Schattenblick →INFOPOOL →PARLAMENT → FAKTEN

PRESSEKONFERENZ/534: Regierungspressekonferenz vom 4. Januar 2013 (BPA)


Presse- und Informationsamt der Bundesregierung

Mitschrift der Pressekonferenz - Freitag, 4. Januar 2013
Regierungspressekonferenz vom 4. Januar 2013

Themen: Termine der Bundeskanzlerin (informeller Meinungsaustausch mit dem griechischen Ministerpräsidenten, Wirtschaftsgipfel der Zeitung "DIE WELT", Kabinettssitzung, Empfang des maltesischen Premierministers, Empfang des tschechischen Staatspräsidenten, Neujahrsempfang des Bundespräsidenten, Neujahrstreffen der Industrie- und Handelskammer Schwarzwald-Baar-Heuberg), Korruption von Ärzten, Medienberichte über angeblich für 2014 geplante Haushaltseinsparungen, Umsetzung der EU-Richtlinie über die Entsorgung abgebrannter Brennelemente und radioaktiver Abfälle, Rechtsanspruch auf einen Kita-Platz für unter 3-Jährige

Sprecher: StS Seibert, Albin (BMJ), Klaus (BMG), Blankenheim (BMF), Strube (BMU), Mehwald (BMVBS), Steegmans (BMFSFJ)



Vorsitzender Fichtner eröffnet die Pressekonferenz und begrüßt StS Seibert sowie die Sprecherinnen und Sprecher der Ministerien.

StS Seibert: Guten Tag! Ich nehme die Gelegenheit gerne war, Ihnen allen erst einmal ein glückliches, frohes und vor allem gesundes neues Jahr zu wünschen. Politisch wird es ja interessant genug werden.

Was macht die Kanzlerin nächste Woche? Die öffentlichen Termine beginnen am Dienstag, den 8. Januar. Sie wird um 11.30 Uhr den griechischen Ministerpräsidenten Antonis Samaras im Kanzleramt zu einem informellen Meinungsaustausch treffen. Herr Samaras wird in der Stadt sein, weil er den Wirtschaftsgipfel der Zeitung "DIE WELT" besucht.

Das wird die Kanzlerin übrigens auch tun. Das ist eine Diskussionsveranstaltung mit Vertretern der Wirtschaft im Axel-Springer-Haus hier in Berlin. Die Bundeskanzlerin wird am Dienstag ab 16 Uhr an dieser Diskussionsveranstaltung teilnehmen, eine Rede halten und auch bei der anschließenden Diskussionsrunde dabei sein. Diese Veranstaltung ist - wie in den vergangenen Jahren auch - nicht presseöffentlich.

Das Bundeskabinett wird am Mittwochvormittag zum ersten Mal in diesem Jahr zur üblichen und gewohnten Zeit um 9.30 Uhr tagen.

Am Mittwochmittag, 12.30 Uhr, wird die Bundeskanzlerin den maltesischen Premierminister Lawrence Gonzi im Kanzleramt empfangen. Es ist für 13.30 Uhr eine gemeinsame Pressekonferenz geplant.

Am Mittwochnachmittag wird der tschechische Staatspräsident Václav Klaus zu Besuch bei der Bundeskanzlerin sein. Es ist sein Abschiedsbesuch. Seine zweite Amtszeit endet im März dieses Jahres. Ein Bildtermin zur Ankunft des tschechischen Präsidenten ist für 16.30 Uhr vorgesehen.

Um 12.15 Uhr am Donnerstag, 10. Januar, wird die Bundeskanzlerin am Neujahrsempfang des Bundespräsidenten im Schloss Bellevue teilnehmen.

