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PRESSEKONFERENZ/533: Regierungspressekonferenz vom 2. Januar 2013 (BPA)


Presse- und Informationsamt der Bundesregierung

Mitschrift der Pressekonferenz - Mittwoch, 2. Januar 2013
Regierungspressekonferenz vom 2. Januar 2013

Themen: Vorschlag des GKV-Spitzenverbands zur strafrechtlichen Bewertung von ärztlicher Korruption, Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan, Rede des nordkoreanischen Staatschefs, EEG-Umlage, G8-Präsidentschaft Großbritanniens, US-Haushalt, Lage der syrischen Flüchtlinge in der Türkei

Sprecher: SRS Streiter, Klaus (BMG), Wieduwilt (BMJ), Paris (BMVg), Peschke (AA), Strube (BMU)



Vorsitzender Fichtner eröffnet die Pressekonferenz und begrüßt SRS Streiter sowie die Sprecherinnen und Sprecher der Ministerien.

Frage: Ich habe eine Frage an das Gesundheitsministerium: Frau Klaus, ich wüsste gern, wie der Minister den Vorschlag des GKV-Spitzenverbands zur strafrechtlichen Bewertung von ärztlicher Korruption bewertet?

Klaus: Die Bundesregierung ist gegen Korruption, auch im Gesundheitswesen, auch bei den Ärzten. Es gibt ja bereits einige Regelungen im Sozialgesetzbuch V, Stichwort § 128 SGB V. Darüber hinaus gibt es Regelungen in der ärztlichen Berufsordnung, die Korruption oder Bestechlichkeit verbieten.

Die Bundesregierung prüft derzeit, ob weitere Maßnahmen notwendig sind und gegebenenfalls welche. Dazu wurde ja ziemlich zeitnah nach dem BGH-Urteil eine Abfrage bei den zuständigen Stellen - bei Kassen, Ärzten und den Ländern - gestartet. Sie sollten eine Stellungnahme abgeben. Es wurde abgefragt, welche Erfahrungen bei der Umsetzung der bestehenden Regelung gemacht worden sind, welche Verbesserungsvorschläge es gibt und wo noch etwas getan werden kann.- Diese Stellungnahmen sind jetzt eingegangen und werden überprüft. Dann gibt es eine Diskussion, Bewertung und gegebenenfalls eine Entscheidung, ob weitere Maßnahmen notwendig sind.

Zusatzfrage: Plant der Minister noch vor der nächsten Bundestagswahl, gegebenenfalls Konsequenzen aus der Überprüfung zu ziehen? Gibt es einen Zeitplan, wann die Auswertung der Stellungnahmen beendet sein soll?

Klaus: Die Stellungnahmen sind eingegangen. Sie werden jetzt ausgewertet. Ich gehe davon aus, dass es zeitnah geschieht. Wir sind ja erst am zweiten Tag dieses Jahres. Also es ist noch eine Weile hin bis zur Bundestagswahl. Dann werden die Vorschläge, die von den einzelnen Beteiligten gemacht worden sind, diskutiert - auch mit dem Koalitionspartner. Im Anschluss werden gegebenenfalls Regelungen formuliert, wenn es notwendig sein sollte.

Frage: Das Problem ist - das ist doch wohl unstrittig -, dass bei Praxisärzten, also niedergelassenen Ärzten, zwar Bestechung - einfach gesagt - verboten ist, es aber nicht Strafsanktion, strafbewehrt ist. Es gibt also keinen Straftatbestand. Darum geht es ja insbesondere. Ist man denn willens, dieses zu ändern?

Klaus: Wie ich erwähnt habe, wird das derzeit geprüft und diskutiert. Also es ist nicht Absicht der Bundesregierung, jetzt an der Freiberuflichkeit etwas zu ändern und in Bezug auf die Therapiefreiheit Änderungen vorzunehmen, das heißt Ärzten zu Angestellten der Krankenkassen zu machen. Denn das hieße, dass gegebenenfalls eine Kasse eine medizinisch notwendige Verordnung beeinflussen könnte, indem nur das verordnet werden darf, was günstiger für die Kasse ist. Insofern muss dieser Sachverhalt sorgfältig geprüft werden.

Es gibt bereits Maßnahmen, die Ärzten Korruption oder Bestechlichkeit verbieten. Sie sind geregelt in der Berufsordnung und im Sozialgesetzbuch V. Inwieweit da strafrechtliche Maßnahmen getroffen werden und notwendig sind, wird diskutiert. Sobald die Diskussionen und die Auswertung der Stellungnahmen abgeschlossen ist, kann ich Ihnen hier sicherlich mehr sagen.

