalb von einem Jahr möglich sein könnte. So hypothetisch ist diese Frage ja nicht.

Lörges: Aber es ist durchaus möglich, innerhalb eines Jahres ein Gesetz zu beschließen.

Frage: Herr Lörges, ich hätte trotzdem gern noch eine hypothetische Antwort: Was passiert, wenn es bis zum 27. Oktober kein Wahlrecht gibt? Kann man den Bundestag dann überhaupt wählen?

Lörges: Es gibt ja aus guten Gründen die Übung, auf hypothetische Fragen eben keine hypothetischen Antworten zu geben, weil man dann immer falschliegen kann. Deswegen tue ich das auch in diesem Falle nicht.

Zusatzfrage: Wie können Sie da falschliegen? Es gibt ja nur zwei Möglichkeiten: Entweder, Sie schätzen das Urteil des Verfassungsgerichts so ein, dass man trotzdem wählen kann, oder Sie schätzen das Urteil des Verfassungsgerichts so ein, dass man nicht wählen kann.

Lörges: Ich bleibe dabei: Bis zu dem genannten Datum wird ein gültiges Gesetz vorliegen, und deswegen stellt sich die andere Frage nicht. Es ist im Übrigen, wie gesagt, so: Wir leisten bei der Erarbeitung von Gesetzen ja nur Unterstützung mit unserer Expertise. Aber die Frage ist, wie gesagt, letztlich auch an die Fraktionen zu richten, an das Parlament. Dem vertrauen wir in Bezug darauf, dass dort eine Einigung auf ein Gesetz möglich ist.

Frage: Herr Lörges, ich halte das Thema gar nicht für so hypothetisch. Das ist eher eine rechtliche Frage: Kann man wählen, wenn es kein gültiges Wahlgesetz gibt? Das ist unabhängig davon, ob die Koalition durchhält oder nicht durchhält. Wenn es kein gültiges Wahlgesetz gibt, kann man dann eigentlich wählen?

Lörges: Da haben Sie recht. Das kläre ich. Das kann ich Ihnen jetzt nicht sagen.

Frage: Herr Lörges, Sie sprachen gerade von der Expertise, die Sie dem Bundestag und den Fraktionen dann zukommen lassen werden. Gibt es denn dafür schon Vorbereitungen in Ihrem Haus? Ihre Hausjuristen müssten sich dann ja bereits verschiedene Modelle angeschaut haben. Oder wie bereiten Sie sich vor?

Lörges: Wir besitzen natürlich, was das Wahlrecht angeht, eine große Expertise. Aber das Verfahren hat Herr Streiter eben genau beschrieben: Der Vorschlag kommt aus der Mitte des Parlaments, weil es eine ureigene Angelegenheit des Parlaments ist, seine Wahl zu regeln, und wir gießen das sozusagen in Gesetzesform. Wir setzen nur das um, was wir vorgegeben bekommen. Das ist aber der zweite Schritt, und der erste muss erst getan werden.

Zusatzfrage: Dann darf ich noch einmal auf das eigentlich bis heute existierende Wahlrecht zurückgreifen: Haben Sie den Abgeordneten bei der Veränderung des Wahlgesetzes auch Ihre Expertise zur Verfügung gestellt? Haben Sie das in ein Gesetz gegossen? Haben Sie auch davor gewarnt, dass das schiefgehen kann?

Lörges: Sie müssen zwischen dem Inhalt und der Technik - der Formulierung von Gesetzen - trennen, in diesem Fall ganz besonders. Den Inhalt und wie man das Wahlrecht regeln will, bestimmen das Parlament und die Abgeordneten. Wir setzen das so um, dass es gesetzlich sauber ist.

Frage: Ich habe zunächst einmal zwei Fragen an Sie, Herr Streiter und Herr Blankenheim:

Es gibt ein Gutachten von relativ renommierten Ökonomen, unter anderem von Wirtschaftsweisen, das ein ziemlich dramatisches Bild des Standes der Eurokrise aufzeigt. Ist der Bundesregierung dieses Gutachten in irgendeiner Form zugegangen oder bekannt? Teilt sie diese Einschätzung, dass man vor einer möglichen weiteren Zuspitzung der Krise mit unkalkulierbaren Folgen steht? Da ist von einer Katastrophe die Rede. Das ist die erste Frage.