Am Nachmittag wird sie dann nach Villingen-Schwenningen zum Neujahrstreffen der Industrie- und Handelskammer Schwarzwald-Baar-Heuberg reisen. Sie wird dort gegen 18.30 Uhr eine Rede halten, in der es sicherlich um die Themen der Fachkräftesicherung, des deutschen dualen Ausbildungssystems und seiner Bedeutung gehen wird. Dieses Neujahrstreffen wird auf dem Messegelände in Villingen-Schwenningen stattfinden. Die Akkreditierung erfolgt bei der dortigen Industrie- und Handelskammer. - Das sind, soweit ich es absehen kann, die öffentlichen Termine der Bundeskanzlerin

Frage: Zum Gespräch mit Samaras: Steht dabei etwas Besonderes auf der Tagesordnung?

StS Seibert: Ich weiß jetzt nicht ganz, was Sie mit "etwas Besonderes auf der Tagesordnung" meinen. Die Bundeskanzlerin und der griechische Ministerpräsident stehen seit vielen Monaten in einem sehr regelmäßigen und intensiven Austausch, wie es natürlich auch andere Mitglieder der Bundesregierung mit Mitgliedern der griechischen Regierung sind. Er wird anlässlich dieses Wirtschaftsgipfels der Zeitung "DIE WELT" hier in Berlin sein. Es ist selbstverständlich, dass man die Gelegenheit nutzt, um beispielsweise die Fortschritte, die Griechenland bei seinen Reformanstrengungen macht, noch einmal passieren zu lassen.

Zusatzfrage: Werden die Lage in Griechenland und auch die Entwicklung in Zypern eine Rolle spielen?

StS Seibert: Ich will jetzt keine Themen ausklammern.

Frage: Ich habe eine Frage zum Abschiedsbesuch von Herrn Klaus: Verbindet die Bundesregierung mit dem Abschied von Herrn Klaus die Hoffnung, dass Tschechien eine ein bisschen konstruktivere Rolle innerhalb der EU einnehmen und beispielsweise doch noch dem Fiskalpakt beitreten wird?

StS Seibert: Zunächst einmal verbindet die Bundesregierung keine Hoffnungen mit dem Abschiedsbesuch von Herrn Klaus, sondern die Kanzlerin freut sich, Herrn Klaus am Ende seiner zweiten Amtszeit noch einmal empfangen zu können. Er war ihr immer ein hochinteressanter Gesprächspartner. Er hat vieles für das bilaterale Verhältnis der Tschechischen Republik und der Bundesrepublik Deutschland getan. Das gilt es zu würdigen.

Frage: An das Justizministerium zur Korruption bei Ärzten: Die Ministerin hat ja schon schärfere Gesetze ins Gespräch gebracht. Können Sie ein bisschen detaillierter sagen, woran sie dabei denkt? Geht es dabei um Änderungen am Standesrecht oder um strafrechtliche Vorschriften und möglicherweise auch darum, dass Staatsanwälte verpflichtet werden, bei Hinweisen zu ermitteln?

Albin: Vielen Dank für die Frage. Es gibt dem, was die Ministerin gestern gesagt hat, eigentlich nichts hinzuzufügen. Wir waren ein bisschen erstaunt über die eine oder andere Agentur, die von Staatsanwälten oder von Strafverschärfungen sprach. Der Wortlaut des O-Tons war: "Wenn sich aber Hinweise auf ein erhebliches Vollzugsdefizit des verpflichtenden Standesrechts verdichten, wird die Bundesregierung über gesetzliche Regelungen zur Ärztekorruption nachdenken müssen." Was das für Regelungen sind, hat sie ausdrücklich nicht gesagt. Das ist also hineininterpretiert worden.

Zusatzfrage: Dass sie es nicht gesagt hat, ist ja genau der Grund, weshalb ich nachfrage. Denkt sie also eher an eine Verschärfung standesrechtlicher Dinge oder an strafrechtliche Dinge?

Albin: Die Justizministerin ist erst einmal nicht primär für das Recht der Ärzte zuständig, sondern das ist das BMG. Wir beobachten das, und wir koordinieren das mit dem BMG, aber alle Fragen zur Regelung und auch Verschärfung betreffen als ersten Ansprechpartner erst einmal das Gesundheitsministerium.