Frage: Das BGH-Urteil liegt ja nun schon zweieinhalb Jahre zurück. Ist es nach Ihrem Verständnis noch eine zeitnahe Prüfung?

Klaus: Nach meiner Kenntnis liegt es nicht zweieinhalb Jahre zurück.

Zusatzfrage: Entschuldigung, da habe ich mich geirrt.

Aber noch eine Frage zur Strafbarkeit: Ist es eine Straftat? Soll es eine Straftat sein? Was muss da noch geprüft werden?

Klaus: Hier kann mir vielleicht auch der Kollege vom BMJ behilflich sein.

Das BGH-Urteil sagte ja im Wesentlichen, dass Ärzte nicht Angestellte der Kassen sind. Das war das Ergebnis des BGH-Urteils. Es entschied ja nicht darüber, ob Ärzte nun - -

Zusatzfrage: Aber es hat nahe gelegt, das gesetzlich zu klären.

Klaus: Das wird derzeit geprüft.

Vorsitzender Fichtner: Will das BMJ ergänzen?

Wieduwilt: Nein, an dieser Stelle nicht. Ich denke, es ist im Grunde alles in dieser Sache geklärt. Die Prüfung läuft. Das hat die Kollegin völlig zutreffend gesagt. Auch wir haben natürlich im BMJ das BGH-Urteil zur Kenntnis genommen und sind in eine anfängliche Prüfung eingestiegen. Die eigentliche Regelung muss aber in einem Spezialbereich getroffen werden, das dann der Federführung des BMG unterliegt. Da jetzt in einzelne Ideen und Möglichkeiten einzusteigen, würde die Prüfung praktisch vorwegnehmen. Das ist, glaube ich, nicht etwas, was man in der BPK leisten sollte.

Frage: Noch einmal an das Gesundheitsministerium: Mich interessiert noch die Meinung des Ministers. Also hat der Minister selber eine Meinung dazu, ob schärfer mit neuen Maßnahmen oder gesetzlichen Regelungen gegen Korruption bei Ärzten vorgegangen werden muss?

Und dann noch eine Frage, weil Sie den Koalitionspartner erwähnt haben: Es gab ja schon Aufforderungen aus Reihen des Koalitionspartners, dort stärker vorzugehen. Wie bewerten Sie die?

Klaus: Der Minister ist gegen Korruption - gegen Korruption im Gesundheitswesen und auch bei den Ärzten. Deswegen sind ja in dieser Legislaturperiode die von mir genannten Paragraphen im Sozialgesetzbuch V auch schon verschärft beziehungsweise konkretisiert worden.

Um die Situation zu analysieren, reichen die bestehenden Regelungen im Sozialgesetzbuch V und in der Berufsordnung. Jetzt muss angefragt werden: Wie sind die Erfahrungen der entsprechenden Stellen, die ich genannt habe, also der Bundesärztekammer, der kassenärztlichen Bundesvereinigung, des GKV-Spitzenverbandes und der Länder? Es geht also darum, dass man das bewertet - die Stellungnahmen sind ja jetzt erst eingegangen - und auf Grundlage dieser Bewertung weitere Maßnahmen durchführt. Welche das sind, kann ich Ihnen nicht vor der Bewertung nennen. Das muss ja erst geprüft werden.

Zusatzfrage: Vielleicht habe ich mich nicht klar genug ausgedrückt. Ist das eine ergebnisoffene Prüfung, nach der am Ende möglicherweise auch keine neuen Regelungen kommen? Oder glaubt der Minister, dass auf jeden Fall etwas gemacht werden muss, und bei der Prüfung geht es nur darum, welche Maßnahmen umgesetzt werden müssen?

Klaus: Der Minister wird sich die Auswertung der Stellungnahmen genau anschauen. Es wird auch eine Diskussion darüber geben. Daraus resultiert sicherlich die Entscheidung, ob weitere Regelungen getroffen werden - und wenn ja, welche - und wo sie festgelegt werden, also im Sozialgesetzbuch V oder gegebenenfalls in einem anderen Rahmen.

Frage: Frau Klaus, können Sie uns denn sagen, was die Stellungnahmen in der Sache ergeben haben? Also wie viele Landesärztekammern haben jetzt tatsächlich berichtet, in wie vielen Fällen sie Korruption nach Berufsrecht festgestellt und bei den staatlichen Behörden den Antrag auf Entzug der Approbation gestellt haben? Also was haben die Kassen mit Blick auf den 128 SGB V berichtet? Es geht mir darum, dass wir ein paar Fakten in der Diskussion haben, um zu sehen, wie stark denn das bisherige System funktioniert oder eben nicht funktioniert.