Als Zweites hatte ich gerne vom Finanzministerium gewusst, ob das Thema eines Rückens von Spanien unter den Rettungsschirm gestern ein Thema bei dem Gespräch des Ministers mit dem spanischen Kollegen gewesen ist.

SRS Streiter: Dieses Gutachten spiegelt eine von vielen Expertenmeinungen wider, die wir zur Kenntnis nehmen. Meines Wissens liegt das Gutachten der Bundesregierung noch nicht vor. Ich weiß es nicht. Wir haben das heute erst in der Zeitung gelesen. Ich weiß nicht, ob es irgendjemanden gibt, der es vielleicht schon hat, aber generell hat man es nicht.

Viele der in diesem Gutachten erhobenen Forderungen decken sich nach Auffassung der Bundesregierung mit denen der Bundesregierung, zum Beispiel die Ablehnung einer langfristigen Transferunion oder von Euro-Bonds. Die Bundesregierung hat sich, wie auch eine Forderung der Volkswirte lautet, schon von Beginn der Krise an dafür eingesetzt, dass wesentliche Schritte zur Beseitigung der Konstruktionsfehler der Währungsunion unternommen werden. Dieses Ziel verfolgt die Bundesregierung ja schon sehr lange. Vieles ist ja auch schon erreicht worden; die Verschärfung des Stabilitätspakts und der Fiskalpakt sind Beispiele dafür. Die Einschätzung, dass Europa an der Schwelle einer Katastrophe stehe, wird von der Bundesregierung ausdrücklich nicht geteilt.

Zusatzfrage: Ist dieses Votum der Experten denn für die Bundesregierung ein Anlass, diesen Vorschlag - den ja ihr eigener Sachverständigenrat auf den Tisch gelegt hat, nämlich in Bezug auf einen Schuldentilgungsfonds, der jüngst noch einmal ergänzt worden ist und hinsichtlich dessen es jetzt noch einmal eine juristische Expertise geben soll - noch einmal zu prüfen, nachdem sie diesem Fonds bisher ja nichts abgewinnen konnte?

SRS Streiter: Nein, aus verfassungsrechtlichen Gründen konnte die Bundesregierung diesem Fonds bisher nichts abgewinnen. Wenn irgendjemand einen Vorschlag in Bezug darauf macht, so etwas verfassungsgemäß hinzubekommen, dann kann er diesen Vorschlag machen, und er wird sicherlich geprüft werden. Aber es gibt jetzt sozusagen aus sich heraus keinen Anlass, sich das jetzt noch einmal anzuschauen. Der Vorschlag, wie er gemacht wurde, ging ja nicht.

Blankenheim: Zu Ihrer Frage zu der Meldung, Spanien würde von der Bundesregierung unter den Rettungsschirm gedrängt: Das ist abwegig, und das steht überhaupt nicht zur Debatte. Zu den Inhalten des gestrigen Gesprächs des Ministers Schäuble mit seinem spanischen Amtskollegen haben wir uns ja durch eine Presseerklärung geäußert, und dem ist eigentlich nichts hinzuzufügen.

Frage: Ich habe noch eine grundsätzliche Frage zum Thema Europa. Mich würde interessieren, ob die Bundesregierung eine grundsätzliche Position zu dem Instrument eines Kapitalschnitts für Krisenländer hat. Man hat das ja einmal am Beispiel Griechenlands hingenommen. Ist das für die Bundesregierung weiterhin ein Instrument, das bei Bedarf genutzt werden kann, oder hat man aus den Erfahrungen mit dem Fall Griechenland den Schluss gezogen, dass das vielleicht nicht der beste aller Wege ist, um Probleme zu lösen?

SRS Streiter: Sie wollen mich aufs Glatteis führen. Es bleibt dabei, dass die Bundesregierung jetzt erst einmal abwartet, mit welchen Ergebnissen die Troika wieder aus Griechenland zurückkehren wird.