Zusatzfrage: Dann habe ich eine Nachfrage an das BMG. Zurzeit prüfen Sie ja Stellungnahmen der betroffenen Vertretungen, Verbände etc. pp. Können Sie mittlerweile sagen, wie lange es noch dauern wird, bis diese Stellungnahmen ausgewertet sind?

Klaus: Dazu habe ich ja am Mittwoch schon gesagt, dass ich Ihnen einen Zeitplan dazu, wie lange das dauern wird, nicht nennen kann. Wir arbeiten sehr intensiv und werten das aus. Wir arbeiten eben daran, dann, wenn die Auswertung dieser Stellungnahmen vorliegen wird und wenn es notwendig ist, gegebenenfalls Regelungen zu erarbeiten. Sobald das geschehen ist, werde ich es Ihnen auch verkünden und sagen können, ob eine Regelung getroffen wird und wie diese genau ausgestaltet ist. Dabei arbeiten wir sehr eng mit dem BMJ zusammen.

Ich kann Ihnen zum Zeitplan jetzt nichts sagen. Die letzten Stellungnahmen sind Ende Dezember eingegangen. Bitte haben Sie Verständnis dafür, dass es eine gewisse Zeit braucht, um das auszuwerten und mit der Arbeit zu beginnen.

Frage: Ich habe eine Frage an das Finanzministerium. Es gibt Medienberichte, wonach Herr Schäuble für 2014 Einsparungen in Höhe von 5 Milliarden bis 6 Milliarden Euro plant. Können Sie dazu Konkreteres sagen und das auch bestätigen? Ist das korrekt?

In diesem Zusammenhang ist auch die Rede von einer Erhöhung der Tabaksteuer. Ist das eine zusätzliche Erhöhung, die geplant ist, oder ist das etwas, das ohnehin schon seit Längerem vorgesehen ist? Reiht sich das in die Pläne ein, die es schon gibt?

Blankenheim: Zunächst einmal zur Tabaksteuer: Die Tabaksteuer ist aufgrund des sogenannten Tabaksteuermodells zum 1. Januar 2013 gestiegen. Das Tabaksteuermodell wurde durch eine gesetzliche Regelung bereits im Dezember 2010 umgesetzt und sieht zum Jahresbeginn regelmäßig moderate Tabaksteuererhöhungen für Zigaretten und Feinschnitt bis zum Jahr 2015 vor. Es gibt einen Preisabstand zwischen Feinschnitt und Zigaretten, und diese Steuererhöhungsstufen sind so ausgestaltet, dass die steuerliche Belastung von Feinschnitt stärker ansteigt als die von Zigaretten. Darüber hinaus gibt es keine weitergehenden Pläne für Steuererhöhungen auf Tabakfeinschnitt.

Dann kommen wir zu der anderen Frage, die wirklich unabhängig davon zu betrachten ist. In Bezug auf das Haushaltsaufstellungverfahren hatte ich ja in der vergangenen Woche an dieser Stelle schon darauf hingewiesen, dass wir die Eckwerte 2014 bis 2017 und den Haushaltsentwurf 2014 derzeit vorbereiten. Es gibt eine Besprechung auf Ebene der Staatssekretäre, zu der wir eingeladen haben. Im März wird es dann im Kabinett auch den entsprechenden Beschluss dazu geben.

Vielleicht noch ein allgemeiner Hinweis zu diesen angeblichen Sparplänen: Die haben wir ja schon dementiert. Ich möchte insofern auch noch einmal darauf hinweisen, dass durch den Eckwertebeschluss im Grunde schon eine maximale Transparenz hergestellt wurde. Insofern ist diese ganze Berichterstattung über angebliche Sparpläne schon insofern hinfällig, als durch den Eckwertebeschluss letztendlich schon die größtmögliche Transparenz in Bezug darauf hergestellt wird, wie sich das Finanzministerium den Haushalt 2014 vorstellt. Das hat insofern überhaupt nichts mit Heimlichtuerei oder angeblichen Sparplänen zu tun. Das weisen wir zurück.