Klaus: Die Auswertung läuft ja noch. Soviel ich weiß, liegt die Zusammentragung aller einzelnen Stellungnahmen noch nicht vor. Jedenfalls liegt sie mir nicht vor. Ich werde aber gern bei den Fachkollegen nachfragen, wann damit zu rechnen ist, sodass man über weitere Details, wie die Erfahrungen sind, auch gern berichtet.

Frage: Frau Klaus, da ich immer noch sehr unzufrieden bin und nicht weiß, ob der Bundesgesundheitsminister denn eine gesetzliche Regelung anstrebt oder nicht, versuche ich es mit einer anderen Frage: Ist Bundesgesundheitsminister Bahr der Meinung, dass diese Organspende-Fälle im letzten Jahr - jetzt haben wir möglicherweise neue Fälle an der Uniklinik Leipzig - den Handlungsdruck erhöhen, um hier eine Regelung zu schaffen?

Klaus: Das, was in Leipzig gerade bekannt geworden sind, sind ja keine neuen Fälle. Die Prüfungen in allen Transplantationszentren sind Ergebnis eines Spitzengesprächs im August letzten Jahres im BMG. Bei diesem Spitzengespräch hat man sich auf viele Maßnahmen verständigt. Eine Maßnahme war auch, dass man konsequent die 47 Transplantationszentren und alle Transplantationsprogramme - sie sind ja nach Organen gegliedert - genau überprüft und unter die Lupe nimmt.

Es sind bereits zehn Zentren geprüft worden. Es gab Zentren mit Auffälligkeiten. Bei drei Zentren geht man diesen Auffälligkeiten genau nach. Die Namen sind Ihnen ja aus der Berichterstattung bekannt. Bei den weiteren Zentren, die zumindest bisher geprüft worden sind, gab es keine Auffälligkeiten. Im Laufe dieses Jahres werden weitere Zentren überprüft. Die Zentren wissen nicht, wann sie überprüft werden. Das sind unangemeldete Prüfungen.

Die Fälle von Missbrauch oder Manipulation - sollten sie in der Vergangenheit stattgefunden haben - werden durch diese Prüfungen, die sehr grundsätzlich sind, sicherlich aufgedeckt. Daraus werden dann - auch von den Zentren - die jeweiligen Konsequenzen gezogen, und gegebenenfalls werden die Ergebnisse an weitere Behörden für die strafrechtlichen Ermittlungen weitergegeben.

Das Ziel war es ja, Transparenz in diesem Bereich herzustellen, die Fälle aus der Vergangenheit zu prüfen und für die Zukunft Maßnahmen zu treffen. Ein Stichwort, das viel diskutiert worden ist, ist das Sechs-Augen-Prinzip. Ein weiteres Stichwort ist, dass die Länder und der Bund jetzt ordentliche Mitglieder in den Kommissionen sind. Das sind alles Maßnahmen, die in die Zukunft gerichtet sind. Oder nehmen Sie die Überarbeitung der Richtlinien der Bundesärztekammer. Parallel läuft die Aufarbeitung der Fälle aus der Vergangenheit.

Frage: Frau Klaus, Sie hatten die Frage des Kollegen noch nicht beantwortet, wie sehr Sie denn unter dem Druck Ihres Koalitionspartners, der CDU, stehen, von dem es ja schon konkrete Forderungen nach einem Gesetz gegen Korruption gibt?

Und zu dem Thema, das Sie gerade angeschnitten haben: Die Patientenvereinigung fordert eine unabhängige Kommission in Sachen Transplantation; also man soll das nicht den Transplantationszentren allein überlassen. Das ist ja eine Forderung, die schon lange im Raum stand. Sie wurde ja schon einmal negativ vom Minister beschieden. Vielleicht gibt es da neue Überlegungen.

Klaus: Ich sehe da jetzt keinen Druck. Es sind heute zwei Vorschläge in den Medien aufgetreten, einerseits von den Kassen, vom GKV-Spitzenverband, andererseits von einem Abgeordneten. Es werden Gespräche stattfinden, auch mit dem Koalitionspartner. Dann wird man diskutieren, was notwendig ist, was gemacht werden sollte und wie man gegebenenfalls Regelungen umsetzt.

Es ist eine etwas komplexe Materie. Das sagte ja auch der Kollege vom BMJ. Deswegen muss das noch diskutiert und geprüft werden. Sobald ich Ihnen sagen kann, wie die Maßnahme aussieht, sage ich Ihnen das gern. Nur ich kann das jetzt nicht vorwegnehmen, zumal die Stellungnahmen noch nicht endgültig ausgewertet sind.