Frage: Herr Blankenheim, könnten Sie uns sagen, ob gestern theoretisch über Summen bezüglich einer möglichen Hilfe oder der Rettung von Spanien gesprochen wurde? Der "Guardian" hat am Montag von 300.000 Millionen gesprochen. Es wurde sogar von einer höheren Summe gesprochen. War das auch ein Thema?

Blankenheim: Wie ich gerade schon gesagt habe, sind die Meldungen dazu abwegig. Das steht nicht zur Debatte. Zu den Inhalten des Gesprächs haben wir uns gestern geäußert. Das ist eine Pressemitteilung, die im Grunde genommen an alle gegangen ist. Die liegt Ihnen vor. Dem habe ich nichts hinzuzufügen.

Zusatzfrage: Sind schon erneute Zusammentreffen zwischen de Guindos und Schäuble in den nächsten Tage oder Wochen geplant? Es wurde gesagt, dieses Treffen von gestern sei schon geplant gewesen.

Blankenheim: Genau. - Nicht, dass ich wüsste.

Frage: Herr Blankenheim, wie beurteilt denn das Bundesfinanzministerium die Bewertung oder Abwertung durch Moody's, was verschiedene Bundesländer angeht, ganz allgemein gesehen? Man kann das sicherlich auch mit dem deutschen Gesamtetat verknüpfen.

Blankenheim: Auch zum Thema Moody's haben wir uns mit einer Pressemitteilung geäußert, und dem habe ich auch nichts hinzuzufügen.

Vorsitzender Wefers: Weiß auch jeder außer mir, was darin steht?

SRS Streiter: Man kann das ja ergänzen: Ich meine, diese Herabstufung der Bundesländer ist eine logische Folge dessen, was gestern beziehungsweise vorgestern Abend verkündet worden ist.

Zusatzfrage: Welche Auswirkungen sind das? Ich kenne die Pressemitteilung auch nicht. Welche Auswirkungen hat das jetzt auf den Gesamtetat? Vielleicht kann Herr Blankenheim doch noch etwas dazu sagen, wenn allgemeine Ratlosigkeit besteht.

Blankenheim: Das ist überhaupt keine Ratlosigkeit. Die Frage impliziert, dass das jetzt unmittelbare Zinsauswirkungen hätte, und das sind Spekulationen. Dazu können Sie jetzt keine seriöse Einschätzung erwarten. Das ist eine reine Spekulation. Wir sehen das nicht. Deutschland ist weiterhin Stabilitätsanker in der Eurozone, und dem ist nichts hinzuzufügen.

Frage: Ich wollte noch einmal auf das Thema Griechenland zurückkommen, und zwar das Wirtschaftsministerium und auch Sie, Herr Streiter, fragen, ob die Bundesregierung nicht einen Bedarf sieht, Gespräche mit der griechischen Regierung über das zu suchen, was offenbar - ich nenne es einmal so - an mieser Stimmung nach Äußerungen eingezogen ist, wie Herr Rösler sie getan hat. Der griechische Ministerpräsident war ja gestern relativ deutlich. Der Bundeswirtschaftminister hat seine Position noch einmal gestern wiederholt. Gibt es im Moment irgendwelche konkreten Gespräche zwischen den beiden Regierungen auf oberster Ebene zu diesem Thema? Hat sich möglicherweise Griechenland bei der Bundesregierung gemeldet und zu diesen atmosphärischen Störungen irgendetwas gesagt, gefordert, erbeten?

SRS Streiter: Meines Wissens nicht.

Frage: Eine Frage an Auswärtiges Amt und BMI. Es gibt einen Appell von neun europäischen Wirtschaftsverbänden, die Visa-Schranken zu Ländern wie der Türkei und Russland aufzuheben und spätestens bis 2018 die Geschäftsvisapflicht aufzuheben. Deutschland hat da im Schengen-Raum bisher immer gebremst. Machen solche Appelle Eindruck? Wird das eventuell die Position in Brüssel verändern?

Peschke: Ich kann gerne einsteigen. Wir nehmen natürlich gewichtige Meinungsäußerungen aus gesellschaftlichen Gruppen vonseiten der Wirtschaft immer ernst. Was unsere Visa-Politik betrifft, so ist klar, dass es einen europäischen Rahmen gibt, in dem wir operieren, der in Bezug auf Russland und die Türkei eine Perspektive von Visa-Erleichterungen mit dazwischen zu erledigenden Schritten aufzeigt.