Zusatzfrage: Ist das mit den 5 Milliarden bis 6 Milliarden Euro für 2014 korrekt? Konkret haben Sie sich dazu jetzt nicht geäußert.

Blankenheim: Ich kann Ihnen nicht sagen, woher diese Zahlen kommen. Die kommen nicht aus unserem Haus, soweit ich das sehe. Letztendlich ist entscheidend, dass das Haushaltsaufstellungsverfahren jetzt beginnt und die weiteren Konkretisierungen dann vorgenommen werden.

Frage: Inwieweit gibt es denn noch Pläne, die Mehrwertsteuersätze einmal zu überarbeiten? Das wabert immer wieder herum und ist, glaube ich, auch im Koalitionsvertrag so festgelegt worden und dann mit Ausnahme der Hotelsteuer doch nicht umgesetzt worden. Haben Sie dieses Ziel aufgegeben?

Blankenheim: Mir sind dazu keine Pläne bekannt.

Zusatzfrage: Bleibt es denn politisches Ziel des Finanzministeriums, bei den Mehrwertsteuersätzen einmal etwas zu tun?

Blankenheim: Soweit ich weiß, sollte dazu eine Kommission einberufen werden, aber das ist ein älteres Thema. Es gibt in dieser Hinsicht gegenwärtig keine relevanten Pläne. Insofern kann ich dazu jetzt nichts Neues beisteuern.

Zusatzfrage: Auch der Minister hat ja häufiger gesagt, dass er irgendwie nicht ganz versteht, dass Schnittblumen und Hundefutter mit 7 Prozent besteuert werden. Hat sich das Ministerium also davon verabschiedet, einmal ein bisschen Licht in den Dschungel zu bringen?

StS Seibert: In dieser Legislaturperiode wird es keine Initiative in Sachen Mehrwertsteuer geben.

Frage: Herr Blankenheim, Sie haben gesagt, zum 1. Januar 2013 sei bereits eine weitere Stufe in Kraft getreten, was die Tabaksteuer betrifft. Können Sie das einmal ein bisschen mit Zahlen unterlegen? Mir sind die nicht geläufig. Was ist denn eigentlich die Zielmarke? Sie sagten, das solle bis 2015 weitergehen.

Blankenheim: Die Details kann ich so im Einzelnen jetzt nicht darlegen. Es gibt eine jährliche Preisanpassung in Höhe von 4 Cent bis 8 Cent pro Packung mit 19 Zigaretten. Im Feinschnittbereich, bezogen auf eine 40-Gramm-Packung, wird man von einem Preisschritt in Höhe von 12 Prozent bis 14 Prozent ausgehen können. Zu den Einzelheiten: Ich gehe einmal davon aus, dass wir auf der Internetseite des Finanzministeriums auch noch einmal im Detail über solche Fragen informieren werden. Ansonsten müsste ich Sie bitten, noch einmal nachzufragen.

Frage: Ich habe eine Frage an das Umweltministerium, und zwar zu dem Bericht über Pläne zu möglichen Atommüllsexporten ins Ausland. Ist es korrekt, dass eine Änderung des Atomgesetzes vorgesehen ist?

Strube: Sie beziehen sich wahrscheinlich auf einen Artikel der "Süddeutschen Zeitung" von heute. Die Intention dieses Artikels möchte ich doch sehr deutlich zurückweisen. Um es ganz klar zu sagen: Der Atommüll aus deutschen Kernkraftwerken wird in Deutschland endgelagert werden, nicht im Ausland.