Zweite Frage: Transplantationszentren überprüfen sich ja nicht selbst. Sicher haben sie eine interne Revision - das ist richtig -, und es finden auch interne Prüfungen statt. Aber es gibt ja die Institution "Überwachungs- und Prüfungskommission". Sie ist unabhängig. Sie ist (mit der Prüfung) beauftragt - Ärztekammer, DKG, GKV-Spitzenverband.

Insofern ist es ja nicht so, dass die Zentren sich selbst überprüfen. Es gibt Überwachungs-, Prüfungs- und Kontrollmechanismen, die funktionieren. Es zeigt sich, dass die Prüfungskommission sehr konsequent die Prüfungen durchführt, sodass die Fälle, die in der Vergangenheit stattgefunden haben, auch aufgedeckt werden. Das ist ja auch das Ziel, dass das transparent wird.

Frage: Ich habe noch eine Lernfrage, Frau Klaus. Sie sagten mit Blick auf die Korruption, die Ärzte sollten nicht zu Angestellten der Kassen gemacht werden und ihre Freiberuflichkeit nicht verlieren. Unabhängig von der Prüfung haben Sie das ja schon ausgesagt. Warum würde ein Arzt seine Freiberuflichkeit verlieren, oder warum würde er ein Angestellter der Kasse, wenn das Strafgesetzbuch bei ihm - wie bei allen anderen Berufen auch - Korruption mit einem eigenem Straftatbestand erfassen würde? Also mir leuchtet das sachlich gar nicht ein. Wo ist denn die Gefahr, die Sie sehen?

Klaus: Nein, ich bezog meine Aussage auf das BGH-Urteil.

Zusatzfrage: Das BGH-Urteil legt zumindest den Schluss nahe, dass man es ändern möge.

Klaus: Aber es war auch die Aussage, dass sie keine Angestellten sind, anders als zum Beispiel Klinikärzte.

Zusatzfrage: Richtig. Aber wenn der BGH doch selber in seinem - -

Klaus: Wie die Regelung aussehen könnte, die sicherstellt, dass die Freiberuflichkeit und die Therapiefreiheit für die Patienten bestehen bleiben, also ob man aber an dieser Stelle vielleicht konkretisierender wird oder eine Regelung einfügt, das wird derzeit diskutiert und geprüft. Es ist ein Sachverhalt, der aktuell geprüft wird. Die Maßnahmen, sollten sie denn notwendig werden, werden unter der Prämisse erfolgen, dass die Freiberuflichkeit und die Therapiefreiheit bestehen bleiben.

Frage: Noch einmal zu Leipzig: Wenn Sie sagen, die Kontrollmechanismen funktionieren, heißt das aus Ihrer Sicht, sie sind auch ausreichend? Oder sehen Sie noch Handlungsbedarf?

Klaus: Es wurde ja schon gehandelt. Ich empfehle Ihnen, sich auf unserer Internetseite ein längliches Papier vom 27. August anzuschauen. Da sind alle Maßnahmen aufgeführt, die bereits umgesetzt worden sind oder noch in der Umsetzung sind, um solche Vorfälle wie in Göttingen, Regensburg und aktuell in Leipzig zu vermeiden.

Frage: Frau Klaus, haben Sie denn Erkenntnisse darüber, wie sich die Aufdeckung der Missstände, die es da gegeben hat, auf die Bereitschaft zur Organspende auswirkt? Geht die Bereitschaft der Menschen zur Organspende zurück? Wenn das so ist und wenn Sie Zahlen dazu vorliegen haben, beabsichtigt das Gesundheitsministerium eine neue Kampagne, um dem entgegenzuwirken?

Klaus: Die aktuellen Zahlen müssten Sie bitte bei der DSO erfragen. Es gibt ja bereits eine gesetzliche Regelung, die am 1. November in Kraft getreten ist. Danach sind die Kassen verpflichtet worden, ihre Mitglieder durch ein Schreiben über die Organspende zu informieren, um so die Bereitschaft für die Organspende zu erhöhen. Das ist eine Maßnahme, die jetzt greift und die die Kassen nach und nach umsetzen. Sie haben ja einen Zeitraum von zwölf Monaten, um ihre Versicherten und Mitglieder anzuschreiben. Das erfolgt jetzt.

Zusatzfrage: Das Ministerium hat keine Sorge, dass durch das Aufdecken dieser Missstände, die es in einigen Transplantationszentren gibt, die Bereitschaft abnehmen könnte?