In Bezug auf Russland gibt es einen gemeinsamen Aktionsplan auf dem Weg zu Visa-Erleichterungen. Dieser muss Schritt für Schritt durchgegangen werden. Das sind Maßnahmenpakete, die Deutschland unterstützt, deren sorgfältige Umsetzung Deutschland unterstützt und die natürlich auch implizieren, dass die jeweiligen Partnerländer - in dem Fall Russland und die Türkei - gewisse Anforderungen erfüllen, die in diesen Dokumenten jeweils dokumentiert sind.

Wir sehen das positiv. Wir wollen, dass die Perspektive von Visa-Erleichterungen auch europäisch weitergegangen wird, aber sorgfältig und Schritt für Schritt und entlang der Vereinbarungen, die in Brüssel mit den jeweiligen Ländern getroffen wurden.

Im Rahmen des jetzt bereits Möglichen - es gibt im Rahmen der europäischen Vorgaben gewisse Spielräume bei der Umsetzung der Visa-Vorgaben - versuchen wir jetzt schon das an Erleichterungen durchzusetzen, was machbar ist. Das ist ausdrückliches Anliegen des Bundesaußenministers.

Zusatzfrage: Gibt es dazu eine einheitliche Position der Bundesregierung? Es ist der Eindruck entstanden, dass zwischen Auswärtigem Amt und BMI die Akzente unterschiedlich sind.

Lörges: Nein. Herr Peschke hat das genau richtig dargestellt. Ich möchte noch einmal betonen, dass die Entscheidungen darüber in Brüssel getroffen werden und dass man zwischen einer Visum-Freiheit und Erleichterungen bei der Ausstellung von Visa beziehungsweise beim Visum-Verfahren unterscheiden muss, wo die Bundesregierung schon viel getan hat.

Frage: Ich habe eine Frage an Frau Aden, und zwar zu dem Fall der Umweltorganisation Sea Shepherd und Captain Paul Watson. Er wurde im Mai in Frankfurt festgenommen, da ein internationaler Haftbefehl vorlag. Aufgrund einer Kaution war er auf freiem Fuß und musste sich nur zweimal täglich bei der Polizei melden. Wir haben herausgefunden, dass er sich seit dem 23. Juli nicht mehr gemeldet hat und womöglich nicht mehr in Deutschland ist. Was sind die Konsequenzen der Nicht-Meldung? Wie wird weiter vonseiten der deutschen Behörden verfahren? Wer wird jetzt zuständig sein?

War es vielleicht eine Fehlentscheidung, ihn auf Kaution freizulassen, da ein internationaler Haftbefehl von Japan und Costa Rica vorliegt und er womöglich nicht mehr in Deutschland ist?

Aden: Auch uns ist bekannt, dass Paul Watson sich offensichtlich nicht mehr gemeldet hat und den Meldeauflagen nicht nachgekommen ist. Es ist davon auszugehen, dass er auf der Flucht ist. Zu seinem Aufenthaltsort - ob er in Deutschland ist oder nicht -, kann ich Ihnen nichts sagen.

Die hessischen Justizbehörden, die sich mit diesem Fall befassen, haben den Haftbefehl, der zunächst erlassen worden war und dann außer Vollzug gesetzt worden war, jetzt, nachdem er sich nicht mehr gemeldet hat, wieder in Vollzug gesetzt.

Was daraus operativ folgt, wie konkret die Fahndung läuft, kann ich Ihnen nicht sagen. Sie müssten sich an die hessischen Justizbehörden wenden. Das Bundesjustizministerium ist nur deswegen mit dem Fall befasst, weil der Rechtshilfeverkehr zwischen Costa Rica und Deutschland beziehungsweise zwischen Japan und Deutschland über das Bundesamt für Justiz läuft. Das ist eine nachgeordnete Behörde des Bundesjustizministeriums. Was die weiteren Konsequenzen dieses wieder in Vollzug gesetzten Haftbefehls angeht, muss ich Sie bitten, sich direkt an die hessischen Justizbehörden zu wenden.