Es ist richtig: Es gibt eine EU-Richtlinie. Deutschland ist verpflichtet, diese EU-Richtlinien eins zu eins umzusetzen. Der Hintergrund dieser Richtlinie ist der folgende: Diese Richtlinie zielt in erster Linie auf Länder, in denen die geographischen Voraussetzungen für eine inländische Endlagerung nicht gegeben sind. Das ist in Deutschland so nicht der Fall. Herr Altmaier hat sich ja heute noch einmal in der "Leipziger Volkszeitung" dahin gehend geäußert, dass er sehr zuversichtlich ist, dass man, wenn die Konsensgespräche nach der Niedersachsen-Wahl wieder aufgenommen werden, den Zeitplan einhalten kann, bis 2030 ein Endlager für hoch radioaktive Abfälle in Deutschland zu bekommen.

Im Übrigen: Die Umsetzung dieser EU-Richtlinie erfolgt parallel zum bestehenden Atomgesetz. Es gibt im Atomgesetz in § 9a den Grundsatz der sogenannten Inlandsendlagerung. Dort steht: Im Inland entstandene Abfälle sind grundsätzlich an ein vom Bund zu errichtendes Endlager abzuliefern. Dieser Grundsatz gilt auch weiterhin.

Frage: Trotzdem eine Nachfrage, Herr Strube. Das scheint ja doch Raum für Spekulationen zu lassen. Die Forderung von Umweltverbänden, die diesen Gesetzentwurf gelesen haben, ist, dass man das irgendwo noch einmal klipp und klar hätte hineinschreiben müssen. Das halten Sie also nicht für erforderlich?

Strube: Es ist juristisch nicht erforderlich, weil § 9a des Atomgesetzes gelten bleibt. Ich habe mir das gerade von den Fachleuten unseres Hauses noch einmal erläutern lassen. Es gilt dort juristisch die sogenannte Unberührtheitsregelung. Das heißt: § 9a bleibt so, wie er ist. Er folgt natürlich nach § 3a, der neu hineinkommt, nach dem Deutschland verpflichtet ist, bestimmte Passagen neu in das Atomgesetz aufzunehmen. Aber die Inlandslagerung bleibt so, wie sie ist. Daran wird sich nichts ändern.

Zusatzfrage: Das neue Gesetz wird grundsätzlich den Export von Atommüll legalisieren?

Strube: Nein, das kann man so nicht sagen. Es gilt § 9a. Es bleibt beim Vorrang der Inlandsendlagerung. Das heißt, es ist für Deutschland glasklar geregelt: Deutschland wird ein Endlager für hochradioaktive atomare Abfälle in Deutschland bauen. Dort werden die deutschen Abfälle endgelagert. Dabei bleibt es. Wir sind trotzdem verpflichtet, diesen Passus in das Atomgesetz aufzunehmen. Sie wissen, dass in Bezug auf eine EU-Richtlinie - auch wenn diese Richtlinie nicht partiell auf Deutschland gemünzt ist - trotzdem das Acquit übernommen werden muss. Wir müssen das trotzdem in das Atomgesetz aufnehmen.

Frage: Die Bundesregierung ist bei anderen Richtlinien durchaus schärfer gewesen. Bei anderen Sachthemen hat man sich sozusagen erlaubt, die nationale Rechtssprechung schärfer zu belassen, als es die EU-Richtlinie sozusagen vorgegeben hätte. Jüngst hatten wir das Beispiel in Sachen TÜV, wo gesagt wurde, dass die Regel in Deutschland so bleibt, wie sie ist. Hätte das Ministerium die Möglichkeit, diese EU-Richtlinie, von der es sagt, dass man diesen Passus übernehmen muss, in einer schärferen Form zu übernehmen? Oder sagen Sie "Wir nehmen ihn wortwörtlich und eins zu eins"? Gibt es eine wortwörtliche Übernahme?

Strube: Die EU-Regelung wird eins zu eins übernommen. Dennoch bleibt es, wie gerade ausgeführt, beim Vorrang des § 9a, also der Verpflichtung zur Inlandsendlagerung. Der Passus wird so übernommen, wie er in dem Gesetzentwurf vorgesehen ist. Es ist glasklar, dass dadurch unberührt ist, dass die hochradioaktiven Abfälle in Deutschland endlagert werden. Das ist das politische Ziel. Wir sind zuversichtlich, nach der Niedersachsen-Wahl im Konsens zu erreichen, dass dann ein Endlager in Deutschland auf einer weißen Landkarte gesucht werden kann. Die weiße Landkarte entspricht der deutschen Geografie.