Klaus: Das war ja das Ziel, genau zu prüfen und mehr Transparenz herzustellen, um dadurch mehr Vertrauen in die Organspende zu gewinnen. Deswegen hat man auch diese Maßnahmen beschlossen. Es ging ja nicht nur um in die Zukunft gerichtete Maßnahmen wie das Sechs-Augen-Prinzip, die Teilnahme der Länder und des BMG an den Prüfungs- und Überwachungskommissionen sowie um neue Strukturen in der DSO, sondern auch darum, in die Vergangenheit zu schauen, wo es möglicherweise Missbrauchsfälle gab. Diese gilt es aufzuklären und Konsequenzen daraus zu ziehen. - Also die Maßnahmen gingen sozusagen parallel in beide Richtungen, um die Bereitschaft zur Organspende und das Vertrauen in die Organspende zu erhöhen.

Zusatzfrage: Sie haben meine Frage noch nicht beantwortet. Das kann ja genau andersherum wirken. Sie haben jetzt beschrieben, was intendiert war, dass es Vertrauen schaffen soll. Aber haben Sie nicht Sorge, dass zumindest vorübergehend das Vertrauen im Moment eher erschüttert wird?

Klaus: Nach meiner Kenntnis sind die Zahlen nach Bekanntwerden der Vorfälle in Göttingen und Regensburg zurückgegangen. Das hat sich aber zum Ende des Jahres stabilisiert.

Ich denke schon, dass das Bemühen der Bundesregierung - insbesondere des BMG und des Ministers -, hier Transparenz und Aufklärung zu schaffen, durchaus sichtbar ist und auch von den Bürgerinnen und Bürgern gesehen wird. Es ist so, dass die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung - das ist eine Behörde im Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Gesundheit - zahlreiche Maßnahmen durchführt. Es gibt ein kostenloses Informationstelefon. Ich müsste einmal bei den Kollegen nachfragen, inwieweit nach den Leipziger Fällen vermehrt Anfragen kommen. Das Ziel ist, möglichst umfassend und transparent zu informieren und aufzuklären, um den Menschen die Sorge zu nehmen, dass hier vielleicht nicht korrekt gehandelt wird. Das sind Einzelfälle. Das betrifft nicht das Gesamtsystem.

Frage: Frau Klaus, Sie sagten eben, der Rückgang bei den Spenden habe sich zum Jahresende stabilisiert. Worauf stützen Sie diese Aussage? Gibt es dafür eine Evidenz?

Klaus: Ich müsste die genauen Zahlen bei der DSO nachhaken.

Frage: Herr Paris, zum Thema Afghanistan. Der Bundesaußenminister hat sich heute über die "Süddeutsche Zeitung" positiv hinsichtlich der Bilanz des vergangenen Jahres geäußert, was den deutschen Einsatz in Afghanistan angeht. Ich würde gerne wissen, ob und inwieweit Ihr Minister diese Einschätzung teilt. Wenn Sie vielleicht mit Ihren Worten ein bisschen die Lage, die dort jetzt herrscht, beziehungsweise die Entwicklung skizzieren können, die es im vergangenen Jahr gegeben hat.

Paris: Wir haben im vergangenen Jahr, also 2012, ein durchaus sehr arbeitsreiches, erfolgreiches Jahr und zum Glück ein Jahr erlebt, in dem wir keine Kameradinnen oder Kameraden in Afghanistan verloren haben. Nichtsdestotrotz - darauf hat der Bundesaußenminister auch hingewiesen - steht noch einiges vor den deutschen Kräften, den Kräften der internationalen Gemeinschaft, aber insbesondere auch den afghanischen Sicherheitskräften, um den Weg dieses Erfolges weiterzuführen.

Sie werden am Silvestertag auch registriert haben, dass der afghanische Präsident die vierte Tranche angekündigt hat. Er hat die Provinzen genannt, die auch unter afghanische Kontrolle gestellt werden. Es ist für den Verantwortungsbereich der Bundeswehr, nämlich den Norden Afghanistans, sehr erfreulich, dass sich jetzt alle Gebiete des Nordens unter der Transition befinden, also in afghanischer Verantwortung liegen.

Insofern würde ich zusammenfassen, dass das Jahr 2012 durchaus ein erfolgreiches Jahr gewesen ist. Nichtsdestotrotz gibt es keinen Anlass, hier "rosa Bildchen" zu malen, wie es der Minister im vergangenen Jahr häufiger gesagt hat. Das kann man sicherlich auch für das Jahr 2013 sehen. Es ist noch sehr, sehr viel zu tun und zu arbeiten. Wir werden im Januar, also in diesem Monat, noch einmal das Mandat im Bundestag debattieren und verabschieden. Sie kennen die Zahlen, die hinter dieser Mandatierung stehen. Sie kennen die Zahlen insoweit, dass es möglich ist, weitere Truppen zu reduzieren. Sie haben auch die Ankündigung vernommen, dass wir den Außenposten OP North im Laufe des Jahres 2013 rückverlegen werden. Gleiches gilt für den Standort Kundus. Das heißt, wir werden mit der Zielmarke 2014 diese Arbeit mit den Verbündeten intensiv weiter fortsetzen.