Frage: Herr Blankenheim, in Ihrem Hause gibt es Pläne für Änderungen der gesetzlichen Regeln für Investmentfonds, Hedgefonds und anderes. Zwei Dinge interessieren mich. Gibt es eigentlich einen Unterschied zwischen einem Diskussionsentwurf und einem Referentenentwurf? Ist möglicherweise der Diskussionsentwurf eine Vorstufe des Referentenentwurfs?

Zweitens. Wie sieht der Zeitplan für diese gesetzlichen Änderungen in Ihrem Hause aus, gerade auch im Hinblick auf die darin enthaltenen Regeln zu Hedgefonds? Wird das in diesem Jahr umgesetzt? Sind das die Pläne? Wie sieht das konkret aus?

Blankenheim: Danke, für die Frage. - Es geht um die Umsetzung der sogenannten AIFM-Richtlinie (Alternative Investment Fund Managers). Diese ist bis zum 22. Juli 2013 in nationales Recht umzusetzen.

Zu der Frage, ob Diskussions- oder Referentenentwurf: Das ist meines Erachtens reine Semantik. Es ist ein Entwurf den beteiligten Verbänden und der interessierten Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt worden.

Letztendlich geht es bei dem Gesetz um die Umsetzung dieser Alternative-Investment-Fund-Richtlinie. Landläufig läuft das auch unter dem Stichwort "Hedgefonds-Regulierung der EU". In diesem Zuge soll das Investmentgesetz aufgehoben werden und die Regulierung für die Kleinanlegerfonds, die in der OGAW-Richtlinie bisher im Investmentgesetz enthalten waren, und die alternativen Fonds, die jetzt neu durch diesen europäische Regulierung hinzukommen, in einem Kapitalanlagegesetzbuch geregelt werden.

Interessant könnte für Sie sein, dass mit dem Gesetzentwurf zukünftig keine Hedgefonds für Privatanleger mehr aufgelegt werden dürfen. Wir nutzen insofern die Spielräume des europäischen Rechts aus. Hedgefonds dürfen in Deutschland dann nur noch an professionelle Anbieter und Anleger verkauft werden. Hintergrund ist, dass das erklärte Ziel dieses Gesetzes ist, den Schutz für Privatanleger in Bezug auf besonders risikoreiche Anlagen zu fördern.

Es gibt noch einige weitere Änderungen im Bereich geschlossene Fonds und offene Immobilienfonds. Ich hoffe, Ihre Fragen damit beantwortet zu haben.

Zusatzfrage: Ich habe noch eine Frage zum Zeitplan: Sie sagten, die Umsetzungsfrist sei der 22. Juli 2013. Haben Sie möglicherweise schon einen Termin für einen endgültigen Gesetzentwurf und eine Kabinettsbefassung beziehungsweise wissen Sie schon, wo da zeitlich in etwa die Einflugschneise ist?

Blankenheim: Sie können davon ausgehen, dass das Gesetz an einem Kabinettstermin nach der Sommerpause beschlossen wird - nach der Konsultationsphase.

Frage: RWE hat ja ganz offenkundig ein großes Windparkprojekt in der Nordsee gestoppt. Die Begründung dafür lautet, es fehlten die rechtlichen Grundlagen und das Haftungsrisiko sei nicht geklärt, wenn es mit dem Anschluss nicht klappt. Meine Frage dazu an das Umweltministerium: Wann wird es denn die Haftungsregelungen geben, die offenbar angekündigt sind, und was bedeutet das für die Energiewende? Da wird ja insbesondere auf Offshore-Windkraft gesetzt.

Stamer: Zunächst einmal: Ich kenne den Bericht, aber ich kann hier zu unternehmerischen Entscheidungen oder angeblichen unternehmerischen Entscheidungen keine Stellungnahme abgeben.