Zusatzfrage: Herr Seibert, in dem Artikel der "Süddeutschen Zeitung" ist der Bundesregierung sozusagen unterstellt worden, dass man sich von der Verantwortung verabschiedet, in diesem Land produzierten Müll auch hier zu entsorgen. Hätte die Bundesregierung die Möglichkeit zu sagen "Da 9a die Inlandsendlagerung regelt, gibt es für Deutschland keinen Grund, etwas hinzuzufügen - die Regelung ist klar -, und andere Länder, bei denen möglicherweise die geografische oder geologische Situation, sind frei, das entsprechend zu regeln"?

StS Seibert: Ich glaube, der Kollege des Umweltministeriums hat in absoluter Klarheit und ohne jeden Spielraum für Spekulationen dargelegt, warum für uns nach wie vor der Grundsatz des § 9a in Sachen Inlandsendlagerung grundsätzlich herzustellen gilt. Damit ist doch eigentlich alles klar gesagt.

Ansonsten hat er auch klar gemacht, dass wir europarechtlich verpflichtet sind, diese Richtlinie zu übernehmen. Sie hat europarechtlich auch ihren Sinn, weil es Staaten gibt, die geografisch nicht in der Lage sind, eine Endlagerstätte bei sich zu finden. Für Deutschland gilt § 9a unverändert und grundsätzlich weiter. Ich finde, damit ist jeder Verdacht zurückzuweisen, man stehle sich aus seiner Verantwortung. Die deutsche Verantwortung für unseren hier produzierten Atommüll besteht unverändert und hundertprozentig fort.

Zusatz: Wenn ich noch eine Zusatzfrage stellen darf, weil ich kein Jurist bin.

StS Seibert: Ich auch nicht. Ich sage es lieber gleich.

Strube: Ich auch nicht.

Zusatzfrage: Vielleicht kann das Justizministerium Hilfe leisten. Ist ein Mitglied der EU immer verpflichtet, eine EU-Richtlinie umsetzen? Ich höre das, aber ich will es nicht glauben, weil ich es in der Vergangenheit so wahrgenommen habe, dass man sich über Richtlinien entweder nach dem Motto "Wir stehen nicht in Eile, das umzusetzen. Wir haben unseren eigenen Zeitplan" hinweggesetzt hat, oder man gesagt hat: "Wir sind stolz darauf, dass wir in unserer nationalen Rechtssprechung noch schärfer formulieren". Nur aufgrund dieser Sachverhalte wollte ich noch einmal nachfragen.

Albin: Die Frage ist eigentlich politisch gemeint. Damit spielen Sie auch auf die Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung an. Die Fragen, die Sie hier stellen, sind ein bisschen vermengt. Es gibt verschiedene Ebenen. Bei der Vorratsdatenspeicherung generell haben wir große Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Richtlinie selbst. Diese muss ihrerseits mit höherrangigem Recht vereinbar sein. Das wird vom EuGH aufgrund der Vorlage Irlands und der Vorlage aus Österreich noch einmal überprüft. Deswegen sind wir der Meinung, dass wir diese Richtlinie so nicht umsetzen müssen.

Was andere Richtlinien, Verschärfungen und Ausnahmen betrifft, so kommt es jeweils auf die Richtlinie an. Ich kann Ihnen dazu keine pauschale Auskunft geben. Es gibt Richtlinien, die nationale Alleingänge zulassen. Es gibt solche Richtlinien, die strikt sind. Das kommt auf die Richtlinie an. Ich habe diese Richtlinie nicht geprüft.