Sie wissen aber auch, dass wir jetzt bereits darauf schauen, was nach 2014 passieren wird. Denn es wird nicht so sein, dass wir Afghanistan alleine lassen werden. So ist das auch in der internationalen Gemeinschaft abgestimmt. Die Beschlüsse von Chicago sind eindeutig, dass die Unterstützung weiterlaufen wird. Ich denke, es geht jetzt darum, die Arbeit, die geleistet worden ist, so konsequent fortzusetzen und insbesondere auch dafür Sorge zu tragen, dass die Afghanen mehr und mehr in die eigene Sicherheitsverantwortung kommen. Das betrifft sowohl den militärischen Bereich als natürlich auch den Bereich der afghanischen Polizei. Daran werden wir weiter arbeiten.

Zusatzfrage: Eine Nachfrage dazu wegen des Wesens der Statistik. Wir kennen das aus der Vergangenheit. In der Kriminalstatistik gibt es das gleiche Phänomen: Je weniger Polizei ich einsetze, desto weniger Straftaten werden registriert. Je weniger Soldaten tatsächlich im Feld im Einsatz sind, desto weniger Gefechtssituationen kann es möglicherweise geben. Gibt es so einen Effekt in diesem Fall? Ist die Aktivität der Bundeswehr außerhalb der Lager in den vergangenen Monaten zurückgegangen? Oder worauf ist eine geringere Gefechtsintensität, eine geringere Konfliktintensität zurückzuführen?

Paris: Ich würde die Erfolge nicht allein auf Statistiken zurückführen, wie häufig wer wo gewesen ist. Ich glaube, es gibt mehrere wesentliche Punkte. Der eine wird sein, dass das ein Beweis auch dafür ist, dass die Afghanen sehr erfolgreich eigenständig arbeiten. Das ist ein wichtiger Punkt. Mit diesem Transitionsprozess geht auch einher, dass die Afghanen immer mehr eigene Verantwortung übernehmen und dadurch automatisch das Engagement der Bundeswehr, aber auch der anderen alliierten Kräfte entsprechend zurückgeht.

Ein weiterer Punkt wird sein, dass die Aufständischen zurückgedrängt werden konnten, dass die Aktionen, die von den Aufständischen gefahren werden, teilweise im Vorfeld erkannt werden konnten. Es ist nicht so, dass Afghanistan sowohl für die Bevölkerung als auch für die dort stationierten Truppen ein bedrohungsloses Land ist. Aber es ist auch gelungen, Anschläge, die geplant waren, zu verhindern oder solche, die in den Modus der Durchführung kamen, entsprechend zu bekämpfen.

Insofern ist das, denke ich, insgesamt ein sehr weites Feld, was man in Betracht ziehen muss. Die Zahlen, die wir haben, sprechen insoweit für sich, dass wir zumindest für das Jahr 2012 - toi, toi, toi - keine eigenen Verluste zu beklagen hatten. Ich glaube, dass man insgesamt sagen kann, dass es ein gutes und ein erfolgreiches Jahr gewesen ist. Wir werden daran arbeiten, dass 2013 genauso erfolgreich wird und der Weg für die Übergabe entsprechend begleitet werden wird.

Peschke: Ich wollte nur noch einmal das unterstreichen, was Herr Paris gesagt hat. Die Bilanz ist unter dem Strich positiv. Aber ich möchte ausdrücklich unterstreichen, dass es überhaupt keinen Anlass gibt, ein rosarotes Bild zu zeichnen. Die sicherheits- und außenpolitische Arbeit und die Stabilisierung Afghanistans bleibt eine sehr schwierige Arbeit. Darüber müssen wir uns alle klar sein. Gleichwohl - Herr Paris hat das erwähnt -: Wenn jetzt die vierte Tranche der Übergabe der Sicherheitsverantwortung eingeleitet wird, werden am Ende dessen fast 90 Prozent der afghanischen Bevölkerung unter Kontrolle der afghanischen Sicherheitskräfte leben. Das ist natürlich ein signifikanter Schritt nach vorn.

Das gemeinsame Ziel der internationalen Staatengemeinschaft mit Afghanistan ist es, im Jahr 2013 die Transition, also die Übergabe der Sicherheitsverantwortung, wenn möglich zu 100 Prozent an die afghanische Seite abzugeben. Insofern ist das Jahr 2013 im Rahmen der Afghanistan-Strategie auch nicht irgendein Jahr, sondern ein besonders wichtiges Jahr, das wir auch mit vollem Verantwortungsbewusstsein und großem Engagement angehen.