Worauf ich hier allgemein noch einmal hinweisen kann, ist - Sie haben es schon angesprochen -, dass sich Anfang Juli der Bundesumweltminister und der Bundeswirtschaftsminister auf Eckpunkte für eine gesetzliche Regelung, mit der der Ausbau der Offshore-Windenergie beschleunigt werden soll, verständigt haben. Im Mittelpunkt stehen dabei eine Haftungsregelung und ein gesonderter Netzentwicklungsplan für die Offshore-Anlagen. Es war angekündigt worden, dass es im Sommer einen Referentenentwurf geben soll. An diesem Entwurf wird gearbeitet. Das ist das, was ich Ihnen im Moment dazu sagen kann.

Zusatzfrage: Welchen Stellenwert hat die Offshore-Windenergie für die Energiewende?

Stamer: Der Ausbau der Offshore-Windenergie hat eine große Bedeutung für die Energiewende. Deswegen wird ja auch mit Nachdruck daran gearbeitet, dass dieser Ausbau vorankommt und dass er beschleunigt werden kann. Wie gesagt gibt es deshalb die Verständigung, dass es dafür eine gesonderte gesetzliche Regelung geben soll. Diese soll dann übrigens - auch das war angekündigt worden - in Kürze in Kraft treten.

Frage: Ich wüsste vom Wirtschafts- und Umweltministerium gerne, ob Sie etwas zu den Plänen der EU-Kommission sagen können, die ja mit dem Ziel, den Preisverfall dort zu stoppen, weitgehende Eingriffe in den Handel mit Emissionszertifikaten plant. Wie beurteilen Sie das?

Stamer: Zunächst einmal - wenn ich anfangen darf - soll beziehungsweise will nach meinen Informationen die EU-Kommission heute Vorschläge zur Ausgestaltung des Emissionshandels vorstellen. Soweit ich weiß, ist das noch nicht geschehen; das soll erst noch geschehen und das werden wir abwarten.

Zusatzfrage: Ich dachte, wenn die "Süddeutsche" es schon weiß, wissen Sie vielleicht auch schon, was da vorgestellt wird.

Stamer: Wir warten ab, bis die Kommission heute ihre Vorschläge vorstellen wird, und dann werden wir uns das sorgfältig ansehen.

Kraus: In der Tat, die Vorschläge werden erst heute im Laufe des Vormittags vorgestellt. So gesehen kann man momentan auch noch nichts zu Inhalten sagen.

Was die Grundlinie angeht, so ist diese ja zumindest schon ein bisschen bekannt; dazu haben wir uns heute Morgen auch schon geäußert. Das BMWi sieht diese Initiative, so wie sie jetzt bekannt ist, eher kritisch. Wir sind der Ansicht, dass man aufpassen muss, dass die Energiepreise und auch die sonstigen Belastungen für die Industrie nicht durch eine Veränderung des Emissionshandelssystems ansteigen. Gerade im Hinblick auf die Eurokrise verbietet sich nahezu jede Schwächung des produzierenden Gewerbes. Das BMWi sieht im Moment auch keine Notwendigkeit für einen Eingriff in das Emissionshandelssystem, da es funktioniert und die vorgegebenen Reduktionsziele in jedem Fall erreicht werden. Wir haben uns ja mit dem Emissionshandel bewusst für ein marktbasiertes System entschieden, in dem die Ziele mit den geringstmöglichen Kosten erreicht werden können.

Frage: Wie sieht das Wirtschaftsministerium vor diesem Hintergrund denn die Skepsis des Umweltministers gegenüber der unterirdischen CO2-Speicherung? Das ist ja ein Vorstoß, der auch aus Ihrem Ministerium kam und der letztlich auch dazu beitragen könnte, den CO2-Ausstoß zu mindern.

Stamer: Wenn Sie gestatten, würde ich gern kurz etwas zur Position des Bundesumweltministers sagen: Herr Altmaier hat weder das Gesetz noch den Kompromiss im Vermittlungsausschuss in Frage gestellt. Er hat auf die Situation hingewiesen, dass es in keinem Bundesland eine Initiative oder ein Vorhaben gibt, diese Technologie zu erproben.