Zusatzfrage: Frau Mehwald, ich erinnere mich doch richtig, dass Herr Ramsauer stolz aus Brüssel zurückkam und es hieß, die Richtlinie in Sachen Kontrolluntersuchung für Fahrzeuge müsse nicht umgesetzt, weil unsere nationale Richtlinie strenger sei und es dabei bleibe.

Mehwald: Das ist ein Konsens von allen Mitgliedsländern gewesen, der überzeugt hat. Der Minister hat mit unseren TÜV-Richtlinien überzeugt. Insofern ist das keine Richtlinienumsetzung oder Nicht-Umsetzung, sondern die anderen Mitgliedsländer sind hinsichtlich der deutschen Auffassung mitgegangen, die der Minister vorgeschlagen hat. Insofern ist das kein juristisches Thema gewesen.

StS Seibert: Ich schlage vor, wir lassen Ihnen eine juristische Begründung aus dem BMU zukommen, warum diese EU-Richtlinie umzusetzen war. Das scheint mir ein Verfahrensvorschlag zu sein, auch wenn ich das BMU damit jetzt gerade in die Pflicht genommen habe.

Strube: Das ist schon in Ordnung.

Frage: Herr Strube, die Umweltverbände hatten sich beschwert, dass die Frist für Einwände, Bewertungen usw. so knapp bemessen war und heute abläuft. Warum wurde sie so knapp bemessen? Warum kann man sie nicht verlängern?

Strube: Weil diese Richtlinie bis zum 23. August 2013 umgesetzt wurden muss. Sie geht vorher noch in das Kabinett, was wir zeitnah anstreben. Der Zeitrahmen, der dort gewählt wurde, ist kein unüblicher. Das wird bei anderen Gesetzentwürfen ähnlich gehandhabt.

Im Übrigen haben diejenigen, die angeschrieben wurden, meines Erachtens auch geliefert. Sie haben es offensichtlich hingekriegt. Es mag sein, dass sich jemand beschwert. Aber es ist kein unüblicher Vorgang.

Frage: Vielen Dank für die Vorlagen des BMJ und des Verkehrsministeriums, über die Verbindlichkeiten der Umsetzungsrichtlinien nachzudenken. Ich würde speziell bezogen auf Ihr Gesetz noch einmal versuchen, die Hintertürchenfrage andersherum zu stellen.

Wenn es § 9a gibt und künftig den neuen § 3a gibt, wenn ich das richtig in Erinnerung habe, dann müsste doch für den Fall, dass ich § 3a anwenden will, nur definiert werden, dass in Deutschland keine sichere Endlagerung möglich ist. Die Antwort auf diese Frage kennen wir ja offensichtlich noch nicht. Denn wenn wir die Antwort auf diese Frage kennten, hätten wir nicht ein seit Jahrzehnten bestehendes Problem, einen geeigneten Endlagerstandort zu finden.

Strube: Das sind genau die Spekulationen, auf die dieser Artikel abzielt. Wenn Sie sich den Kommentar zu dem Artikel durchlesen, wird sehr deutlich, dass genau das das Ziel ist. Es ist die Rede vom Jahr 2049 und dass man nicht wisse, was dann der Fall sein werde. Das Vorhaben ist ganz klar: Nach der Niedersachsen-Wahl gehen die politischen Konsensgespräche bezüglich Endlager erneut los. Herr Altmaier hat sich heute in der "Leipziger Volkszeitung" sehr zuversichtlich geäußert, dass man sogar den ursprünglich von Rot-Grün geplanten Zeitrahmen bei gutem Willen und guter Arbeit aller auch einhalten kann. An solchen Spekulationen, was möglicherweise in 30, 40, 50 Jahren ist, beteilige ich mich heute nicht.

Zusatzfrage: Nein, es geht dabei um etwas anderes - jetzt unabhängig von der Frage, dass ich zu meiner Meinungsbildung den Kommentar der "Süddeutschen Zeitung" noch nicht hinzugezogen habe.