Frage: Auch eine Frage an das Auswärtige Amt. Der nordkoreanische Führer hat eine etwas überraschende Wende seiner Politik angekündigt. Ich wollte fragen, ob Sie Erkenntnisse haben, was sich dahinter verbirgt und ob die Ankündigungen, die er gemacht hat - Annäherung an Südkorea, Entspannung -, zumindest teilweise irgendwelche konkreten Politikveränderungen Deutschlands oder des Westens nach sich ziehen.

Peschke: Vielen Dank - Wir haben diese Rede von Kim Jong Un natürlich sehr aufmerksam verfolgt und werden jetzt mit unseren internationalen und europäischen Partnern sehr genau analysieren, was genau gesagt und gemeint war. Für eine abschließende Bewertung ist es sicherlich noch zu früh.

Entscheidend ist allerdings - das möchte ich im Namen des Auswärtigen Amtes und der Bundesregierung hier unterstreichen -, dass nicht nur Dinge gesagt werden, sondern dass den Worten auch tatsächlich konkrete Taten für eine Entspannung auf der koreanischen Halbinsel folgen. Das ist der entscheidende Maßstab, an dem wir die nordkoreanische Politik messen werden. Dafür reicht es nicht, eine Rede zu halten, die teilweise in sich einander widersprechende Passagen enthält. Dafür sind vor allem Taten entscheidend. Wir haben zum Beispiel im Dezember Dinge in Bezug auf den Raketenstart erleben müssen, die einen klaren Rückschritt bedeutet haben.

Wir werden uns die Sache genau ansehen, verbinden das aber mit dem Aufruf an die nordkoreanische Seite, allen Worten im Sinne einer Entspannung auch konkrete Taten folgen zu lassen.

Zusatzfrage: Wenn Sie die Taten so erwähnen, können Sie vielleicht zwei oder drei Maßnahmen erwähnen, die Nordkorea aus Sicht der Bundesregierung als erstes tun sollte?

Peschke: Da will ich keine Vorschriften machen. Aber das oberste Ziel für uns und für die internationale Staatengemeinschaft ist natürlich eine Entspannung auf der koreanischen Halbinsel. Im Sinne dieser Entspannung wäre es sicherlich sinnvoll, die internationalen Gespräche für eine politische Entspannung auf der koreanischen Halbinsel mit voller Kraft wieder aufzunehmen. Das sind insbesondere die Sechs-Parteien-Gespräche, über die ich hier spreche.

Zum Zweiten wäre es unsere Erwartung, dass die nordkoreanische Seite in Zukunft jedwede provokativen Akte unterlässt, wie zum Beispiel durch internationale Resolutionen verurteilte Raketentests.

Frage: Eine Frage zum Thema EEG-Umlage an das Bundesumweltministerium. Es gab im vergangenen Jahr eine erkleckliche Zahl von Anträgen, für das Jahr 2013 von der EEG-Umlage ausgenommen zu werden. Wenn ich mich recht entsinne, sollte das auch im Dezember entschieden werden. Können Sie uns sagen, wie der Stand ist und wie viele Unternehmen beispielsweise im Jahr 2013 von der EEG-Umlage befreit werden?

Strube: Das kann ich Ihnen für das Jahr 2013 nicht sagen, sondern da müssten Sie sich an das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle wenden. Herr Altmaier hat heute Morgen im ARD-Morgenmagazin angekündigt, dass das Bundesumweltministerium bis Ende Februar/Anfang März prüft, welche Ausnahmeregelungen sinnvoll sind. Herr Altmaier wird selbst Vorschläge machen. Er hat wörtlich gesagt: "Dann muss entschieden werden, ob und was man gegebenenfalls daran ändert."

Das Bundesumweltministerium arbeitet daran, sich diese Ausnahmeregelungen sehr genau anzusehen. Es kann aber selbstverständlich nicht alleine entscheiden, ob - und gegebenenfalls wie - sie geändert werden.

Zusatzfrage: Aber die Reform des EEG steht ja noch dahin. Das soll ja erst im Laufe des Jahres passieren. Wenn ich das richtig verstanden habe, sind die Anträge noch auf Grundlage des bestehenden Gesetzes vollzogen worden.

Strube: Das ist selbstverständlich richtig. Es gilt das geltende Recht.