Kraus: Unsere Sicht ist da ähnlich. Aus Sicht des BMWi bietet der gefundene Kompromiss einige Möglichkeiten, zum Beispiel im Forschungsbereich. Ein großflächiger Einsatz von CCS wird damit aber innerhalb des gesetzlichen Rahmens nicht möglich sein; insofern teilt Herr Altmaier mit dem, was er geäußert hat, unsere Einschätzung dazu. Auch Minister Rösler hat sich dazu bereits öffentlich geäußert und gesagt, dass der Kompromiss mit den Ländern kein großes Zeichen für eine Industrienation sei.

Zusatzfrage: Bei dieser Skepsis stellt sich natürlich die Frage, ob das Forschungsministerium Forschungsvorhaben in dieser Richtung weiterhin fördert?

Ballensiefen: Vielen Dank für die Frage. Es ist richtig, das BMBF fördert im Rahmen des Geotechnologien-Programms laufende Forschungsprojekte zu CCS. Derzeit bewilligt das BMBF keine neuen Fördermaßnahmen zur Erforschung der CO2-Speicherung im Untergrund.

Frage: Noch einmal an Frau Kraus: Der Emissionshandel verfolgt ja mehrere Ziele. Wenn ich mich richtig erinnere, ist es ja nicht nur so, dass die Einnahmen des Emissionshandels, die die Regierung für den Energie- und Klimafonds eingeplant und eingestellt hat, durch die Preise, die da erzielt werden, weit hinter Ihren Erwartungen zurückbleiben. Vielmehr ist auch die Lenkungswirkung bescheiden; denn wenn die Kosten für eine Investition in CO2-Minderung die Industrie teurer käme als der Preis einer Pizza für die Tonne CO2, dann lässt man diese Investitionen und bezahlt lieber das Zertifikat. Deswegen wundere ich mich und frage Sie: Wie kommen Sie zu der Auffassung, dass dieser Emissionshandel funktioniert?

Kraus: Zu den Preisen von Pizzen kann ich mich hier leider nicht äußern. Unser Haus ist der Meinung, dass das Emissionshandelssystem, so wie es jetzt aufgestellt ist, in seiner ganzen marktwirtschaftlichen Effizienz funktioniert.

Zusatzfrage: Aber die Ziele, die die Bundesregierung damit erreichen wollte, werden doch nicht erreicht? Ich sage es noch einmal: Erstens haben Sie nicht das Geld für den Energie- und Klimafonds, das Sie ursprünglich in einer bestimmten Höhe eingestellt haben, und zweitens kostet die Tonne 7,50 EUR und somit hat das Ganze keine Lenkungswirkung mehr.

Kraus: Wie vorhin schon gesagt: Wir gehen davon aus, dass die vorgegebenen Reduktionsziele erreicht werden.

Frage: Nachdem der Ifo-Geschäftsklimaindex heute Morgen relativ deftig nach unten gerauscht ist, möchte ich gern noch die Haltung der Bundesregierung zur aktuellen Wirtschaftsentwicklung abfragen. Macht sich die Bundesregierung Sorgen, ob die von ihr bislang erwartete Wachstumsentwicklung noch gehalten werden kann? Sieht die Bundesregierung ein Zeichen dafür, dass wir uns wirtschaftlich auf schwächere Zeiten einstellen müssen?

Kraus: Der heute veröffentlichte Ifo-Geschäftsklimaindex zeigt, dass die Unsicherheit im Euroraum gestiegen ist. Die Euro-Schuldenkrise erhöht natürlich das konjunkturelle Risiko auch für unsere Wirtschaft. Gleichwohl verfügt die deutsche Wirtschaft strukturell über eine hohe Wachstums- und Widerstandsfähigkeit. Unsere Lage ist robust. Deshalb stehen die Chancen gut, dass sich die vorsichtige Wachstumseinschätzung der Bundesregierung aus dem Frühjahr, die wir hier ja vorgestellt haben, bestätigt. Diese Wachstumseinschätzung sieht für dieses Jahr ein BIP-Wachstum von 0,7 Prozent vor.

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Quelle:
Mitschrift der Pressekonferenz vom 25. Juli 2012
http://www.bundesregierung.de/Content/DE/Mitschrift/Pressekonferenzen/2012/07/2012-07-25-regpk.html?nn=391778
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veröffentlicht im Schattenblick zum 27. Juli 2012