Wenn nicht geklärt ist, ob man in Deutschland irgendwo sicher endlagern kann, dann ist diese Frage doch nicht erst im Jahr 2049 oder folgende zu klären, sondern dann muss sie doch möglicherweise in den nächsten Jahren beantwortet werden, nämlich wenn man feststellt: Die Granitformationen, die Salzformationen oder so etwas sind nicht geeignet, sicher zu lagern. Dann wird doch plötzlich § 3a interessant - und nicht erst in 40 oder 50 Jahren, sondern in den Jahren, in denen man sich eigentlich mit der Planung und dem Bau eines eigenen Endlagers befassen müsste.

Strube: Nochmals: Es gilt das klare politische Ziel, ein Endlager in Deutschland für die deutschen hoch radioaktiven Abfälle zu finden. Wir sind zuversichtlich, dass wir das schaffen werden. Alle anderen Spekulationen haben sich für heute damit erübrigt.

Frage: Wenn ich darf, eine kurze Nachfrage zu den Terminen der kommenden Woche - das habe ich eben verpasst -: Ist bei dem Treffen am Dienstag von Frau Merkel und Herrn Samaras eine Pressekonferenz geplant, und wenn ja, wann?

StS Seibert: Nein, das ist ein informeller Meinungsaustausch. Es findet keine Pressekonferenz im Anschluss statt.

Frage: Eine Frage an das Familienministerium: Es geht um den Rechtsanspruch auf einen Kita-Platz. Vor einer Stunde saß hier an gleicher Stelle der Städte- und Gemeindebund und hat darüber geklagt, dass dieser Rechtsanspruch zum gegebenen Termin auf keinen Fall einzuhalten ist. Welche Überlegungen gibt es dazu in Ihrem Haus?

Steegmans: Ich habe es eben auch erst aus den Agenturen erfahren.

Wir haben seitens des Städte- und Gemeindebundes, seitens einzelner Kommunen oder auch seitens einzelner Länder bislang keinerlei offizielle Mitteilung dieser Art, dass der Rechtsanspruch nicht zu halten wäre. Nur das Bundesland Bremen hatte im letzten Jahr Zweifel geäußert, ob es einen Rechtsanspruch schaffen könnte, hat diese Zweifel dann aber wieder zurückgezogen. Insofern sind wir von dieser Mitteilung sehr überrascht.

Wir gehen weiter davon aus, dass alle von ihrer Verantwortung wissen. Bund, Länder und Kommunen haben sich 2007 zum Rechtsanspruch verpflichtet. Das Geld, das der Bund zugesagt hat, ist in vollem Umfang bereitgestellt worden. Der Bund hat gerade erst vor wenigen Wochen 580 Millionen Euro für zusätzliche 30.000 Kita-Plätze bereitgestellt. Wir erwarten, dass sie rasch bewilligt und auch abgerufen werden. Das heißt also, wenn alle Beteiligten zu ihren Verpflichtungen aus den Jahren 2007 fortfolgenden stehen und die Mittel, die der Bund bereitgestellt hat, nutzen, sollte der Rechtsanspruch zu schaffen sein.

Zusatzfrage: Wie weit gibt es Überlegungen, privaten Investoren, von deren Seite es ja die Bereitschaft gibt, private Kitas zu eröffnen, unter Umständen die Genehmigungsverfahren zu erleichtern?

Steegmans: Das müssen Sie die Länder und Kommunen fragen, weil sie für das Genehmigungsrecht zuständig sind.

*

Quelle:
Mitschrift der Pressekonferenz vom 4. Januar 2013
http://www.bundesregierung.de/Content/DE/Mitschrift/Pressekonferenzen/2013/01/2013-01-04-regpk.html
Presse- und Informationsamt der Bundesregierung
Dorotheenstr. 84, 10117 Berlin
Telefon: 030 18 272-0, Fax: 030 18 10 272-0
E-Mail: internetpost@bpa.bund.de
Internet: www.bundesregierung.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 8. Januar 2013