Frage: Eine Frage an Herrn Streiter. Der britische Premierminister Cameron hat einen Brief an seine G8-Kollegen geschrieben und hat die Hauptziele der britischen G8-Präsidentschaft beschrieben. Er hat als wichtigstes Ziel genannt, die Wirtschaft anzukurbeln. Ich hätte gerne gewusst, ob das auch aus Sicht der Bundesregierung das Hauptziel für die G8-Beratungen ist.

SRS Streiter: Wenn Großbritannien die Präsidentschaft inne hat und das das Hauptziel ist, wird sich die Bundesregierung natürlich an diesen Gesprächen beteiligen. Klar haben auch wir die Absicht, unsere Wirtschaft am Laufen zu halten und sie anzukurbeln. Jeder weiß, dass 2013 erwartet wird, dass es mit der Wirtschaft etwas schwieriger wird. Es ist ein großes Interesse der Bundesregierung, dass unsere Wirtschaft auch in diesem schwierigen Jahr floriert.

Zusatzfrage: Herr Cameron galt als einer der wenigen Verbündeten der Bundesregierung bei der Hauptforderung der Rückführung der Staatsdefizite. Haben Sie das Gefühl, dass Herr Cameron jetzt auch in das Lager derjenigen eingeschwenkt ist, die die Ankurbelung der Wirtschaft vor Kürzung der Haushaltsdefizite setzt?

SRS Streiter: Nein. Ich habe es ja schon mehrfach gesagt: Über Gefühle wollen wir hier gar nicht sprechen. Das wird sich alles weisen. Lassen Sie die Leute sich erst einmal treffen. Dann wird man das vielleicht mehr erkennen.

Zusatz: Vielleicht können Sie uns sagen, was die deutschen Hauptziele für die G8-Präsidentschaft sind.

SRS Streiter: Das möchte ich hier noch nicht formulieren. Diese hat Herr Cameron jetzt erst einmal formuliert und eingebracht. Sie werden sich treffen. Es macht, glaube ich, immer wenig Sinn, vor Treffen Ziele zu formulieren.

Zusatz: Na ja, es macht meistens Sinn, mit Zielen in Gespräche hineinzugehen. So ist das international.

SRS Streiter: Ja, aber das wird dort verhandelt und nicht hier.

Zusatzfrage: Wenn ich gleich mit den Halbeinigungen der USA über die weitere Staatsfinanzierung anschließen darf. Die Frage richtet sich auch an Herrn Streiter. Würden Sie sagen, dass mit der weiteren leichten Anhebung der Schuldenobergrenze das Ziel der G20 gestorben ist, dass man die Haushaltsdefizite bis zum Jahr 2013 halbieren wollte?

SRS Streiter: Das wird man noch zu bewerten haben. Zunächst einmal ist es eine inneramerikanische Angelegenheit. Es ging um das berühmte "fiscal cliff", das jetzt irgendwie umschifft werden musste. Diese Maßnahmen kann ich hier noch nicht bewerten.

Frage: Ich habe eine Frage an die Bundesregierung und das Außenministerium. Wie ist die Lage der syrischen Flüchtlinge in der Türkei? Die Türkei hat Hilfe angefordert. Wie ist die Lage? Was hat die deutsche Seite in dieser Angelegenheit bisher unternommen?

Peschke: Die Beantwortung der Frage kann ich gerne übernehmen. - Tatsache ist, dass mehrere hunderttausend Menschen Syrien aufgrund des andauernden Konfliktes verlassen haben, ein großer Teil davon auch in die Türkei. Das ist ein großes Problem und eine sehr negative Folge dieses Konfliktes. Die Türkei ist aus unserer Sicht in vorbildlicher Weise bemüht, dieses Flüchtlingsproblem in der Türkei in den Griff zu bekommen und die Flüchtlinge zu betreuen.

Die Bundesregierung hat der Türkei mehrfach Hilfe bei der Unterstützung der Betreuung dieser Flüchtlinge angeboten. Die Türkei hat sich für solche Hilfsangebote offen gezeigt. Derzeit wird abgestimmt, was konkret getan werden kann, was die Türkei an konkreter Hilfe gebrauchen könnte.

Die Bundesregierung hat bisher für türkische Flüchtlinge knapp 100 Millionen Euro an humanitärer Hilfe zur Verfügung gestellt. Das gilt allerdings für die Flüchtlinge in den gesamten Nachbarländern, wobei der Schwerpunkt unseres Engagements die Flüchtlingssituation in Jordanien ist, das die größte Zahl syrischer Flüchtlinge aufgenommen hat.

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Quelle:
Mitschrift der Pressekonferenz vom 2. Januar 2013
http://www.bundesregierung.de/Content/DE/Mitschrift/Pressekonferenzen/2013/01/2013-01-02-regpk.html
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veröffentlicht im Schattenblick zum 5. Januar 2013